Rein politische Entscheidung für Gorleben

Heinz Eckel 07.09.2009 13:02 Themen: Atom Weltweit Ökologie
Der Geologe und emeritierte Professor Gerd Lüttig erklärte in einem Interview des „Deutschlandfunks“, bei der Entscheidung des damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht (CDU) für Gorleben anwesend gewesen zu sein. Diese Entscheidung fiel seiner Aussage nach 1977 aus rein politischen Gründen. Geologisch sei die mangelnde Eignung Gorlebens schon Mitte der siebziger Jahre durch die von ihm erstellten Gutachten bekannt gewesen, und zwar auch dem damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD).
Lüttig war Anfang der siebziger Jahre Vizepräsident des niedersächsischen Amts für Bodenforschung und als Gutachter freigestellt, um im Auftrag der Energieversorgungsunternehmen rund 100 Salzstöcke in Niedersachsen auf ihre Eignung als atomare Endlager zu überprüfen. Gorleben befand sich nicht unter den ersten drei Salzstöcken, die als am ehesten geeignet angesehen wurden, sondern lediglich unter den ersten acht. Grund hierfür war die Befürchtung, dass sich im Gorlebener Salstock Carnalit-Schichten befinden könnten.

Carnalit (andere Schreibweise: Carnallit) ist ein kaliumhaltiges, farbloses, jedoch durch Eisenoxidhydrateinschlüsse oft rötlich erscheinendes Salzgemisch, welches einen niedrigen Schmelzpunkt von nur ca. 300 Grad Celsius aufweist. Durch Aufwärmung kann es bei Einlagerung radioaktiver Substanzen zum Schmelzen des Carnalits kommen, was eine Verformung des Salzstocks und somit dessen Instabilität nach sich ziehen kann. Carnalit ist außerdem leicht wasserlöslich, auch dies ein Grund für eine mögliche Salzstock-Instabilität. Gefunden wurde Carnalit übrigens auch in Morsleben und in der Asse, wie Aufnahmen des Geo-Museums der TU Clausthal zeigen, siehe
 http://geomuseum.tu-clausthal.de/minerale.php?section=21300&level=10&name=Carnalit
und
 http://geomuseum.tu-clausthal.de/minerale.php?section=21300&level=10&name=Carnalit&details=&nr=1&select=1

Da es sich bei Gorleben – im Unterschied zur Asse und zu Morsleben – nicht um ein bereits stillgelegtes (und somit gut bekanntes) Salzbergwerk handelt, ist anzunehmen, dass die Betreiber die Entdeckung solcher Carnalit-Schichten gegebenenfalls nicht unbedingt an die große Glocke hängen dürften, sondern möglicherweise zu vertuschen versuchen. Aufmerksame Beobachtung der Vorgänge rund um das als „Erkundungsbergwerk“ getarnte geplante Endlager kann also nicht schaden.

Wie der Geologe Lüttig berichtete, war zum Zeitpunkt der Entscheidung Ernst Albrechts für Gorleben auch der Schacht in Morsleben schon technisch nicht in Ordung, und es gab auch damals dort schon Wasserzuflüsse. Albrecht fürchtete, dass Morsleben absaufen würde und radioaktiv verseuchte Wässer in Richtung Niedersachsen abfließen könnten. Als Replik darauf habe Albrecht erbost einen Endlagerstandort „in der Nähe der Zonengrenze“ gewünscht und sei durch einen Nachbarn auf Gorleben gebracht worden. Trotz der explizit vorgetragenen Einwände Lüttigs habe er sich damals dann für Gorleben entschieden.

Das gesamte Interview mit dem Geologen Lüttig stelle ich hier als MP3-Datei ein. Es wurde in den Sendungen „Informationen am Mittag“ und „Das war der Tag“ des DLF vom 6.9.09 ausgestrahlt und kann auch von der Website des „Deutschlandfunks“ heruntergeladen werden.

Auch die Süddeutsche Zeitung berichtet bereits (wesentlich kürzer) über diese Zusammenhänge, siehe  http://www.sueddeutsche.de/politik/997/485424/text/3/
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