Demo gegen Abschiebehaft in Büren

Ich 30.08.2009 01:21 Themen: Antirassismus Repression Soziale Kämpfe
Demonstration gegen Abschiebehaft von Polizeiübergriffen überschattet

Rund 300 Menschen demonstrierten am heutigen Samstag, den 29.08.09 in Büren friedlich gegen Abschiebehaft und für weltweite Bewegungsfreiheit. Kurz vor der Abschlusskundgebung kam es zu polizeilichen Übergriffen, bei der zwei Demonstranten verletzt wurden.
Begonnen hatte die Demonstration gegen Mittag mit einer Kundgebung vor der JVA Büren. Sie fand im Rahmen der Aktionswoche gegen Abschiebung vom 24.8. bis 31.8.09 statt, in der in vielen deutschen Städten unterschiedlichste Protestaktionen gegen Abschiebungen gelaufen sind. In mehreren Redebeiträgen wurde auf der Demonstration in Büren die Abschiebehaft als rassistisch kritisiert und deren Abschaffung gefordert. Außerdem wurde auf den Zusammenhang von Migrationskontrolle und Kapitalismus verwiesen. Nach der kapitalistischen Logik werden bis zu ein Drittel der Weltbevölkerung überflüssig: Ihr Tod wird, wie an den EU-Außengrenzen im Mittelmeer und Atlantik, in Kauf genommen.
Auch ein ehemaliger Häftling aus der JVA kam zu Wort. Er beschrieb, dass er während seiner 14tägigen Haft geschlagen worden war und ihm eine notwendige medizinische Behandlung mit Insulin und Blutdrucksenker vorenthalten wurde.
Nachdem Grußworte in verschiedenen Sprachen an die Gefangenen verlesen worden waren, zog die Demonstration durch die Innenstadt von Büren. Kurz bevor sie auf dem Marktplatz angekommen waren, soll ein Demonstrationsteilnehmer die Kameraaufzeichnungen der Polizei mit Stasimethoden verglichen haben. Er wurde daraufhin von Mitgliedern einer Hundertschaft der Bielefelder Polizei, die für ihre brutalen Polizeieinsätze bekannt sind, zu Boden geworfen und festgenommen. Dabei verletzten sie ihn so stark, dass er sich im Krankenhaus behandeln lassen musste. Er trug eine Schädelprellung und Prellungen an Handgelenken und am Knie davon. Ein anderer Demonstrant wurde bei seiner Verhaftung von Polizisten mit dem Kopf gegen eine Schaufensterscheibe gestoßen, so dass seine Nase blutete.
Erst mit Verzögerung begann die Abschlusskundgebung, bei der in weiteren Redebeiträgen Abschiebehaft in die Kontinuität von Weimarer Republik und Drittem Reich gestellt wurden. Beeindruckend waren auch die Schicksake von Inhaftierten, die von Mitgliedern des Vereins Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V. vorgetragen wurden. Sie machten deutlich, wie unmenschlich Abschiebehaft ist und welches Unrecht den Menschen hinter den Mauern der Abschiebehaft wiederfährt. In Sprechchören forderten die Kundgebungsteilnehmer ein Bleiberecht für alle Menschen und Bewegungsfreiheit.
Anschließend spielte die Compania Bacalan, eine Band, die verschiedene Weltmusik-Stile mischt und sie zu einem ganz besonderen Klangerlebnis bringt. Gegen 18 Uhr war die Demonstration beendet.
Frank Gockel, Versammlungsleider der Demonstration und Mitglied der Büren Gruppe Paderborn äußerste sich sehr zufrieden über die Demonstration: „Die unterschiedlichsten Redebeiträge haben deutlich gemacht, wie inhuman die Abschiebehaft ist. Alle Abschiebegefängnisse müssen sofort geschlossen werden.“ Entsetzt war Gockel über den Polizeieinsatz: „Es ist erschütternd, dass solch eine friedliche Demonstration wie die heutige von einem solchen brutalen Polizeieinsatz überschattet wird. Dieses lässt tief in das Demokratieverständnis der Paderborner Polizei blicken.“

Zentrale Internetseite der Aktionswoche:  http://www.gegenAbschiebung.de
Hintergründe zum Gedenktag 30. August:  http://www.30August.org
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Ergänzungen

Rede der Bürengruppe

Bürengruppe Paderborn 30.08.2009 - 11:12
Hier ist der Redebeitrag der Bürengruppe am Knast:

Liebe Freundinnen und Freunde, Genossinnen und Genossen!

Es ist wieder August! Das ist die Zeit, in der die Abschiebeknäste brennen!

Anfang dieser Woche ist der ehemalige Abschiebeknast in Zweibrücken abgebrannt. Die Diskussionen um eine Nachnutzung haben sich damit vorerst erledigt. Zwischen 1996 und 2005 saßen dort jährlich etwa 800 Häftlinge ein.
Ein paar Tage zuvor war das im Bau befindliche Knastgebäude in Rotterdam Opfer eines Brandanschlages, auch hier steht eine Nutzung erst mal in den Sternen.

Liebe Freundinnen und Freunde, antirassistische Proteste haben in diesem Monat eine Intensität und Tiefe entwickelt wie schon lange nicht mehr.
The Voice und die Karawane-Gruppen haben ihre Kampagne gegen Lagerunterbringung und Residenzpflicht verstärkt. Die Abschiebung des Voice-Aktivisten Felix Otto am Dienstag nach Kamerun hat bundesweite Resonanz ausgelöst. Er sollte acht Monate in den Knast wegen Verstößen gegen die Residenzpflicht. Vor seiner Abschiebung ist er mit Medikamenten ruhig gestellt und an Händen und Füßen gefesselt worden, fünf Tage lang. Aber es gibt keine Folter in Deutschland?!

Diese Demo ist ja Teil der bundesweiten Aktionswoche gegen Abschiebung, das dürfte sich mittlerweile rumgesprochen haben. Während dieser Woche haben – nach bisherigem Stand – in 19 verschiedenen deutschen Städten mindestens 37 Veranstaltungen und Aktionen für Bewegungsfreiheit, gegen Rassismus und Abschiebung stattgefunden. Das ist ein Riesenerfolg!
Ich greife mal ein paar heraus: Begonnen hat die Aktionswoche mit einer Auftaktdemo vergangenen Samstag in Mainz, Kundgebungen und Demos hat es außerdem gegeben in Bielefeld, Magdeburg, Zweibrücken, Wiesbaden, Remscheid, Oldenburg, Neuss und Göttingen. Heute findet parallel ein Aktionstag gegen Residenzpflicht in Mannheim und Ludwigshafen statt.

Ich habe von der Intensität und Tiefe des antirassistischen Protestes gesprochen. Denn nicht nur hier in Deutschland – auch auf der griechischen Insel Lesbos finden Proteste statt. Dort ist am Mittwoch das NoBorder-camp gestartet. Bereits Tage davor gab es Aktionen, v.a. im knastähnlichen Abschiebelager Pagani. Dort ist es Aktivistinnen gelungen, nicht nur Briefe, sondern auch Videomaterial aus dem Inneren zu veröffentlichen. In dem Lager, das für 250 konzipiert worden ist, sitzen regelmäßig 800 – 1000 Menschen ein, davon aktuell 280 Minderjährige sowie Familien mit Babies und schwangere Frauen. Hundert Personen sind gezwungen, sich eine Toilette zu teilen. Es mangelt an Betten, so dass viele Personen auf dem Boden schlafen müssen. Auch die medizinische Versorgung ist miserabel.

Gestern abend hat es erneut eine Demonstration vor dem Lager Pagani gegeben, organisiert von NoBorder-Aktivist*innen. (Hier folgte ein kurzer Bericht der Demo. Wir hatten zuvor mit einem Aktivisten auf Lesbos telefoniert)

In den vergangenen Jahren haben die südeuropäischen Küstenwachen und die EU-Grenzschutzagentur Frontex ihre Abwehrmaßnahmen massiv aufgestockt. Die Folgen sind fatal: 8114 Tote im Mittelmeer und Atlantischen Ozean zählte ProAsyl in dem Aufruf für die Kampagne »Stoppt das Sterben«. Die griechische Hafenpolizei und die mit ihnen arbeitenden Frontex-Einheiten drängen die Boote mit Flüchtlingen immer wieder zurück in Richtung Türkei. Dabei wird billigend in Kauf genommen, dass die Boote in Seenot geraten. Immer wieder ertrinken deshalb Flüchtlinge. Die Außengrenzen Europas sind für Migrant*innen längst zum Massengrab geworden.
Alle diese Menschen, ausgestattet mit menschlicher Würde und „unveräußerlichen Menschenrechten“, sind ertrunken, verhungert oder erfroren, weil sie in „Europa“ als bedrohliche Eindringlinge und als wirtschaftlich „Überflüssige“ angesehen werden.

Erst die Regulierung von Migration, die Grenzsicherung und Migrationssteuerungsversuche machen aus Migrant*innen sogenannte >>Flüchtlinge und „Illegale“Zonen des LebensZonen des Todes<. Das ist ihr Kern, vor dem die humanitär gesinnten Nichtregierungsorganisationen ihren Blick oft verschließen. Das ist ihr Kern, die Aufrechterhaltung der Ungleichheitsordnung, die weltweite Klassenschranke.

Es geht um viel mehr als um die Verteidigung eines verkümmerten Asylrechts. Migrationspolitik ist eine Facette der Herrschaftssicherung zugunsten der reichen Länder des Nordens. Darum geht es für uns um Bewegungsfreiheit, für alle Menschen, weltweit!
Und diese Freiheit, liebe Genossinnnen und Genossen, diese Freiheit wird erkämpft, nicht erbettelt!
Dafür stehen wir heute hier, dafür haben wir diese Woche zu einer Woche gegen Abschiebung gemacht, dafür streiten auch unsere Freundinnen und Freunde auf Lesbos und an vielen anderen Orten dieser Welt.

Unser Ziel ist eine Welt, in der kein Mensch unerwünscht oder überflüssig sein darf.

Bilder von der Demo

no border no nation no prison 30.08.2009 - 11:15
Hier sind einige Bilder von der Demo. Mehr gibts demnächst auf unserer Homepage.

kein einzelfall

acab 30.08.2009 - 12:36
Bei den Festnahmen wurde zu dem die Pressearbeit eines Fotografen mit Gewalt unterbunden, der versuchte das Geschehen zu dokumentieren.
Dieses agressive Vorgehen seitens der Polizei stellt in den letzten Tagen und Wochen eine beunruhigende Entwicklung dar !

persofeststellungen

afa 30.08.2009 - 20:55
Nach Beendigung der Kundgebung, hinderte die Polizei eine Gruppe vom AktivistInnen bei der Abreise und verlangte die Personalien zweier Personen. Nach weiteren Drohungen (angedrohte Festnahme, Widerstand etc.)und den ersten Kesselversuchen der Polizei mussten die zwei ihre Persos abgeben (wegen angeblicher Wildplakatierens) und bekammen Ordnungsgelder angedroht.
Insgesamt war die Polizei an diesem Tag sehr aggressiv und übermotiviert.

Feuerwehr

Tatü Tata 30.08.2009 - 22:15
Vergessen wurde, dass sich auf dem vor den DemonstrantInnen abgesicherten Gelände der JVA offensichtlich sämtliche Feuerwehrautos der Umgebung befanden. Zumindestens wirkte, dass so als kurz vor Ende der Kundgebung Massen von Feuerwehrautos das Gelände verließen. Wenn es während der Kundgebung irgendwo in der Nähe ernsthaft gebrannt hätte, wären die Leute gearscht gewesen.
Anscheinend hat der Bielefelder Staatsschutz das Gefahrenzenario entworfen, dass die DemonstrantInnen vor hätten den Abschiebeknast anzuzünden. Wahrscheinlich, weil zuvor zwei leerstehende ehemalige Abschiebeknäste gebrannt hatten. Ich weiss nicht, ob die sich nicht überlegt hatten, dass durch Brandstiftung, die Insassen auch gefährdet werden könnten. Und da die DemonstrantInnen sich für die Insassen einsetzen würden sie somit den Knast nicht anzünden.
Die anderen Prognosen über die Gefährlichkeit der DemonstrantInnen, dürfte ähnlich fantastisch gewesen sein. So ist zumindestens die Agressivität der Bereitschaftspolizei von Anfang an zu erklären und auch die rechtswidrigen Verhaftungen und Übergriffe von derselben.

Demo in Würzburg am 5.

irrelevant 01.09.2009 - 17:04
Auch in Würzburg, Nordbayern, gibts es ein großes Lager für Flüchtlinge, euphemistisch als "Gemeinschaftsunterkunft" bezeichnet. Doch auch hier formiert sich Widerstand. Ein linksradikales Bündnis ruft zu einer überregionalen Demonstration am 5.9. auf.

Um 12 Uhr wird es am Würzburger Hauptbahnhof losgehen.

Solidarität mit allen von Abschiebung bedrohten Menschen!!
Abschiebeknäste zu Baulücken!

 http://noborders.blogsport.de

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