Dresden: Urteile ein Jahr nach EM-Krawallen

addn.me 30.07.2009 01:54 Themen: Antifa Antirassismus
In Dresden fielen gestern mehr als ein Jahr nach den schweren Übergriffen im Anschluss an das EM-Halbfinale zwischen der Türkei und Deutschland 2008 und nicht einmal einen Monat nach dem rassistischen Mord im Dresdner Landgericht die Urteile. Zwei der drei Angeklagten wurden vor dem Amtsgericht aus Mangel an Beweisen freigesprochen, der dritte Tatverdächtige wurde zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.
Mehr als ein Jahr nach den gezielten schweren Übergriffen von mehreren dutzend Nazis auf drei Lokale in der Dresdner Neustadt fielen gestern die Urteile vor dem Dresdner Amtsgericht für drei der vier Angeklagten. Der Vorsitzende des Jugendschöffengerichtes, Markus Vogel, sprach zwei der drei Angeklagten vom Vorwurf des schweren Landfriedensbruchs frei, da es dem Gericht an der zu einer Verurteilung "nötigen Sicherheit" gefehlt habe. Als Grund für die beiden Freisprüche sieht das Gericht einmal mehr die "schlechte Ermittlungsarbeit" der Polizei am Abend der Überfälle an. Einer der drei Angeklagten wurden zu einer Jugendfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten auf Bewährung verurteilt. Er hatte nach dem Abend vor Zeugen mit der Tat angegeben.

Bereits im März war mit dem 21-jährigen Willy Kunze der mutmaßliche Rädelsführer der Überfälle vor dem Dresdner Landgericht zu einer zweieinhalbjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Bei der Verhandlung hatte das Gericht keine eindeutigen rassistischen Motive erkennen wollen und war weit unter der von der Staatsanwaltschaft geforderten dreieinhalbjährigen Haftsstrafe geblieben. Knapp vier Monate nach dem Urteil wurde Willy Kunze aus seiner fast einjährigen Untersuchungshaft zumindest vorerst entlassen. Die Richter am Oberlandesgericht konnten beim mehrfach vorbelasteten Hauptverdächtigen keine Wiederholungsgefahr erkennen.

Damit sitzt ein Jahr nach der Tat nicht einmal einer der mehr als 50 schwarzvermummten Nazis in Haft. Ein sehr gutes Beispiel, wie es um die Polizeiarbeit aber auch die Justiz in Sachsen bestellt ist. Während auf der einen Seite am Tag der Überfälle die Polizei tatenlos mit angesehen hat, wie Menschen verprügelt, Läden attackiert und türkische Fahnen verbrannt wurden, konnte und wollte die Justiz auch Monate nach der Tat kein rassistisches Motiv bei den wenigen Tatverdächtigen erkennen. Dazu kommen eine schweigende Öffentlichkeit und politische Lippenbekenntnisse die ein Schlag ins Gesicht für all die Menschen sind, die sich oft ehrenamtlich gegen Rassismus und für ein menschenwürdiges Zusammenleben nicht nur in Dresden einsetzen.
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Ergänzungen

Gera: Prozessauftakt gegen 2 Neonazis

Radio Corax 30.07.2009 - 10:04
Judith Albrecht sprach mit Heike vom Miteinander e.V. zu dem aktuellen Stand:
 http://www.freie-radios.net/portal/content.php?id=29242

Ergänzung

antifa 30.07.2009 - 13:17
Felix M, einer der frei gesprochenen Nazis von gestern, arbeitete wie der bereits vor ein paar Monaten verurteilte Willy K und weitere an der Tat beteiligte Nazis im "Security"unternehmen "Ihre Wache". Das Unternehmen ist u.a. für die Sicherheit im inzwischen komplett umgebauten neuen Stadion des ortsansässigen Fußballvereins SG Dynamo Dresden zuständig. Außerdem arbeiten Personen aus dem Unternehmen im so genannten Szeneviertel Äußere Neustadt als Sicherheitspersonal. In der gerade bei Studenten beliebten Kneipe "Hebedas", im sich selbst als Gay-Bar bezeichneten "Queens" und im besonders bei Nachtschwärmerinnen und Nachtschwärmern beliebten "Blue Note" will ausgerechnet das Unternehmen für Ruhe und Ordnung sorgen, dass sich trotz der offenkundlichen Überschneidungen mit der Dresdner Nazi- und Hooliganszene noch nicht einmal die Mühe gemacht hat, von Nazis zu distanzieren. Je nach Veranstaltungsort fallen Personen aus dem Unternehmen auch immer wieder durch das Tragen der gerade bei Nazis beliebten Modemarke "Thor Steinar" auf. Die Beispiele zeigen nicht nur, wie unkritisch mit dem Thema Nazis selbst in vermeintlich "alternativen" Freiräumen umgegangen wird, sondern auch wie anschlussfähig rechte Ideologie in einer Stadt ist, die sich selbst als weltoffen bezeichnet. So lange sich an den Zuständen in Dresden aber auch in weiten Teilen der Gesellschaft nichts ändert, bleibt antifaschistisches Engagement aber auch offensives Vorgehen gegen neue und alte Nazis schlichtweg eine Notwendigkeit.

Bis zum heutigen Tag hat sich weder der Verein SG Dynamo Dresden, noch das Unternehmen "Ihre Wache" bei den Opfern der rassistischen Übergriffe ihres Personals entschuldigt oder gar Versuche unternommen, Teil eines zivilgesellschaftlichen Bündnisses gegen Rechts zu werden.

Mann fürs Grobe?

Gabi 30.07.2009 - 15:07

Das Kulturzentrum Scheune hatte für den Abend eine professionelle Security gebucht, bei der auch Tilo Kriegel, ein seit Jahren bekannter Nazi aus dem Umfeld der sogenannten "Freien Kräfte Dresden", beschäftigt war. Dies führte zu handgreiflichen Auseinandersetzungen, so dass ihn die Security von seinem Einlassposten abziehen musste. Die Verantwortlichen der Scheune bedauern zwischenzeitlich den Umstand seiner Anwesenheit.

Kriegel, der auf den ersten Blick unscheinbar daherkommende Student der HTW in Dresden, dem für diesen Securityjob nicht zuletzt sein Kickboxtraining bei der Kampfsportakademie Dresden - für die er auch an Wettkämpfen teilnimmt - hilfreich sein dürfte, lebt sich allerdings viel lieber beim Fussball oder den "Freien Kräften" aus. Egal ob in Pirna am 12.06.2004, als etwa 100 Nazis aus Dresden und der Sächsischen Schweiz versuchten die antifaschistische Demonstration "Kein schöner Land" anzugreifen oder im Jahre 2005, als Veranstaltungen von "Bürger.Courage" in Dresden am 12.06. und 16.06. zum Ziel der Nazis wurden - Kriegel ist immer dabei.

Mehr dazu unter: http://venceremos.antifa.net/art/review/0107/0107_02.htm
 http://venceremos.antifa.net/art/review/0507/0507_02.htm



Ergänzung 2

antifa 30.07.2009 - 15:38
Das Security-Unternehmen "Ihre Wache" ist nicht nur in der Äußeren Neustadt und im Eventbereich präsent, sondern darüber hinaus auch bei Großveranstaltungen in Dresden. So sind sie u.a. bei Deutschlands größtem Uni-Open-Air "CampusParty", dem international bekannten "Dixieland" oder aber bei Freiluftveranstaltungen in der "Jungen Garde" oder den "Filmnächten am Elbufer" für die Sicherheit zuständig.

Es kann nicht sein, dass die Verantwortlichen der Stadt nach schweren rassistischen Vorfällen wie dem brutalen Mord im Dresdner Landgericht davon sprechen, etwas verändern zu wollen, während ein Security-Unternehmen, dass sich offensichtlich aus Nazis und Hooligans zusammensetzt, für die Sicherheit bei Veranstaltungen an der Universität und bei anderen von der Stadt zumindest teilfinanzierten Großereignissen verantwortlich zeigt.

foto

antifa 30.07.2009 - 17:44
Hier mal ein Foto:

imageshack.us

2. Person von links Paul Lindner (NPD) / 3. Person von links Felix "Mammut" Mosemann / 2. von rechts Willy "Kunzino" Kunze

Mosemann und Kunze waren am
13. Februar 2008 auf dem Heidefriedhof bei den offiziellen Trauerfeierlichkeiten für die Opfer der alliierten Luftangriffe vom Februar 1945 als Personenschutz für die NPD-Landtagsabgeordneten anwesend.

ACAB

riotkid 30.07.2009 - 23:08
Bei anderen "Straftaten" in Dresden ist die Polizei weniger zögerlich:

Immer weniger Dresdner lassen sich rechtsextreme Wahlplakate vor ihren Haustüren gefallen. Gestern Morgen haben zwei Männer (18, 25) auf der Hansastraße mehrere Plakate zerstört. Die Polizei hat die beiden nach einem Bürgerhinweis gestellt. In Cossebaude hat die Polizei weitere 36 beschmierte und zerstörte rechte Plakate festgestellt. Bereits am späten Dienstagabend haben drei Anwohner auf der Boltenhagener Straße, Klotzsche, frisch aufgehängte Plakate abgenommen. Doch plötzlich kehrten die beiden Plakatierer (19, 30) zurück und es gab Streit. Schließlich flüchtete das Trio (18, 24, 26) in ein Anwesen. Beim Schließen des Hoftors wurde der 19-jährige Verfolger leicht verletzt. In allen Fällen ermittelt nun der Staatsschutz. (lex)

Quelle: Sächsische Zeitung (31.07.09)

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