Augsburg: TierbefreiungsaktivistInnen vor Gericht

Liselotte Meier 16.02.2009 00:18 Themen: Biopolitik Repression Ökologie
Am Dienstag, den 20.01.2009 fand im Augsburger Amtsgericht der Prozess gegen drei TierbefreiungsaktivistInnen statt. Neben ein paar RentnerInnen, die sich nach eigenen Aussagen die Prozesse immer mal wieder anschauen, fanden sich ca. 50 UnterstüzerInnen und mehrere PressevertreterInnen ein, zusätzlich erschienen auch 2 Personen, die der Neonaziszene zuzuordnen sind.
Sicherheitsschleusen sorgen für Verspätung

Die Anklage lautete Gefährliche Körperverletzung und anderes ( http://de.indymedia.org/2009/01/238028.shtml). Den Vorsitz hatte die Richterin Holzer, begeisterte Jägerin und bekannt unter dem Namen Beton-Gaby. Erst einmal mussten ProzessteilnehmerInnen und ZuschauerInnen durch zwei Schleusen mit Metalldetektoren hindurch, um in den Gerichtssaal zu kommen. Das dauerte solange, dass die Angeklagten vorgezogen werden mussten und die Untersuchungen auch eine Stunde nach Prozessanfang immer noch nicht abgeschlossen waren. Die Schwester einer Angeklagten bekam von den übereifrigen BeamtInnen beim Einlass erst einmal eine Anzeige wegen eines 2 Monate abgelaufenen Ausweises. Als etwa 20 Leute noch vor den Schleusen standen, hieß es kurzfristig, es gäbe keinen Platz mehr im Gerichtssaal, man hätte sowieso den zweitgrößten Raum zur Verfügung gestellt. 2 Neonazis wurden jedoch, unter Protest der Außenstehenden in den Gerichtssaal gelassen, die Polizei versicherte, sie hätte ein Auge auf die zwei Neonazis, die es im Vorhinein vermieden hatten, offensiv aufzutreten.


Neonazis schreiben Adressen mit

Der Prozess begann damit, dass die AnwältInnen der Angeklagten zweimal eine Ablehnung der Richterin wegen Befangenheit beantragten. Daraufhin wurde der Prozess das erste Mal unterbrochen, die beiden Neonazis hatten außerdem doch Mitschriften während des Prozesses verfasst, unter anderem zeigten sie reges Interesse als die Namen der Angeklagten verlesen wurden. Sehr wahrscheinlich wollten diese die gesammelten Informationen für die Anti-Antifa sammelt. Die Notizen wurden den Neonazis erst auf Druck einiger ProzessbeobachterInnen abgenommen. Ein Beamter fragte nach der offensichtlichen Enttarnung, ob die beiden noch am Prozess teilnehmen wollten, diese verneinten jedoch und wurden dann von Beamten durch einen Hinterausgang in Sicherheit gebracht. Die Situation schien den beiden sichtlich unangenehm zu werden. Auf einer eine Woche später stattfindenden Kundgebung von Neonazis am Moritzplatz in Augsburg wurden die beiden von AktivistInnen wieder erkannt und fotografiert.


Richterin lehnt Befangenheitsanträge ab

Das Erstaunliche war, dass die Richterin Holzer anscheinend die Kompetenz hatte, die sie betreffenden Befangenheitsanträge höchst selbst zu verwerfen, und zwar ohne weitere Prüfung. Sie und der Staatsanwalt begründeten dies unter anderem mit Spenden der Richterin an Tierschutzorganisationen. Die Info, dass die Vorsitzende stolze Jägerin ist, wurde als Taktik der Verteidiger abgetan. Sie hatte gegenüber einem Verteidiger mit einem Mantel aus selbst geschossenem Wild geprotzt. Da zwei der Rechtsanwälte nicht über den Prozesstermin in Kenntnis gesetzt wurden, wurde ein Antrag auf Aussetzung des Verfahrens gestellt. Der wurde allerdings abgelehnt mit der Begründung, er diene nur dem Zweck der "Prozesstorpedierung". Hätten die Anwälte nicht von dem Prozess gewusst, hätten sie wohl kaum erscheinen können, ließ Holzer ins Protokoll schreiben. Mit diesem Vorgehen der Richterin wurde eine Verfahrensvorschrift ohne weiteres übergangen.


Amüsement und Verwirrung

Die erste Zeugin war die Anmelderin der Demonstration. Es wurden Fotos gezeigt, die der Sicherheitsdienst von Peek & Cloppenburg schoss, und das Geschehen aufzeigte. Darauf war nichts von dem vermeintlichen Angriff auf PolizistInnen zu sehen, vielmehr wurde jedoch auf diesen Bildern das brutale Vorgehen der Einsatzkräfte bestätigt.
Anschließend wurde der Kaufhausdetektiv von Peek & Cloppenburg in den Saal hereingebeten. Dessen Aussage war sehr ungenau und widersprüchlich. Er sagte, er habe einen Kreis schwarz angezogener Leute um die zwei PolizistInnen und Tritte gegen diese gesehen. Der hinzugefügte Satz: „Die sahen fast so aus wie sie“, mit Blick auf den Staatsanwalt, löste allgemeines Gelächter bei den ZuschauerInnen aus. Die Richterin war sichtlich aufgebracht, dass hier kein Zeuge vor ihr saß, der einen der drei Angeklagten belasten konnte. Eher wurde durch diesen Zeugen der Grund für das damalige Polizeivorgehen in Frage gestellt. Der Detektiv hatte Bekannte von ihm beauftragt Fotos vom Geschehen zu machen und war dabei selbst auf die Bilder geraten. Anscheinend hatte er das aber nicht vor der Polizei bei seiner Aussage angegeben. Die PolizistInnen hatten die brutale Verhaftung mit den Aussagen des Detektivs begründet, dass einer der Angeklagten "rumgepöbelt" und Farbe im Geschäft versprüht hätte. Am Tag der Verhandlung wusste der Detektiv nicht mal mehr, wer die Polizei eigentlich gerufen hatte, auch die Polizei konnte das im Polizeibericht nicht genau beschwören ( http://www.polizei.bayern.de/schwaben/news/presse/aktuell/index.html/8682).


Was geschah vor drei Jahren

Eine Verkäuferin von Peek & Cloppenburg war die nächste Zeugin. Sie hatte aber wohl nichts zu dem Fall zu sagen. Insofern sagte sie wohl das, was ihr am nächsten erschien und das war nicht viel. Auf den Hinweis eines Anwalts dass eine Vernehmung in der Akte allem Anschein nach fehlen würde, fiel der Richterin nicht viel ein. Nach und nach wurden ein paar Stühle im Raum dazu gestellt, verließ man den Raum, musste man sich erneut einer Leibesvisitation unterziehen. Mindestens 10 UnterstützerInnen konnten am Prozess mangels Plätzen nicht teil nehmen. Die betroffene Polizistin Hinz wurde nun hereinzitiert, sie gab an, sie wäre von einer Angeklagten von hinten getreten und gewürgt worden, als sie deren Freund auf dem Boden fixierte. Dieser soll während dieser Amtshandlung dann vermehrten Widerstand geleistet und um sich geschlagen und getreten haben. Die Sätze klangen wie einstudiert und nach einer erneuten Befragung durch den Staatsanwalt wurde sie immer unsicherer und hätte sich fast in Widersprüche verwickelt. Über den dritten Angeklagten konnte auch nach dieser Aussage nichts belastendes vorgebracht werden. Der ebenso vorgeladene Polizist der die Festnahme durchführte und auf dem Oberkörper eines Angeklagten saß, während er mit seinem Funkgerät Verstärkung rief, erschien erst gar nicht wegen Krankheit, wie die Richterin mitteilen ließ. Ein weiterer Polizist, der zur Verstärkung gehörte, die nach dem Vorfall dazukam, um die Demo aufzulösen, wurde aufgerufen. Der hatte aber zum Tatverlauf nicht viel zu sagen, außer dass es sich wohl um eine Demonstration von Pelztiergegnern (!) gehandelt haben soll. Dabei hatte er laut seiner Aussage erst einmal seinen Mehrzweckstock verwendet um ein bisschen Ordnung in das „Tobuwabohu“ zu bringen.


Alle Angeklagten verurteilt

Im Anschluss kam es nach einer kurzen Pause zur Urteilsverkündung. Zwei Angeklagte ließen zur Strafmilderung gemeinschaftlich die Taten durch ihre Verteidigung einräumen, auf Grund der durch die Richterin als belastend bewerteten Aussagen der beiden Polizisten. Der Staatsanwalt forderte bei einem Angeklagten wegen Widerstand und gefährlicher Körperverletzung eine 14monatige Haftstrafe, als Begründung verwies er auf die Vielzahl der BZR Einträge und das Begehen der Straftaten während einer offenen Bewährung. Die Verteidigerin beantragte eine Bewährungsstrafe. Er wurde zu 10 Monaten auf drei Jahre Bewährungsfrist verurteilt. Die Mitangeklagte wurde wegen versuchter Gefangenenbefreiung und gefährlicher Körperverletzung zu 90 Tagessätzen à 20 € verurteilt. Man sollte meinen, dass der dritte Angeklagte nun nicht verurteilt werden sollte, nachdem der Staatsanwalt selbst auf Freispruch plädierte. Aber auch er wurde von Richterin Holzer wegen Landfriedensbruch zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 30 € verurteilt, obwohl ihn absolut keine ZeugInnenaussage belastet hatte. Erwartungsgemäß wurde zwar verurteilt, in Anbetracht der erwarteten Haftstrafen ist es dennoch erfreulich, dass diese Befürchtungen nicht eingetroffen sind. Mit Sicherheit liegt dies vor allem an der Anwesenheit vieler UnterstützerInnen beim Prozess und an deren Pressearbeit, Veröffentlichung des Falls, deren hilfreichen Ratschläge, Solidaritätsbekundungen und Soliveranstaltungen welche von einem großen UnterstützerInnenkreis organisiert und geleistet wurden.
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Ergänzungen

Neonaziaufmarsch in Augsburg geplant

http://www.aida-archiv.de 16.02.2009 - 00:55
Roland Wuttke (als "Bündnis Nationale Opposition" e.V., Mering), Philipp Hasselbach (München) & Co. wollen - wie in den vergangenen Jahren - auch 2009 wieder in Augsburg aufmarschieren. Anlass ist der Jahrestag der Angriffe auf Augsburg durch die Luftstreitkräfte der Anti-Hitler-Koalition. Momentan mobilisieren die Neonazis auf einen Aufzug um 12 Uhr ab Jakobertor.

Sa, 28.02.09 Naziaufmarsch in Augsburg

Dein Name 16.02.2009 - 10:30
@ othelloDer Naziaufmarsch ist am Sa 28.02

Berufung

FDK 16.02.2009 - 12:28
Werden die verurteilten GenossInnen in Berufung gehen?

Anhand der Prozessführung - wenn man der Berichterstattung glauben schneken darf - wir ja wieder einmal das gesamte Deutsche Rechtssystem in's lächerliche gezogen.

Mir scheint es, als würden immer mehr Prozesse in denen Aktivisten aus einem eher linken Spekrtum angeklagt sind als "Schauprozesse" aufgezogen. Da drängt sich mich doch die Frage auf, ob es so etwas nicht schon einmal in der Deutschen Geschichte gegegben hat.

Warum können einzelne RichterInnen das Gesetz nach ihrem Gutdünken auslegen?
Welche Vermessenheit liegt dem zugrunde, dass eine einzelne Person davon ausgehen kann, die Judikative angemessen zu vertreten und "Recht" zu sprechen?

Eine Rechtssprechung wie sie momentan oftmals in Deutschlang geschieht ist meines Erachtens nach eines Rechtsstaates (Oh wie stolz wir doch darauf sind, ein solcher zu sein....) nicht würdig.

Man merkt leider doch immer wieder, dass "Recht" zu einer Institution, welche die Interessen des Kapitals vertritt mutiert ist.

Meine Solidarität gilt den verurteilten AktivistInnen!

Solidarität

einer von vielen 16.02.2009 - 23:22
Wer sich mit dem Fall ein wenig auskennt, weiß, was für ein erstklassiges Stück Staatswillkür hier gespielt wurde. Das Urteil ist dabei noch vergleichsweise milde, denn der Richterin wäre einiges mehr zuzutrauen gewesen. Es zeigt mal wieder deutlich, dass die Tierbefreiungsbewegung massiv unter repressionen zu leiden hat (10 Festnahmen (Uhaft) in Österreich Mai 08, über 30 Durchsuchungen bei SHAC-Aktive in Belgien, england und Holland 07, 3 Festnahmen (Uhaft) in Frankreich 08, ein INhaftierter in Schweden, einer in Frankreich, , 6 mal je 4-11 Jahre Haft für SHAC-Aktive in England, 4 mal je 6-9 Jahre Haft für "Newchurch AktivistInnen" in England, dazu noch versuche, Kampagnen zu kriminalisieren (ESCADA, SHAC etc.). Es ist zeit, dass auch die link tierbefreiungs-linken bemerken dass

a) die Befreiung der Tiere auf die politische Agenda gehört
b) der politisch-gesellschaftliche Kampf der TierbefreierInnen weitaus direkter und einflussreicher gekämpft wird, als so manch anderer, linker Kampf
c) die Bewegung sich extremer repression ausgesetzt sieht und deswegen auch spektrenübergreifende solidarität erfahren muss
d) die Tierbefreiungsbewegung nachweislich eine Gefahr für die weltweite Ökonomie (zumindest in den betroffenen Wirtschaftszweigen Pharma-, Nahrungsmittel- und Bekleidungsindustrie) ist.

Den in Augsburg angeklagten AktivistInnen von ganzem Herzen alles gute und viel Erfolg bei evtl. noch anstehenden Berufungsverfahren! United we stand!

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