Demonstration in Augsburg mit bösem Nachspiel

Liselotte Meier 02.01.2009 21:15 Themen: Biopolitik Repression Ökologie
Am 19.12.2008 fand im Kafe Marat in München neben der Eröffnungsfeier für den neuen Infoladen auch eine Infoveranstaltung zum Thema Repression statt. Drei ReferentInnen sprachen über den brutalen Polizeieinsatz während einer Demonstration in Augsburg und dessen Folgen. Im Januar diesen Jahres, fast drei Jahre nach diesem Vorfall stehen jetzt die drei AktivistInnen vor Gericht, ihnen drohen unverhältnismäßig hohe Strafen, einem davon sogar mehrere Jahre Haft. Die damalige Veranstaltungsleiterin wurde bereits zu einer empfindlichen Geldstrafe verurteilt, Demonstrationen darf sie seither von Amts wegen nicht mehr anmelden.
Massive Repression gegenüber TierbefreiungsaktivistInnen

In gemütlicher Atmosphäre berichteten die Betroffenen über die Ereignisse bei der Demonstration, die polizeilichen Ermittlungen und den anstehenden Prozess. Vor etwa 3 Jahren wurde eine Demonstration in der Augsburger Innenstadt gewaltsam aufgelöst, drei DemoteilnehmerInnen wurden in Gewahrsam genommen. Die Betroffenen sollen am 20.01.2009 vor dem Amtsgericht Augsburg wegen gefährlicher Körperverletzung, Landfriedensbruch, u.a. verurteilt werden. Einem der Angeklagten droht eine mehrjährige Haftstrafe, den beiden anderen Mitangeklagten wird voraussichtlich die berufliche Zukunft im sozialen Bereich durch die zu erwartende Bewährungsstrafe zerstört werden. Das abgetrennte Verfahren gegen die Demoleiterin, noch vor Einführung des neuen Versammlungsgesetzes, endete mit einer Verurteilung wegen Auflagenverstoßes und einer empfindlichen Geldstrafe. Jegliche Versammlungsanmeldungen sind ihr seither verwehrt worden.


Handelnder Polizist kein unbeschriebenes Blatt

Welche Vorfälle spielten sich also am 04.03.2006 in Augsburg ab, die dieses Strafmaß rechtfertigen sollen ? Die Angeklagten reisten an besagtem Tag nach Augsburg um die dortigen GenossInnen bei der Kampagne gegen den Echtpelzverkauf von Peek & Cloppenburg zu unterstützen. Sie verteilten Flugzettel und ermutigten die anwesenden PassantInnen nicht in dem Geschäft einzukaufen. Der Ladendetektiv war offenbar so erbost, dass hier DemonstrantInnen ihr Grundrecht auf freie Meinungsäußerung in so konsequenter Form wahrnahmen und rief die Polizei. Alsbald erschienen auch schon zwei PolizistInnen mit mieser Laune, darunter der unter dem Spitznamen bekannte „Punky“ und eine 20 jährige Kollegin. Der Polizist „Punky“, der seinen Namen wohl auf Grund seines mit Wasserstoffperoxid gefärbten Irokesenhaarschnitts trägt, ist kein unbeschriebenes Blatt in Augsburg. Von GenossInnen wurde bereits häufiger unverhältnismäßig brutales Vorgehen dieses Beamten beobachtet.


Falsche Beschuldigung führt zur Eskalation

Nach einer kurzen Unterhaltung ging der besagte Polizist einen der AktivistInnen massiv an und gab ihm einen Platzverweis, da er mehrere Farbbeutel im Eingangsbereich des Kaufhauses verteilt haben soll. Aufgrund dieser Beschuldigungen fing der Aktivist, der sich zu Unrecht beschuldigt fühlte mit dem Polizisten zu diskutieren an, um die Missverständnisse aus dem Weg zu räumen. Der Polizist fühlte sich dadurch anscheinend in seiner Autorität gekränkt und nach den Worten in bayerischem Dialekt: „Da red ma jetzat nimma lang rum“, fixierte er den Demoteilnehmer an einem Arm, schmiss ihn auf den Boden und stemmte sich mit dem Knie auf dessen Oberkörper. Die Kollegin des Polizisten setzte sich sofort auf die Beine des Taktierten. Bedingt durch diesen gewaltvollen Akt der unweigerlich starke Schmerzen zur Folge hatte, begann der Betroffene zu schreien, PassantInnen und VersammlungsteilnehmerInnen eilten herbei. Am Ort des Geschehens sprachen sie auf die Polizei ein, sie sollen von dem Demonstrationsteilnehmer ablassen und diesen nicht weiter misshandeln. Ein älterer Passant merkte in diesem Zusammenhang an, dass er so ein brutales Polizeivorgehen seit 1945 nicht mehr erlebt hätte. Da in dieser Situation der sichtlich überforderte Polizist „Punky“ nicht mehr weiter wusste, rief er über Funk Verstärkung, während er auf dem Oberkörper des Demonstratonsteilnehmers saß. Nach wenigen Minuten trafen etwa 3o weitere PolizistInnen ein, welche die Demonstration auflösten und den am Boden Liegenden zusammen mit zwei weiteren AktivistInnen verhafteten.


Konstruierter Prozess

Die beantragte Akteneinsicht, macht klar, dass die durchgeführten Ermittlungen den Prozess in eine ganz bestimmte Richtung lenken sollen. Die Aussagen der PolizistInnen werden zurechtgebogen, aus dem zunächst angegebenen „wildem um sich schlagen ohne Treffer“ werden später „gezielte Schläge und Tritte“. Aus den Halbschuhen eines Angeklagten werden „schwere Winterstiefel“, um eine Waffe, als Grundlage für die gefährliche Körperverletzung zu konstruieren, der zum Einsatz gekommene Teleskopschlagstock eines Polizisten wird dagegen nicht einmal erwähnt. Auf „neutrale“ ZeugInnen, wie beispielsweise den Ladendetektiv und eine Abteilungsleiterin des Geschäfts wird Druck durch mehrfache Vernehmungen ausgeübt, um Aussagen über angebliche Gewalttaten der DemoteilnehmerInnen zu bekommen, diese Bemühungen blieben jedoch erfolglos. Einzelne Vernehmungen wurden der Akte vorenthalten, auch fehlt das Videoband des Kaufhauses. Die vorsitzende Richterin macht ebenfalls keinen Hehl aus ihrer Einstellung gegenüber den Beschuldigten, so versuchte sie im Vorfeld einem der Angeklagten einen Pflichtverteidiger aufzuzwingen. Dieser Beschluss konnte jedoch abgewendet werden. Des weiteren wurde eine Verfügung erlassen, wonach sich alle ProzessbeobachterInnen einer Leibesvisitation zu unterziehen hätten, da mit Ausschreitungen zu rechnen sei.


Einschätzung der Sachlage

In einem schon einige Jahre zurückliegenden Prozess, bei welchem es ebenfalls zu einer Auseinandersetzung zwischen Polizei und DemonstrantInnen kam, wurde die Verhängung einer 3jährigen Haftstrafe mit den Worten begründet, dass „deutsche Polizisten keine Fußabstreifer“ seien. Mit einem auch nur ansatzweise fairen Gerichtsverfahren ist im konkreten Fall also allem Anschein nach nicht zu rechnen. Es geht im vorliegenden Fall nicht um Wahrheitsfindung und Aufklärung, sondern vielmehr darum, soziale Bewegungen einzuschränken und unliebsames politisches Engagement zu verunmöglichen. Nach der Information über diesen Fall diskutierten die ReferentInnen mit den anwesenden BesucherInnen. Neben konstruktiven Vorschlägen und Solidaritätsbekundungen für den Prozess wurde auch allgemein über den Umgang mit Repression gesprochen.
Das Interesse an der Veranstaltung war sehr groß, die ZuhörerInnen lauschten gespannt dem Beitrag und mit tollen Essen und der Eröffnung des neuen Infoladens ging der Abend zu Ende.



Der Prozess findet am 20.01.2009 in Augsburg im Strafjustizgebäude Göggingerstraße 101 Zimmer Nr. 141 statt, über eine Unterstützung würden sich die Betroffenen freuen.
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Ergänzungen

Uhrzeit

salamantrus 02.01.2009 - 23:22
Der Prozess beginnt um 9.00

Könntet ihr...

Mungo 03.01.2009 - 10:58
...eventuell noch eine Kontaktadresse angeben wo man euch erreichen kann

Gegen Ablehnung der Leiterin vorgehen!

egal 03.01.2009 - 11:34
Gegen polizeiliche Ablehnung als Versammlungsleiter kann und sollte man mitunter klagen. In Hamburg wollten die uns Studis auch mal den damaligen Geschäftsführer des Aktionsbündnisses gegen Studiengebühren als ungeignet ablehnen, in Karlsruhe hatte man das erneut versucht. In beiden Fällen wurde geklagt und die Auflage eine andere Person als Leiter zu benenen jeweils in der Luft zerissen. (Die Ablehnung des Leiters bei der ASEM-Demo blieb dagegen auch beim Bundesverfassungsgericht erhalten, aber auch nur, weil das Gericht davon ausgegangen ist, man fände eine anderen Versammlungsleiter - ich gehe davon aus, dass dieser Ausweg in Tierrechtsfällen nicht besteht!). Das Kostenrisiko für sowas ist eigentlich ganz überschaubar, so kostet ein Eilverfahren mit Streitwert 5000 Euro gerade einmal 181,50 Euro, wenn das Gericht das ablehnt. Zieht man den Antrag vor Ende der mündlichen Verhandlung zurück, sogar nur ein Drittel. Bei entsprechender Bedürftigkeit kann man Prozesskostenhilfe beantragen, dann prüft das Gericht die Erfolgsaussichten zunächst, ohne dass der Klägerin Kosten entstehen, wird die Prozesskostenhilfe gewährt, so trägt die Staatskasse die Gerichts- und Anwaltskosten. Das beste ist: Sowohl Polizei als auch Ordnungsämter verfügen über eigene Juristen und können somit vor Gericht keine Kosten geltend machen...

klingt sehr...

(muss ausgefüllt werden) 03.01.2009 - 14:28
... nach einem typisch bayerischen amtsgerichtsprozess. tipp: das urteil auf keinen fall akzeptieren und in der nächsten instanz in berufung gehen. und in jedem fall die presse einschalten, süddeutsche und abendzeitung greifen sowas üblicherweise ganz gern auf.

Kontakt

adresse 03.01.2009 - 23:09

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