Solidarität mit den Centri Sociali in Italien (2)

Azzoncao, ein Polit-Cafè 01.02.2009 01:54 Themen: Freiräume Soziale Kämpfe Weltweit
Teil 2 des Textes über die Besetzung des Sozialzentrums Leoncavallo in Mailand im Jahr 1994.
Die Demonstration am 10. September

Die Demonstration am Samstag den 10.10. hatte zwar den konkreten Anlaß der Räumung des Leoncavallos drei Wochen vorher, wurde von allen aber als eine Demonstration der Sozialen Bewegung gegen Regierung und Kapital verstanden. Sie stand unter dem Motto: „Un programma per l´opposizione sociale“. Es wurden ca 10000 Leute erwartet. Es dürften aber wohl weit mehr als 15000 gewesen sein. Ausgangspunkt der Demonstration war die Porta Venezia. Eine riesige Kreuzung. Zu Beginn der Demo war die Kreuzung völlig überfüllt. Tausende aus ganz Italien waren angereist. verschiedene centri sociali, politische Gruppen, von revolutionären KommunistInnen, AnarchistInnen, SozialrevolutionärInnen, kleiner kommunistische Fraktionen, TrotzkistInnen, lesbische Gruppen, Gruppen der Rifondazione Communista, Theater- und Musikgruppen und viele Autonome. Sie führten riesige Transparente mit sich und es waren überwiegend rote Fahnen zu sehen. Percussiongruppen und Theatergruppen mischten sich locker unter und alle waren recht bunt gekleidet, kaum in erkennbaren Gruppen und zu 80% unvermummt erschienen.
Die Leute des Leoncavallo bildeten die ersten Reihen der Demonstration. Sowie mit der Gruppe Mikele aus Rom die letzten Reihen. Sie traten einheitlich weiß vermummt auf.

Die Porta Venezia war von starken Polizeikräften und Spezialeinheiten umstellt. Die Polizei stellte Schlagstöcke, Schilder, Gas- und Gummigeschossgewehre offen zur Schau und die Demonstration begann sofort mit einer Provokation seitens der Polizei. Als sich die Demonstration in Bewegung setzte, versperrten ein-zwei Hundertschaften ihr den Weg und es kam zum ersten Schlagstockeinsatz, der mit Flaschen- und Steinwürfen beantwortet wurde. Nach einer längeren Zeitspanne zogen sich die Carabinieris zurück und die Demonstration konnte endlich beginnen.
Mit Stackatorufen, Parolen, Liedern und Klatschrhytmen zogen die DemonstrantInnen dann den ihnen von der Polizei diktierten Weg entlang. Wieder war die Lautstärke und Intensität nicht zu vergleichen mit deutschen Demos. In jeder Seitenstraße waren gut und massivst Polizei und ihre Wagen sichtbar und ein Hubschrauber kreiste immer über dem Geschehen. So ließen es sich die DemonstrantInnen auch nicht nehmen, immer wieder die Polizei zu beschimpfen. Das staatliche Arbeitsministerium und das Justizgebäude wurden mit Farbbeuteln eingedeckt und während der ganzen Demo antifaschistische Parolen gegen Berlusconi, die Lega Nord und die Alleanza Nazionale (vormals MSI) gesprüht. Im Ganzen war die Demo aber eher locker, spaßig und , abgesehen von den Parolen, wenig aggressiv.
Dies änderte sich als die DemonstrantInnen von der vorgeschriebenen Demoroute abweichen und die Straße passieren wollten, die zum Polzeipräsidium führte. Durch die dort stationierte Polizeisperre durchzudringen gelang der Demo nicht und es kam zum Schlagstockeinsatz der Polizei, der mit Steinwürfen beantwortet wurde. Als die Demo sich entschloß in eine andere Richtung auszuweichen, wurde die bis dahin leere Straße von den Carabinieris abgesperrt und es kam wieder zu einem Schlagstockeinsatz. Diesmal wich die Polizei aber zurück. Dadurch und durch das Zögern der nachrückenden DemonstrantInnen, entstand eine große Lücke, die zwei Hundertschaften dazu ausnutzten, den ersten Teil der Demo brutal anzugreifen. Besonders hervor taten sich Polizisten einer Spezialeinheit, die, außer mit einem Helm, ganz in Zivil waren und am brutalsten prügelten, selbst Steine schmissen und schließlich mit gezückten Pistolen gegen die DemonstrantInnen vorgingen. Den DemonstrantInnen gelang es den Angriff zurückzuschlagen und die Polizei setzte Tränengas ein. In den folgenden Auseinandersetzungen wurden zig Autos umgeschmissen, angezündet, Scheiben von Banken eingeschmissen, und Nobelkarossen und -geschäfte demoliert.
Wie lange die Auseinandersetzungen noch dauerten kann ich nicht sagen, da ich mich in einem großen Pulk DemonstrantInnen am Hauptbahnhof entlang bewegte, der immer wieder mit Schlagstöcken und Tränengas angegriffen wurde. Hier setzte ich mich ab. Wie sich später heraus stellte, zog ein Großteil zu einem weiteren centro, das nachts noch von der Polizei umstellt wurde.
Aus den Überschriften der Sonntagszeitungen konnte mensch entnehmen, das Krieg in Mailand geherrscht hätte und die 70ziger Jahre, samt Stadtguerilla zurückgekommen seien.
Auf mich machte die Demo nicht einen solchen Eindruck. Meiner Meinung nach, wird hier etwas politisch hochgespielt, was der Staat dann instrumentalisieren kann. Andererseits sind die GenossInnen diejenigen, die am entschiedensten und klarsten gegen die Rechtsregierung aus Faschisten, Legisten und der Forza Italia sind. Und somit deren Haßobjekt Nummer 1.
Auf der anderen Seite hatte ich den Eindruck, daß viele GenossInnen von der Brutalität der Polizei völlig überrascht und unvorbereitet waren. Auf meine Nachfrage bestätigte mir jemand aus dem Leoncavallo, daß es solche Auseinandersetzungen seit 1986 nicht mehr in Mailand gegeben hätte. Für 90 % aller DemonstranInnen sei dies völlig neu und sie seien ohne jegliche Erfahrungen in dieser Art von Auseinandersetzungen.

(Mittlerweile ist Montag der 12.10.. Das Leonvavallo ist trotz Befürchtungen noch nicht geräumt worden. Ich hoffe, ich habe Euch einen ersten Eindruck über Mailand um den 8.bis 10.10. vermittelt. Da ich weder Italienisch kann und vieles über Italien nicht weiß, bleibe ich Euch eine ganze Menge Details, Sachverhalte und Einschätzungen schuldig. Ich hoffe, dass dies bald durch mehr Informationen aus Italien wett gemacht werden kann.)

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Ergänzungen

Noch`n schönes Foto

nicht wichtig 01.02.2009 - 16:31
Hier noch ein schönes Foto von der Demonstration am 10.9.1994 in Mailand.
Der Typ trägt auf dem Kopf ein Tuch mit dem Aufdruck: Autonomia Operaia ( http://de.wikipedia.org/wiki/Autonomia)und mit seiner Hand bildet er eine Pistole nach, dem Zeichen des bewaffneten Widerstands.

Rassismus-Debatte nach Brand-Anschlag

http://diepresse.com/ 02.02.2009 - 22:10
Am Wochenende wurde südlich von Rom ein indischer Zuwanderer verprügelt, mit Benzin übergossen und angezündet. Die Opposition wirft nun der Regierung vor, den Ausländerhass zu schüren.

Italiens Politik reagiert bestürzt auf den Angriff auf einen indischen Zuwanderer, der von einer Gruppe Jugendlicher in Nettuno südlich von Rom zusammengeschlagen, mit Benzin überschüttet und angezündet wurde.

Der 35-jährige Obdachlose wurde mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus gebracht, ist aber nicht in Lebensgefahr. Die Polizei nahm drei junge Männer im Alter zwischen 16 und 28 Jahren fest. Die oppositionelle Mitte-Links-Allianz beschuldigte die Regierung von Silvio Berlusconi, mit ihrer Kampagne für mehr Sicherheit in den Städten den Ausländerhass zu schüren.

"Künstlich erzeugtes Klima des Hasses"

Oppositionschef Walter Veltroni kritisierte die Regierung, in den vergangenen Monaten ein "künstlich erzeugte Klima des Hasses und der Angst" gegen Ausländer genährt zu haben. Dieses Klima führe zu Taten dieser Art, kommentierte Veltroni.

Ex-Sozialministerin Rosy Bindi beschuldigte die regierende Mitte-Rechts-Allianz, Öl ins Feuer der Intoleranz zu schütten, was zu immer häufigeren Angriffen gegen Immigranten und Obdachlosen führe.
"Größte Empörung" bei Regierung

Die Regierungskoalition verurteilte geschlossen den Angriff auf den indischen Migranten. "Der Fall von Nettuno ist auf rassistische und kriminelle Gewalt zurückzuführen, die wir mit größter Empörung verwerfen", kommentierte der Präsident der Abgeordnetenkammer, Gianfranco Fini.

Roms rechtsgerichteter Bürgermeister Gianni Alemanno äußerte "Wut und Schmerz" über den Angriff. Niemand habe das Recht auf Selbstjustiz, sagte Alemanno. Er spielte damit auf einen Fall an, der in Rom in den vergangenen Tagen für Empörung sorgte und den Hass auf Zuwanderer neu anfachte. Eine junge Frau war mehrfach vergewaltigt worden, als Verdächtige nahm die Polizei sechs Rumänen fest. Italiens Außenminister Franco Frattini erklärte, Angriffe gegen Ausländer müssten konsequent bestraft werden.

"Nicht aus Fremdenfeindlichkeit" gehandelt

Der regionale Polizeichef Vittorio Tomasone hatte am Sonntag allerdings nach ersten Verhören der Angreifer erklärt, die Täter schienen "nicht aus Fremdenfeindlichkeit" gehandelt zu haben. Sie hätten getrunken, Drogen genommen und den Abend mit "einer starken Tat, einem Knall" beenden wollen.

Quelle:  http://diepresse.com/home/panorama/welt/449027/index.do?from=rss

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