Muc: Demo gegen Nazis und graue Wölfe

a, anti, antiimperialista 10.11.2008 14:51 Themen: Antifa Militarismus SiKo München Weltweit
Am Samstag, den 8.11 demonstrierten 200-300 Menschen gegen die derzeitigen Pogrome in der Türkei gegen Linke und Kurd_innen, gegen die auch hier aktiven grauen Wölfe und gegen deutsche Nazis. Die Demonstration zog durch das Hauptbahnhofviertel, vorbei an der Nazikneipe Fanarena zum Ein Welt Haus. Die Polizei war sichtlich nervös, gröbere Übergriffe gab es aber keine. Einzige Störungen waren vereinzelte Pöbeleien am Wegesrand.
Die Demo hatte mehrerlei Anlässe - zum einem verschärft sich aktuell in der Türkei das Klima gegenüber Kurd_innen und linken, zum Teil kommt es zu offenen Pogromen. Dass Öcalan in seiner Einzelhaft kürzlich körperliche misshandelt wurde, ist Teil dieser Eskalation von Seiten des türkischen Staates. Das letzte Mal, als der politische Konflikt in der Türkei ähnlich zugespitzt war, organisierten türkische Nationalist_innen und graue Wölfe, also Faschos, auch Demonstrationen in Deutschland. In Berlin kam es dabei zu Angriffen auf kurdische Vereinslokale, Moscheen und auch auf als kurdisch identifizierte Menschen. In München brachten die türksichen Rechten immerhin 3000 Leute auf die Strasse, ohnen nennenswerten Protest. Gegen die aktuelle Verschärfung in der Türkei und gegen die Präsenz von grauen Wölfen richtete sich dann die Demo vergangen Samstag.
Ein weitere Anlass auf die Strasse zu gehen waren aber auch die deutschen Faschos, die für den 15.11 einen sog. Heldengedenkmarsch geplant hatten. Die Demonstration zog deshalb zur Nazikneipe Fanarena. Luzi-m fasst den Aufruf kommentiert zusammen:  http://www.luzi-m.org/nachrichten/artikel/datum/2008/11/06/145/

Ca. 100 Leute hatten sich schon um 16:00 am Stachus versammelt, die Menge schwoll während der Auftaktkundgebung auf das doppelte an. Die meisten anwesenden würde ich in die Kategorie "mit türkisch-kurdischem Migrationshintergrund" einsortieren, es war allerdings auch ein erstaunlich grosser Pulk eher jüngerer deutscher Punk-autonomer da. In der Menge habe ich 2-3 Kurdistanfahnen gesehen, dafür aber ziemlich viele Parteifahnen, die ich allerdings nicht zuordnen kann: Grüner Hintergrund, davor eine gelbe Sonne (wie auf den Kurdistanfahnen) und davor wiederum ein roter Starn. Es waren auch Schilder zu sehen, mit Aufschriften wie "Türkei Terrorist" oder "Freiheit für Öcalan, Frieden in Kurdistan".
Auf die Durchsage hin, dass auch Öcalan-Bilder erlaubt sind entrollten sich ziemlich schnell etliche Fahnen und ein grosses Transparent mit seinem Portrait. Zu den Inhalten der Reden bei der Auftaktkundgebung kann ich leider nicht viel sagen, wie so oft stand der Tratsch mit den Genoss_innen im Vordergrund. Hier kam es zur ersten Diskussion (die ich rein sprachlich nicht verstanden habe) mit Passant_innen, die ein Problem mit der Demo hatten.
Nach einer guten Stunde setzte sich die Demo, mittlerweile 200 Leute, in Bewegung. Die Order_innen versuchten dabei zum Teil, eine relativ straighte Struktur mit abgezählten Reihen etc. zu etablieren, was aber nicht klappte. Wenn mensch nicht gerade einen geschlossenen Block bildet ist es relativ egal, ob 5 oder 7 Leute nebeneinandergehen, weshalb praktisch niemand den Sinn von abgezählten Reihen sah. die vielleicht 40 autonomen (oder zumindest so gestylten) bildeten einen kleinen eigenen Bereich, aber auch keinen geschlossenen Block. Die Stimmung in der Demo war gut, es wurden in einem fort Parolen etc. gerufen, immer wieder kamen Durchsagn vom Lauti um die Passant_innen aufzuklären. Gleichzeitig entstand aber auch der etwas skurile eindruck, hier wären zwei verschiedene Demos einfach gemischt worden - ein grossteil der Leute skandierte türkisch- oder kurdischsprachige Parolen (ich kann die nicht auseinanderhalten), die sich thematisch auf die PKK und auf Kurdistan bezogen, ein kleinerer Teil skandierte auf Deutsch die Antifa-evergreens, von "Alerta antifascista" bis "Nazis gibs in dieser Stadt, bildet Banden macht sie platt". Parolen, die sich auch auf die Situation in der Türkei bezogen ohne eine reine PKK-Abfeierei zu sein wurden auch gerufen, allerdings verhältnismässig selten: "Solidarität heisst Widerstand, Kampf dem Faschismus in jedem Land" und "Deutsche Waffen deutsches Geld, morden mit in aller Welt". Die thematisch vielleicht passendste Parole "fasisme karsi, omuz omuza" (Gemeinsam gegen Faschismus) kam erstaunlich selten.
Die Route führte dabei die Sonnenstrasse entlang, durch die Landwehrstrasse und dann in die Goethestrasse Richtung Hauptbahnhof, also durch das vielleicht am deutlichsten migrantisch geprägte Viertel Münchens. Die meisten Leute am Wegesrand bveobachteten die Demo interessiert, anders als bei der letzten kurdisch geprägten Demo hier (vor einem halben Jahr) kam es nur vereinzelt zu Pöbeleien von türkischen Nationalist_innen. Auf diese wurde dann allerdings mit einigem Elan reagiert, viele Leute aus der Demo pöbelten nach Kräften zurück. Die Order_innen versuchten, diese Situationen zu entschärfen, vom Lauti kamen regelmässig Durchsagen wie "Wir haben einen gemeinsamen Feind im Faschismus, lassen wir uns nicht spalten! Für die Geschwisterlichkeit der Völker!" - eher retro und ethno, es wurde aber auch deutlich: die Vorbereitenden Gruppen sahen auch in tendentiell nationalistischen Türk_innen eher die Leute, die über dass was ihr Staat macht aufzuklären und zu agitieren sind. Kritisiert wurden in Redebeiträgen eher konkrete Akteur_innen, wie die Tageszeitung Hürriyet, an deren Münchner Redaktion die Demo vorbeizog - die Hürriyet ist eines der Blätter in denen massiv gegen Kurd_innen und Linke gehetzt wird.
Ab Goethestrasse marschierte auch USK auf, um das Spalier aus BePo zu verstärken. dabei lief auch eine Zeitlanf eine Kette USK in der Demo mit, unmittelbar hinter dem Bereich in dem die meisten deutschen Linken waren - in dieser Situation wäre es wichtig gewesen, schnell und entschlossen auf die Provo zu reagieren, z.B. durch die Ansage "Wir gehen erst weiter wenn sichdie verpisst haben" - dazu fehlte es leider an Organisation, vielleicht auch einfach an der Initiative. Ab Bahnhofsplatz zog sichdas USK auch unaufgefordert aus der Demo zurück. Interessanterweise ist das USK, die sonst ja nicht so auf ängstlich machen von Anfang an behelmt aufgeleaufen, auch sonstwirkten die Bullen etwas nervös.
Die Demo umrundete den Hauptbahnhof, und zog durch die Arnulfstrasse vor die fanarena. In dieser Kneipe treffen sich immer wieder Nazis, sie wurde mittlerweile zu einem wichtigen Anlaugpunkt für Faschos aus ganz Südbayern (indy:  http://de.indymedia.org/2008/07/221171.shtml Bericht von einer Flyeraktion gegen die Kneipe:  http://de.indymedia.org/2008/08/223703.shtml) Auch hier zeigten sich die Bullen eher von ihrer nervösen Seite, der Eingang zur Fanarena war abgegittert und mehrere Reihen USK standen davor. die begleitenden BePos gaben sich auch alle Mühe die Demo schnell weiter zu scheuchen - wobei die Order_innen leider mitmachten, wir hätten gerne ein bisschen vor der Kneipe rumgeprollt. An der Ecke Arnulfstrasse-Paul Heyse Strasse gab es nochmal eine Zwischenkundgebung, hier wurde ein Beitrag des Bündnisses gegen Naziaufmärsche sowie einer der Antifa NT verlesen. Die Redebeiträge gingen auf den geplanten Heldengedenkmarsch ein, sowie auf die Rolle der Fanarena. Ab hier war dann auch das Antifa-transpi, das bislang Seitentranspi des eher autonomen Teils der Demo gewesen war, Fronttranspi (auf Einladung der Demoorga).
Die Demo zog schliesslich durch die Paul-Heyse Unterführung, bog dann rechts ab in die Schwanthalerstr. und wurde vor dem Ein Welt Haus beendet. Hier trennten sich dann die zwei gemischten Demos: viele gingen ins Marat, wo die Los Fastidios spielten, andere besuchten den lyrischen Abend mit verschidenen Gedichten und unplugged Musik.

Fazit:
Diese Demo war die grösste seit Jahren, die nicht entweder von einem rein Kurdistan-bezogenen Spektrum gestemmt wurde, oder alleine aus der deutschen Paralellgesellschaft heraus. Der thematische Mix, den die vorbereitenden Gruppen angehen wollten, wurde aber nur bedingt in der Demo aufgegriffen, wie oben beschrieben. Ob die Demo dazu beigetragen hat, dass die verschiedenen Spektren zusammenfinden, ist deshalb noch eine offenen Frage.
Negativ aufgefallen sind mir die vielen Öcalan Sprechchöre und Fahnen - Öcalan ist einfach kein progressiver Politiker, er trägt mit Verantwortung vür Parteiinterne Morde in der PKK, er steht für einen politischen Kurs der die nationale Frage über alle anderen Belange stellt (z.B. soziale Fargen), und er hat in der Vergangenheit harten antisemitschen Dreck von sich gegeben, z.B. dass die Juden schuld am türkischen Nationalismus seien, und deshalb eine Versöhnung mi der Türkei schon drin. Verschiedenen Berichten nach (u.a. in der Jungle World) ist die PKK, sind ihre Aktivist_innen, nicht antisemitisch, das nur als Zusatz. Trotzdem: jeder Personenkult ist erstmal einfach verkehrt, wenn dann ein reaktionärer Politiker wie Öcalan als Symbol der kurdischen Sache hochgehalten wird ist das einfach ein Problem.
Unter den nicht-deutschsprachigen Sprechchören, die ich mir habe übersetzen lassen (und das waren fast alle) waren alle Kurdistan oder PKK bezogen, mit gerade einer Ausnahme - auf einer linken Demo hätte ich eigentlich schon auch etwas Bezug auf z.B. Klassenkampf erwartet, oder auf patriarchale Zustände.
Es war richtig und sinnvoll, vor die Fanarena zu ziehen - wenn der Aufmarsch der Nazis kommendes Wochenende stattfindet, wird hier ihr Vorabtreffpunkt sein, grundsätzlich kann diese Kneipe nicht oft genug angepisst werden.
Die Mobilisierung in der deutschen Linken war dabei eher Mau, vertreten waren hautpsächlich jüngere Leute, Organisationen waren nicht so richtig präsent. Weder wurde die Chance genutzt, eine warm-up Aktion gegen den Naziaufmarsch durchzuführen, noch gab es eine eindeutigere Solidarisierung gegen den türkischen Nationalismus.
Und, die wäre dringend nötig - was in der Türkei gerade läuft, ist einfach eine grosse Scheisse, die sich auch hier auswirkt. Wer schweigt stimmt zu, und das ist für eine Linke, versteht sie sich nun antifaschistisch, internationalistisch, oder auch (huch!) beides, keine Option.

In diesem Sinne, der obligate Parolenteil:
Hoch die internationale Solidarität, fasisme karsi omuz omuza und Nazikneipe Fanarena diicht! mach! en!



p.s.
Hier wird immer wieder Naziaufmarsch kommendes Wochenende erwähnt. Im Moment ist er verboten, das kann sich im Laufe der Woche noch ändern - Antifaaktioenen gibt es nächsten Samstag so oder so, für aktuelles guckt ihr am besten auf die linksradikale Mobilisierungsseite:
 http://demontage.blogsport.de/
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Ergänzungen

IntraExtra

A 10.11.2008 - 18:45
Die Kundgebung&Demo wurde von der Marxistischen Initative (M.I.) organisiert, auch die zwei Mahnwachen die vor dieser Aktion abliefen (Oktober, 1. November).
Mitunterzeichner des Aufrufs waren der Deutsch-Kurdische Freundschaftsverein, der Münchner Friedensrat und Libertad Süd. Weitere Gruppen haben wichtige Beiträge geleistet (z.B. Redebeiträge, u.a. RSB und AntifaNT).
Gegen den Aufmarsch der Schwarzuniformierten (USK) wurde schon darum nichts unternommen, weil die majority der Demo-Teilnehmer einen unsicheren Aufenthaltsstatus hat und den Bullen keine Gelegenheit gegeben werden sollte, die Lage zu eskalieren. Wem nützt es, wenn einer abgeschoben wird und dem-/derjenigen als politisch aktivem Kurden oder Kurdin vllt. sonstwas in der Türkei blüht? Ziel & Sinn war die Demo selber, ihre Inhalte, um auf die Problematik (Kriegseskalation in Kurdistan, Menschenrechtsverletzungen wie z.B. Durchsuchungen aller Wohnungen in einem kurdische Stadtteil durch türkische Faschisten - unter den Augen der türkischen Bullen, Folter gegen Öcalan, die implizite Androhung der Militärs (sukzessive) Zustände einzuführen wie schon einmal in der Militärdiktatur, usw.usw.), also um auf diese Problematik aufmerksam zu machen, um Bewußtsein und Öffentlichkeit herzustellen. Denn je mehr Öffentlichkeit, je mehr Augen auf die Türkei gerichtet sind, desto schwerer wird's auch für die türkischen Rechten in der Türkei ihre reaktionäre Politik und Repression durchzusetzen. Ganz wichtig auch: Viele die vorher politically inactive waren, haben sich bewegt, mensch hat gegen die türkischen Rechten und ihre Übergriffe Präsenz und Flagge gezeigt. Außerdem bestand/besteht durch die Zusammenarbeit mehrerer linker Gruppen die Möglichkeit der Vertiefung der Bündnispolitik in München, die wir uns wünschen.

Wie ist das?
-Die deutschen Bullen schützen die Kurden oft nicht vor den türkischen Faschos, weswegen eine antifaschistische Selbstschutzorganisierung sinnvoll sein kann.
-Bisher ignorieren zu viele Migrant/innen die Naziproblematik in Deutschland, und die deutschen Linken ignorieren die Problematik der nichtdeutschen Faschisten, wie z.B. Graue Wölfe, fast vollständig. Andere deutsche Organisationen betätigen sich nicht im antifaschistischen Bereich.
-Der Antifaschismus stagniert politisch seit einiger Zeit. Antifa heute oder vor 15 bzw. 20 Jahren unterscheidet sich nur minimal, die Weltlage und Lage in Deutschland hat sich aber massiv verändert. Dem Antifaschismus mal gemeinsam ne internationale Perspektive zu geben, hier gegen türkische Faschisten und ihre vom dortigen Staat gedeckten Willkürmaßnahmen, kann sinnvoll sein.
-Faschismus existiert aus konkreten sozioökonomischen und politischen Ursachen, als Waffe des Kapitals in Zeiten der Krise. Die Kurden, ihre besondere Lage, die Verknüpfung der kurdischen Frage mit der Internationalen Politik (es gibt Kurden in der Türkei, im Irak, Iran und Syrien) ist ein sehr klares Lehrbeispiel für alle, mal abgesehen davon, dass die Solidarität gegen Kriegseskalation und faschistische Repression menschlich geboten ist. Antifaschismus und Weltpolitik kommen hier zusammen, und nur durch eine Gesamtanalyse lässt sich der Faschismus letztlich verstehen (denn einen aus der Welt und aus der Politik herausgelösten F. gibt es nicht) und nur durch eine Gesamtstrategie, mit einer gesamtweltgesellschaftlichen Perspektive lässt sich der Faschismus irgendwann besiegen.

Ergänzung

Ord. 10.11.2008 - 20:37
Am Anfang der Demo warens wirklich nur 200-300, zeitweise wuchs das aber auf 500-550 an. Das konntest Du aber nur erkennen, wenn Du mal vor und zurück gelaufen bist.
Unterzeichner des Aufrufs waren:
Marxistische Initiative, Deutsch-Kurdischer Freundschaftsverein, Münchener Friedensrat, LibertadSüd!, SDAJ, Almanya Göcmen Isciler Federasyonu (AGIF), Ulm Med Kültür Merkezi, Kurdischer Arbeiterverein Initiative Augsburg, SAV, Münchner Bündnis gegen Krieg und Rassismus, Münchner Gewerkschaftslinke, Autonome Jugend Antifa Nürnberg, Arbeitermacht, RSB, Linksjugend ['solid]

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