Gö: Schon wieder - Protest gegen Rekrutierung

(muss ausgefüllt werden) 01.07.2008 19:54 Themen: Militarismus Soziale Kämpfe
Auch der zweite Anlauf der Bundeswehr innerhalb weniger Wochen, eine Rekrutierungsveranstaltung in Göttingen durchzuführen, ist heute Nachmittag auf Protest gestoßen:
Vor der Arbeitsagentur in der Bahnhofsallee hielten Antimilitarist_innen eine Kundgebung gegen die „Ausbildung zum Töten“ ab.
Bis auf einen Zugang waren alle Türen des Arbeitsamts verschlossen, es gab keinen normalen Publikumsverkehr, da die Veranstaltung außerhalb der regulären Öffnungszeiten stattfand. Um
die erwartete Störung der Veranstaltung zu verhindern, wurden zahlreiche (aus unterschiedlichen Motiven) Interessierte am Eingang abgewiesen - doch mit wenig Erfolg. Mehrere antimilitaristische Maulwürfe hielten die beiden Werbeoffiziere bis zum Ende der Veranstaltung in Atem und setzen die Themen mit Fragen wie:

„Gibt es Abfindungsunterschiede bei verschiedenen verlorenen Gliedmaßen? Wenn ja: Was bringt mehr? Wieviel bekommt man?“
„Ich spiele viel Counterstrike. Nutzt das etwas, wenn ich Soldat werden will? Welchen Ego-Shooter verwenden Sie?“
„Wie wird das Sprachenproblem gelöst? Es kommt ja in manchen Ländern vor, dass die Leute sehr schlecht Deutsch und sogar kaum Englisch sprechen. Ist dann nicht, wie sie schon oft zur Sicherheit des eingesetzten Personals im Irak eingesetzt wurde, die Methode "Erst schießen, dann fragen" doch die vernünftigste Option?“
„Gibt es für mich als Soldaten unter bestimmten Bedingungen Straffreiheit bei Plünderung, Vergewaltigung oder Mord?“
„Ab welchem Dienstgrad bzw. in welchen Einheiten lerne ich Foltertechniken?“

Insgesamt haben letztlich etwa 10 Schüler_innen die Veranstaltung besucht, die - nach Angaben eines Arbeitsamt-Türstehers - explizit eingeladen worden waren. Anscheinend lief die Rekrutierung zur Rekrutierungs-Veranstaltung über die Kooperation des Amtes mit Göttinger Schulen.

Für zusätzliche Verwirrung sorgte die für den gleichen Ort und gleiche Zeit angekündigte Autogrammstunde mit dem Spieler der deutschen Herren-Nationalmannschaft, Clemens Fritz. Fritz war augenscheinlich nicht anwesend, stattdessen trudelten nach und nach immer mehr Fans vor dem Arbeitsamt ein, die ein Autogramm ergattern wollten. In den Tagen zuvor und insbesondere während der Deutschtümelei in der Fußgängerzone nach dem EM-Endspiel am Sonntag waren einige hundert Flyer mit der Einladung verteilt worden.

Die Rekrutierungsoffensive in Göttingen hat allerdings erst begonnen!
Schon jetzt sind einige nächste Termine bekannt.

Deshalb laden wir alle Interessierten ein, zu einem Treffen, um zu planen, wie den nächsten Rekrutierungs-Versuchen (die Termine bis November stehen bereits fest) entgegengetreten werden kann.

Das Treffen ist am Mittwoch, 9. Juli um 19 Uhr im Juzi, Bürgerstraße.

++++++++++++Hier folgt der Aufruf für heute:+++++++++++++

Bundeswehr wegtreten!
Verhindern wir die Rekrutierungsveranstaltung der Bundeswehr im Arbeitsamt am 1. Juli!

Es ist erst einige Wochen her, dass die Bundeswehr versucht hatte eine dreitägige Rekrutierungsveranstaltung an einer BBS durchzuführen. Durch die Belagerung des Schulhofs und den Widerstand der Schüler_innen, die sich gegen die Anwesenheit von Militär auf dem Schulgelände aussprachen, wurde die Aktion verhindert. Jetzt planen die Werbestrateg_innen der Bundeswehr einen neuen Anlauf: Am 1. Juli soll im Arbeitsamt, Bahnhofsallee, ab 16 Uhr eine Werbeveranstaltung für den „Beruf Soldat“ stattfinden. Das kann doch nichts werden!

HARTZ Y - Sozialabbau als Rekrutierungshilfe fürs Militär

Deutschland führt Krieg, und Krieg „kostet“ nicht nur Geld, sondern auch Menschenleben und er fordert immer mehr Soldaten für die weltweiten Kriegseinsätze. Gerade in diesen Tagen wurde die Aufstockung des Afghanistan-Einsatzes um weitere 1000 Soldaten bekannt gegeben. Um den Nachschub an Menschenmaterial sicherzustellen hat die Bundeswehr eine Offensive gestartet. Sie macht sich den Sozialabbau und den steigenden Druck auf Arbeitslose zunutze und verspricht sichere Arbeitsplätze, Karriere, Abenteuer und Frieden. Doch Soldat_in zu sein heißt nicht Frieden zu schaffen, sondern Menschen zu töten und u.U. auch selbst zu sterben. Die Einsätze der Bundeswehr dienen nicht, wie immer dargestellt, der Einhaltung von Frauen- und Menschenrechten - denn die werden überall auf der Welt verletzt. Auslandseinsätze der Bundeswehr verfolgen Macht- und wirtschaftliche Interessen.

In Göttingen handelt es sich noch um eine einzelne Veranstaltung, in anderen Städten hingegen werden Hartz-IV-Empfänger_innen regelmäßig zur Teilnahme an Rekrutierungsveranstaltungen verpflichtet. In über 200 Arbeitsagenturen gibt es inzwischen feste Außenstellen des bundeswehreigenen Zentrums für Nachwuchsgewinnung.

Angesichts der zunehmenden Zahl und Intensität der Kriegseinsätze geht es bei dieser Werbekampagne aber um noch mehr: Die „Gesellschaft in Deutschland“ müsse darauf „vorbereitet“ werden, dass deutsche Soldaten „in größerer Zahl sterben“ und „andere Menschen töten“, so der Kommandeur der AIK, Oberst Rainer Senger in einem Interview. Die AIK ist die „Akademie für Information und Kommunikation der Bundeswehr“. Sie entwirft die Öffentlichkeitsstrategien der Bundeswehr und schult Journalist_innen, Pädagog_innen und andere Multiplikator_innen. Ziel dieser Think-Tanks und Reklame-Strategien ist es, neben der Rekrutierung die Militarisierung der Gesellschaft zu forcieren und Akzeptanz für die zunehmende Zahl der Kriegseinsätze zu schaffen.

OHNE UNS! Es gibt kein ruhiges Hinterland!

Wir rufen auf, die Veranstaltung im Arbeitsamt am 1. Juli (ab 16 Uhr) zu verhindern!
Clownsarmeen aller Stadtteile, Tagedieb_innen, erwerbslose Kriegsgegner_innen und alle Antimilitarist_innen:
Kommt in Massen und wir empfangen die Militärs gebührlich mit Dschingerassabum und allem was dazugehört!
Da damit zu rechnen ist, dass auch die Bereitschaftspolizei und Zivis an der Veranstaltung teilnehmen werden, wird es einen großen Andrang geben: Also kommt am besten schon eine halbe Stunde vorher um noch einen Platz zu ergattern.

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KOMMT ZUM PROZESS!
Am Montag, 30.6., steht im Amtsgericht ein Antimilitarist vor Gericht. Der Vorwurf: Er soll als Teilnehmer einer antimilitaristischen Aktion vor der Lokhalle den Hausfrieden des privatisierten Vorplatzes gebrochen haben! Die Lokhallenbetreiber_innen haben Anzeige erstattet! Die Vorstellung im Göttinger Amtstheater beginnt um 13.30 Uhr!
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MEHR INFOS
zu den Rekrutierungsveranstaltungen der Bundeswehr und dem Protest dagegen:
www.bundeswehr-wegtreten.org
Bericht vom verhinderten Schulbesuch in Göttingen Ende Mai:
de.indymedia.org/2008/04/214868.shtml
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Ergänzungen

Antworten?

bekannt 02.07.2008 - 04:26
Gab es auch Antworten auf die gestellten Fragen? Wenn ja welche? Wie haben die Schüler reagiert bei den Fragen? Gab es außer "euch" noch kritische Menschen im Raum?

ein paar Fotos und Fragen an die Bundeswehr

Tucholsky hat recht 02.07.2008 - 11:32
Soldaten sind Mörder!

Wie wird man als Soldat auf das Sterberisiko vorbereitet?

Kurt Tucholsky hat behauptet "Mörder sind Soldaten". Stimmt das?

Welche führenden Firmen in der Prothetik gibt es in Deutschland? Bekommt
man z.B. bei Otto Bock als Soldat im Falle eines Falles Vergünstigungen?

Wenn die Uniform bei einer Verletzung beschmutzt wird, z.B. durch Blut:
Muss man die Reinigung selbst bezahlen, oder zahlt das die Bundeswehr?

Gibt es Abfindungsunterschiede bei verschiedenen verlorenen Gliedmaßen?
Wenn ja: Was bringt mehr? Wieviel bekommt man?

Ich spiele viel Counterstrike. Nutzt das etwas, wenn ich Soldat werden will?

Welchen Ego-Shooter verwenden Sie?


Wie wird das Sprachenproblem gelöst? Es kommt ja in manchen Ländern vor,
dass die Leute sehr schlecht Deutsch und sogar kaum Englisch sprechen.
Ist dann nicht, wie sie schon oft zur Sicherheit des eingesetzten
Personals im Irak eingesetzt wurde, die Methode "Erst schießen, dann
fragen" doch die vernünftigste Option?


Höhe der Sterbevergünstigungen (einmalig oder dauerhaft) an Hinterbliebene?

Wieviel kriegen meine Eltern, wenn ich im Einsatz sterbe?

Oder noch etwas ausgeschmückter:
Das Haus unserer Familie muss abgezahlt werden. Und wir sind inzwischen
sehr hoch verschuldet.
Und nun will ich mich die finanziellen Rahmenbedingungen erkundigen,
wenn ich Soldat werde.
Wieviel wird denn an meine Familie gezahlt, wenn ich als Soldat im
Einsatz sterbe?


Wenn in einem Wohnhaus Taliban waren und nach dem Einsatz dann die
betreffende Familie nicht mehr in dem Haus lebt, ... Darf ich die Dinge
in dem Haus dann behalten? In gewisser Weise ist das dann ja herrenloses
Gut.

Gibt es für mich als Soldaten unter bestimmten Bedingungen Straffreiheit
bei Plünderung, Vergewaltigung oder Mord?
Ab welchem Dienstgrad bzw. in welchen Einheiten lerne ich Foltertechniken?

Welche Höchstgrenze des Intelligenzquotienten (IQ) ist als
Bewerbungsvoraussetzung vorgegeben? Kurz: Welchen höchsten IQ darf ich
mitbringen?

Ich bin arbeitsloser Biologe, wenn ich mich für die Bundeswehr entscheide,
kann ich dann einen sinnvollen Dienst im Regenwald leisten, als
Baum-Sanitäter?

Bericht auch auf www.goest.de

ist ausgefüllt 02.07.2008 - 11:44

Antworten

Ein einfacher Angehöriger der Bundeswehr 02.07.2008 - 13:57
Natürlich kann jedes Argument mit einem Gegenargument versehen werden aber das weiß wohl jeder...

Meine Antworten stellen natürliche keinen Anspruch auf Vollständigkeit, noch erhoffe ich mir Bekehrung des Fragestellers!


Frage: "Wie wird man als Soldat auf das Sterberisiko vorbereitet?"

Antwort: Indem einem Angst vor verletzungen durch Waffen eingebleut wird - man wird so sehr auf deeskalation geeicht das man "Krieg" mit keinem euch bekanntem Ego-Shooter vergleichen könnte!

Frage: "Kurt Tucholsky hat behauptet "Mörder sind Soldaten". Stimmt das?

Antwort: Ja, jeder der etwas lebendes tötet ist ein Mörder! Ich hoffe die Fragesteller sind Vegetarier und schreien regelmäßig vor Metzgereien Sprüchlein wie "Schlächter sind Mörder" oder "Metzger sind Leichenschänder!"

Frage: "Welche führenden Firmen in der Prothetik gibt es in Deutschland? Bekommt
man z.B. bei Otto Bock als Soldat im Falle eines Falles Vergünstigungen?

Antwort:
a) zB Pohlig GmbH, Altonaer, Schade & Gebauer, Neumann GmbH... Eine besonders bevorzugte fällt mir nicht ein, bin ja kein Sanitäter.
b) Als Soldat bekommt man vielerorts Vergünstigungen, ob auch bei Otto Bock kann man hier erfragen:  http://www.ottobock.de/cps/rde/xchg/ob_de_de/hs.xsl/10343.html

Frage: "Wenn die Uniform bei einer Verletzung beschmutzt wird, z.B. durch Blut:
Muss man die Reinigung selbst bezahlen, oder zahlt das die Bundeswehr?

Antwort: Grundwehrdienstleistenden wird die Reinigung der zur verfügung gestellten Uniformteile grundsätzlich zugestanden.
Soldaten auf Zeit müßen dies meines Wissens nach selbst übernehmen... [<--Keine gesicherte Information!!!]

Frage: "Gibt es Abfindungsunterschiede bei verschiedenen verlorenen Gliedmaßen?
Wenn ja: Was bringt mehr? Wieviel bekommt man?

Antwort: Nein. Aber wenn man etwas in Ausübung seiner Pflicht verliert kann man einen Antrag auf "Erstattung Wehrbeschädigung" stellen, der wird abgelehnt und dann kann man sich sein "Schmerzensgeld" einklagen - gut wenn man Mitglied im "Bundeswehrverband" (Eine Art Gewerkschaft) ist, die Unterstützen einem sehr gut.

Frage: "Ich spiele viel Counterstrike. Nutzt das etwas, wenn ich Soldat werden will?

Antwort: Absolut nicht, die Realität hat nichts mit einer wiederholbaren Situation zu tun in deren Umgebung man sich nach dem x-ten mal gut auskennt und sich "respawnen" kann.

Frage: "Welchen Ego-Shooter verwenden Sie?"

Antwort: Keinen, es handelt sich um einen "Teamshooter" mit Namen AGSHP (Ausbildungsgerät Schießsimulator Handwaffen/Panzerabwehrhandwaffen). Bei diesem Gerät befindet man sich selbst direkt vor dem Geschehen!

Frage: "Wie wird das Sprachenproblem gelöst? Es kommt ja in manchen Ländern vor,
dass die Leute sehr schlecht Deutsch und sogar kaum Englisch sprechen.
Ist dann nicht, wie sie schon oft zur Sicherheit des eingesetzten
Personals im Irak eingesetzt wurde, die Methode "Erst schießen, dann
fragen" doch die vernünftigste Option?

Antwort: Nein, zumindest den Europäischen also auch deutschen Truppen stehen bei jeder Aktivität außerhalb der eigenen Anlagen Übersetzer zur Seite.

Frage: "Höhe der Sterbevergünstigungen (einmalig oder dauerhaft) an Hinterbliebene?

Antwort: Darüber habe ich keine gesicherten Informationen, es ist anzunehmen das erstmal Antrag darauf gestellt werden muß.

Frage: "Wieviel kriegen meine Eltern, wenn ich im Einsatz sterbe?

Antwort: Darüber habe ich keine gesicherten Informationen, es ist anzunehmen das erstmal Antrag darauf gestellt werden muß.

Frage: "Oder noch etwas ausgeschmückter:
Das Haus unserer Familie muss abgezahlt werden. Und wir sind inzwischen
sehr hoch verschuldet.
Und nun will ich mich die finanziellen Rahmenbedingungen erkundigen,
wenn ich Soldat werde.
Wieviel wird denn an meine Familie gezahlt, wenn ich als Soldat im
Einsatz sterbe?

Antwort: Darüber habe ich keine gesicherten Informationen, es ist anzunehmen das erstmal Antrag darauf gestellt werden muß.

Frage: "Wenn in einem Wohnhaus Taliban waren und nach dem Einsatz dann die
betreffende Familie nicht mehr in dem Haus lebt, ... Darf ich die Dinge
in dem Haus dann behalten? In gewisser Weise ist das dann ja herrenloses
Gut.

Antwort: Nein. Wenn tatsächliche keine rechtmäßigen Besitzer/Erben für Haus und Gut mehr zu finden sind wird alles zu Afgahnischem Volksgut unter Verwaltung des Staates.

Frage: "Gibt es für mich als Soldaten unter bestimmten Bedingungen Straffreiheit
bei Plünderung, Vergewaltigung oder Mord?

Antwort: Unter keiner.

Ab welchem Dienstgrad bzw. in welchen Einheiten lerne ich Foltertechniken?

Antwort: In keiner

Frage: "Welche Höchstgrenze des Intelligenzquotienten (IQ) ist als
Bewerbungsvoraussetzung vorgegeben? Kurz: Welchen höchsten IQ darf ich
mitbringen?

Antwort: Beleidigende Frage, beleidigende Antwort. Der Fragensteller scheint wenn auch nur knapp unterhalb des Minimalquotienten zu liegen.

Frage: "Ich bin arbeitsloser Biologe, wenn ich mich für die Bundeswehr entscheide,
kann ich dann einen sinnvollen Dienst im Regenwald leisten, als
Baum-Sanitäter?

Antwort: Vieleicht nicht als Baum-Sanitäter aber Biologen könnten schon nen guten Job bekommen...

ein paar berichte

muss nicht ausgefüllt werden 03.07.2008 - 09:18

Hier noch einige Meldundgen - taz nord, nd und göttinger käseblatt.

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Das Kleingedruckte der Bundeswehr


taz nord, 2.7.08

In Göttingen protestieren Kriegsgegner gegen eine Veranstaltung der Bundeswehr in den Räumen der Agentur für Arbeit: Damit nutze man die Notlage von Arbeitslosen aus. Laut Bundeswehr handelt es sich um eine reine Informationsveranstaltung



von REIMAR PAUL



Vor den Eingängen der Göttinger Agentur für Arbeit patrouillieren Polizisten. Einige Beamte inspizieren das Buschwerk und die Beete rund um das wuchtige Gebäude. Der Einsatz am Dienstagnachmittag gilt einer Kundgebung von Kriegsgegnern. Ein paar Demonstrantinnen und Demonstranten mit Transparenten haben auf dem Vorplatz Position bezogen. "Keine Ausbildung zum Töten", steht da. Und: "Stellenangebot. Die Bundeswehr sucht sofort und zahlreich Kanonenfutter."

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Adressaten des Protestes sind beide - die Bundeswehr und die Agentur für Arbeit, die den Demonstranten zufolge das Militär an diesem Tag zu einer Werbeveranstaltung eingeladen hat. "Wir sind doch nur Raumgeber", wehrt der Pförtner im Eingangsbereich Fragen ab.



Oberleutnant Jörg Lübke kann die ganze Aufregung überhaupt nicht verstehen. "Wir machen bloß eine Informationsveranstaltung zum Arbeitsplatz Bundeswehr", sagt er. Daran teilnehmen können allerdings nur Personen, die sich vorher schriftlich angemeldet haben und eingeladen wurden. "Raum unbekannt", steht in den Antwortschreiben, die gleichzeitig als Eintrittskarte dienen.



Für weiter gehende Auskünfte verweist Lübke an die "zuständigen Stellen". Das sind beispielsweise das "Zentrale Messe- und Eventmarketing der Bundeswehr" mit Sitz in Düsseldorf sowie vor allem die "Akademie der Bundeswehr für Information und Kommunikation" im brandenburgischen Strausberg. 1990 gegründet, ist die Akademie laut Eigenwerbung "die zentrale Ausbildungs- und Tagungseinrichtung für das in der Informationsarbeit sowie in der personalwerblichen Kommunikation über den Arbeitgeber Bundeswehr eingesetzte Personal. "Sicherheitspolitische Kommunikation durch Training, Dialog, Transparenz", lautet das Betriebsmotto.



Was also macht die Bundeswehr genau an diesem Dienstag in Göttingen? Und warum die Zugangsbeschränkungen und die Heimlichtuerei? Oberstleutnant Paul Georg Weber, Pressesprecher der Bundeswehr-Akademie, sollte eigentlich Bescheid wissen. "Herr Weber ist den ganzen Tag in einer Maßnahme", erklärt die Vorzimmer-Dame und sei deshalb ebenso wenig für eine Stellungnahme zu erreichen wie sein Stellvertreter.



Für die Demonstranten auf dem Vorplatz der Arbeitsagentur ist die Sache ohnehin klar: Es handele sich um eine "Rekrutierungsveranstaltung". Die Bundeswehr nutze die Notlage von Arbeitslosen aus. Sie biete großzügige Gehälter, verschiedene Berufsausbildungen, Studiengänge und sichere Arbeitsplätze an. In ihren Augen gibt es ein "Kleingedrucktes" bei diesem Angebot: "Du hast zu gehorchen, wirst zum Tötungsexperten, kündigen geht nicht und das Ganze kann für dich so enden, wie für die Soldaten, die von ihren Auslandseinsätzen in Zinksärgen zurückkamen."



Während es in Göttingen bislang nur eine einzige Veranstaltung dieser Art gebe, würden Hartz IV-Empfänger in anderen Städten regelmäßig zur Teilnahme an solchen "Rekrutierungs-Events" verpflichtet, erklären die Kriegsgegner. Tatsächlich bestehen in Dutzenden Arbeitsagenturen mittlerweile feste Außenstellen des bundeswehreigenen Zentrums für Nachwuchsgewinnung.



"Die Bundeswehr ist nachgewiesenermaßen mit einem Rekrutierungsproblem konfrontiert", stellt das "Netzwerk Gewaltfrei Leben" fest. Es gebe millionenschwere Programme, um bei jungen Menschen die Akzeptanz für das Militär zu fördern. Und für die Bereitschaft, Gewaltanwendung bis hin zum Töten zu lernen. "Ziel der zunehmenden Militärpräsenz ist es auch, die Militarisierung der Gesellschaft zu forcieren und Akzeptanz für die zunehmende Zahl der Kriegseinsätze zu schaffen", sagt ein Sprecher der Göttinger Kriegsgegner.



Reklameeinsätze der Bundeswehr sind auch außerhalb der Arbeitsämter längst Alltag in Deutschland. So genannte "Karrieretrucks" steuern Plätze in den Innenstädten an. Auf Messen und vor Schulen bauen "Wehrdienstberater" ihre Informationsstände auf.



Ende April sollte ein Rekrutierungs-Trupp der Bundeswehr für drei Tage auf dem Schulhof der Göttinger Berufsbildenden Schule I stationiert werden. Mit zahlreichen Protesten verhinderte ein Bündnis von Kriegsgegnern die Veranstaltung. Längst sehen Kriegsgegner in vielen gesellschaftlichen Bereichen eine schleichende Gewöhnung ans Militärische. So würden allerorts Konzerte von Bundeswehr-Kapellen angekündigt.



Für den Februar zum Beispiel ist eine Militär- und Blasmusikparade in Göttingens größter Veranstaltungshalle geplant. Werbung für den Auftritt gibt es auch schon: "Höhepunkt ist dann das große Finale, bei dem sich alle Orchester mit ihren insgesamt rund 400 Mitwirkenden zusammenschließen, um gemeinsam zu musizieren, vom "Radetzky" bis zum "Florentiner-Marsch".


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Initiative ruft zu Protest gegen Bundeswehrveranstaltung auf


Stadtradio gö, Montag, 30 Juni 2008

Die Initiative „Bundeswehr wegtreten“ hat im Internet und mit Flugblättern zu Protest gegen eine Veranstaltung der Bundeswehr morgen in der Göttinger Agentur für Arbeit aufgerufen.

In dem Aufruf heißt es, die Bundeswehr mache sich in einer Werbe-Offensive den Sozialabbau und steigenden Druck auf Arbeitslose zu nutze. Sie verspreche sichere Arbeitsplätze, Karriere, Abenteuer und Frieden. Die Einsätze der Bundeswehr dienten jedoch nicht der Einhaltung von Menschenrechten, sondern verfolgten Macht- und wirtschaftliche Interessen. Die Initiative erklärte, in Göttingen handele es sich noch um eine einzelne Veranstaltung, in anderen Städten würden jedoch Hartz-IV-Empfänger regelmäßig zur Teilnahme an derartigen Rekrutierungsveranstaltungen verpflichtet. Die Veranstaltung der Bundeswehr im Berufsinformationszentrum (BIZ) der Arbeitsagentur beginnt morgen Nachmittag um 15.30 Uhr. Erst Ende Mai war eine Bundeswehrveranstaltung an der Göttinger Arnoldi-Schule nach Protesten abgesagt worden.

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Göttinger Tageblatt, 2.7.8

Demo gegen Bundeswehr
«Göttingen »(epd). Kriegsgegner haben am Dienstag in Göttingen gegen eine Werbeveranstaltung der Bundeswehr in der Agentur für Arbeit demonstriert. Zahlreiche Polizisten bewachten die Eingänge des Gebäudes, es blieb aber nach Auskunft der Polizei ruhig. Mit „Rekrutierungsveranstaltungen“ wie in Göttingen nutze die Bundeswehr die Notlage von Arbeitslosen aus, erklärte ein Sprecher der Demonstranten. In zahlreichen Städten würden Hartz-IV-Empfänger regelmäßig zur Teilnahme an solchen Veranstaltungen verpflichtet. Die Bundeswehr wies die Kritik zurück. Man könne die Aufregung nicht verstehen.

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