Proteste gegen Arbeitswahn in Leipzig

hinterdemhorizont 02.05.2008 16:16 Themen: Bildung Soziale Kämpfe
Anlässlich der am 1.Mai stattfindenden Gewerkschaftsdemonstration versammelten sich mehrere Menschen am Connewitzer Kreuz und Südplatz um gegen, anstatt für Arbeit zu demonstrieren.
Zunächst sollte an die TeilnehmerInnen der Versammlung, an welcher sich schätzungsweise 100 Personen beteiligten, der Grund und die Motivation, in Form eines Positionspapier, der bevorstehenden Aktion verteilt werden. Die Flyer wurden vom Start am Connewitzer Kreuz bis Höhe Karl-Liebknecht-Kurt-Eisner Straße verteilt. Am Südplatz schließlich sollte mit Hilfe einer symbolisch gemeinten Besetzung der Strecke, erneut auf das Anliegen hingewiesen werden. In relaxter und garantiert arbeitswahnfreier Atmosphäre saßen die AktivistInnen auf Stühlen, andere hielten ein Transparent mit der Aufschrift „Alle reden über Arbeit, wir tun was dagegen“. Als die Demo den Südplatz erreichte und die „Blockade“ bemerkte, kam es sofort zu Gewalt- und Wutausbrüchen einzelner TeilnehmerInnen. Dabei wurde keineswegs auf die Kritik reagiert, sofort begann mensch die AktivistInnen zu beleidigen, bedrohen und auch physisch zu belangen. Die Polizei trug ihren Teil bei und forderte mittels körperlichen Zwangs auf, die Straße zu räumen. Dies nutzen die AktivistInnen schließlich um eine Sitzblockade zu machen, erst nach 10-15minütiger Pause gelang es der Polizei die Straße wieder frei zu geben. 3 Menschen wurden zwecks einer Personalienfeststellung für kurze Zeit festgehalten. Einzelne TeilnehmerInnen des Aufzugs solidarisierten sich dann doch noch und halfen evtl. Gewahrsamnahmen zu verhindern, mind. 1 weitere Person versuchte eine Kommunikation zwischen Demo und ProtestlerInnen zu vereinbaren was schließlich misslang.
Die AktivistInnen werteten den symbolischen Protest als vollen Erfolg, sind jedoch darüber besorgt, dass TeilnehmerInnen der Gewerkschaftsdemo mit Gewalt reagierten und/oder drohten, dass mensch anscheinend zu keinerlei Kritik fähig ist. Insbesondere mit Blick auf das verteilte Flugblatt hätte mensch hier vielleicht mal lesen sollen. Es handelte sich nämlich bei der Aktion keineswegs um eine Ablehnung sozialer Proteste und/oder gewerkschaftlichen Engagements. Viel mehr sollte es darum gehen, dass der Wunsch nach einer Welt in der alle Menschen das gute und schöne Leben führen können, nur in einer emanzipatorischen Gesellschaft jenseits des Kapitalismus liegen kann. Statt auf der einen Seite eine verkürzte Kapitalismuskritik darzustellen, wie z.B. der weit verbreitete Slogan, Spekulanten und Manager seien die Verursacher des Elends und auf der anderen Seite ein zentrales Feld der Kapitalismuskritik, der (Lohn-)Arbeit keinen kritischen bis ablehnenden Blick zu zumessen, ist äußerst bedenklich. Dazu heißt es im Flyer:

„Wir wollen abschließend klar stellen, der Bruch mit Kapital und Nation ist nicht nur möglich sondern auch notwendig, gilt es die Überwindung von Ausbeutung und Unterdrückung zu erreichen. Soziale Proteste sind eine unumgängliche notwendige Form sich dem Elend zu verweigern um zumindest elementare Bedürfnisse wie Hunger, Wohnen und eine gewisse Form des Luxus zu ermöglichen. Jedoch weder die Durchsetzung guter Abschlüsse während der alljährlichen Tarifrunden noch die Besetzung einer Fabrik kann mit den kapitalistischen Realitäten brechen, sofern sie nicht durchschaut wie diese funktionieren. Ein erster Schritte sollte die Reflexion der eigenen Stellung im kapitalistischen Produktionsprozess sein. Die logische Konsequenz kann demnach nur das Ende des Arbeitsfetisch bedeuten.“

Auch weiterhin werden wir uns als anti-nationale AntikapitalistInnen kritisch gegenüber einem Arbeitswahn und Arbeitsfetischismus positionieren, einer nationalen Standortlogik zur Lösung etwaiger sozialer Probleme sagen wir klar den Kampf an.


Antinationale Gruppe Leipzig
www.agleipzig.blogsport.de

(Den Flyer kann mensch bald auf unserer Homepage in vollen Zügen lesen)
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Ergänzungen

Ergänzung

Name 02.05.2008 - 17:31
Auch in Göttingen gab es eine kleine Aktion gegen die Arbeit:
 http://de.indymedia.org/2008/05/215326.shtml

Anti-Wahn

40 Stunden 02.05.2008 - 18:51
Na das ist es Euch ja mal wieder prima gelungen, die Gewerkschaften zu entlarven. Herzlichen Glückwunsch. Habt Ihr mal über folgendes nachgedacht? Erstens, wenn Ihr eine 1.Mai Demo blockiert, wird das von den Teilnehmern sicher nicht spontan als als solidarische Kritik verstanden. Ich möchte mal Eure Reaktion sehen, wenn Leute eine Eurer Demos blockieren, z.B. um mit Euch mal eine Diskussion über Euren Kapitalismusbegriff zu führen. Wenn es also eine Konfrontation gab, seid Ihr selbst dran (mit)schuld. Zweitens: Eure Forderungen, sich vom Arbeitszwang zu lösen, kommen reichlich voluntaristisch daher. Die ganze Zeit nur auf anderen rumzuningeln, aber da wo es konkret wird (Montagsdemos, Bürgerbegehren zum Verkauf der Stadtwerke...) nichts beitragen zu können, ist eher ein Zeichen von Belanglosigkeit, als von Fähigkeit zu kritischer Intervention. Und solange dass so bleibt, müsst Ihr Euch nicht wundern, wenn Ihr in Leipzig von den meisten Leuten außerhalb Eurer eigenen Szene nur als nervtötend und irrelevant wahrgenommen werdet.

@André

muss ausgefüllt werden 02.05.2008 - 19:32
zu erstmal großes lob an eure aktion!!

ein text, der deine fragen bentworten könnte, findet sich unter:

 http://www.balzix.de/diverse_manifest-gegen-die-arbeit_1999.html

wahlweise gibt es diesen auch als gebundene ausgabe zu kaufen

motto des dgb

xxx 03.05.2008 - 10:16
das motto des dgb in sachsen war "gute arbeit muss drin sein". das gehört kritisiert, erstmal egal ob generell arbeitsfetischkritisch oder linksgwerkschhaftlich. denn der lohn (und um was gehts denn beim arbeiten) taucht dort gar nicht auf. die linke hatte wenigstens noch "gute arbeit, gute löhne, gute rente", vermutlich aber auch nur, weil sie weiß, woraus die rentenkassen für ihre mitglieder bezahlt werden.

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tja was soll ich sagen....

André 02.05.2008 - 18:47
Ich bin der letzte der neue Ideen und Ansätze pesimistisch kaputt nörgelt. Aber das was ihr da propagiert ist ziemlich hirnentleert. Mich würde mal interesieren wie der Verfasser so lebt bzw. wie man sich die einzig wahre Freizeitgesellschaft vorzustellen hat.

@andre

tut 02.05.2008 - 20:37
es geht nicht darum die einzig wahre Lebensweise zu propagieren, viel mehr geht es aber darum Menschen, die glauben mensch können aus der Sicht einer angeblich emanzipatorischen ArbeiterInnenklasse mit einer gewissen Revolutionsromantik den Kapitalismus a) reformieren oder b) abzuschaffen, einen kritischen Spiegel vorzuhalten. Mit Sicherheit ist auch klar, dass sich niemand ernsthaft derzeit vollkommen der Lohnarbeit verweigern kann, wie es auch u.A. im Flyer heißt ist diese eine Voraussetzung um überhaupt den Lebenserwerb zu verdinen, dass nun Menschen gegen solche Arbeitsbedingungen vorgehen welche genau dies nicht ermöglichen, bzw. deren Ausmaß keine ausreichende Bedürfnisbefriedigung zulässt ist vollkommen nachvollzieh- und auch unterstützensbar. Nur hört hier bei vielen das Denken auf, weniger wird reflektiert dass mensch in einem gewissen Dilemma gefangen ist, viel mehr wird sich mit der eigenen Stellung derart identifiziert, dass oftmals Arbeit nicht mal mehr hinterfragt wird, mehr Lohn, bessere Bedingungen ja, aber wie wäre es denn mal mit der Einsicht dass sich eine Konzentration auf Arbeit bereits aus den gesellschaftlichen Verhältnissen im Kapitalismus ergibt? Es bleibt dabei, Kritik ist eine Waffe, auch wenn hier der Addressat wohl sehr stark getroffen wurde, es bleibt unumgänglich will mensch Gesellschaftskritik betreiben, sich jenseits von Intervention und Kooperation zu positionieren.

Draußen bleiben?

Einer von wenigen 02.05.2008 - 23:30
Schön, dass man hier zu lesen bekommt, was gestern auf der Demo völlig unklar blieb. Wir im hinteren Teil haben nicht mal mitbekommen, dass was los war. 200 Leute für maximal fünf Minuten aufzuhalten, das war die großartige Aktion?

Vielleicht lauft ihr das nächste Mal einfach mit? Denn nicht alle in der Demo waren Arbeitsfetischistinnen, bei weitem nicht. Und auch bei denen kommt ein Stinkefinger von Zaungästen nicht gut an. Protest lächerlich machen ist einfach, aber Veränderung mit all ihren Widersprüchen zu versuchen, das erfordert schon mehr als sich daneben stellen und sagen "Wir spielen nicht mit".

@Draußen bleiben

nichts 03.05.2008 - 00:28
Es gab ja einen Block der sich die Ablehnung des Kapitalismus auf die Fahne geschrieben hatte, dabei allerdings glaubte, mensch könne mittels radikaler Intervention die Demo beeinflussen. Es stellte sich nicht die Frage wie und mit welchen Mitteln an der Demo teilnehmen, ganz im Gegenteil wollte mensch zeigen dass keine Kapitalismuskritik jenseits von einer kritischen Betrachtung von Arbeit den Namen verdient. Wer vermeintlich meint er/sie gehöre einer revolutionären Klasse an, welche sich alleine durch ihre Stellung zu den Produktionsmitteln bereits auf der guten Seite befände, irrt. Gerade die starke Identifizierung der ArbeiterInnen mit ihrer Rolle und deren Objekt Lohnarbeit sorgt für das tägliche Reproduzieren kapitalistischer Realitäten. An statt gegen Bonzen und Banken auf die Straße zu gehen sollte mensch lieber schauen wie sehr dieses Dilemma vorhanden ist. Jedoch ist es jederzeit möglich a) dem Arbeitsfetischismus zu entkommen und b) jenseits dessen eine gewerkschaftliche, radikale Praxis umzusetzen. Diese Aktion war und ist gedacht als Beginn einer längst überfälligen Debatte über den Stellenwert der Arbeit im Kapitalismus und den Umgang linker und linksradikaler Kräfte damit.

ja. aber

luna 03.05.2008 - 08:24
ich finds cool dass ihr euch radikaler sozialkritik annähert. but: euer flugblatt hat diesen typischen arrogant wirkenden impetus: ihr habt euer falsches bewusstsein noch nicht reflektiert, (aber wir). schwarz-weiss: grundsätzlicher bruch vs mitmachen. ich glaub, dass die realität komplexer ist. erwerbslose aus ihrem frust herauszu"holen", erwerbsarbeitende trotz der immer krasser werdenden zwänge zu sensibilisieren, zu ermutigen das "system zu durchschauen", alternative räume zu schaffen, solidarität zu praktizieren usw. das ist schwieriger als pamphlete zu schreiben und demos zu blockieren. wobei beides sicher dazu gehört. ich hättes cooler gefunden, wenn ihr etwas unkonfrontativer gewesen wärt. dass die anderen (die demo mit der zahlreichen k-gruppen-quote und der kraftlose natikapitalistische block) überreagieren, war wohl klar. vielleicht im nächsten jahr, ne mayday - gegen arbeit, für solidarität und hedonismus organisieren und die gewerkschafter mit ihrem unreflektierten traditionalismus einfach ignorieren.
btw: der Bundesarbeitsminister hat am 1. Mai verkündet dass die Vollbeschäftigung greifbar ist. Der Berliner Finanzsenator hat Erwerbslosen jüngst auch voll in die Fresse geschlagen, indem er ihnen ziemlich harsch u.a. drückebergerei unterstellte.
Rein diskursiv gibts in Bezug auf Erwerbsarbeits(zwang) ein Roll-back. Gibt also viel zu tun.

Cottbuser Aufbruch verurteilt Nazi-Aufmarsch

http://www.lr-online.de/ 03.05.2008 - 22:28
Das Aktionsbündnis „Cottbuser Aufbruch“ hat den Aufmarsch von rund 100 Rechtsextremen in der Nacht zum 1. Mai scharf verurteilt.

Der Sprecher der „Initiative für ein gewaltfreies tolerantes Miteinander“, Lothar Judith, vermutete hinter der nächtlichen Zusammenrottung eine gezielte Aktion der NPD, die in die kommunalen Parlamente dränge. „Es wird zum einen immer mal wieder versucht, die Menschen einzuschüchtern. Zum anderen mimen diese Leute dann wieder an Infoständen den braven Bürger. Das ist deren Strategie“, sagte Judith der Deutschen Presse-Agentur dpa.

Zugleich appellierte er an die Cottbuser: „Augen auf, nicht einschüchtern lassen und klarmachen, dass so etwas in dieser Stadt nicht gewollt wird.“

In der Nacht zum Donnerstag waren laut Polizei die mehr als 100 Neonazis mit Fackeln und Transparenten durch Cottbus-Sachsendorf gezogen. Die herbeigerufenen Polizisten aus mehreren Schutzbereichen wurden mit Fackeln, Steinen und Böllern beworfen. Verletzt wurde niemand.

Die 45 wegen schweren Landfriedensbruchs Festgenommenen, die überwiegend aus Sachsen stammen, wurden nach ihrer Vernehmung entlassen. Der Fall wurde zur Anklageerhebung an die Staatsanwaltschaft weitergereicht