Jugendfestival im Baskenland

Wladek Flakin 26.03.2008 17:55 Themen: Antirassismus Repression Weltweit
Am Montag ging das „Gazte Topagunea“ („Jugendtreffpunkt“ auf Baskisch) zu Ende. Zu diesem Jugendfestival der baskischen Linken waren rund 15.000 Jugendliche ins Dorf Lezo nahe Donostia/San Sebastían gekommen. Trotz Kälte, Regen und Hagel, die am ersten Abend Hunderte Zelte einbrechen ließen, fanden Konzerte (unter anderen von der italienischen Ska-Band Banda Basotti), Diskussionen, Workshops und Kundgebungen statt.
Die riesige Organisation wurde von 500 jungen Freiwilligen übernommen: Rund 15.000 Sandwiches wurden vorbereitet und, wie Igor von den Organisatoren meinte, „wir servierten genug Getränke, um ein Öltänker zu füllen“. Das ganze Festival lief unter dem Motto „Independentzia“ („Unabhängigkeit“) - nicht nur auf den Transparenten über der Bühne sondern auch auf Plastiktassen und Zuckerpackungen stand das einfache Logo dazu. Dabei geht es nicht nur um die Unabhängigkeit des baskischen Volkes von Spanien und Frankreich, sondern auch um die Unabhängigkeit der Individuen vom Kapitalismus und vom Patriarchat, wie AktivistInnen der baskischen Jugendbewegung betonen.

Das Festival lief vor dem Hintergrund der sich verschärfenden Repression. Allein im Jahr 2007 haben die Behörden über 400 BaskInnen aus politischen Gründen verhaftet – von den 42 über Folter in Polizeigewahrsam berichtet haben. Aktuell laufen Verbotsverfahren gegen die baskischen Parteien EHAK und ANV. Auch im Dorf Lezo, wo 9 von 10 Stadträten über die Liste der ANV gewählt wurden, ist diese Repression leicht zu spüren: Überall hängen die Plakate der „Abstentzioa“-Kampagne, die zur Wahlenthaltung bei den spanischen Präsidentschaftswahlen vor zwei Wochen aufforderten. Die wichtigste politische Organisation der baskischen Jugendbewegung, SEGI, gilt seit letztem Jahr im spanischen Staat als „terroristische Vereinigung“ - und trotzdem war sie an jeder Ecke in Lezo präsent.

Das Festival findet bereits zum sechsten Mal statt, aber noch nie waren so viele internationale Gäste dabei. Rund 130 Gäste von 30 Delegationen nahmen teil: aus Kurdistan, Palästina, Irland, Griechenland, Italien, Frankreich, Finnland, und verschiedenen Teilen des spanischen Staates. Auch aus Deutschland waren Vertreter der Antifaschistischen Linken Berlin, der Organisierten Autonomie aus Nürnberg und des Jugendverbandes „Revolution“ dabei, die über die Proteste gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm berichteten.

Am Sonntag fand auch die Demonstration der baskischen Linken zum Nationalfeiertag „Aberri Eguna“ statt. Vom Startpunkt im baskischen Dorf Irun liefen die rund 3.000 Demonstranten über die spanisch-französische Grenze ins Nachbardorf Hendaia, um die Einheit des Baskenlandes über diese Staatsgrenze zu betonen. Das erste Foto zeigt die zentrale Kundgebung der Topagunea am Samstag Abend. Die internationalen Gäste kamen auf die Bühne, während John Rishmanawi aus Bethlehem/Palästina eine Rede hielt und am Ende zusammen mit den 10.000 Zuschauern „Gora Euskal Herria Sozialista!“ rief. Im Hintergrund lief eine Ska-Version der „Internationale“.

Wladek Flakin, Lezo, 23. März 2008
Von der unabhängigen Jugendorganisation REVOLUTION ( http://www.revolution.de.com)



Fotos vom Festival auf Gaztesarea.net:
 http://www.gaztesarea.net/bereziak/topa08/irudiak08.php

Kurzbericht in der jungen Welt:
 http://www.jungewelt.de/2008/03-25/062.php

Flyer von REVOLUTION auf Englisch:
 http://www.revolution.int.tf/?p=179&language=en

Und auf Baskisch:
 http://www.revolution.int.tf/?p=178&language=eu
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Ergänzungen

Infos zur baskischen Unabhängigkeitsbewegung

Internationalist 27.03.2008 - 01:27
Zusammenstellung einiger Fakten zur baskischen Unabhängigkeitsbewegung, damit es auch mal eine tatsächliche Ergänzug gibt:

- die baskische Unabhängigkeitsbewegung entstand während der fanquistischen Diktatur, als Reaktion auf die politisch-kulturellen Gleichschaltungsversuche im spanischen Staat. Die baskische Sprache, baskische Feste, baskische Musik und vieles Andere wurde verboten, weil Franco mit Flamengo und Stierkämpfen seine kitschigen Vorstellungen der spanischen Kultur für alle Regionen durchsetzen wollte. Während der vorausgegangenen, sozialistischen, zweiten spanischen Republik gab es von Seiten der Basken keine nennenswerten Unabhängigkeitsbestrebungen.

- in Spanien gab es, im Gegensatz zu Deutschland (wo es erst die alliierte Entnazifizierung und dann die kulturelle Auseinandersetzung durch die '68er gab), keinen Bruch mit der franquistischen Diktatur. Sie endete erst langsam nach dem natürlichen Tod Francos im Jahre 1975. In Ermangelung eines Nachfolgers (Francos angedachter Nachfolger Carrero Blanco wurde bereits 1973 von der ETA in die Luft gesprengt) und weil die herrschende Klasse Spaniens verstanden hatte, dass es sich auch in einer parlamentarischen Demokratie gut, und unter Umständen sogar besser herrschen lässt, kam es 1977 zu den ersten freien Wahlen. Die Franquisten blieben jedoch in den Ämtern, weshalb Bürokratie, Justiz, Polizei, Guardia Civil und Polizei bis heute von ihnen dominiert werden.

- den immernoch nicht vollzogenen Übergang von Diktatur zu formaler Demokratie im spanischen Staat dokumentieren die unzähligen Verbote politischer Parteien und zivilgesellschaftlicher Organisationen, aber auch eindrucksvoll die von der Guardia Civil systematisch angewandte Folter (meist Schläge, Plastiktüte über den Kopf ziehen bis zum gefühlten Erstickungstod, sexuelle Demütigung und Vergewaltigung).

- der baskische Nationalismus ist ein linker Nationalismus mit sozialistischer Perspektive. Er ist nicht mit völkischen Nationalismen zu verwechseln, weil er kultureller Natur ist. Wer dem baskischen (National-)Kollektiv angehören will und im Baskenland lebt, wird von allen baskischen Nationalisten als einer von ihnen anerkannt. Ein institutionelles Beispiel hierfür sind die baskischen Pässe, die im Baskenland von vielen Polizisten, z.B. bei Verkehrskontrollen, und Ämtern anerkannt werden. Einzige Bedingung für diesen Pass ist es im Baskenland zu leben, weswegen er auch an alle Migranten ausgestellt wird, unabhängig davon, ob sie "gültige Papiere" haben, oder nicht. Diese praktische Flüchtlingshilfe, ein Pass ist Voraussetzung für Arbeitsverträge, Mietverträge etc., ist Ausdruck des emanzipatorischen Wesens des baskischen Nationalismus.

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