Israelische Aufklärung in Deutschland

shoshana 10.03.2008 14:02 Themen: Medien Weltweit
Eine Uebersetzung eines sehr lesenswerten Artikel von der israelischen Zeitung "Haaretz" ueber die deutsche Medien und Israel.
Israelische Aufklärung in Deutschland? Der Botschafter stößt nicht
wirklich auf Probleme

Assaf Uni
8.3.2008

Die Berichterstattung über Israel in Deutschland nimmt in der europäischen Medienlandschaft ein. Der Krieg in Gaza kam nur nachgeordnet vor. „Bei uns können Sie sich immer wie unter Freunden fühlen“ sagte ein leitender Redakteur.

Niemand erwähnte Gaza. Die acht führende Journalisten der Bayrischen Sendeanstalten, die gestern morgen (Mittwoch) dem Botschafter Israels in Deutschland, Yoram Ben Zeev gegenüber saßen, stellten Fragen zu den besonderen Beziehungen zwischen beiden Staaten, zur Konfrontation mit Hizbollah und zu den atompolitischen Aktivitäten Irans.

Die jüngste Eskalation im Gazastreifen, bei der drei Israelis und über hundert Palästinenser getötet wurden, kam am Tisch aus schweren Holze im Konferenzsaal der Fernsehanstalt bei München nicht zur Sprache. Und dies obwohl die weltweite Ausstrahlung der unerträglichen Bildaufnahmen vor Ort das israelische Außenministerium veranlasst hatten, eine „Aufklärungskampagne“ auszurufen.

In dieser Hinsicht ist Deutschland in der europäischen Medienlandschaft – dessen ist sich Ben Zeev bewusst – einzigartig. Die auf Israel abgefeuerten Quassamraketen spielten ebenso wie der Angriff auf Gaza eine nachgeordnete Rolle in der nationalen Berichterstattung des Landes. Vielleicht, weil sie sich am Wochenende ereigneten, wegen des tobenden Sturms in Deutschland, oder aber wegen der Wahlen, die zur selben Zeit in Russland stattfanden. Vielleicht aber, weil die Medien sich gegenwärtig – ebenso wie die Politik – scheuen, Israel
ständig mit Kritik zu löchern. Nur die Zeitung der Linken, „TAZ“ druckte ein Bild von einem getöteten palästinensischen Baby auf der ersten Seite, mit dem Untertitel, „Bombardierung von Gaza“. Alle anderen Zeitungen verdrängten die Bilder und Berichte auf die inneren Seiten. „Es ist unmöglich, die Berichterstattung der Medien in Deutschland mit der in Großbritannien oder Frankreich zu vergleichen“ sagte der Botschafter, „der israelische Standpunkt erfährt hier weit mehr Zustimmung als in jedem anderen Land Europas. Selbstverständlich muss hier zusammengearbeitet werden, damit dieser Zustand erhalten bleibt, denn er mag sich ändern.“

Und das ist der Grund für die Treffen, die gestern mit drei zentralen Medienanstalten in München stattfanden: Mit der Bayrischen Rundfunk- und Fernsehanstalt, deren Gesandter in Israel auch Korrespondent der öffentlich rechtlichen Fernsehanstalt, ARD, ist, mit leitenden
Redakteuren der linksliberalen „Süddeutsche Zeitung“ sowie mit Redakteuren des Wochenmagazins, „Fokus“. Die Treffen sind Bestandteil der Zusammenarbeit der Botschaft (Ben Zeev, der sein Amt vor ungefähr vier Monaten antrat, sagt, dass er den Begriff, „Aufklärung“ nicht mag, und es vorzieht von „Zusammenarbeit“ zu sprechen). Ihre Dringlichkeit und Bedeutung hat sich allerdings angesichts der Aktionen im Gazastreifen sowie der anhaltenden Raketenabwürfe auf Israel verändert.

Was interessiert nun hier die deutsche Fernsehanstalt, wenn sie auf den Botschafter Israels trifft? „In welchem Maße fürchtet Israel die arabische demographische Bedrohung?“, fragten die Redakteure. „Stellt der UN-Beschluss, weitere Sanktionen gegen Iran zu verhängen, Israel
zufrieden?“ „Wie beurteilen Sie die Unterschiede der Beziehungen zwischen Deutschland und Israel im Vergleich zu den übrigen Staaten Europas?“, „Wie verhält sich Israel zur Begegnung, die zwischen dem Außenminister Deutschlands und seinem syrischen Kollegen stattfand?“
Am Ende beschloss Ben Zeev das Thema Gaza selbst auf den Tisch zu bringen. „Wir wollen erklären. Es gibt nichts, wofür wir uns rechtfertigen müssten“, sagte er, „wie sollen wir handeln, wenn wir seit Jahren einen tagtäglichen Beschuss von Sderoth bestehen müssen? Es gibt doch keinen Staat auf der Welt, der wie Israel seine Bürger so vielen Gefährdungen ausgesetzt hat, um zu einem Frieden zu kommen.

„Im Laufe von 60 Jahren versuchten die Palästinenser uns ins Meer und wir versuchten sie in die Wüste zu stoßen“, bilanzierte er. „Israel versteht, dass die Zeit gekommen ist, der Konfrontation abzuschwören und der Zweistaatenlösung entgegenzugehen“.

„Herr Botschafter“, sagte einer der leitenden Redakteure, „erlauben Sie mir Ihnen zu versichern, dass Sie sich bei uns immer wie unter Freunden fühlen können.“ Ben Zeev sagt, dass es sein Ziel sei, Medienvertretern die Dilemmata Israels zu vermitteln. „Wenn ich mit Redakteuren zusammenkomme, will ich, dass sie das israelische Ringen
nachempfinden, die Tatsache, dass es ein Schwarz-Weiß nicht gibt. Ich will den Raum mit dem Wissen verlassen, dass ich ihnen ein Gefühl für die inneren Konflikte vermittelt habe.“

In den Redaktionen des Wochenmagazins, „Focus“, scheint Ben Zeev offene Türen eingerannt zu haben. „Wie können Sie in Sachen Frieden optimistisch sein?“, wurde er von einem der Gastgeber gefragt. „Uns ist es verboten, Pessimisten zu sein“, antwortet Ben Zeev. „Sie werden sicher viel zur Operation in Gaza gefragt“, überlegt ein Journalist, „nicht wirklich“, erwiderte der Botschafter.


Der originale Artikel ist
 http://www.haaretz.co.il/hasite/pages/ShArtPE.jhtml?itemNo=962214&contrassID=2&subContrassID=21&sbSubContrassID=0
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Über israelischen Journalismus

Yonatan Mendel 10.03.2008 - 17:08
Über israelischen Journalismus

Vor einem Jahr bewarb ich mich bei Maariv, einer israelischen Zeitung um den Job als Korrespondent für die besetzten Gebiete. Ich spreche arabisch und habe an palästinensischen Schulen unterrichtet und an vielen gemeinsamen jüdisch-palästinensischen Projekten teilgenommen. Beim Interview fragte mich der Boss, wie ich objektiv sein könne. Ich hätte doch zu viel Zeit mit Palästinensern verbracht; ich sei doch zu sehr zu ihren Gunsten ausgerichtet. Ich erhielt den Job nicht. Mein nächstes Interview fand mit Walla, Israels populärster Website, statt. Dieses Mal erhielt ich den Job und ich wurde Wallas Nahost-Korrespondent . Bald verstand ich, was Tamar Liebes, die Direktorin des „Smart Institute of Communication“ an der Hebräischen Universität meinte, als sie sagte: „Journalisten und Verleger sehen sich als Schauspieler innerhalb der zionistischen Bewegung, nicht als kritische Außenseiter.“



Das heißt nicht, dass israelische Journalisten nicht professionell sind. Korruption, sozialer Verfall und Unehrenhaftigkeit werden mit lobenswerter Entschlossenheit von Zeitungen, TV und Radio verfolgt. Dass Israelis genau hören, was ihr früherer Präsident Katsav mit seinen Sekretärinnen tat oder nicht tat, beweist, dass die Medien ihre Rolle als Aufpasser spielen, selbst wenn sie nationale oder internationale Verlegenheit verursachen. Ehud Olmerts zweifelhafte Apartmentgeschäfte, das mysteriöse Geschäft Ariel Sharons mit der griechischen Insel, Binyamin Netanyahus geheime Liebesaffäre; Yitzhak Rabins geheime US-Konten: all dies wird in den israelischen Medien offen diskutiert.



Wenn es sich aber um „Sicherheit“ dreht, gibt es keine solche Freiheit. Man spricht von „uns“ und von „ihnen“, der IDF und dem Feind; militärischer Diskurs ist der einzige erlaubte Diskurs, er übertrumpft jedes andere Narrativ. Nicht dass israelische Journalisten Befehlen gehorchen oder einem schriftlich festgelegten Code folgen: sie denken nur gut über ihre Sicherheitskräfte.

In den meisten Artikeln über den Konflikt liefern sich die beiden Seiten einen harten Kampf: die IDF einerseits und die Palästinenser auf der andern Seite. Wenn über einen gewalttätigen Vorfall berichtet wird, bestätigt die IDF oder die Armee sagt, aber die Palästinenser behaupten: ‚die Palästinenser behaupten, dass ein Säugling von IDF-Schießerei schwer verletzt wurde’. Ist das eine Schwindelei? ‚die Palästinenser behaupten, dass israelische Siedler sie bedrohen’: aber wer sind die Palästinenser? Lebt das ganze palästinensische Volk, israelische Bürger Israels, Bewohner der Westbank und des Gazastreifens, Leute. Die in den Flüchtlingslagern in den benachbarten arabischen Staaten leben und jene, die in der Diaspora leben – machen sie die Behauptung? Warum berichtet ein ernsthafter Artikel von einer Behauptung, die Palästinenser machten? Warum wird so selten ein Name, ein Ressort, eine Organisation oder die Quelle dieser Information genannt? Könnte es sein, dass dies so vertrauenswürdiger erscheint?



Wenn die Palästinenser keine Behauptungen machen, wird ihr Standpunkt einfach nicht gehört. Keshev, das Zentrum für den Schutz der Demokratie in Israel, untersuchte die Art und Weise, wie Israels TV-Kanäle und Zeitungen über palästinensische Todesfälle in irgend einem Monat - im Dezember 2005 – berichteten. Es fand 48 Zeitungsnotizen, die über 22 palästinensische Todesfälle berichteten. Doch nur nach acht dieser Berichte folgte der IDF-Version eine palästinensische Version; bei 40 anderen Beispielen wurde nur nach dem standpunkt der IDF berichtet.



Ein anderes Beispiel: im Juni 2006, nach dem der israelische Soldat Gilat Shalit von der israelischen Seite des Gazasicherheitszaunes gekidnappt wurde, wurden nach israelischen Medien sechzig Mitglieder der Hamas verhaftet, von denen 30 gewählte Mitglieder des Parlamentes und acht Minister der palästinensischen Regierung waren. In einer gut geplanten Operation nahm Israel den pal. Minister für Jerusalem, den Finanzminister, den für Erziehung und Bildung, für religiöse Angelegenheiten, für strategische Angelegenheiten, den für Internes, für Wohnungen und Gefängnisse wie auch die Bürgermeister von Bethlehem, Jenin und Qalqilia, den Präsidenten des pal. Parlamentes und ein Viertel seiner Mitglieder gefangen. Dass diese Leute mitten in der Nacht aus ihren Betten geholt und auf israelisches Gebiet gebracht wurde, um wahrscheinlich als zukünftige Tauschprojekte wie Gilad Shalit zu dienen.

Diese Operation war natürlich kein Kidnappen. Israel kidnappt nie – es verhaftet.



Die israelische Armee tötet nie absichtlich jemanden, geschweige denn mordet jemanden – ein Zustand auf den jede bewaffnete Organisation neidisch wäre. Selbst wenn eine 1 Tonnen- bombe auf ein dicht bevölkertes Wohngebiet im Gazastreifen fallen gelassen wird, wobei ein Bewaffneter und 14 unschuldige Zivilisten, einschließlich neun Kinder ums Leben kamen – dann ist das kein absichtliches Töten oder Morden: es ist ein gezielter Mordanschlag. Ein israelischer Journalist kann sagen, IDF-Soldaten haben Palästinenser ( tödlich) getroffen oder tötete sie ider tötete sie versehentlich und das Palästinenser getroffen oder getötet wurden oder ihren Tod gefunden haben ( als ob sie danach gesucht hätten) – aber Mord kommt nicht in Frage. Die Konsequenz - egal welche Wörter verwendet werden – der Tod von 2087 Palästinensern durch die Hände israelischern Sicherheitskräfte nach dem Ausbruch der 2. Intifada haben nichts mit bewaffnetem Kampf zu tun.



Die IDF, wie sie von den israelischen Medien beschrieben wird, hat eine andere seltsame Fähigkeit: sie initiiert nie, sie entscheidet nie über einen Angriff oder beginnt eine Operation. Die IDF re-agiert immer nur. Sie reagiert auf Qassem-Raketen, antwortet auf Terrorakte, reagiert auf palästinensische Gewalt. Das macht die Sache viel sensibler und zivilisierter: die IDF ist gezwungen zu kämpfen, Hauser zu zerstören, Palästinenser zu erschießen und 4485 von ihnen in sieben Jahren zu töten – aber für keine dieser Aktionen sind die Soldaten verantwortlich. Sie stehen einem abscheulichen Feind gegenüber und sie reagieren pflichtgemäß. Die Tatsache, dass ihre Aktionen : Ausgangssperren, Verhaftungen, Belagerung vom Meer her, das Schießen und Töten die Hauptursache ist für die Aktionen der Palästinenser scheint die Medien nicht zu interessieren. Weil Palästinenser nicht re-agieren können, wählen israelische Journalisten ein anderes Verb aus dem Lexikon, das Rache, Provokation, Angriff, Aufhetzen, Steine werfen und Qassamraketen einschließt.



Während ich Abu -Qusay, den Sprecher der Al-Aqsa-Brigaden im Gazastreifen im Juni 2007 interviewte, fragte ich ihn über die Gründe des Abschießens der Qassams auf die israelische Stadt Sderot. ‚Die Armee wird darauf reagieren,’ sagte ich, ohne zu realisieren, dass ich schon voreingenommen war. „Aber wir reagieren doch,“ sagte Abu-Qusay. „Wir sind keine Terroristen, wir wollen nicht töten … wir leisten nur Widerstand gegen Israels ständige Überfälle in die Westbank, auf seine angriffe, seine Belagerung, seinen Wasserraub und die Absperrung unseres Landes.“ Abu-Qusays Worte wurden ins Hebräische übersetzt, aber Israel überfällt jede Nacht die Westbank und Israelis geschieht kein Leid. Schließlich war das doch nur unsere Reaktion.



Zu einer Zeit als es viele Überfälle auf den Gazastreifen gab, stellt ich meinen Kollegen folgende Frage: „wenn ein bewaffneter Palästinenser die Grenze überquert und israelischen Boden betritt, nach Tel Aviv fährt und auf Leute dort auf der Straße schießt, dann ist er doch ein Terrorist und wir werden die Opfer sein, nicht wahr? Doch wenn die IDF die Grenze überquert, meilenweit in den Gazastreifen eindringt und mit dem Schießen auf ihre Bewaffneten schießt, wer ist der Terrorist und wer ist der Verteidiger? Wie kommt es dass die Palästinenser, die in den besetzten Gebieten leben, nie in Selbstverteidigung engagiert sein können, weil immer nur die israelische Armee der Verteidiger ist. Mein Freund Shay von der Graphikabteilung machte mir die Sache so klar: „Wenn du nach Gaza gehst und dort auf Leute schießt, dann bist du ein Terrorist. Aber wenn die Armee eine Operation ausführt, dann macht das Israel sicherer. Es ist die Ausführung einer Regierungsentscheidung.



Eine andere interessante Unterscheidung zwischen uns und ihnen wurde deutlich, als die Hamas die 450 Gefangenen im Austausch für Gilad Shalit verlangten. Israel verkündete, dass es wohl Gefangene entlassen würde, aber nicht solche mit Blut an den Händen. Es sind immer die Palästinenser – niemals die Israelis, die Blut an ihren Händen haben. Das heißt nicht, dass Juden nicht Araber töten könnten. Aber sie haben kein Blut an ihren Händen. Und falls sie verhaftet werden, dann werden sie nach ein paar Jahren entlassen; doch die mit Blut an ihren Händen sind weiter gegangen und Ministerpräsident geworden. Und wir sind nicht nur unschuldiger, wenn wir töten, sondern auch schmerzempfindlicher, wenn wir verletzt werden. Eine normale Beschreibung einer Qassam-Rakete, die Sderot trifft, wird gewöhnlich so aussehen: „Eine Qassam fiel in die Nähe eines Wohnhauses, drei Israelis haben leichte Verletzungen und zehn andere leiden unter Schock. Man sollte diese Verletzungen nicht leicht nehmen: wenn eine Granate mitten in der Nacht ein haus trifft, kann sie wirklich einen großen schock verursachen. Doch sollte man sich daran erinnern, dass nur Juden Schocks erleiden. Die Palästinenser sind ein sehr strapazierfähiges Volk.



Die IDF tötet nur die wichtigsten Leute – und wird so wieder von allen anderen Armeen beneidet. ‚Ein hochrangiges Mitglied der Hamas wurde getötet’ reden die israelischen Medien im Chor. Hamas-Mitglieder niederen Ranges sind anscheinend nie gefunden oder nie getötet worden. Shhlomi Eldar, ein TV-Korrespondent im Gazastreifen schrieb über dieses Phänomen in seinem Buch „Blind in Gaza“ (2005) . Als Riad Abu Zaid 2003 ermordet wurde, wiederholte die israelische Presse die IDF-Meldung, dass der Mann der Chef des militärischen Flügels von Hamas im Gazastreifen war. Eldar, einer von Israels wenigen Enthüllungsjournalisten ist, entdeckte, dass der Mann nur ein Sekretär im Gefangenen-Club der Bewegung war. Es war einer der vielen Fälle, in denen Israel einen palästinensischen Aktivisten höher einstufte, schrieb Eldar. Nach jeder Ermordung irgend eines kleinen Aktivisten wird eine hochrangiger „geliefert“.

…..

‚Die IDF agiert im Gazastreifen’ ( oder in Jenin, oder in Tulkarem oder in Hebron) ist der übliche Ausdruck der Armee, der von den Medien aufgegriffen wird. Warum sollte man das Leben der Zuhörer noch schwerer machen? Warum ihnen erzählen, was die Soldaten ( wirklich) tun, warum die Angst beschreiben, die sie verursachen, dass sie mit schweren Fahrzeugen und Waffen kommen und das Leben einer Stadt zermalmen und so noch mehr Hass, Sorgen und den Wunsch nach Rache erzeugen?

Als eine Maßnahme gegen die Qassam-Militanten entschied Israel im letzten Monat die Zufuhr von Strom für den Gazastreifen täglich ein paar Stunden zu sperren. Obwohl das z.B. bedeutet, dass Krankenhäuser ohne Strom sind, wurde gesagt, dass ‚Israel sich zu diesem Schritt entschieden hat, da dies eine nicht tödliche Waffe’ sei. Was die Soldaten auch noch machen, ist Säubern – khisuf. Im normalen hebräisch bedeutet khisuf etwas aufdecken, was verborgen ist. Aber von der IDF benützt bedeutet es, ein Gebiet, in dem sich bewaffnete Palästinenser verbergen könnten, zu säubern: während der letzten Intifada zerstörten israelische D9-Bulldozer Tausende von palästinensischen Häusern, entwurzelten Tausende von Bäumen und ließen Tausende von Gewächshäuser zerstört zurück. Es ist also besser, nur zu erfahren, dass die Armee den Ort ‚gesäubert’ hat, als mit der Realität konfrontiert zu sein, dass die Armee palästinensischen Besitz, Stolz und Hoffnung zerstört hat.



Ein anderes nützliches Wort ist „crowning“ – hebr. keter – Krone, ein Euphemismus für Belagerung, bei der jeder, der sein Haus verlässt, riskiert, erschossen zu werden. Kriegszonen sind Orte, wo Palästinenser getötet werden können, auch wenn es Kinder sind, die nicht wissen, dass sie eine Kriegszone betreten. Palästinensische Kinder werden übrigens oft zu palästinensischen Teenagers, besonders dann, wenn sie versehentlich getötet wurden. Noch andere Beispiele: isolierte israelische Außenposten in der Westbank werden illegale Außenposten genant, vielleicht im Gegensatz zu israelischen Siedlungen, die angeblich legal seien. Administrative Haft bedeutet Menschen in Haft halten, die vor kein Gericht gestellt wurden oder formell beschuldigt wurden ( im April 2003 waren es 1119 Palästinenser). Die PLO wird immer nur mit ihrem Akronym benannt, nie mit ihrem vollen Namen; denn das Wort Palästina wird fast nie verwendet – es gibt wohl einen palästinensischen Präsidenten, aber keinen Präsidenten von Palästina.



‚Eine Gesellschaft, die sich in einer Krise befindet, schafft sich ein neues Vokabular,’ schreibt David Grossman im „Der gelbe Wind“ und so nach und nach taucht eine neue Sprache auf , deren Wörter nicht mehr die Realität beschreiben, sondern sie zu verbergen versucht’. Diese ‚neue Sprache’ wurde freiwillig von den Medien übernommen. Aber wenn man einen offiziellen Satz von Richtlinien benötigt, dann kann dies im Nakdi-Bericht gefunden werden, Unterlagen, die von der Rundfunkbehörde zusammengestellt wurden. Seit 1972 wurde sie schon drei mal verändert. In dem Bericht geht es darum, der Arbeit von Zeitungsleuten einige professionelle Regeln zu geben. Zum Beispielt gehört dazu, dass der Terminus „Ost-Jerusalem“ nicht mehr gebraucht werden darf.



Die Restriktionen sind nicht auf Geographisches beschränkt. Am 20 Mai 2006 berichtete Israels populärster TV-Kanal 2 über eine weitere gezielte Tötung im Gazastreifen, eine Tötung, die den Qassambeschuss verringern helfen wird (Es waren 376 Leute durch gezielte Tötungen ums Leben gekommen – 150 von ihnen Zivilisten, die nach das Ziel der „gezielten Tötungen“ waren) Ehud Yaari, ein bekannter israelischer Korrespondent über arabische Angelegenheiten, saß im Studio und sagte: „Der Getötete war Muhammed Dahdouh vom islamischen Jihad … dies ist Teil des anderen Krieges, der die Zahl der Qassam-Aktivisten verringern soll.’ Weder Yaari noch der IDF-Sprecher fanden es der Mühe wert zu berichten, dass auch vier unschuldige palästinensische Zivilisten bei dieser Operation getötet und drei weitere schwer verletzt wurden, darunter ein fünfjähriges Mädchen Maria, das ab jetzt vom Hals ab gelähmt sein wird. Dieses vom israelischen Journalisten Orly Vilnai enthüllte ‚Versehen’, macht deutlich wie viel wir nicht wissen, obwohl wir meinen es zu wissen.

….

Israelische Korrespondenten für arabische Angelegenheiten müssen natürlich arabisch sprechen – viele von ihnen lernten es in Schulen des Sicherheitsestablishments – und sie müssen die Geschichte und Politik des Nahen Ostens kennen. Und es müssen Juden sein. Bemerkenswert ist, dass die israelisch-jüdischen Medien Journalisten mit durchschnittlichen Arabischkenntnissen denjenigen mit muttersprachlichen Arabischkenntnissen vorziehen, da diese palästinensische Bürger Israels wären. Anscheinend können jüdische Journalisten besser erklären „was Araber denken“, „was Araber wollen“, „was Araber sagen“ . Vielleicht ist es darum, weil die Redakteure wissen, was ihr Publikum zu hören wünscht. Oder – was noch wichtiger ist – was das israelische Publikum lieber nicht hören möchte.

Wenn die Wörter Besatzung, Apartheid und Rassismus ( ganz zu schweigen von palästinensischen Bürgern Israels, Bantustans, ethnische Säuberung und Nakba) im israelischen Diskurs nicht vorkommen, können die israelischen Bürger ihr ganzes Leben verbringen, ohne zu wissen, in welchem Umfeld sie gelebt haben. Man nehme z.B. Rassismus: wenn das israelische Parlament ein Gesetz herausgibt, dass 13% des Landes nur an Juden verkauft werden kann, dann ist dies ein rassistisches Parlament. Wenn in 60 Jahren das Land nur einen einzigen arabischen Minister hatte, dann hat Israel eine rassistische Regierung. Wenn in 60 Jahren während Demonstrationen Gummi ummantelte Kugeln und tödliche Munition nur gegen arabische Demonstranten angewandt wurden, dann hat Israel eine rassistische Polizei. Wenn 75% der Israelis zugeben, dass sie sich weigern würden, einen arabischen Nachbarn zu haben, dann ist die Gesellschaft rassistisch. Indem man nicht anerkennt, dass Israel ein Ort ist, wo Rassismus die Beziehungen zwischen Juden und Arabern bestimmt, macht es den israelischen Juden unmöglich, sich mit diesem Problem, ja mit der Realität ihres eigenen Lebens auseinander zu setzen.



Dieselbe Realitätsleugnung wird durch die Vermeidung des Terminus Apartheid deutlich. Mit der Assoziation zum weißen Südafrika fällt es den Israelis schwer, dieses Wort anzuwenden . Das heißt nicht, dass es in den besetzten Gebieten dieselbe Art von Herrschaft gibt. Aber ein Land braucht keine Bänke „nur für Weiße“, um ein Apartheid Staat zu sein. Apartheid bedeutet Trennung. Und wenn die Siedler in den besetzten Gebieten eine Straße haben und die Palästinenser andere Straßen oder Tunnel benützen müssen, dann ist das ein Apartheidstraßensystem. Wenn die Trennungsmauer auf Tausenden von Dunum von konfisziertem Land gebaut wurde und die Menschen ( einschließlich Palästinenser die auf beiden Seiten der Mauer leben) von einander trennt, dann ist es eine Apartheidmauer. Wenn es in den besetzten Gebieten zwei Rechtssysteme gibt, eines für die jüdischen Siedler und das andere für die Palästinenser, dass ist das eine Apartheidjustiz.



Und dann gibt es die besetzten Gebiete selbst. Bemerkenswert ist, dass es in Israel keine „besetzten Gebiete“ gibt. Der Terminus wird gelegentlich nur von einem linken Politiker oder Journalisten gebraucht. In der Nachrichtenabteilung gibt es ihn nicht. In der Vergangenheit wurden sie „verwaltete Gebiete“ genannt, um die Tatsache der Besatzung zu verbergen. Dann wurden sie „Judäa und Samaria“ genannt. Aber in den Massenmedien werden sie heute „die Gebiete“ genannt. Der Terminus hilft, die Vorstellung zu bewahren, dass Juden die Opfer sind, das es das ( jüd.)Volk ist, das sich nur selbst verteidigen muss und die Palästinenser die Angreifer, die Bösen sind, die grundlos aggressiv sind. Das sehr simple Beispiel erklärt es so: ein Bewohner der Gebiete wurde geschnappt, als er illegal Waffen schmuggelte. Es ist für Bewohner für besetzte Gebiete verständlich, dass sie gegen den Besatzer ( mit Waffen) Widerstand leisten – aber es macht wenig Sinn, wenn es ein Bewohner aus „den Gebieten“ ist.



Israelische Journalisten sind nicht mit dem israelische Sicherheitsestablishment verquickt und sie sind auch nie darum gebeten worden, ihren Hörern/Lesern Israels Militärpolitik angenehm darzustellen. Die Beschränkungen halten sie freiwillig, fast unbewusst ein – was ihre Praxis um so gefährlicher macht. Doch die Mehrheit der Israelis hat das Gefühl, dass ihre Medien zu links sind, nicht patriotisch genug, nicht genügend für Israel. Aber die ausländischen Medien sind noch schlimmer. Während der letzten Intifada verlangte der Finanzminister Avraham Hirschson, dass der CNN-Sender für Israel gesperrt werden müsste, weil er einseitige und tendenziöse Sendungen brächte, die nichts anderes als ein Hetzkampagne gegen Israel seien. … Israelische Männer sind verpflichtet bis zum alter von 50 Jahren pro Jahr einen Monat Militärdienst zu machen. Yigal Yadin, ein früherer Generalstabschef sagte: ‚ein Zivilist ist ein Soldat auf Urlaub von jährlich 11Monaten’.

Die israelischen Medien haben keinen Urlaub.



Yonatan Mendel war ein Korrespondent für die israelische Nachrichtenagentur Walla. Er ist z.Zt am Queens College, Cambridge, wo er seine Doktorarbeit macht (Connection between the Arabic Language and the security in Israel.

Wieso ist die Ergänzung über israel. Journal

xx 10.03.2008 - 18:52
keine INHALTLICHE Ergänzung? Aus Sicht der Mods vielleicht. Aber das kann doch jeder begreifen, dass das Thema Journalismus in Israel zum Thema des Beitrags passt. Welcher Logik unterliegen indymods? Oder stimmen die Gerüchte, dass ein Admin von indy Herausgeber einer Pro-Israelischen Seite ist, und daher Kritik an Israel versucht zu unterbinden?