Bedingungsloses Grundeinkommen

Christopher Dömges 19.02.2008 00:36 Themen: Soziale Kämpfe
Dortmund. Die Dortmunder Erwerbslosen-Sektion der verdi-Gewerkschaft widmete
sich im Januar als Auftakt einer Themenreihe dem Bedingungslosen Grundeinkommen
(BGE).
Angesichts sich verbreitender Verelendung weiter Teile der Bevölkerung durchaus
aktuell. Referent Ronald Blaschke, selbst jahrelang arbeitssuchend und jetzt Mit-
arbeiter der LINKE-Bundestagsfraktion, brachte den gut 15 erschienenen Joblosen
seine Sicht der Dinge näher.

Er weist darauf hin, dass die Gewerkschaften in den letzten Jahren das Thema Grund-
einkommen vernachlässigt haben. Blaschke: „Das kann nicht sein!“ Denn: Jeder
Mensch habe ein Recht auf Beteiligung am gesellschaftlichen Reichtum – schon,
weil er Mensch sei. Eine uralte Diskussion, die das BGE aufgreift. Verknüpft mit der
Frage nach Würde und Wert des Menschen. Alleinstehende galten im Jahr 2003
ab einem Bruttoeinkommen von 1000 Euro als arm, 2004 waren es 856, 2005
781 Euro. Nur, um ein paar Zahlen zu nennen, bei nicht mitgerechneter, nicht
unbeträchtlicher Teuerungsrate.

Einer, der ein Lied davon singen kann ist Wilfried Ziese, 54 Jahre, gelernter
Industriekaufmann – erwerbslos. Er: „Wir von den Arbeitssuchenden in verdi
fordern eine bessere Absicherung, und, bitteschön, nicht so eine Erpressungstaktik
des Arbeitsamts (Hast du einen Termin nicht eingehalten, werden die
Leistungen gekürzt.).“ Der Industriekaufmann hat in seinem Alter kaum mehr
Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Dennoch: Ziese muss fortlaufend Bewerbungsnach-
Weise erbringen. Erfolglos! Da treten Ermüdungserscheinungen auf!
Seine Familie (Die Frau ist auch arbeitslos und schwerbehindert.) hat 600 Euro
zum leben. „Zu wenig“, meint Ziese. Vielleicht könnte es sogar reichen! Dann
aber nur für Linsensuppe aus der Dose und vitaminarme Mehlspeisen. Befriedigung
der kulturellen Bedürfnisse? Fehlanzeige! Ganz zu schweigen von Urlaubsreisen,
wobei sich auch immer weniger Deutsche diese Entspannungstaktik zu Nutze
machen. (Mangels Geld? Mangels Zeit?)

Bleiben die konkreten Lösungsvorschläge, die Ronald Blaschke in „seinen“
BGE-Modellen präsentierte – an diesem kalten Januarabend im verdi-Haus
am Dortmunder Hauptbahnhof. Modell 1: Für jede Person 800 Euro plus
Wohn-Existenzgeld von durchschnittlich 260 Euro plus 110 Euro Beitrag zur
Krankenversicherung, macht unterm Strich 1170 Euro für jeden.
Blaschke: „Grundsätzlich hat jeder das Bedürfnis, sich irgendwie in die
Gesellschaft einzubringen.“ Und wenn einer Kugelschreiber zusammenbaut –
ein menschenwürdiges Leben muss gesichert sein. Darum, so der Referent,
„streiten wir von verdi fürs BGE“.
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Ergänzungen

Für Gleichbehandlung - Gegen Billiglohn!

ini-gegen-kahlschlag@gmx.de 19.02.2008 - 18:51
Massive Verstöße gegen die Mitbestimmungsrechte bei der Regensburger
Senffabrik Händlmaier: Firmenchef Franz Wunderlich hatte den 50
Beschäftigten im Dezember 2007 gedroht, die Produktion zu schließen,
wenn die gerade erst gewählte Betriebsratsvorsitzende im Amt bleibe.
Überdies war die Wahl zur Jugendvertretung rechtswidrig gestoppt worden.
Das hat jetzt auch ein juristisches Nachspiel: Die NGG hat beim
Arbeitsgericht Regensburg Klage auf Unterlassung eingereicht. Beim
ersten Verhandlungstermin am 29. Januar gab es keine Einigung. NGG geht
davon aus, dass das Gericht Händlmaier am 17. April verurteilen wird.
Weitere Infos findest Du auf  http://oberpfalz.ngg-bayern.net/

Und was sagen die KundInnen von Händlmaier dazu? Wenn Du das Verhalten
von Franz Wunderlich nicht gut findest, schick ihm doch bitte bis Ende
Februar eine Email an:  office@haendlmaier.de

Möglicher Inhalt: Der leckere süße Senf von Händlmaier wird auch in
Deiner Stadt von Dir gerne gegessen und gekauft. Du hast aber erfahren,
dass Händlmaier nicht korrekt mit dem Betriebsrat umgeht und den
Beschäftigten mit der Verlagerung der Produktion ins Ausland gedroht
hat. Sollten sich diese Vorwürfe der Gewerkschaft NGG erhärten, siehst
Du Dich gezwungen, Deine Kaufentscheidung für Händlmaier Senf in Zukunft
zu überdenken.

Solltest Du eine Reaktion von Händlmaier bekommen, schick sie doch bitte
zur Kenntnis an  tim.lubecki@ngg.net

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Finanzierung

Roland Ionas Bialke 19.02.2008 - 19:47
Da schau ich mir an, wofür das meiste Geld vom Staate ausgegeben wird und sehe, dass das schöne Geld für Staatsschulden rausgeht. Daher sollte neben der Einführung eines Bedingunslosen Grundeinkommens (BGE) auch ein Verbot von Staatsschulden beschlossen werden. Die ganzen Staatsgrenzen kommen dann auch noch weg... Oder hat da wer Angst vor Veränderung?

Die Frage bei dem Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) ist doch: Wer übernimmt die wirklichen Drecksarbeiten? - Zum Glück ist nicht alles was ich als "Drecksarbeit" bezeichne für andere Menschen negativ. Beispielsweise den alten Opi den Po abzuwischen - In Unseren Bewusstsein ist das oft eine schlechte Arbeit. Allerdings ist das keine schleichte Arbeit, sondern nur eine zu wenig respektierte Arbeit. Daher müssen solche Arbeiten, soziale Arbeiten, mehr belohnt werden. Andere Arbeiten werden im Sinne des BGEs auch zusätzlich belohnt, jedoch "lebenswichtige" Abreiten besonders hervorgehoben.

Wichtig ist auch, dass es eine funktionierende Arbeitsvermittlung gibt. Und Krankenkassen, wie es im Artikel angemerkt ist, halte ich in dieser Form auch nicht für haltbar. Was Wir nicht alles verändern müssen!

WHO

poorjohn 19.02.2008 - 19:48
Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO), gilt man im Sozialstaat Deutschland als arm wenn man weniger als 600€ im Monat zu verfügung hat.

verdi? (keine Ergänzung)

Max 20.02.2008 - 01:43
Darum, so der Referent,
„streiten wir von verdi fürs BGE“.

Wie: "wir von verdi"? Wer von verdi?

Verdi hat HartzIV durchgewunken, wie jede andere Gewerkschaft in D auch und ist dem Grundsatz der Besitzstandswahrung derer gegenüber verpflichtet, die einen Lohnarbeitsplatz HABEN. Während der Mieterschutzverein in seiner Zeitung eine feste Rubrik zum Thema "HartzIV" (in Sachen Wohngeld bzw. KdU) installierte, darf man zwei, drei Ausgaben der verdi-"Publik" getrost beiseite legen, um VIELLEICHT in der vierten mit der Lupe einen Fünfzeiler zum Thema zu finden. Wohlgemerkt zum Thema "HartzIV", aber "BGE"? Mit verdi?
Oder sind es die Räumlichkeiten von verdi, Unterschlupf zu finden und zudem die Möglichkeit, einen Adressat diverser Beiträge zu haben? Wenn z.B. die Diakonie oder Caritas ebensolches bieten würde (was sie tun!), hieße es dann: "Wir von der Diakonie fordern ein BGE"?

Um mich nicht miss zu verstehen: Ich wünsche Euch viel Kraft, befürchte aber, dass 90 Prozent hiervon an der Ignoranz der verdi-Autorität schlicht verpufft. Hier wird verdi zum Partner ERHOBEN, ohne dass er was dafür kann ... der dann sagt: "Psst, lasst sie doch 'n bisschen (gedanken)spielen. Schließlich geht es um 'Beschäftigung'."

Klar, wird man letztlich die Gewerkschaften brauchen (wie man ihren Segen für 'HartzIV' unter rot-grün schließlich auch brauchte), aber gerade im Bereich der Erwerbslosenpolitik kann man sicher mehr erreichen, OHNE sie.

Was fällt dann alles weg?

PfurzEgal 20.02.2008 - 06:16
Versionen von Grundeinkommensarten kursieren nun bereits seit geraumer Weile innerhalb verschiedenster politischer Spektren und Ideologien. Einen guten und umfassenden Überblick bietet  http://www.archiv-grundeinkommen.de/ .
Dort werden unterschiedlichste Arten von Ausgestaltungen, Finanzierungsvorschlägen und Auswirkungen auf die Arbeitsgesellschaft diskutiert. Insofern ist die Debatte nicht neu.

Eher weniger wird die Frage angesprochen, inwiefern ein politisch legitimierbar-realisierbares Modell sich als ein Trojanisches Pferd erweist.
Also inwiefern die Möglichkeit besteht, damit einen weiteren radikalen Schliff des Sozialsystems zu exekutieren.

So erscheint es mir wahrscheinlich, dass im Zuge einer etwaigen Einführung weitgehende Leistungen (z.B. Kitaplätze, Schul- und Studiengebühren, öffentliche Güter im Allgemeinen) abgebaut bzw. eingeführt werden.

Also die These: Grundeinkommen liefert die Legitimationsbasis für einen weiteren radikalen Abbau sozialer Leistungen.

Bezogen auf diese Frage wäre eine Stellungnahme vom verdi-Menschen interessant.

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