Gefangene in Kolumbien im Hungerstreik

Internationale Solidarität 28.01.2008 14:45 Themen: Repression Soziale Kämpfe Weltweit
In Kolumbien ist Gefängnishaft Normalität für die gesamte Linke, nicht nur für die Mitglieder der verschiedenen Guerrillas. Sie ist ein politisches Mittel, das immer wieder z.B. durch Folter, etc. eingesetzt wird, um Organisationen und Bestrebungen wiederholt gezielt zu schwächen, die für soziale Veränderungen eintreten. Immer wieder kämpfen deshalb die politischen Gefangenen offen gegen diese repressive Regierungspolitik, dieses Mal in Girón.
Der Hungerstreik von sieben politischen Gefangenen in der Haftanstalt Giróns, Kolumbien,
hält weiter an

Am 7. Januar, kurz nach den Feiertagen, sind sieben politische Gefangene wegen der gefährlichen Situation, in der sich die politischen Gefangenen in der Haftanstalt Palo Gordo in Girón befinden, in einen unbefristeten Hungerstreik getreten. Sie sind aufgrund „vorbeugender Maßnahmen” (medidas cautelares) der Interamerkanischen Komission für Menschenrechte der OAS[1] seit 2004 im Gefängnis. Denn trotz ihres Status und zahlreicher formeller Anfragen und Anträge, sie gemäß ihres Status zu behandeln, sind sie den Maßnahmen der Hochsicherheitsstufe (Alta Seguridad[2]) ausgesetzt. Deshalb fordern sie von der Regierung eine umgehende Lösung für ihre Situation, nachdem das INPEC[3] ihnen mit Schweigen, Ausflüchten und Verzögerungen begegnet ist.

Seit 2005 sind zwar einige der Gefangenen der Mittleren Sicherheitsstufe zugeordnet worden, so dass sie an die Normen des Gesetzes 65 aus dem Jahre 1993 gebunden sind, die besagen, dass sich ihre Behandlung von der der Hochsicherheitsstufe unterscheiden muss. Dennoch haben sie bereits die Anforderungen, die der Artikel 144 desselben Gesetzes vorgibt, erfüllt, ohne dass sich ihre Behandlung geändert hätte. Dementsprechend verstößt das INPEC gegen die eigene Haft- und Straflogik.

Aufgrund einer von Beginn an restriktiven und unmenschlichen Auslegung der „vorbeugenden Maßnahmen“ mussten die Gefangenen im Gefängnis Repression, Drohungen und Verstöße gegen ihre Rechte hinnehmen.

Heute (14. Januar 2008) haben die Gefangenen mitgeteilt, dass sich einige der Hunger Streikenden bereits in einer gesundheitlich schlechten Verfassung befänden und dass die Gefängnisverwaltung dennoch ein Treffen mit ihnen abgelehnt hat, in dem es um eine angemessene Behandlung und eine gesonderte Unterbringung entsprechend der Rechtslage gehen sollte.

Die Sektion Santander der Fundación Comité de Solidaridad con los Presos Políticos[4] hat beim INPEC, der Gefängnisdirektion, dem Innen- und Justizministerium beantragt, dass sie Situation der Streikenden verifiziert wird und dass sie eine Lösung im Rahmen der „vorbeugenden Maßnahmen“ suchen, die die Gefangenen in diese Situation gebracht haben. Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt haben die Behörden jedoch nicht darauf reagiert.

Bucaramanga, 14. Januar 2008
Sektion Santander der Fundación Comité de Solidaridad con los Presos Políticos




Im Folgenden wird das Kommuniqué der Gefangenen veröffentlicht:

Kommuniqué

Die Gefängnisverwaltung hat sich bislang nur darum gekümmert, Pressemitteilungen herauszugeben, um die Wahrheit über unsere Petitionen zu verzerren und vorzugeben, dass sie sich der Sache annähme.

Wir, die Gefangenen des 3. Flures, die sich seit dem 7. Januar 2008 im Hungerstreik befinden, wollen der Öffentlichkeit mitteilen, dass die Gefängnisleitung uns bis heute nicht einmal aufgesucht hat, um herauszufinden, was uns zu diesem Schritt veranlasst hat.

Es ist nicht sicher, ob wir unter medizinische Aufsicht oder Kontrolle durch die Gesundheitsabteilung des Gefängnisses gestellt werden. Bislang ist lediglich ein Arzt am Abend des 11. Januar 2008 zu uns gekommen, um eine oberflächliche Untersuchung unser Grundfunktionen vorzunehmen. Bis zu diesem Moment sind uns auch nicht die vom Arzt verordneten Medikamente gebracht worden. Ein Serum ist z.B. auch gar nicht im Gefängnis erhältlich.

Der Anwalt der Defensoría[5] ist lediglich einmal in der vergangenen Woche zu uns gekommen und hat im Anschluss seine Vorgesetzte, die Defensora del Pueblo von Santander nicht darüber informiert, was uns widerfährt, und auf welche rechtlichen Regelungen wir uns beziehen, um unseren Hungerstreik zu begründen.

Da uns weder die Gefängnisleitung noch das regionale oder nationale INPEC irgendeine Entscheidung mitteilt, haben wir beschlossen, dass wir den 3. Flur verlassen und uns der Gefängnisleitung zur Verfügung stellen wollen, damit sie uns angemessen unterbringt während unser Status abschließend definiert wird. Das heißt nichts anderes, als dass wir in ein Gefängnis der Mittleren Sicherheitsstufe (Mediana Seguridad) verlegt werden wollen, da wir bereits dementsprechend eingestuft worden sind und sie uns bereits bestätigt haben, dass unsere Rechte gemäß der „vorbeugenden Maßnahmen“ in diesem Gefängnis nicht angemessen gewährt werden können.

Dass wir diesen Maßnahmen unterstehen bedeutet nicht, dass wir einer restriktiven Behandlung oder Sicherheitsmaßnahmen ausgesetzt werden dürfen wie der Isolationshaft oder der Diskriminierung; wenn uns nicht dieselben Möglichkeiten geboten werden können wie anderen Gefangenen derselben Kategorie, wollen wir verlegt werden.

Wir fordern daher das INPEC auf, dass es alle Schritte unternimmt, die es für die inhaftierten Paramilitärs nach einer Woche unternommen hat, damit auch wir unsere Situation lösen können.

Wir danken den Medien, dem Ministerium für öffentliche Angelegenheiten und den Menschenrechtsorganisationen für die Verbreitung der Wahrheit, die Überwachung unserer Situation und ihre Solidarität.

Die Politischen Gefangenen im Hungerstreikende
Gefängnis von Girón, 15. Januar 2008


[1] OAS: Organisation Amerikanischer Staaten
[2] Die kolumbianische Regierung hat vor einigen Jahren eine „Reform” des Strafvollzug verabschiedet, die eine grobe Dreiteilung des System vorsieht. Jede/r Gefangene wird entsprechend der Strafe, des Deliktes und der Häufigkeit der Verurteilungen in eine der drei Kategorien eingestuft. Diese Umgestaltung dient vor allem der Bekämpfung der politischen Gefangenen und schließt regelmäßige Verstöße gegen Menschenrechte wie Folter ein.
[3] Instituto Penitenciario y Carcelario (INPEC) bedeutet sinngemäß Institut für Straf- und Gefängnisangelgenheiten und ist das Verwaltungsorgan des kolumbianischen Staates für seine Gefängnisse.
[4]Auf deutsch bedeutet der Name „Stiftung Solidaritätskomittee mit den Politischen Gefangnen”. Dies ist eine Menschenrechtsorganisation, die sich seit 1973 hauptsächlich um die politische und jurstische Arbeit mit politischen Gefangenen bemüht, aber auch zur allgemeinen Gefägnissituation in Kolumbien arbeitet. Sie zählt unter anderem zu den sozialen Organisationen, die immer wieder aufgrund ihrer Arbeit durch verschiedene Organisationen bedroht wird, sei es durch öffentliche Denunziationen gegen Menschenrechtsorganisationen seitens des Präsidenten Álvaro Uribe Vélez oder durch Bedrohungen seitens der Paramilitärs.
[5]Die Defensoría del Pueblo besitzt kein direktes Pendant in Deutschland. Seine Aufgabe ist unter anderem die Kontrolle der Einhaltung der Menschenrechte, nimmt verschiedene Beschwerden seitens der Bevölkerung auf und überwacht ihre Untersuchung. Ausserdem stellt sie auch die Pflichverteidiger_innen für Angeklagte, die nicht über die notwendigen finanziellen Mittel verfügen, einen Anwalt zu bezahlen.




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Ergänzungen