Debatte: Anzeige gegen Wikipedia
Über die Stärken und Schwächen von Wikipedia wird derzeit einmal mehr öffentlich diskutiert und polemisiert. Die Debatte geht alle freien Medien etwas an.
Einige freie Medienschaffende mag bei dieser Meldung ein kalter Schauer erfasst haben: Katina Schubert, Stellvertretende Vorsitzende der Partei die Linke stellte gestern öffentlich Strafanzeige gegen die deutsche Wikipedia wegen der Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole.
Pressemitteilung dazu:
http://die-linke.de/presse/presseerklaerungen/detail/zurueck/aktuell/artikel/nazis-raus-aus-wikipedia/
Gegenüber der Presse erklärte Sie: Die [..] "..erfreulich offene Struktur macht „Wiki“ leider auch zu einem wenig kontrollierbaren Einfallstor für rechte und rechtsextreme Ideologien. [..]Meine Anzeige soll die Betreiber zwingen, bei Beibehaltung der offenen Struktur, politische und ethische Standards einzuführen, die es Nazis unmöglich machen, ihren braunen Müll als lexikalisch wertvolles Wissen auszugeben und im Netz zu verbreiten."
Mit rechtsstaatlichen Mitteln meinte Frau Schubert hier - nach dem Motto: "every news is good news"? - in ein altbekanntes Wespennest stechen zu müssen, dass alle freien Medien verfolgt, die Frage nach der "richtigen" Moderationspolitik.
Heute hat Frau Schubert ihre Anzeige wieder zurückgezogen, vgl: http://die-linke.de/presse/presseerklaerungen/detail/zurueck/aktuell/artikel/auseinandersetzung-hat-begonnen/
Sie erklärt: "Da eine Strafanzeige offenbar der falsche Weg für diese Auseinandersetzung ist, ziehe ich diese – nachdem mich bereits gestern Vertreter von Wikimedia angesprochen haben und wir intensiv diskutiert haben – heute zurück."
Aus der Sicht mancher wird dieser Schritt zu spät kommen, da Sie sich durch den rechtsstaatlichen Vorschlaghammer vorerst als Gesprächspartnerin selbst diskreditiert hat. Aus der Sicht anderer mag ihr Schritt der Anzeige der "richtige" gewesen sein, da Sie offenbar aus dem Bedürfnis heraus handelte, mögliche Verbreitungswege rechter Propaganda im Netz zu dezimieren. Aber wer entscheidet über "richtige" und "falsche" Informationen? Auch auf Indymedia ist die zeitlose Debatte dazu uralt (und wird - wenn überhaupt - lieber in der mailingliste gesehen).
Glücklicherweise müssen heute auch konventionelle Medienschaffende erkennen: Freie Medien haben ihre Vorzüge und erstaunliches Leistungspotential: Die aktuelle Ausgabe des Magazin "Stern" etwa erklärt nach einem Vergleich von Wikipedia und Brokhaus, dass Wikipedia eindeutig besser abgeschnitten habe. Wikipedia liefert quantitativ weniger falsche Informationen und geht häufig mehr ins Detail. Andererseits ist und bleibt Wikipedia für den konventionellen Journalismus in der Regel eine unbrauchbare Quelle, da Wiki-Informationen - wenn Sie dann doch einmal falsch sind - aufgrund von Vandalismus etwa in Biografien auf Wikipedia oft so extrem verfälscht sind, dass es viel fatalere Folgen für das Renomé eines Autors haben kann als etwa die Verwurstung einer schwachen Munzinger-Biografie.
Wer sich mit freien wie unfreien Medien längere Zeit beschäftigt, sollte aber irgendwann dahin kommen, aus den herkömmlichen Pro-Kontra-Schemata ganz auszubrechen und nach neuen Ufern zu suchen.
Möglicherweise sind das größte Problem freier Medien nicht die fortlaufend umkämpften Qualitätsstandards und Kontrollmechanismen, sondern vielmehr der Mangel an Medienkompetenz vieler NutzerInnen, dem bisher leider nur autodidaktisch beizukommen sein scheint.
Vielleicht sollten Politikerinnen und Politiker, die sich gerne am Thema freie Medien abarbeiten, einmal darüber nachdenken, wie die Rezipientenseite nicht nur passiv, sondern auch aktiv vor der Flut aus Müll und Propaganda aller Richtungen zu schützen wäre. Im kleinen Kreise fordern es Medienschaffende schon heute:
Das Unterrichtsfach "MEDIENKOMPETENZ" ist nicht erst in Zeiten des Internet in einem halbwegs vernünftigen Bildungswesen mehr als überfällig! Wäre es nicht wundervoll, wenn PolitikerInnen wie Frau Schubert eher in dieser Richtung ihr Pulver verschießen würden, anstatt wie ein Hamster im Laufrad inhaltlich auf der Stelle zu treten?
Pressemitteilung dazu:
http://die-linke.de/presse/presseerklaerungen/detail/zurueck/aktuell/artikel/nazis-raus-aus-wikipedia/
Gegenüber der Presse erklärte Sie: Die [..] "..erfreulich offene Struktur macht „Wiki“ leider auch zu einem wenig kontrollierbaren Einfallstor für rechte und rechtsextreme Ideologien. [..]Meine Anzeige soll die Betreiber zwingen, bei Beibehaltung der offenen Struktur, politische und ethische Standards einzuführen, die es Nazis unmöglich machen, ihren braunen Müll als lexikalisch wertvolles Wissen auszugeben und im Netz zu verbreiten."
Mit rechtsstaatlichen Mitteln meinte Frau Schubert hier - nach dem Motto: "every news is good news"? - in ein altbekanntes Wespennest stechen zu müssen, dass alle freien Medien verfolgt, die Frage nach der "richtigen" Moderationspolitik.
Heute hat Frau Schubert ihre Anzeige wieder zurückgezogen, vgl: http://die-linke.de/presse/presseerklaerungen/detail/zurueck/aktuell/artikel/auseinandersetzung-hat-begonnen/
Sie erklärt: "Da eine Strafanzeige offenbar der falsche Weg für diese Auseinandersetzung ist, ziehe ich diese – nachdem mich bereits gestern Vertreter von Wikimedia angesprochen haben und wir intensiv diskutiert haben – heute zurück."
Aus der Sicht mancher wird dieser Schritt zu spät kommen, da Sie sich durch den rechtsstaatlichen Vorschlaghammer vorerst als Gesprächspartnerin selbst diskreditiert hat. Aus der Sicht anderer mag ihr Schritt der Anzeige der "richtige" gewesen sein, da Sie offenbar aus dem Bedürfnis heraus handelte, mögliche Verbreitungswege rechter Propaganda im Netz zu dezimieren. Aber wer entscheidet über "richtige" und "falsche" Informationen? Auch auf Indymedia ist die zeitlose Debatte dazu uralt (und wird - wenn überhaupt - lieber in der mailingliste gesehen).
Glücklicherweise müssen heute auch konventionelle Medienschaffende erkennen: Freie Medien haben ihre Vorzüge und erstaunliches Leistungspotential: Die aktuelle Ausgabe des Magazin "Stern" etwa erklärt nach einem Vergleich von Wikipedia und Brokhaus, dass Wikipedia eindeutig besser abgeschnitten habe. Wikipedia liefert quantitativ weniger falsche Informationen und geht häufig mehr ins Detail. Andererseits ist und bleibt Wikipedia für den konventionellen Journalismus in der Regel eine unbrauchbare Quelle, da Wiki-Informationen - wenn Sie dann doch einmal falsch sind - aufgrund von Vandalismus etwa in Biografien auf Wikipedia oft so extrem verfälscht sind, dass es viel fatalere Folgen für das Renomé eines Autors haben kann als etwa die Verwurstung einer schwachen Munzinger-Biografie.
Wer sich mit freien wie unfreien Medien längere Zeit beschäftigt, sollte aber irgendwann dahin kommen, aus den herkömmlichen Pro-Kontra-Schemata ganz auszubrechen und nach neuen Ufern zu suchen.
Möglicherweise sind das größte Problem freier Medien nicht die fortlaufend umkämpften Qualitätsstandards und Kontrollmechanismen, sondern vielmehr der Mangel an Medienkompetenz vieler NutzerInnen, dem bisher leider nur autodidaktisch beizukommen sein scheint.
Vielleicht sollten Politikerinnen und Politiker, die sich gerne am Thema freie Medien abarbeiten, einmal darüber nachdenken, wie die Rezipientenseite nicht nur passiv, sondern auch aktiv vor der Flut aus Müll und Propaganda aller Richtungen zu schützen wäre. Im kleinen Kreise fordern es Medienschaffende schon heute:
Das Unterrichtsfach "MEDIENKOMPETENZ" ist nicht erst in Zeiten des Internet in einem halbwegs vernünftigen Bildungswesen mehr als überfällig! Wäre es nicht wundervoll, wenn PolitikerInnen wie Frau Schubert eher in dieser Richtung ihr Pulver verschießen würden, anstatt wie ein Hamster im Laufrad inhaltlich auf der Stelle zu treten?
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Ergänzungen
Interessant, was bei dieser Debatte hochkommt
Doch die Sache hatte eine interessante Nebenwirkung: die Debatten in der Netzwelt zeigen, wie stark Naziideolgie wieder in den Köpfen der Deutschen verankert ist. Es praktisch nur einen Tenor: "Nazis = Andersdenkende, werden von fiesen roten Zensoren verfolgt". Besonders deutlich wird das im Heise-Forum, wo die Admins traditionell eher rechts als links stehen.
Die Artikelforen sind voll von solchen Beiträgen - meist von den Forenusern als "guter Beitrag" bewertet:
"Die HJ war eine Organisation der NSDAP, sicher. Aber warum deren Symbole verbieten, hat die HJ Verbrechen begangen?"
http://www.heise.de/newsticker/foren/go.shtml?read=1&msg_id=14032058&forum_id=128551
"Was ist z.B. mit linksextremistische Positionen? ...Die sind nicht minder gefährlich."
http://www.heise.de/newsticker/foren/go.shtml?read=1&msg_id=14029462&forum_id=128551
"Linksradikale wie die Grünen sollten genauso verfolgt werden wie die
Rechtsradikalen."
http://www.heise.de/newsticker/foren/go.shtml?read=1&msg_id=14028926&forum_id=128551
Die Admins weigern sich wie üblich, diese Beiträge zu entfernen und zensieren dagegen jede Position, die vom Heise-Meinungskorridor zu weit abweicht. Im Grunde genommen, sollte sowas Thema der Auseinandersetzung sein.
@KlausMaus
keine ahnung ob das sich zufällig ergeben hat oder eine koordinierte unterwanderungsaktion irgendwelcher faschos war.
spannender modellfall
Unter http://www.projektwerkstatt.de/hoppetosse/hierarchNIE/offenerraum.html gibt es ein paar schöne Mitschnitte von Zensur durch die Wikipedia-Polizei und der Wirkung dieser Zensur auf konkrete Artikelqualität.
nie wieder katina
wikipedia sitzt in den USA
Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen
Was würden wir tun?
Nun muss man einfach den Begriff bei Wiki eingeben und man erhält das fertige Referat.
Es ist eine unglaubliche Arbeitserleichterung - zehn Minuten vor Unterrichtsbeginn einfach Stichwort eigeben und zack liegt das Referat samt Einleitung auf dem Tisch. Danke Wiki!
(von Cross-Check halten wir nix -> zu aufwendig)
in diesem Sinne: Stay, Wiki, Stay! ;-)
Die Linke - outen und angreifen
schade
Moderationskriterien
Es geht also nicht darum, alle interessanten Infos aus kommerziellen Massenmedien zusammenzutragen, sondern diesen Medien die eigene Sicht auf Ereignisse entgegenzusetzen, bzw. über Ereignisse zu berichten, die von diesen Medien übergangen werden. Die Moderationskollektive versuchen, diese Art von Berichterstattung zu unterstützen.[..]"
...
Sorgen ?
@klausmaus, tagmata
oder gar etwas (an wen auch immer) verloren gegangen ist. Ein großer Teil der
Nutzer ist bei politischen Themen einfach nur unbedarft, so wie man es im
täglichen Leben an vielerlei Stellen erlebt. Es gibt ein paar rechte
Meinungsbeeinflusser, diese verhalten sich meiner Meinung aber ziemlich ungeschickt.
Leider ist es so, dass sich rechte "Bauchmeinungen" in eine Diskussion einfach
einstreuen lassen, da sie augenscheinlich mit einem Satz Problem und Lösung
anbieten. Es ist deshalb immer notwendig, die komplexeren Zusammenhänge und
Hintergründe klar zu machen, unverständliche Parolen helfen dort nicht viel.
Scheiße, nichts "Ergänzendes" zum Thema geschrieben, schiebt mich nach unten. 8)
braune Katina Schubert
Nicht nur Wikipedia
Nazisymbole
Hier geht es nicht nur um die geistigen Tiefflieger, die Nazisymbole dort erkennen, wo sie es nie waren, z.B. Frakturschriften, die als "Judenschrift" damals offiziell unerwünscht war. Sondern um Leute wie wohl auch Frau Schubert, die in den von Nazis mißbrauchten Symbolen nur noch den Nationalsozialismus erkennen wollen oder können.
Ein Swastika ist deshalb stets ein Nazisymbol - was zählt denn die Meinung von alleine mehr als zwei Milliarden Chinesen und Inder, die darin ein Glückssymbol sehen, was zählen die Jahrtausende weltweite Geschichte. Nein, jegliche Deutung reduziert sich auf zwölf schrecklichen und leidvollen Jahre deutscher Geschichte. Am deutschen Wesen soll die Welt genesen, und sei es das Unwesen des Nationalsozialismus.
Frau Schubert reiht sich damit ein in den Ungeist, nicht über den Nationalsozialismus aufzuklären, sondern ihn zu verklären. Statt um das Gedankengut kümmert man sich lieber um dessen Etiketten. Am liebsten juristisch, weil man die Gesetze auf seiner Seite hat und deshalb keine Argumente mehr braucht.
Und jetzt, quasi als Krönung, sollen sich Enzyklopädien diesem unseeligen Diktat unterwerfen. Soll das tausendjährige Reich seinen Endsieg nicht nur in den Köpfen mancher, sondern auch in Lexikas, Geschichtsbüchern, in den Köpfen aller erlangen? Zensur statt Freiheit, soll das die Antwort auf die Herausforderung nationalsozialistischen Gedankenguts sein?
Das hat aber das nichts nicht mit dem Kampf gegen Nazis zu tun. Die brauchen die alten Etiketten nicht, die haben längst neue. Und einem pawlowschen Hund gleich ist die Antwort wieder dieselbe, das Verbot. Nur: Ein Thor-Steinar-Verbote in Schulen, Discos und Fußballstadien hat noch keinen Nazi von seinem Gedankengut abgebracht.
Wie traurig ist die Vorstellung, wenn sich Kampf gegen Nazis irgendwann tatsächlich darin erschöpft, von Nazis annektierte Symbole zu bekämpfen - und diesem Gedankengut dadurch freie Hand zu gewähren.