Naziaufmarsch in Rudow

Wladek Flakin 04.12.2007 17:56 Themen: Antifa Soziale Kämpfe
Am 1. Dezember sind über 500 Neonazis durch Rudow im Südosten Berlins marschiert, um ein "nationales Jugendzentrum" zu fordern. Bereits seit 2003 haben die Berliner Nazis so etwas wie eine eigene Adventstradition: sie demonstrieren für einen eigenen Raum im Bezirk Treptow-Köpenick, um Jugendliche für ihre reaktionären Ziele zu gewinnen. Dieses Jahr waren etwa zweimal mehr "Kameraden" als in den letzten Jahren unterwegs. denn es gab zum ersten Mal eine bundesweite Mobilisierung der Nazis und auch die NPD hatte zur Demo aufgerufen.
Rund 1.000 GegendemonstrantInnen sind zu einer Kundgebung gegenüber dem Auftaktplatz der Nazis gekommen. Unter dem Motto "Wir sind mehr! Wir sind bunter! Wir sind lauter!" hatten Bezirksamt, Linkspartei, SPD, Grüne und andere zu einem Straßenfest aufgerufen, während die Nazis vor dem Imbiss "Ketchup" nahe dem U-Bhf Rudow standen.

Auf diesem Straßenfest sprachen sich PolitikerInnen wie der Vorsitzender der Linksfraktion im Bundestag, Gregor Gysi, und der Präsident des Abgeordnetenhaus, Walter Momper, für ein Verbot der NPD aus. Wir haben bereits erklärt, warum wir von dieser Verbotsforderung nicht viel halten ( http://www.revolution.de.com/zeitung/zeitung25/nonpd.html), und die konkrete Dynamik einer solchen Forderung war am Samstag gut zu sehen: die Parlamentsparteien haben den Staat höflichst gebeten, irgendwas gegen die Nazis zu unternehmen – und gingen dann voller antifaschistischen Selbstzufriedenheit wieder nach Hause.

Wir sind nicht der Meinung, dass ein kapitalistischer Staat willens oder fähig ist, effektiv gegen Faschismus vorzugehen. Und die Polizei hat es nicht nur versäumt, gegen die Faschos vorzugehen, sondern schützte ihren Aufmarsch mit mehr als 850 Beamten. Dieses martialische Polizeiaufgebot – das wir den gleichen Regierungsparteien zu verdanken hatten, die von der Bühne ihre Empörung kundgaben – sorgte dafür, dass es fast unmöglich war, an die Faschos ran zu kommen.

Verschiedene Antifa-Gruppen hatten zu dezentralen Aktionen aufgerufen, unter dem Motto "Antifa-Event statt Nazi-Event". Da sich die Parlamentsparteien auf Stillstehen und Empört-Sein beschränkten, blieb es den meist jungen AktivistInnen überlassen, auf Hinterstraßen um Polizeiabsperrungen zu rennen, um auf die Demoroute der Nazis zu gelangen. Bei diesen Blockadeversuchen waren nicht nur Leute aus der Antifa-Szene, sondern auch von der Linkspartei-Jugend, der DKP-Jugendorganisation SDAJ oder der unabhängigen Jugendorganisation REVOLUTION dabei.

Bis 11.30 Uhr waren nur etwa 50 Nazis auf ihrem Auftaktplatz versammelt, da gingen die meisten jungen AktivistInnen schon los. Im Buchsbaumweg wurde eine Blockade mit bis zu 100 Leuten von der Polizei eingekesselt und die DemonstrantInnen wurden über die Massante-Brücke nach Treptow "abgeschoben". Die meisten haben es nach Rudow zurück geschafft, doch es war kein einfacher Weg.

Auf der Lipschitzallee konnte der Nazizug durch eine Blockade zum Stehen gebracht werden, aber diese wurde schnell von der Polizei weggefegt. Die Berliner Polizei ging mit der für sie typische Brutalität vor (geschützt von der Anonymität der Uniform, weil die Beamten keine Kennzeichnungsnummer tragen). Friedliche DemonstrantInnen wurden zu Boden geworfen, geschlagen, getreten und es wurden massenhaft Platzverweise für den gesamten Bezirk ausgesprochen. Laut Polizeiangaben gab es insgesamt 13 Festnahmen: 9 Linke und 4 Rechte.

Schließlich fanden sich am U-Bhf Britz-Süd, wo die Abschlusskundgebung der Nazis stattfand, viele GegendemonstrantInnen zusammen. Die Nazis mussten an einer lauten Menge vorbeiziehen, um zu ihrer Abschlusskundgebung vor dem Jugendzentrum des SPD-nahen Jugendverbandes "Die Falken" zu gelangen,. Leider waren sie zu diesem Zeitpunkt deutlich in der Überzahl – viele DemonstrantInnen waren wegen der Polizeischikane bereits nach Hause gefahren.

Die zu etwa 90% männlichen Nazis waren nicht nur im autonomen Look, mit schwarzen Kapuzenpullis und Sonnenbrillen, unterwegs. Sie benutzten auch eine massive soziale Demagogie: auf ihren zum Teil englischsprachigen Transpis wurde die „Perspektivlosigkeit der Jugend“ thematisiert. Damit zeigt sich wieder, dass linke AktivistInnen eigene, sozialrevolutionäre Antworten auf die Probleme der Gesellschaft geben müssen, um den Nazis den Nährboden zu entziehen. Z.B. stößt die Forderung nach einem "nationalen Jugendzentrum" nur deshalb auf Widerhall, weil in Berlin seit dem Jahr 1995 über 100 Jugendzentren geschlossen wurden.

Nicht wenige SchülerInnen aus der Gegend waren gekommen, um sich den Nazis in den Weg zu stellen. Damit es endlich mal klappt, diesen abscheulichen Aufmarsch zu verhindern, müssen wir uns endlich organisieren: nicht nur zersplitterte Bezugsgruppen, die schnell zerstreut werden, sondern eine Organisation, die geschlossene, militante Aktionen organisieren kann; nicht Parlamentsparteien, die leere Reden haben, sondern eine revolutionäre Organisation, die die Nazis mit Massenprotesten aufzuhalten versucht.

Denn das braune Pack soll nicht ein sechstes Mal durch Berlins Südosten marschieren.

von Wladek Flakin, von der unabhängigen Jugendorganisation REVOLUTION ( http://www.revolution.de.com)

Bilder:
 http://flickr.com/photos/jakobhuber/sets/72157603346830454/

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Ergänzungen

unabhängig

falke 05.12.2007 - 10:57
also moment mal...die falken sind ein unabhängiger, sozilistischer kinder- und jugendverband und es ist absolut verkürzt hier von einer spd-nahen organisation zu sprechen. klar gibt es falken die in der spd sind, aber es gibt gerade hier in berlin genug falken, die die spd absolut zum kotzen finden! also vorsichtig mit solchen parteizugehörigkeiten...ihr bezeichnet euch ja schließlich auch als unabhängig!

Die Falken und die SPD

Wladek Flakin 05.12.2007 - 13:06
@Falke: Mit dem Bericht wollte ich wirklich niemanden dissen. Doch sind die Falken wirklich unabhängig, oder nicht eher SPD-nah?

Auf Wikipedia steht: "Die SJD - Die Falken sind formal parteiunabhängig, eine Mitgliedschaft in einer anderen Partei als der SPD ist aufgrund eines Beschlusses von 1971 mit einer aktiven Mitgliedschaft bei den Falken unvereinbar. Der Antrag, ihn aufzuheben, wurde auf der Bundeskonferenz im Mai 2007 in Bielefeld mit einer Mehrheit von knapp zwei Dritteln der Stimmen abgelehnt. Aufgrund dieses Beschlusses werden die Falken als SPD-nahe und -treue Organisation bezeichnet."
(Quelle:  http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Falken)

Außerdem habe ich gelesen, dass die Zeitung der Berliner Falken im Willy-Brandt-Haus gedruckt (und entsprechend zensiert) wird. Auf Indymedia war ein Bericht über das Falken- und Jusosfest im August ( http://de.indymedia.org/2007/08/192302.shtml), wo SPD-Chef Kurt Beck eine Rede hielt und das Ganze von e.on gesponsert wird.

Also ich kenne mehrere Leute von den Falken, die gute Arbeit machen, Arbeit die ganz bestimmt nicht im Sinne der SPD ist, aber trotzdem finde ich es berechtigt, den Verband als "SPD-nah" und nicht "unabhängig" zu bezeichnen. Viele der Gelder für Hupfburge, Häuser, usw. kommen von der SPD. Wir dagegen sind ganz unabhängig, deswegen müssen wir z.B. unsere Gruppenzeitung verkaufen, um sie überhaupt finanzieren zu können.

Unhöflich und strafbar

Leser 06.12.2007 - 07:09
Eingabe: 05.12.2007 - 13:20 Uhr
Abschiebehäftling verwendete "Nazi-Gruß"
Treptow-Köpenick
# 3539

Unhöflich und strafbar begegnete ein Abschiebehäftling im Polizeigewahrsam Köpenick gestern Abend gegen 18 Uhr 15 der Begrüßung eines Polizeiangestellten. Dem zur Gefangenenbewachung eingeteilten Mitarbeiter antwortete der 30-Jährige mit einem „Nazi-Gruß“. Drei weitere Zelleninsassen hörten dies ebenfalls. Der Häftling wurde anschließend in ein anderes Gebäude verlegt. Der polizeiliche Staatsschutz ermittelt wegen der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.

Vorkommnisse in Berlin

Berichtsleser 06.12.2007 - 16:50
Eingabe: 06.12.2007 - 10:30 Uhr
Mit „Stolperstein“ Fußball gespielt
Friedrichshain-Kreuzberg
# 3555

Einen herausgebrochenen „Stolperstein“ haben mehrere Jugendliche gestern gegen 9 Uhr 15 in der Graefestraße in Kreuzberg mit den Füßen hin und her getreten. Eine Zeugin hatte das gesehen und ihre Beobachtung einer Polizeistreife mitgeteilt. Die unbekannten Jugendlichen waren inzwischen verschwunden.
Bei dem „Stolperstein“ handelt es sich um eine von vier Messingplatten, die dort vor einem Wohnhaus in den Gehweg eingelassen wurden, um namentlich an die im Zweiten Weltkrieg deportierten Juden zu erinnern, die in dem Haus gewohnt hatten. Die anderen drei „Stolpersteine“ und deren Betoneinfassung waren unbeschädigt. Die Polzei hat die herausgebrochene Platte sichergestellt und ein Ermittlungsverfahren wegen gemeinschädlicher Sachbeschädigung eingeleitet.


Eingabe: 06.12.2007 - 14:40 Uhr
Auto beschmiert
Friedrichshain-Kreuzberg
# 3561

Unbekannte haben heute früh in Friedrichshain einen „Toyota“ beschmiert. Der 52-jährige Autofahrer hatte den Wagen in der Liebigstraße geparkt.
Gegen 7 Uhr 30 bemerkte er die Beschriftungen auf der Motorhaube, dem Kofferraum sowie den Scheiben des Fahrzeugs und alarmierte die Polizei. Auf einer der Seitenscheiben des Pkw konnte man einen hämischen Hinweis lesen, wonach das Fahrzeug zu groß sei. Hinweise auf die Täter liegen nicht vor.
Der Polizeiliche Staatsschutz beim Berliner Landeskriminalamt hat die Ermittlungen wegen Sachbeschädigung übernommen.

Eingabe: 06.12.2007 - 10:15 Uhr
Politische Farbschmierereien
Pankow
# 3550

Objektschützer entdeckten gestern Abend gegen 21 Uhr in der Wittlicher Straße in Pankow eine mit linken Parolen beschmierte Mauer eines jüdischen Friedhofs. Der Polizeiliche Staatsschutz hat die Ermittlungen übernommen.


Eingabe: 06.12.2007 - 10:10 Uhr
Brennender Pkw
Charlottenburg - Wilmersdorf
# 3549

Aus unbekannter Ursache brannte heute früh gegen 1 Uhr 55 in der Brandenburgischen Ecke Münstersche Straße in Wilmersdorf ein Pkw „Mini“. Der Brand wurde von der alarmierten Feuerwehr gelöscht. Ein vor dem „Mini“ geparkter „Citroen“ ist durch die Hitzeeinwirkung am Heck beschädigt worden. Ein politischer Hintergrund kann derzeit nicht ausgeschlossen werden. Der Polizeiliche Staatsschutz hat die Ermittlungen aufgenommen.

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inhalt — falke

Jugendzentren — Bla

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