Fundis begeistern auf Gegengipfel

imc 08.06.2007 03:35 Themen: G8 G8 Heiligendamm
Immer noch kein Rezept gegen den Kapitalismus: Die prominenten RednerInnen auf dem Gegengipfel schöpfen ihre Hoffnung aus der kreativen Bewegung gegen die G8-Politik.
"Die Unmenschlichkeit, die einem andern angetan wird, zerstört die Menschlichkeit in mir." Mit diesem Zitat von Emanuel Kant begann der Un- Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, Jean Ziegler, seine Rede zum Auftakt des G8-Alternativ-Gipfels.

Es sei wichtig, die Ursachen zu analysieren, die für die herrschenden Misstände verantwortlich sind. Damit meint Ziegler das kapitalistische System – ein System der strukturellen Gewalt- das durch die G8-Staaten weiter zementiert wird.

Man könne von Mord sprechen, so Ziegler, wenn man bedenkt, dass von 6,2 Mrd. Menschen auf dieser Welt, 2,7 Mrd. an Hunger und Krankheit leiden und unter der Armutsgrenze leben, oder dass alle fünf Sekunden ein Kind unter zehn Jahren an diesen Folgen sterbe, obwohl die Landwirtschaft eigentlich in der Lage wäre 12 Mrd. Menschen zu ernähren. Ziegler verwies ausdrücklich darauf, dass die Misstände dieser Welt von Menschen gemacht sind und von Menschen geändert werden können. Das Argument des ökomnomischen Sachzwanges sei konstruiert, um die wirtschaftlichen Interessen einzelner Akteure durchsetzen zu können: "Es gibt keine objektiven Gesetze der Wirtschaft", so Ziegler.

Europäische Agraprodukte werden z.B. in Afrika um die Hälfte billiger verkauft als die im eigenen Land produzierten. Subventionierte, billige Massenexportprodukte nehmen den Menschen die Chance am Markthandel teilzunehmen. Die mörderische Dumpingpolitik der EU bei Agrarprodukten müsse beendet werden, forderte Ziegler. Die Institutionen Welthandelsorganisation (WTO) und der Internationale Währungsfonds (IWF) müssten abgeschafft werden.

Ziegler betonte, dass die Frage nach einem ausgearbeiteten Alternativkonzept zu dem der G-8-Staaten die falsche ist. Denn der Mensch wisse zuerst einmal, was er nicht will, das menschliche Gewissen funktioniere nach diesem Prinzip. Weiter ist jeder historische Prozess unvorhersehbar: "Die Hoffnung aber liegt im unbedingten Willen, dieses mörderische System umzustoßen", oder, und da zitierte Ziegler den chilenischen Dichter Pablo Neruda: "Unsere Feinde können alle Blumen abschneiden, aber nie werden sie den Frühling beherrschen".

Mit ebenso fundamentaler Kritik und pointierter Rhetorik konfrontierte die indische Frauenrechtlerin und Bürgerrechtlerin Vandana Shiva das Publikum zum Abschluss des Gegengipfels gestern. Auch sie brachte die Fehlfunktionen des Kapitalismus auf den Punkt: „Viele Menschen müssen sterben, damit die großen Supermärkte im Westen funktionieren“, sagte Shiva. Denn sie graben den Menschen mit ihrem Überfluss an importierten Waren regelrecht das Wasser ab, weil die Folgen für die Bevölkerung in den Entwicklungs- und Schwellenländern gegenüber dem Profit als vernachlässigbar gelten.

Ein Beispiel: In Indien werden die Bauern von genetisch manipuliertem Saatgut von großen Herstellern aus dem Westen abhängig gemacht, weil sich die veränderten Pflanzen nicht reproduzieren können. Das bedeutet für viele Landwirte den finanziellen Ruin. Etwas aktueller: Bundeskanzlerin Angela Merkel macht sich derzeit für erweiterte Patentrechte stark. Eine Konsequenz davon wäre laut Shiva, dass etwa Pharmakonzerne wie Novartis ihre teuren Erfindungen so mit Patenten absichern könnten, dass in Ländern wie Indien vielen Menschen der Zugang zu diesen Medikamenten verwehrt wird. Auch wenn die G8-Staaten versuchten, dieses System gesetzlich zu verteidigen, „müssen wir diese Gesetze angreifen“, forderte sie.

Doch Shiva wollte auch Hoffnung machen. Die schöpft sie weniger aus bestehenden Insitutionen wie den Gewerkschaften, sondern mehr aus der bestehenden globalisierungskritischen Bewegung: „Heute wird der Privatisierungskurs der Weltbank durch die Bewegung der Menschen zurückgedrängt.“ Konkret müsse es dabei um eine gerechtere Verteilung der Ressourcen weltweit gehen. Landwirtschaftlicher Großgrundbesitz müsse an die einzelnen Bauern verteilt werden.

Shiva forderte eine stärkere Anti-Privatisierungs-Bewegung in den europäischen Staaten. Den begeistert klatschenden ZuschauerInnen gab sie mit auf den Weg: „Wir brauchen euch.“
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