Über die Bericherstattung zu G8-Protesten

no_g8 10.05.2007 00:12 Themen: G8 Heiligendamm Globalisierung Repression
Was ist der Unterschied, wenn eine Protestbewegung in Russland und eine in der BRD demonstriert? Ja, es gibt eine deutliche Differenz: Die Bericherstattung darüber. Während sich die westlichen Medien klar auf die Seite der Protestierenden in Russland schlagen (zu Recht!) und das Demonstrationsrecht und die Freiheit allgemein propagieren, sieht es bei Protesten im eigenen Land anders aus: Panikmache sowie unkritische Berichterstattung über massive und fragwürdige Polizeiaktionen gegen G8-Kritiker sind an der Tagesordnung. Warum hört sich die Wortwahl plötzlich so anders an? Warum werden aus den "Protestierenden" in Russland hier "Extremisten" oder sogar Terroristen. Das "brutale Vorgehen der Polizei" wird plötzlich zum "Polizeieinsatz". Und der "Verstoss gegen die Grundrechte" wird plötzlich zu "präventiven Aktionen der Polizei". Da stellen sich einige grundsätzliche Fragen zur Rolle der Medienschaffenden.
Woher stammt wohl dieser folgende Bericht?



(ZITAT:)
„Heute hat das Regime sein wahres Gesicht gezeigt“, erklärte K. „Der Staat hat gezeigt, dass er nicht mehr die Weltpresse, die öffentliche Meinung oder das Gesetz respektiert. Jetzt ist er ein Land irgendwo zwischen Simbabwe und Iran.“
Wegen der Demonstration waren mindestens 170 Menschen festgenommen worden. Die Demonstranten wollten einen Mangel an demokratischen Freiheiten anprangern. Zudem forderten sie faire Auseinandersetzungen zum G8-Gipfel diesen Sommer. Ein Sprecher der Polizei sagte, die Beamten hätten erfolgreich eine illegale Demonstration verhindert.
Im Zentrum waren hunderte Polizisten im Einsatz, viele trugen Helme und kugelsichere Westen. Im Radiosender sagte der Parlamentsabgeordnete W., am abgesperrten Platz prügelten Beamte mit Schlagstöcken auf friedliche Passanten ein, darunter Rentner.

„Nieder mit dem Polizeistaat“
Der Polizeisprecher B. rechtfertigte das Vorgehen der Einsatzkräfte. Alle Beamten hielten sich streng an die Gesetze, sagte B. Vom Platz zogen einige tausend Menschen mit Fahnen weiter. Die Polizei drängte einen Teil der Demonstranten in eine Seitenstraße ab.
„Nieder mit dem Polizeistaat“, riefen Demonstranten in Sprechchören. Am Platz, wo die Behörden eine Kundgebung erlaubt hatten, versammelten sich etwa 1000 Demonstranten.

G8-Kritiker als Extremisten
Die Verwaltung der Hauptstadt hatte die Demonstration verboten. Auch eine für Sonntag in geplante Demonstration ist von den örtlichen Behörden untersagt worden.
Bereits am Freitag nahm die Polizei nach Angaben von G8-Gegnern dutzende Personen fest, als sie Flugblätter verteilten oder sich auf den Weg nach Heiligendamm machen wollten. Die Regierung bezeichnet die G8-Kritiker als Extremisten, die die politische Stabilität gefährden wollten.
(ZITAT ENDE)


NEIN, diese Zeilen kommen nicht aus der BRD, wie es zuerst erscheinen mag. Sie wurden durch einige ausgetauschte oder weggelassene Wörter manipuliert - der Originalbericht handelt von den Demonstrationen in Russland.
Warum dies? Als Gedankenanregung. Denn: Es ist schon spannend, dass Proteste aus der Distanz vollständig anders bewertet werden.

Die Demonstrationen in Russland vor ein paar Wochen wurden von unseren westlichen Medien rege verfolgt. Viel wurde über die Gewalt und Repression von Seiten des Staates berichtet. Die meisten Berichte zeigten sich schockiert über den massiven Einsatz der Polizei. Die Zeitungen überboten sich am darauf folgenden Montag gegenseitig mit fetten Schlagzeilen und grossen Bildern vom Polizeieinsatz.

Das ist ja alles gut und recht - doch was passiert zur Zeit in der BRD? Die Proteste gegen den G8-Gipfel werden in die terroristische Ecke abgedrängt, hunderte von Polizisten führen Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen durch (9. Mai). Bereits im Vorfeld wurden erste Anti-G8-Demos von der Polizei massiv angegriffen und es gab schon viele Dutzende von Festnahmen. Die Polizei versucht ein Stimmung der Angst zu schaffen und verbreitet über Medien allerlei Schauermärchen.
Und wie berichten nun hier die Medien, wenn sowas im eigenen Land geschieht? Wo sind jetzt die fetten Schlagzeilen über Polizeigewalt, Redefreiheit und Demonstrationsrecht?Man kann froh sein, wenn in den grossen offiziellen Medien überhaupt ein Wort dazu fällt. Und wenn es geschieht, dann meist sehr negativ auf Panikmache. Und wie von der Polizei gewünscht mit dem Thema Terror vermischt. Wo sind nun all die kritischen Kommentare in der bürgerlichen Presse zu Freiheit und Menschenrechten? Warum wird über den massiven Einsatz der Polizei gegen Demonstranten in Moskau so ausführlich berichtet und kritisiert - und gleichzeitig schweigt man oder applaudiert sogar, wenn das gleiche bei der Protestbewegung im Westen passiert? Warum werden gleiche Aktionen plötzlich so unterschiedlich bewertet?

Ist halt schon praktisch, wenn man bequem im eigenen Sofa sitzen und mit dem Finger auf andere Länder zeigen kann. Solange das fette Gehalt regelmässig aufs Konto flattert, ist hier ja alles prima. Und die Polizei wird sich hier wohl schon voll und ganz an die Gesetze halten und entsprechend verhältnismässig agieren. Lieber keine Fragen stellen und nicht zu heftig beobachten - man darf doch noch Vertrauen haben in den Freund und Helfer. Warum denn auch - denn der Mörder ist immer der Gärtner und die Bösen hocken immer im Osten. Bei uns regiert zwar die gleiche globalisierte und entfesselte Wirtschaft wie in Moskau und anderswo; doch im Gegensatz zu Russland haben wir zwei grosse Parteien statt nur eine, die wir alle vier Jahre wählen dürfen... hoch lebe der demokratische Westen!

Machen wir es ihnen nicht so leicht - streuen wir ein wenig Sand ins Getriebe. Wo immer möglich - wo immer nötig. Nächste Gelegenheit: Reisen wir trotz aller Panikmache nach Rostock und lassen es uns dort gut gehen, was immer das heissen mag...!!
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