Ausnahmezustand in den kurdischen Provinzen

anna lyse 05.04.2007 22:24 Themen: Militarismus Repression Weltweit
Auch nach dem kurdischen Neujahrsfest Newroz hält die Verhaftungswelle gegen kurdische PolitikerInnen an.
Bereits vor dem Fest am 21. März nahmen die Behörden Türkeiweit 70 Funktionäre der Demokratischen Gesellschaftspartei (DTP) und insgesamt mehr als 500 Menschen fest. Der Grund dafür war in den meisten Fällen die Unterstellung der Unterstützung einer Terroristischen Organisation, aufgrund der Forderung der Menschen nach einer unabhängigen internationalen Ärztekommission zur Untersuchung der Vergiftungserscheinungen des auf der Gefängnisinsel in Isolationshaft sitzenden kurdischen Politikers Abdullah Öcalans. Zeitgleich führt das Militär seit Mitte März verstärkt Militäroperationen gegen die kurdische Guerilla in den Bergen durch.

Die Thematisierung der Situation politischer Gefangener ist in Demokratien eine normale und legitime Praxis, nicht so in der Türkei. Selbst die EU-Kommission äußert in ihrem EU-Beitrittsfortschrittsbericht die Sorge, daß die 2006 erlassenen, sogenannten Antiterrorgesetze und der § 301, der die „Beleidigung des Türkentums“ unter Strafe stellt, das Recht auf freie Meinungsäußerung behindern, Verstöße gegen die Menschenrechte legitimieren und die Verfolgung und Überwindung von Folter verhindern. Durch die neuen gesetzlichen Regelungen können Festgenommene z.B. bis zu vier Tagen ohne richterlichen Beschluss inhaftiert werden. Das ist genau die Zeit die Spezialeinheiten gewöhnlich zur Folter benötigen. Bei Vielen der vor Newroz Festgenommenen, unter anderem 31 Frauen aus Cizre, einer Türkisch-Syrisch- Irakischen Grenzstadt, waren bei Besuchen im Gefängnis Spuren psychischer und körperlicher Folter erkennbar.

Der militärisch, nationalistisch ausgerichteten Türkischen Oligarchie ist im Vorwahlkampf anscheinend jede kritische Stimme unerträglich. Der türkisch-kurdische Konflikt wird verleugnet und auf ein Terrorproblem reduziert. So wurden im März mehrere landesweite kurdische Zeitungen wie die Gündem und die Azadiya Welat verboten. Politiker die auf den Newrozfeiern die Situation von A. Öcalan thematisierten wurden mit Gerichtsverfahren überzogen. Davon betroffen ist u.a. auch die DTP Politikerin Leyla Zana, die während der Feierlichkeiten in Diyarbakir zum Ausdruck brachte, dass die kurdische Bevölkerung drei Führungspersönlichkeiten anerkennt und unterstützt: M. Barsani, C. Talabani und A. Öcalan.

Am Montag dieser Woche ordnete ein Gericht die Verhaftung des Bürgermeisters der Stadt Cizre, Aydun Budak, an. Auch er wagte zu Newroz einen Gruß an den auf Imrali einsitzenden Politiker zu richten und eine internationale Ärztekommission zu fordern. Daraufhin protestierte die Bevölkerung von Cizre und forderte die Freilassung des Politikers, der mit 70% der Stimmen gewählt wurde und die Politik der Kommune in enger Koordination mit den Menschen gestaltet. Die Behörden reagierten darauf mit dem Ausrufen des Ausnahmezustands und nahmen weitere vier Stadträte der DTP fest. Auch in der 30km von Cizre entfernten Provinzhauptstadt Sirnak wurde mittlerweile der Bürgermeister unter gleichen Vorwänden festgenommen.

Zu befürchten ist, dass die Oligarchie versucht den Wahlkampf für die voraussichtlich im November stattfindenden Parlamentswahlen nationalistisch-rassistisch aufzuheizen und auf dem Rücken der KurdInnen auszutragen
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