"FIGHT RACIST COPS" - Gerichtsnachspiel zu Demo

XsoliX 18.03.2007 14:48 Themen: Globalisierung Repression
In Salzburg fand im März 2006 während der österreichischen EU RatspräsidentInnenschaft eine Demonstration gegen die EU statt. Nach der Demo wurde ein Aktivist verhaftet und angeklagt, der Prozess geht in einem knappen Monat in die 2. Instanz.
FIGHT RACIST COPS – Nachspiel zu Demo

Demo und Anzeigen

Am 11. März 2006 fand in Salzburg anlässlich der österreichischen EU RatspräsidentInnenschaft das Treffen der EU AußenministerInnen statt. (Bericht „Österreich: Proteste gegen EU Präsidentschaft“:  http://de.indymedia.org/2006/04/144676.shtml)
Zahlreiche Gruppen riefen zu Protesten gegen die Politik der EU und die EU selber auf, eine Demonstration verlief bis auf eine kleinere spontan versuchte Richtungsänderung, einem besprühten Polizeiwagen und ein paar geworfene Farbbeutel ruhig und entspannt. Gegen Ende der Demonstration musste die Polizei jedoch noch ihre Muskeln spielen lassen: etliche DemonstrationsteilnehmerInnen wurden eingekesselt und einer von ihnen, Jan, durch einen zivilen Greiftrupp verhaftet.
Jan wurde wegen „Landfriedensbruch“ und „schwere Sachbeschädigung“ (Werfen von Farbbeuteln und Besprühen eines Einsatzfahrzeuges) angezeigt, selber erhob er Beschwerde gegen das Vorgehen der Polizei beim Unabhängigen Verwaltungssenat (UVS).
Prompt auf seine Beschwerde folgten Anzeigen gegen ihn wegen „Widerstand gegen die Staatsgewalt“ und „Tätlichem Angriff auf einen Beamten“. Angeblich soll er bei seiner Festnahme die einschreitenden BeamtInnen wild attackiert haben.
Die Abfolge der Anzeigen verdeutlichen die gängige Einschüchterungs- und Mundtodmach-Methode von Polizei und Justiz, auf Beschwerden oder Anzeigen mit massiven Gegenanzeigen zu antworten.


UVS

Der UVS ist eine „unabhängige behördliche Instanz“ die auf Verlangen von Betroffenen als Kontrollinstanz für andere Behörden dient und ähnlich einem Gericht agiert – allerdings wird nur über die Rechtmäßigkeit der entsprechenden Amtshandlung verhandelt. In diesem Fall wurde aufgrund der Beschwerde von Jan „geklärt“ ob die Einkesselung und seine Festnahme rechtswidrig waren.
Die Rechtswidrigkeit in der Amtshandlung bestand seinen Ausführungen zu folge darin, dass sich die BeamtInnen in zivil nicht legitimierten, keine Festnahme aussprachen und die Festnahme (zu Boden werfen, mit Handschellen fesseln und in einem ArrestantInnenwagen sperren) unverhältnismäßig war.
Bei der Verhandlung vor dem UVS gab es massive Ungereimtheiten in den Aussagen der PolizistInnen. Ein Polizei-Video, das von der kompletten Festnahme existierte, wurde von der Polizei bereits vor dem Prozess gelöscht. Etliche ZeugInnen bestätigten Jans aussage und es gab auch ein entsprechendes Video eines Demonstrationsteilnehmers von der Festnahme. Trotz allem wurde den PolizistInnen bescheinigt rechtskonform gehandelt zu haben.
Diese Art der behördlichen Reinwaschung von PolizistInnen - auch nach schwersten Übergriffen - ist in Österreich wie wohl fast allen anderen Staaten Standard.
Nachdem die Beschwerde abgewiesen wurde muss Jan sowohl sämtliche eigene Kosten als auch die Verfahrenskosten der Polizei tragen.


Der Strafprozess

Kurz nach Eröffnung des Strafprozesses war schon klar, dass alles andere als ein Schuldspruch einem Wunder gleich käme. Der Richter, dem eine Nähe zur rechtsextremen FPÖ nachgesagt wird, ließ keine Zweifel aufkommen wo seine Sympathien liegen. Väterlich half er den PolizistInnen, wenn sich in deren Aussagen Widersprüche oder Ungereimtheiten ergaben und war sichtlich bemüht kein belastendes Detail zu übersehen. Zu seiner großen Enttäuschung konnten Jan weder das Besprühen des Polizeiwagens noch das Werfen von Farbbeuteln auf eine Burschenschaft und auf PolizeibeamtInnen nachgewiesen werden. In diesen Fällen mussten die BeamtInnen eingestehen, dass die entsprechenden AktivistInnen aus einem Pulk schwarz Vermummter heraus sowie durch Transparente abgeschirmt unerkannt handeln konnten. Lediglich ein Beamter (der „Beobachtungsspezialist“ des Greiftrupps) konnte angeblich einen Farbbeutelwurf zuordnen. Allerdings konnte er sich nur an die „auffälligen Farbkleckse“ auf der Jacke des Beschuldigten erinnern. Interessant, dass mehrere ZeugInnen (unter ihnen auch der damalige Einsatzleiter der Polizei) angaben, dass etliche DemonstrationsteilnehmerInnen, BeamtInnen und auch zahlreiche Unbeteiligte fast idente Farbkleckse auf ihrer Bekleidung hatten.
Auch bei ihren Wahrnehmungen zu der Verhaftung und dem angeblichen Widerstand waren sich die BeamtInnen uneins. Grob gesagt gingen laut der Version der einschreitenden BeamtInnen zwei Beamte in Zivil auf Jan zu, stellten sich höflich unter Vorzeigen der Dienstausweise vor und wurden sofort von ihm brutal attackiert. Sie konnten ihn dann nur unter größter Mühe festnehmen und entgingen nur knapp dem herbeieilenden „Schwarzen Block“.
Einer der Polizisten sah das Ganze allerdings anders, „der Beschuldigte hat sich eigentlich nur passiv gewehrt“, auch umstehende DemonstrantInnen konnte bestätigen, dass die PolizistInnen in zivil ohne sich zu legitimieren auf Jan zustürzten, ihn gleich packten und zu Boden rissen. Eine Beobachtung, die auch ein Vertreter des Menschenrechtsbeirates bestätigt hat.
Der Menschenrechtsbeirat wurde nach der Ermordung von Marcus Omofuma bei seiner Abschiebung geschaffen. Er ist eine Institution des Innenministeriums und soll als behördeninterne Kontrollinstanz die Wahrung der Menschenrechte bei der Polizei überwachen. Es gibt zahlreiche Kritik, da er zahnlos ist und vor allem eine Feigenblatt Funktion ausübt.
Obwohl die Suppe sehr dünn war hat Jan sie nun auszulöffeln, er wurde wegen „Widerstand“, „Tätlichem Angriff“ und „Sachbeschädigung“ zu 4 Monaten Haft auf 3 Jahre Bewährung verurteilt.
Gegen das Urteil hat er Berufung eingelegt, die Berufungsverhandlung wird Mitte April in Salzburg statt finden.


Spendenaufruf

Es gab bereits einige tolle Solifeste und andere Aktionen, leider sind immer noch Rechnung offen, die durch die Berufung (Anwaltskosten etc.) noch steigen werden.
Der Infoladen Salzburg leitet gerne Spenden für die Prozesskosten weiter:

KV Infoladen Salzburg Kontonr.: 350-141 - BLZ: 49460 Sparda Bank -
iban: AT 174946000000350141 pic: SPDAAT21XXX


Links zur Demo:

 http://fm4.orf.at/connected/212153/main (Bericht und Fotos eines Mainstream – Radiosenders)

 http://akin.mediaweb.at/2006/08/08salzb.htm (kurzer Bericht über die Demo)


Links zum Prozess:

 http://www.malmoe.org/artikel/widersprechen/1378 (Interview mit Jan und kurzer Bericht)

 http://no-racism.net/article/2000 (Längerer Bericht zum Prozess)

 http://akin.mediaweb.at/2007/05/05szb2.htm (Kürzerer Bericht zum Prozess)
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Ergänzungen

Beim Spenden beachten

XbankerX 19.03.2007 - 15:54
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