Uniproteste in Griechenland eskalieren

Fruet 10.03.2007 15:49 Themen: Bildung Repression Soziale Kämpfe
Die Proteste in Griechenland gegen die Verschaerfungen der Bildungsgesetze spitzen sich zu. Regierung in Bedraengniss und ein autonomes Bewegungshoch sind die Folgen. Weil die meisten Meldungen auf Indymedia mit negativen Kommentaren vollgespamt wurden hier ein Bericht zur Situation und den Riots.
Vor Monaten hatte die griechische Regierung beschlossen 1. die Lehrmittelfreiheit an Unis wird abgeschafft und Studiengebuehren eingefuehrt, 2. es darf nicht mehr beliebig lange studiert werden, sondern nach einer bestimmten Zeit erfolgt der Rauswurf, 3. das Asyl auf dem Unigelaende wird abgeschafft, die Polizei darf die Unis betreten. Gegen diese Plaene gibt es jeden Donnerstag Demos, im woechentlichen Wechsel im ganzen Land oder zentral in Athen.
Die Forderungen sind weitgehend gleich, das Buendniss ist so breit wie unterschiedlich:
Die kommunistische Partei will Mitglieder gewinnen und sich als staatstragend praesentieren. Sie tritt bei den Demos in stalinistischer Manier auf, zahlenmaessig stark und doch isoliert.
Sozialistische Kleinstparteien haben einige Studenten und Profs hinter sich, viele Leute die auf Demos "friedlich" sind was in Deutschland aber schon die Festnahme in Vorkontrollen bedeuten wuerde.
Die einzelnen Fakultaeten mobilisieren enorm viele StudentInnen zu eigenen Bloecken auf Demos, zunehmende Militanz da staendig Opfer der Bullenangriffe.
Linksradikale Gruppen wollen mit vermittelbarern Aktionsformen die Proteste radikalisieren und vermassen. Das Verpruegeln von Polizisten mit Latten ist hier akzeptiert, steigende Zustimmung.
Anarchistische Gruppen wollen Staat und Kapital direkt angreifen, oft kritisiert wegen hemmungslosem Molotov Gebrauch, jetzt aber disziplinierter.

Am 1. Maerz gab es eine der ueblichen Demos vom zentralen Verwaltungsgebaeude der Uni zum Parlament. Unterwegs wurden wie immer die zahlreichen Videokameras in der Stadt zerstoert. Die Polizei toleriert das, aus dem Gesundheitsministerium wurde jedoch von Securitys scharf geschossen, das Ministerium daraufhin entglast. Es folgte eine kleiner Riot und eine sofortige Solidemo zur Polizeizentrale wegen zwei Festnahmen. Nach Verhaftungen gehen immer alle dorthin weil das einen grossen symbolischen Wert hat. Zu dem oft kritisierten und vom Staat als Vorwand gebrauchten Molliwerfen vom Polytechnikum kam es nicht. Um die 2. Abstimmung im Parlament am 8. Maerz zu beeinflussen gab es endlose Debatten in den Unis von Athen und Thessaloniki. Was in Deutschland oft als hirnlose Randale von Idioten abgetan wird ist in Wirklichkeit der Versuch eines nicht geringen Teils der Gesellschaft sich nicht alles gefallen zu lassen. Die Militanz dabei ist unterschiedlich und wird staendig diskutiert. Die Besetzung von Radiostationen am Mittwoch in Thessaloniki um Kommuniques zu verlesen wurde friedlich durch Masse durchgesetzt.
Die Demo am Donnerstag in Athen fand waehrend der Abstimmung im Parlament statt. 20.000 Menschen zogen zum Syntagma Platz. An diesem Platz sitzt das Parlament, einige Luxushotels und Geschaefts- und Tourismuszentrum gleichzeitig.
Traditionell versuchte der Studentenblock an der Demospitze sich mit Kurzfahnen durch die Polizeisperre zu schieben um den Abgeordneten eine Protestnote zu ueberbringen. Als die Polizei gegen diesen ungeschuetzten Block Chemikalienloescher einsetzte griff der Demoschutz mit Latten und Gasmasken ausgeruestet ein. Von der MAT wurde sofort mit Gasgranaten in die Menge geworfen.  http://athens.indymedia.org/local/webcast/uploads/metafiles/100_1566.jpg ,  http://athens.indymedia.org/local/webcast/uploads/metafiles/dsc06106.jpg .Aus der Demo ging ein Stein- und Moltovhagel auf die Bullen los.  http://athens.indymedia.org/local/webcast/uploads/metafiles/dsc06110.jpg . Alle Seiten des Platzes waren von der Polizei besetzt die nun ohne jede Ruecksicht auf Touristen und Cafebesucher mit Chemikalien um sich warf. Organisierte Gruppen zertruemmerten nun die Gehwegplatten und ca. tausend Menschen bewarfen damit eine halbe Stunde lang die Riotcops die sich vor Luxushotels verschanzte. Derweil wurden zum ersten Mal in der juengeren Geschichte die Wachsoldaten vor dem Parlament verjagt und deren Wachstube angezuendet was fuer einen grossen innenpolitischen Skandal sorgte.  http://athens.indymedia.org/local/webcast/uploads/metafiles/dsc06111.jpg . Entsetzte Abgeordnete sahen aus den Fenstern was sie grade mit ihrer Abstimmung verursachten.
Als die Demo nach heftiger Gegenwehr in die Flucht geschlagen war versammelten sich die Leute erneut und liefen ein zweites Mal zum Syntagma Platz wo sich die Strassenschlacht wiederholte. Sechzig Personen wurden festgenommen, ausschliesslich friedliche DemonstrantInnen die mit unglaublicher Brutalitaet eingekesselt, geknueppelt und dabei mit Gasgranaten beworfen wurden. Viele Leute wurden auch in einer Massenpanik niedergetrampelt oder von neuen Amoniakgranaten direkt im Gesicht getroffen.  http://athens.indymedia.org/front.php3?lang=el&article_id=668964 .Waehrend der Unruhen wurden im Anarchobezirk Exarchia Polizeieinheiten von Vermummten angegriffen und danach wurde das Verwaltungsgebauede der Unis besetzt. Weil sich die Polzei auf den traditionellen Rueckzug ins Polytechnikum eingestellt hat, kommt es dort nicht zum oft kritisierten Randalieren.
Am gestrigen Freitag kam es zu einer spontanen Solidemo gegen die Repression vom Vortag mit 5.000 TeinehmerInnen. Wieder wurden Ueberwachungskameras zerstoert und Muell verbrannt. Demos werden hier grundsaetzlich nicht angemeldet, seit Monaten legen Riesenaufzuege die Innenstaedte lahm.
In den Medien wird ausfuerlich ueber die Proteste berichtet. Die Riots vor dem Parlament wurden live im TV uebertragen, danach kam eine Sondersendung in der zwar die Randale kritisiert wurde aber auch brutale Polizeigewalt angeprangert wurde. Diese Sondersendung wurde unterbrochen weil ein Fernsehteam mit einer MAT Einheit in Thessaloniki unterwegs, auf eine Solidemo geprallt war.  http://athens.indymedia.org/front.php3?lang=el&article_id=670059 .Vor der dortigen Uni war die Polizei grade im Rueckzug begriffen. Die Zeitungen sind auch voll mit den Riots, die Regierung steht enorm unter Druck, die "Bildungsreform" wird von der Bevoelkerung abgelehnt, die Professoren haben angekuendigt die neuen Gesetze nicht zu beachten, brennende Geldautomaten gehoeren zum Alltag.
Die linksradikalen Gruppen erleben auf ihrer ganzen breite einen grossen Aufschwung, Athen und Thessaloniki sind mit Plakaten und Graffit voll, staendig gibt es Versammlungen mit hunderten StudentInnen, in den Unis aber auch auf Kreuzungen. Die Riots werden von 20jaehrigen Studis ohne Ausruestung und 50jaehrigen behelmten Molliwerfern getragen.
Am 8.Maerz vor dem Parlament:  http://athens.indymedia.org/front.php3?lang=el&article_id=669071
Studidemo am 1.Maerz:  http://athens.indymedia.org/front.php3?lang=el&article_id=664361
mehr Infos auf Englisch:  http://athens.indymedia.org/?lang=en
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Ergänzungen

Reform durch?

frager 10.03.2007 - 18:18
Ist die Reform durch ? Wie gehts weiter ? wie ist die Reaktion der Bewegung? wär schön wenn ein paar griechisch-sprechende Leute uns auf dem Laufenden halten.

Von Griechenland lernen, heißt Kämpfen lernen

Partisan 10.03.2007 - 21:39
13. Januar: AnarchistInnen übernehmen die Polytechnische Universiät

 http://sweden.indymedia.org/newswire/display/68334/index.php

Notwendige Korrektur zum Artikel

Anm. 11.03.2007 - 01:03
In der Einleitung heisst es: "Weil die meisten Meldungen auf Indymedia mit negativen Kommentaren vollgespamt wurden...". Das ist falsch! Es gab in der letzten Woche mehrere spammhafte Postings, die aus einer Zeile ("guckt ma, voll die goilen Riots, ey!") und einem Link (zu yuotube). Mehr nicht. Dazu gab es berechtigerweise Kritik. Das hier ist jetzt der erste sinnvolle Artikel zu den Protesten in Athen. Schade, daß der Autor schon in der Einleitung seine Glaubwürdigkeit untergräbt. Trotzdem danke für den interessanten und informativen Artikel.

Furcht vor Neuauflage des Faschismus?

? 11.03.2007 - 01:15
Die Universitäten sind aufgrund der Erfahrungen während der faschistischen Diktatur (z.B. Massaker an Studenten) für die Polizei tabu. Der Sturm des Unigeländes vor einigen Jahren war daher ein Tabubruch, der für Erschrecken sorgte. Die Aufhebung der Autonomie hat daher eine besondere Symbolik.
Zu den Videokameras: wie in Deutschland zur WM sollten die Kameras in Athen nur während der Olympischen Spiele für Sicherheit vor "Terroristen" sorgen und danach wieder abgebaut werden. Wie auch in Deutschland (z.B. Hamburg, Reeperbahn) wurde der Abbau nach der Olympiade "vergessen".
Zusammen mit den Protesten gegen Bildungs- und Sozialabbau scheint es sich also wesentlich auch um Proteste gegen ein Wiederaufkommen faschistoider Politik zu handeln.

Bilder und Videos

gr2007g8 11.03.2007 - 09:53
Die griechische Homepage über die internationale Mobilisierung gegen den kommenden G8-Gipfel in Heiligendamm bietet Informierung mit Material über die aktuellen sozialen Kämpfe in Griechenland.
www.2007-g8.tk oder www.geocities.com/gr2007g8

Pressestellung zu den Ereignissen

Antiautoritäre Bewegung Griechenland 11.03.2007 - 10:07
Pressestellung zu den Ereignissen während der Demonstration vom 22. Februar 2007 in Athen
Antiautoritäre Bewegung

Antiautoritäre Bewegung
Während der landesweiten Großdemonstration, die am 22. Februar 2007 in Athen gegen die Bildungsreform in Athen stattfand, verstanden wir uns als Teil der Demonstranten, der entschlossen militant vorgehen wollte. Zahlreiche Beamte hatten in der Innenstadt eine ,,rote Sperrzone” gebildet und beschränkten daher das Recht auf Widerstand. Dies war der Grund, jegliches Gespräch mit der Herrschenden abzulehnen, wie sich der Studentenprotest schon geäußert hatte. Die Symbolik dieser Aktion war klar auf allen Ebenen, theoretisch und praktisch. Die Herrschenden wollten unbedingt die neuen Gesetze verabschieden, ungeachtet der Tatsache, dass sich der Studentenprotest zuspitzt. Diese Widerstandsaktion beruht auf unserem politischen Glauben, welcher unter dem Begriff ,,Politik” nicht Debatten im Parlament versteht, sondern soziale Kämpfe auf der Straße. Auf der Straße verwirklicht sich der Widerstand gegen die Ziele der Regierenden.
Wir sind diejenigen, die sich gegen das Rahmengesetz seit Anfang Juni 2006 auf der Straße gegen die Bildungsreform getroffen haben. Wir sind diejenigen, die allen bekannt für unsere Teilnahme an der griechischen Studentenbewegung (Vollversammlungen, Plenen, Blockaden, usw.) sind. Wenn man sich für unsere Ziele interessiert, kann man uns in den Hörsaalen der Hochschulen und auf der Straße treffen, wo unsere politische Meinung verkörpert wird.
Gegenüber unserer Vision für eine freie Bildung ohne jegliche staatliche oder private Vermittlung des Wissens tritt die Regierung mit ihrem neoliberalen Model der Kommerzialisierung, der Intensivierung und der Repression hervor.

Für uns wird die Wiederbestimmung der Bedeutung des Asyl als Freiheitsraum, sowie der Bedeutung der Universität als öffentliche, freie und soziale Institution, das heutige Lügen-Dilemma zwischen privat und staatlich in klare Wahrheit umwandeln: Freiheit oder Kapitalismus, Untertanen bei den Wahlen der Herrschaft oder Akteure im Widerstand.

Studenten aus der Antiautoritären Bewegung
www.resistance2003.gr

PS: Unser Genosse Gerasimos Papaioannou, Student an der Universität Ioannina, war bei der Verteidigung der Demo und wurde festgenommen, während er sich mit Hundert anderen Studenten gegen die Beamten von Polydoras (gr. Minister für Öffentliche Ordnung) wehrte. Er wurde von Beamten brutal verprügelt, ins Polizeirevier und im Nachhinein ins Krankenhaus gebracht, wo er von Militärpolizisten (MAT) bewacht wurde.

PS2: Später wurde die Soli-Demo für Gerasimos auf dem Weg zur Polizeizentralverwaltung angegriffen und in vielen Teilen zersplittert. Mindestens zwei Studenten wurden ins Krankenhaus gebracht, während die Bullen die übrigen Studenten bis zum Exarchiaplatz jagten, wo sie auch das autonome Sozialprojekt ,,Nosotros” angriffen.
Vor dem Gebäude des Projekts wurde eine weitere Person festgenommen, ohne er sich in eine Auseinadersetzung verwickelt zu haben.
Außerdem versuchten zahlreiche Beamten das Gebäude des Projekts zustürmen.

unmittelbare reaktion auf die bullenangriffe

kretache 11.03.2007 - 10:49
als unmittelbare reaktion auf das repressive vorgehen der griechischen bullen auf die studidemo am donnerstag wurden gestern nacht eine bullen-einheit auf dem exarchia-platz in athen angegriffen und 2 gebäude (eine bank und ein parteibüro der konservativen ND-partei) mit mollis angegriffen. laut infos der griechischen medien wurden der bulleneinheit helme, schilder und gasgranaten abgenommen!

siehe bilder:
 http://athens.indymedia.org/front.php3?lang=el&article_id=671151

fotos

v 13.03.2007 - 15:57
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