Volkswagenwerk Brüssel besetzt

maximal 45 Zeichen 02.12.2006 09:30 Themen: Globalisierung Soziale Kämpfe Weltweit
Am Abend des 17. Novembers wurde die Nachricht des Abzugs der Golf-Produktion über die Medien verbreitet. Spontan legten die ArbeiterInnen der Spätschicht ihre Arbeit nieder, die Nachtschicht schloss sich dem wilden Streik an.
Die Entscheidung des Unternehmens betrifft 4000 (3500 ProduktionsarbeiterInnen und 500 Angestellte) der 5800 Beschäftigten im Volkswagen-Werk Forest und mindestens ebenso viele ArbeiterInnen der Zulieferbetriebe. Der Betriebsrat sucht bislang lediglich nach Wegen, die geplanten Entlassungen sozial abzufedern, was bedeutet, dass die 4000 Stellenstreichungen von den sozialpartnerschaftlichen Gewerkschaften schon akzeptiert werden. Die Belegschaft hingegen will den Verlust ihrer Existenz nicht hinnehmen. Seit gut einer Woche halten sie das Werk ebenso wie zwei Zulieferbetriebe rund um die Uhr besetzt. Entgegen den zu Demoralisierungszwecken gezeigten Interviews einzelner verzweifelter Stimmen sind die ArbeiterInnen kampfbereit, was die Vertreibung von Werksschutz und Zivilpolizei aus einer Belegschaftsversammlung sowie eine spontane Straßenbesetzung zeigte.

Wir werden an dieser Stelle über den Arbeitskampf der Beschäftigten und die Möglichkeiten der Ünterstützung berichten.


Während in Wolfsburg der neue Tarifvertrag nach und nach die Abteilungen heimsucht und die Wochenarbeitszeit für die Bereich festgelegt wird, greift der Volkswagen-Konzern mit Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und Stellenabbau die europäischen Werke an. Traditionell kämpferische Standorte wie Pamplona (Spanien) und Brüssel (Belgien) haben in der jüngsten Vergangenheit darunter zu leiden. Die Positionierung der Betriebsrates in Deutschland ist distanziert bis resignierend: einerseits wird versichert, dass die negativen Folgen der Arbeitsplatzsicherung an deutschen Standorten für die europäischen Werke nicht vorhersehbar waren, andererseits geben Betriebsräte zu Bedenken, dass gerade Wolfsburg in der letzten Zeit hinsichtlich der Arbeitsbedingungen "viel einstecken" mußte und deshalb "einfach mal an uns gedacht werden muss".
Bei diesen Aussagen verwundert es nicht, wenn am 20. Dezember die in Brüssel arbeitenden Wolfsburger mit Begleitschutz aus dem Werk geleitet werden mussten, um nicht den Streikenden in die Hände zu fallen. Der Hass auf das Stammwerk ist groß, geschürt durch den offensiv vom Betriebsrat begünstigten Standortwettbewerb.
Das Volkswagenwerk Forest in Brüssel ist einer der letzten großen Arbeitgeber in der Region, nachdem Renault sein Werk vor knapp zwei Jahren geschlossen hatte. Die Arbeitslosenquote liegt derzeit bei 12 Prozent. Für die Arbeiterinnen und Arbeiter ist der aktuelle Arbeitskampf der Kampf um ihre Existenz.
Ferner ist die Belegschaft in Brüssel bekannt durch ihre Kampfbereitschaft und Entschlossenheit. So ist Volkswagen Brüssel der letzte Standort, an dem das sogenannte Flexibilitätskonto, ein Plus-Minus-Stundenkonto für die Arbeitszeit, verhindert werden konnte.
Eine Strategie seitens des Unternehmens, die kämpferische Belegschaft durch den aktuellen Stellenabbau loszuwerden, um sie durch neue unorganisierte Arbeitskräfte zu ersetzen, ist durchaus denkbar. So werden in dem Werk Fertigungslinien für den Polo errichtet, die ein Kontingent an Fahrzeugen des spanischen Standortes Pamplona übernehmen sollen. Das Standortroulette bittet für das nächste Modellfeuerwerk noch um die Einsätze, die Arbeiterinnen und Arbeiter bekommen jetzt schon die Rechnung.
Die Vereinzelung der Arbeitskämpfe in der jüngsten Vergangenheit bei General Motors, Daimler Chrysler, Siemens oder der Bahn hat uns gelehrt, dass Solidarität und internationale Solidarität ein notwendiges Mittel gegen die kapitalistischen Unternehmen ist. Es liegt an uns, den betroffenen Arbeiterinnen und Arbeitern unsere Solidarität zu zeigen.

Weitere Informationen gibt es auf Indymedia Belgien
Creative Commons-Lizenzvertrag Dieser Inhalt ist unter einer
Creative Commons-Lizenz lizenziert.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Korrespondentenbericht aus Brüssel-Forest

aus dem Englischen 02.12.2006 - 09:49
Das Volkswagenwerk Forest im Westen von Brüssel wird seit einer Woche rund um die Uhr besetzt. 4.000 der 5.800 Beschäftigten sind von Entlassung bedroht, da die Golf-Produktion aus dem Werk abgezogen und nach Deutschland verlagert werden soll.

Eine erste Versammlung des Betriebsrats mit dem Personaldirektor Jos Kayaerts am Donnerstag Nachmittag brachte kein neues Ergebnis: Vor einer Verwaltungsratssitzung am 15. Dezember werden keinerlei Zugeständnisse gemacht. Der belgischen Premierminister, Guy Verhofstaedt, will sich Anfang Dezember mit dem VW-Vorstand treffen.

Schon seit Wochen war bekannt, dass der Abbau von tausend Arbeitsplätzen im Raum stehe, und in der Belegschaft herrschte ziemliche Anspannung. Als dann am Freitag, dem 17. November, Abends um 20 Uhr im Radio die Nachricht vom Abzug der Golf-Produktion kam, legte die Spätschicht spontan die Arbeit nieder. Zwei Stunden später schloss sich ihnen die Nachtschicht an.

Hans Spiliers, ein langjähriger VW-Arbeiter, berichtete der WSWS am Donnerstag vor dem Werk: "Der Radiobericht war der Auslöser, darauf haben die Arbeiter spontan reagiert. Es war nicht die Gewerkschaft, die zum Streik aufrief. Seither haben sich alle geweigert, die Arbeit wieder aufzunehmen. Kein Fahrzeug wird mehr gebaut, und wir sorgen dafür, dass die fertig gestellten Wagen hier im Werk stehen bleiben. Die Direktion ist aus dem Werk verschwunden, und unsere Leute haben die Fabrik in der Hand. Das ist schon seit vergangenem Wochenende so. Seither stehen wir in Schichten von drei- bis vierhundert Mann rund um die Uhr hier. Ich glaube, wir werden noch lange, lange streiken müssen."

Die Entscheidung betrifft nicht nur 4.000 VW-Beschäftigte (3.500 Produktionsarbeiter und 500 Angestellte), sondern indirekt noch mindestens ebenso viele Beschäftigte der Zuliefererbetriebe, von denen sich viele jetzt schon mit dem Streik solidarisieren. Zwei Subunternehmer, Faurecia mit 130 Beschäftigten und Decoma mit hundert Beschäftigten, sind zurzeit ebenfalls besetzt.

Die ganze Region ist seit Jahren von Arbeitsplatzabbau betroffen: Ungefähr 300 heutige VW-Arbeiter haben früher im Renault-Werk Vilvorde im Norden von Brüssel gearbeitet, das vor nicht allzu langer Zeit geschlossen wurde. Für sie ist es schon die zweite Betriebsschließung innerhalb weniger Jahre.

VW-Brüssel ist nicht nur ein moderner und hochproduktiver Betrieb, sondern die Belegschaft ist gut organisiert und für ihre Militanz bekannt. 93 Prozent der Belegschaft sind gewerkschaftlich organisiert, im Werk sind mindestens drei Gewerkschaften vertreten: die sozialistische FGTB (Fédération générale des Travailleurs de Belgique), die liberale CGSLB (Centrale générale des Syndicats Libéraux de Belgique) und die christliche CSC (Confédération des Syndicats chrétiens).

Christian Henneuse und Jean Weemaels, zwei FGTB-Delegierte der Fabrik, gaben der WSWS ein längeres Interview. Sie sagten: "Das hier ist ein militanter Betrieb, und die Arbeiter wurden sogar schon als ‚Wirtschaftsterroristen’ verschrien. 1994 haben wir einen Monat lang für die Einführung der 35 Stundenwoche gestreikt.

Unser Werk ist das einzige, das nicht unter dem ‚Plus-Minus’-Arbeitszeit-System von VW arbeitet. Das ist ein System, das die Arbeiter unmittelbar der Nachfrage am kapitalistischen Mark unterwirft. Weil wir diesem Arbeitszeitsystem nicht zugestimmt haben, will man es uns per Gesetz aufoktroyieren."

Beide Gewerkschafter äußerten die Befürchtung, Volkswagen plane die gut organisierte Belegschaft loszuwerden, um später unter schlechteren Bedingungen, mit unorganisierten Kräften und Zeitarbeitern, eine neue Produktion wieder aufzunehmen. Bei Ford in Genk sei es vor wenigen Jahren genau so gegangen.

Auf die Frage nach der Rolle der IG Metall berichteten die beiden FGTB-Delegierten, dass an diesem Donnerstag drei Kollegen von der IG Metall das Werk besucht hätten. Sie seien aus drei verschiedenen VW-Werken gekommen - Braunschweig, Kassel und Salzgitter. Zwei waren Vertrauenskörperleiter ihrer Fabriken, der dritte Betriebsratsmitglied. "Diese Leute haben uns erklärt, dass auch die Belegschaften in Deutschland mit der Drohung von Produktionsverlagerung konfrontiert seien und Lohnopfer und Produktionssteigerung hinnehmen müssten."

Die deutschen IG-Metaller hätten versprochen, ihre Belegschaften zu informieren und die Basis zu mobilisieren. Sie hätten hoch und heilig versprochen, auf keinen Fall hinzunehmen, dass es in Brüssel zu betriebsbedingten Kündigungen kommt. "Die Botschaft der IG Metaller lautete, sie hätten bei ihren eigenen Tarifverträgen als Bedingung ausgehandelt, dass keine weiteren Werke in Europa benachteiligt werden dürften. Das war das erste, was sie uns sagten."

Henneuse und Weemaels berichteten aber auch, dass der Betriebsrat bisher vor allem nach Wegen suche, wie die geplanten Entlassungen sozial abzufedern seien, was darauf hindeutet, dass der Abbau der 4.000 Arbeitsplätze von gewerkschaftlicher Seite aus schon weitgehend akzeptiert wird. Konkret werde vom Betriebsrat im Moment die Gehaltszahlung während des Streiks bis zum 15. Dezember gefordert.

Der Volkswagen-Vorstand fordere rigoros den Stellenabbau. Produktionsvorstand Dr. Reinhard Jung habe sich völlig unmissverständlich ausgedrückt und eindeutig die Zahl von 4.000 Stellenstreichungen genannt. Dr. Bernhard habe sogar den Betrieb in Brüssel kategorisch schließen wollen.

Die beiden Delegierten beschwerten sich über die Rolle der Zeitungen: "Die Presse bringt nur Interviews mit Arbeitern, die bereit sind, den Arbeitsplatz gegen eine finanzielle Abfindung aufzugeben. Die Zeitungen versuchen, die Leute zu demoralisieren, sie bringen immer nur heulende Arbeiter. Dabei ist die Belegschaft in Wirklichkeit sehr kampfbereit."

Letzteres wird uns von den Arbeitern vor dem Volkswagenwerk klar bestätigt. Kampflos wollen sie den Verlust ihrer Existenzen keinesfalls hinnehmen. Nach einer Betriebsversammlung am Dienstag, auf der sie offiziell über den geplanten Abbau informiert worden waren, hatte die Belegschaft den Werkschutz und zwei Zivilpolizisten aus dem Gebäude vertrieben. Die Situation spitzte sich vorübergehend zu, als die Arbeiter eine Durchgangsstraße besetzten und die Polizei in einer Seitenstraße Hundertschaften und Wasserwerfer postierte.

Viele Arbeiter erklärten uns, warum sie nicht nachgeben wollen:

Alain Luystermans, der seit 28 Jahren bei VW Brüssel arbeitet, sagt: "Wir haben alles stillgelegt. Nur wenn wir solidarisch sind, können wir etwas verändern. Heute trifft es uns, morgen kann es genauso jemand anderen treffen. Das Großkapital kassiert hier die Subventionen und geht woanders hin, um auch dort zu kassieren. Das Maß ist voll. Aber die Politiker sind ebenfalls verantwortlich, sowohl in Belgien wie in ganz Europa.

Anstatt ein Europa für die Menschen aufzubauen, ist dies einzig und allein ein Europa des Kapitals. Man muss eine Zukunft schaffen, nicht nur für uns, sondern auch für die Generationen, die nach uns kommen."

Nach den europäischen Gewerkschaften gefragt, antwortet Luystermans: "Die heutigen europäischen Gewerkschaften sind nichts als Marionetten. Auf der sozialen Ebene wird nichts gemacht, das ist ein großes Problem."

Er fügt hinzu: "Es ist höchste Zeit, dass alle aufwachen und politisch werden. Es ist nie zu spät, aber jetzt ist es wirklich Zeit." Er verweist auf den Krieg im Irak und sagt: "Das ist ein Krieg des Kapitals, Generationen werden darunter leiden. Die einfachen Menschen wollen das nicht. Das ist auch ein Grund, warum ich hier stehe. Ich stehe auch für sie hier, nicht nur für mich."

Ibisi Ramadan, ein arabischer Arbeiter, der seit fünf Jahren am Montageband arbeitet, weist auf die schlechte Lage auf dem Arbeitsmarkt hin: "Die politische Lage ist für die Arbeiter zur Zeit sehr schlecht, zu viele sind arbeitslos. In Belgien gibt es zwölf Prozent Arbeitslose. Jetzt sollen noch 4.000 Arbeiter mehr hinzukommen - die finden doch nichts anderes mehr. Viele haben doch Familien, die sie ernähren müssen. Im Moment sind die Gewerkschaften ja sehr aktiv, aber ich weiß nicht, ob man darauf vertrauen kann. Ich habe keine Ahnung, wie es weitergeht. Es ist ein Problem des Kapitalismus."

Jesu Manchego, ein älterer spanischer Arbeiter, war fast dreißig Jahre bei VW und ist heute Rentner. Er berichtet: "Als VW 1972 hier den Betrieb aufnahm, kamen viele spanische Arbeiter hierher, die vorher in den Gruben beschäftigt waren. Es war die Zeit großer Grubenschließungen. Ich selbst habe nicht im Bergbau gearbeitet, aber ein Bruder von mir. Ich habe direkt bei VW angefangen.

Volkswagen hat damals das Brüsseler Werk D’Ieteren gekauft, wo vorher schon der Käfer für Volkswagen gebaut wurde. Wir waren damals jung und haben überall gearbeitet, und VW war für uns besser als die Gruben: Die Arbeit unter Tage ist unmenschlich. Es gab immer viele Unfälle - wie gerade heute wieder in Polen. Damals gab es ein großes Grubenunglück in Belgien, in Charleroi.

Wenn hier der Golf abgezogen wird, kommt das einer Schließung gleich. Von der zweiten Schiene allein kann das Werk nicht leben."

Eddy de Martelaere, erklärt: "Hier sind 4.000 Personen betroffen, und es gibt keine andere Arbeit. Wir stehen hier, um die Arbeitsplätze zu verteidigen. Wir sind ja mit vielen Versprechungen einverstanden, die man uns jetzt macht, aber werden sie auch eingehalten? Es gibt hier gute, eingespielte Montageketten - und doch wird hier praktisch das ganze Werk geschlossen. Damit spielt man nur in die Hände der Chauvinisten, wie zum Beispiel von Vlaams Belang. Das sind extrem nationalistische Gruppierungen, ich bin vollkommen dagegen.

Das Kapital agiert ja international. Das Kapital spielt uns gegenseitig aus. Sobald die Nachricht über die Entlassungen bei VW Brüssel bekannt wurde, sind die VW-Aktien massiv in die Höhe geschossen."

Eddy berichtet von dem Besuch der drei IG-Metaller: "In Deutschland ist die IG Metall doch sehr stark: Es ist eine Einheitsgewerkschaft, während wir hier in drei verschiedenen Gewerkschaften organisiert sind. Die drei IG-Metall-Delegierten, die hierher gekommen sind, haben uns erklärt, dass es nicht ihr Fehler sei. Jetzt warten wir auf ein positives Signal aus Deutschland, um die Arbeitsplätze gemeinsam zu verteidigen. Darauf hoffen wir."

Am 2. Dezember wird in Brüssel eine internationale Gewerkschaftsdemonstration gegen Arbeitsplatzabbau stattfinden, an der die Metallarbeiter mit Zulieferbelegschaften gegen die VW-Pläne protestieren wollen.

Unterstützt den Kampf der VW-Arbeiter in Brüs

Erklärung der Redaktion WSWS 02.12.2006 - 09:50
25. November 2006

Der Streik der VW-Arbeiter in Brüssel macht deutlich, wie dringend es ist, einen gemeinsamen Kampf aller Volkswagen-Beschäftigten an allen Standorten zu organisieren.

Die Entscheidung der Konzernleitung, die Produktion des VW-Golf aus dem Brüsseler Werk abzuziehen und in die deutschen Werke in Wolfsburg und ins sächsische Mosel zu verlagern, ist Teil des "historischen Sparprogramms", das Anfang des Jahres angekündigt wurde. Es umfasst drastische Rationalisierungsmaßnahmen in Form von massivem Arbeitsplatzabbau, Lohnsenkung und Verschlechterung der Arbeitsbedingungen an allen europäischen Produktionsstandpunkten.

Systematisch wird ein Standort gegen den anderen ausgespielt, und die Beschäftigten werden erpresst. Viele Arbeiter wissen das und halten daher einen gemeinsamen, international koordinierten Arbeitskampf aller Beschäftigten für notwendig und einzige Möglichkeit zum Erfolg. Es ist offensichtlich, dass die internationale Strategie der Konzernleitung eine ebenso internationale Strategie des Widerstands erfordert.

Das Problem besteht aber darin, dass die Gewerkschaften und die Betriebsräte den entgegengesetzten Standpunkt vertreten. Sie arbeiten aufs Engste mit der Konzernleitung zusammen und geben die Erpressung der Beschäftigten nach unten weiter, beziehungsweise organisieren sie. Selten zuvor war diese Rolle der Betriebsräte und Gewerkschaftsfunktionäre derart offensichtlich, wie gegenwärtig bei VW.

Als Voraussetzung für die Verlagerung der Golf-Produktion nach Wolfsburg und Mosel war ein neuer Tarifvertrag für die deutschen Werke abgeschlossen worden, der Lohnsenkung und Verschlechterungen in Form einer weitgehenden Flexibilisierung beinhaltet. Die 1993 eingeführte Vier-Tage-Woche mit 28,8 Stunden wurde abgeschafft. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit wurde mit Beginn der Laufzeit des neuen Tarifvertrages Anfang November auf 33 Stunden für Produktionsarbeiter und auf 34 Stunden für Verwaltungsangestellte angehoben. Vereinbart wurde ein Arbeitszeitkorridor von 25 bis 33 Stunden für Beschäftigte in der Produktion und von 26 bis 34 Stunden für die anderen. Bezahlt werden aber nur wie bisher 28,8 Stunden pro Woche.

Die Behauptung einiger Betriebsräte in Wolfsburg, dieser Tarifvertrag sei völlig unabhängig von der geplanten Verlagerung der Golf-Produktion zustande gekommen, ist schlicht gelogen. Mehrfach haben sie mit Blick auf den Golf eine stärkere Auslastung der deutschen Werke gefordert und davon ihre Zustimmung zum Lohnabbau abhängig gemacht. Das hindert die Herren Betriebsräte und IG Metallfunktionäre allerdings nicht daran, den streikenden VW-Kollegen in Brüssel wortreiche Solidaritätstelegramme zu schicken. Der Zynismus dieser Leute wird nur noch von ihrer Korruption übertroffen.

Um sich aus der Zwangsjacke und Bevormundung der Betriebsräte und Gewerkschaftsfunktionäre zu befreien und die prinzipielle Verteidigung aller Arbeitsplätze an allen Standorten selbst in die Hand zu nehmen, ist es notwendig, unabhängige Komitees aufzubauen, die eine enge und direkte Verbindung zwischen den Belegschaften herstellen. Die Konzernbetriebsräte auf europäischer und internationaler Ebene sind nicht Partner sondern Gegner einer solchen Initiative. Sie bezeichnen sich selbst als Co-Manager und sind Teil einer Verschwörung gegen die Beschäftigten.

Die Redaktion der World Socialist Web Site (WSWS) bietet allen Arbeitern aktive Unterstützung an, um einen prinzipiellen Kampf zur Verteidigung aller Arbeitsplätze an allen Standorten zu führen und gleichzeitig eine Verbindung zu Beschäftigten in anderen Betrieben aufzubauen, die ebenfalls von Entlassungen und Sozialabbau bedroht sind.

Es genügt nicht, sich über die offensichtliche Korruption vieler Betriebsräte und Gewerkschaftsfunktionäre aufzuregen. Es ist notwendig, ihnen das Handwerk zu legen und ihren Einfluss zu brechen.

Um das zu erreichen, müssen die jüngsten Ereignisse in Wolfsburg genau unter die Lupe genommen werden. Denn die Fakten und Zahlen machen deutlich, dass der Betriebsrat im wahrsten Sinn des Wortes gekauft ist und jedes Recht verwirkt hat, im Namen der Belegschaft zu sprechen oder Verträge zu unterschreiben.

Lehren aus Wolfsburg

Drei Meldungen aus Wolfsburg sorgten in den vergangenen Wochen für Schlagzeilen:

Am 7. November kündigte VW-Vorstandschef Bernd Pischetsrieder seinen vorzeitigen Rücktritt zum Jahresende an. Seinen Posten wird Audi-Chef Martin Winterkorn übernehmen.

Am 16. November erhob die Staatsanwaltschaft Braunschweig Anklage gegen den früheren VW-Personalvorstand Peter Hartz wegen Untreue in 44 Fällen. Hartz war bereits Ende vergangenen Jahres von seinem Posten abgetreten, als bekannt geworden war, dass innerhalb von nur zwei Jahren 780.000 Euro an nicht ausgewiesenen Spesen an Betriebsratsmitglieder geflossen seien, unter anderem für Bordellbesuche auf Weltreisen.

Am 21. November verhaftete dieselbe Staatsanwaltschaft den ehemaligen VW-Konzernbetriebsratschef Klaus Volkert "wegen Verdunklungsgefahr". Volkert hatte Presseberichten zur Folge versucht, das Ermittlungsverfahren gegen ihn zu behindern und Zeugen zu manipulieren.

Alle drei Meldungen stehen in engem Zusammenhang. Mit dem Wechsel von Pischetsrieder zu Winterkorn hat sich Ferdinand Piech in der Konzernführung durchgesetzt. Der österreichische Multimillionär ist Enkel von Ferdinand Porsche, der für Hitler den ersten Volkswagen, den VW-Käfer entwickelte. Als Miteigentümer des Porsche-Unternehmens verfügt Piech über einen starken Aktienanteil an VW.

Als Piech 1993 die VW-Konzernleitung übernahm, stand er in enger Verbindung mit dem damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten und späteren Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und hatte die Unterstützung der IG Metall. Die Ära Piech kennzeichnet zwei Dinge: Zum einen wollte er mit dem Volkswagenkonzern, der bisher ausschließlich Wagen der unteren und mittleren Preisklasse gebaut hatte, ins Luxussegment vordringen. So kaufte er die Edelmarken Bentley, Bugatti und Lamborghini auf und entwickelte die Luxuslimousine Phaeton, für die in der Innenstadt Dresdens eigens eine so genannte gläserne Fabrik errichtet wurde.

Zweitens verstand es Piech hervorragend, in Zusammenarbeit mit der Personalleitung unter Peter Hartz und dem Betriebsrat die Lohnkosten zu senken. 1993 kündigte er den Abbau von 30.000 Arbeitsplätzen an, nachdem der Absatz stark eingebrochen war. Als Reaktion folgte die Einführung der Vier-Tage-Woche. Die wöchentliche Regelarbeitszeit sank auf 28,8 Stunden. Während die Beschäftigten massive Lohneinbußen hinnehmen mussten, verkündete die Gewerkschaft stolz, damit seien "betriebsbedingte Kündigungen" vermieden worden.

Als sich die Markenorientierung auf die Luxusklasse als milliardenschweres Desaster herausstellte und VW herbe Verluste hinnehmen musste, geriet Piech unter Druck und wechselte auf den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden. Sein Stellvertreter war und ist der Vorsitzende der IG Metall, Jürgen Peters, der gemeinsam mit dem neuen Betriebsratsvorsitzenden Bernd Osterloh und acht weiteren Betriebsräten im Aufsichtsrat sitzt.

Während Bernd Pischetsrieder das "System VW" mit seinen partnerschaftlichen Beziehungen zwischen Vorstand, Betriebsrat und Gewerkschaft nur noch als lästigen Kostenfaktor betrachtete, versucht Ferdinand Piech seine Konzernstrategie und die damit verbunden massiven Angriffe auf die Beschäftigten weiterhin in enger Zusammenarbeit mit den "Sozialpartnern" durchzusetzen.

Unter diesen Bedingungen wurden einige Einzelheiten über das Ausmaß der Korruption des Betriebsrats bekannt. So erhielt Klaus Volkert alleine im Jahr 2002 - Festgehalt, Zulagen und Sonderbonus zusammengerechnet - 693.000 Euro. Das entspricht einem monatlichen Einkommen von 57.750 Euro. Spesen und Aufwandsentschädigungen für Dienstreisen kommen noch dazu. Volkerts brasilianische Geliebte Adriana B. bekam alle drei Monate 23.000 Euro von VW überwiesen.

Wer behauptet, es handle sich dabei um das bedauerliche Fehlverhalten eines Einzelnen, lässt die schlichte Tatsache beiseite, dass die Braunschweiger Staatsanwaltschaft gegen insgesamt zehn VW-Betriebsräte ermittelt. Auch der Versuch von Jürgen Peters, die Angelegenheit mit der Bemerkung zu verharmlosen, die Zuwendungen für Volkert seien zwar hoch, aber nicht ungewöhnlich, auch in vielen anderen Betrieben würden Boni und Super-Boni bezahlt, macht deutlich, dass es sich nicht um einen Einzelfall handelt.

In Wahrheit ist die Korruption untrennbarer Bestandteil der Mitbestimmung und Sozialpartnerschaft. Auch in der Vergangenheit saßen Betriebsräte in den Aufsichtsräten vieler Unternehmen und genossen weitreichende Privilegien. Doch während sie in den siebziger und zu Beginn der achtziger Jahre noch in der Lage waren, soziale Kompromisse auszuhandeln und teilweise Verbesserungen für die Beschäftigten zu erreichen, hat die Globalisierung der Produktion die Bedingungen völlig verändert.

Unter dem Druck der globalen Konkurrenz und der ständig drohenden Verlagerung von Arbeitsplätzen in Billiglohnländer betrachten Betriebsräte und Gewerkschaftsfunktionäre es als ihre Aufgabe, den eigenen "Standort" und Betrieb zu verteidigen, indem sie für die Erhöhung der Profite im eigenen Unternehmen sorgen. Sie verwandeln sich in eine Hilfskraft des Managements und werden dafür fürstlich belohnt. Diese Entwicklung lässt sich bei allen Gewerkschaften auf der ganzen Welt beobachten.

Die prinzipielle Verteidigung aller Arbeitsplätze an allen Standorten erfordert daher einen politischen Bruch mit den Konzeptionen der Sozialpartnerschaft und Mitbestimmung. Eine völlig andere Perspektive ist notwendig. Sie muss vom internationalen Charakter der modernen Produktion und den gemeinsamen Interessen aller Arbeiter weltweit ausgehen. Und sie muss für eine sozialistische Umgestaltung der Gesellschaft eintreten. Die gesellschaftlichen Interessen müssen Vorrang vor den Profitinteressen der Konzerne haben.

Der Aufbau von Verteidigungskomitees gegen Massenentlassungen und Sozialabbau muss mit Diskussionen über eine solche sozialistische, internationalistische Perspektive verbunden werden. Nur so ist es möglich, die feigen und bankrotten gewerkschaftlichen Argumente zu überwinden, die sich vollständig im Rahmen der kapitalistischen Logik bewegen.

Wir wenden uns an jeden, der den Kampf der VW-Arbeiter in Brüssel unterstützen oder sich am Aufbau von Verteidigungskomitees in anderen Betrieben beteiligen möchte. Nehmt Kontakt auf mit der Redaktion der World Socialist Web Site (WSWS) und diskutiert diese Fragen mit Kollegen.

Mehr Arbeit - weniger Geld

4. Oktober 2006 02.12.2006 - 09:50
Am vergangenen Freitag beschlossen IG Metall und der VW-Vorstand mehr Arbeit ohne Lohnausgleich für die Arbeiter in den sechs westdeutschen Volkswagen-Werken. Die 1993 eingeführte Vier-Tage-Woche mit 28,8 Stunden gibt es nun nicht mehr.

Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit wird ab November auf maximal 33 Stunden für Produktionsarbeiter und auf 34 Stunden für Verwaltungsangestellte angehoben. Mehr Lohn erhalten die Beschäftigten dafür nicht.

Vereinbart wurde ein Arbeitszeitkorridor von 25 bis 33 Stunden für Beschäftigte in der Produktion und von 26 bis 34 Stunden für die anderen. Unabhängig von der tatsächlich geleisteten Arbeitszeit entspricht das Entgelt innerhalb dieses Korridors der bisherigen Bezahlung einer 28,8-Stunden-Woche.

VW-Personalvorstand Horst Neumann freute sich: "Mit diesem breiten Stundenkorridor können wir auf Marktschwankungen besser reagieren, und das ohne wesentliche Änderungen bei den Arbeitskosten. Das garantiert uns eine sehr gute Flexibilität und hat zugleich das Potential für eine hohe Kosteneinsparung." Nun seien die Arbeitskosten in den westdeutschen VW-Werken auf dem Niveau der wesentlich profitableren bayerischen Konzerntochter Audi.

Das war das anvisierte Ziel des Managements des größten Autoherstellers Europas. Ursprünglich hatte der VW-Vorstand dabei eine Rückkehr zur 35-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich verlangt. Die 28,8-Stunden-Woche war 1993 mit entsprechenden Lohneinbußen anstelle der 35-Stunden-Woche eingeführt worden. Eine Rückkehr zur alten Arbeitszeit ohne Angleichung der Löhne wäre einer Lohnkürzung von fast 20 Prozent gleichgekommen. Das aber schien selbst IG Metall und Betriebsrat zu heikel, die sonst jede Kürzung der Unternehmensleitung mitragen und den Arbeitern noch höhnisch als Erfolg verkaufen.

Nun werden die 34. und 35. Stunde als Mehrarbeit vergütet. Grundsätzlich ändert diese geringe Einschränkung aber nichts an der Tatsache, dass die Arbeitszeit, die mit 18-prozentigem Lohnverlust verkürzt wurde, nun ohne Lohnausgleich wieder verlängert wird. Personalchef Neumann kündigte zudem an, dass die 35-Stunden-Woche "im Blick" bleibe.

IG-Metall-Chef Jürgen Peters bezeichnete das Ergebnis als "Kompromiss, der Unternehmensziele und die Interessen der Beschäftigten gleichermaßen berücksichtigt".

Gewerkschaft und VW haben beschlossen, die Einzelheiten zu den Eckpunkten voraussichtlich am 4. Oktober in einem abschließenden Verhandlungsergebnis festzulegen. Welche Überraschungen dann noch auf die Belegschaften zukommen, bleibt abzuwarten.

Der Abschluss bringt VW Entlastungen in dreistelliger Millionenhöhe. Dadurch, dass mehr fürs gleiche Geld gearbeitet werde und große Teile der Überstundenzuschläge wegfielen, betrage die Entlastung bei Bandarbeitern über 14 Prozent der Arbeitskosten, bei Bürokräften sogar 18 Prozent, rechneten Börsianer vor.

Im Gegenzug zu den eingesparten Millionen werden die VW-Beschäftigten mit Einmalzahlungen abgespeist - und einmal mehr mit dem Versprechen auf Bestandsgarantie der sechs betroffenen Werke in Wolfsburg, Kassel, Hannover, Braunschweig, Emden und Salzgitter.

Jeder Beschäftigte erhält einen Betrag von knapp 6.300 Euro für die betriebliche Altersvorsorge. Eine Erfolgsbeteiligung kann ebenfalls gezahlt werden. Das Unternehmen erklärt sich auch zur Zahlung eines Einmalbetrages von 1.000 Euro bereit, weil durch den jetzigen Abschluss die Tarifrunde überflüssig geworden sei, die normalerweise im Herbst begonnen hätte.

Die von VW abgegebene Standort- und Beschäftigungssicherung über 2011 hinaus wird seit 1993 ständig vereinbart. Gehalten hat sich noch kein Vorstand daran. Ohnehin gibt kein Vorstand der Welt eine solche Garantie ab, ohne eine Klausel anzuhängen, die diese Garantie "bei wesentlichen Änderungen der Grundannahmen oder der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen" (VW-Zukunftsvertrag 2004) außer Kraft setzt.

Bewährtes Muster

Die jetzigen Kürzungen verliefen nach demselben Muster wie in den Vorjahren. Der Vorstand kündigt rote Zahlen an und droht mit massivem Arbeitsplatzabbau. Anschließend erklären sich Gewerkschaft und Betriebsrat bereit, an der "Konsolidierung" und "Rettung" der Werke mitzuarbeiten. Heraus kommen bis auf kleine Detailänderungen die vom Vorstand geforderten empfindlichen Kürzungen bei den Arbeitern.

Bereits 1993 hatte der damalige Vorstandsvorsitzende Ferdinand Piech den Abbau von 30.000 Arbeitsplätzen angekündigt, nachdem der Absatz stark eingebrochen war. Als Reaktion folgte die Einführung der Vier-Tage-Woche durch den damaligen Personalchef Peter Hartz. Die IG Metall sekundierte, dadurch seien "betriebsbedingte Kündigungen" vermieden worden.

2001 erfolgte die Einführung des Tarifmodells "5000 mal 5000", das von Politik und Wirtschaft in den höchsten Tönen gepriesen wurde. Zur Produktion des neuen Modells Touran verpflichtete sich VW, im Werk Wolfsburg bis zu 5.000 neue Mitarbeiter einzustellen - zu schlechteren Bedingungen und niedrigeren Löhnen, als in den bisherigen Tarifverträgen festgelegt.

Rund drei Jahre später, Ende 2004 - Piech war inzwischen vom ehemaligen BMW-Chef Bernd Pischetsrieder abgelöst worden und hatte den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden bezogen - erfolgte der nächste Schlag, der so genannte "Zukunftstarifvertrag". Aus heutiger Sicht bereitete er erst die Möglichkeit der aktuellen Erpressung vor. Mit dem Zukunftsvertrag begann die Spaltung der Belegschaft, indem neu eingestellte Arbeiter wesentlich schlechter bezahlt, die Auszubildenden vom Haustarif abgekoppelt und eine weitgehende Flexibilisierung der Arbeitszeit vereinbart wurden.

Der Vertrag beinhaltete jährliche Lohneinsparungen von einer Milliarde Euro. Die bestehenden Löhne und Gehälter sollten 28 Monate eingefroren bleiben. Mit den jetzigen Änderungen sind sie jedoch faktisch nach bereits 23 Monaten weiter gekürzt worden. Früher galten lange Laufzeiten bei Lohntarifverträgen als schlecht für die Beschäftigten. Inzwischen ist es umgekehrt, weil Gewerkschaften und Konzernetagen immer neue Kürzungen vereinbaren.

Die "Auseinandersetzung" in diesem Jahr unterschied sich nicht von den vorangegangenen. Anfang des Jahres kündigte der eigens zur "Sanierung" von Daimler-Chrysler geholte Vorstandschef Wolfgang Bernhard an, die deutschen Traditionswerke seien nicht ausgelastet und arbeiteten zu teuer. Er schloss die Schließung unrentabler Teilbereiche nicht aus und stellte 20.000 Arbeitsplätze zur Disposition, das ist ein Fünftel der Belegschaft. "Wir brauchen grundlegende Veränderungen. In der jetzigen Form sind wir nicht zukunftsfähig", behauptete der Manager.

Steigende Gewinne

Das änderte sich auch nicht, als die Verkaufszahlen für VW in diesem Jahr hochschnellten. In der ersten Hälfte dieses Jahres verkaufte der Konzern zwölf Prozent mehr Autos, setzte 14 Prozent mehr um und verdiente unter dem Strich mehr als doppelt so viel Geld wie in der Vorjahreszeit. Auch in naher Zukunft dürfte sich daran nicht viel ändern. 2006 und 2007 sind allein in Europa mehr als zwei Dutzend Neuheiten geplant.

Der Volkswagen-Konzern fährt seit Jahren Gewinne ein und hat für die Aktionäre zuletzt sogar die Dividende spürbar erhöht, nämlich um fast 10 Prozent. 450 Millionen Euro schüttete die Volkswagen AG für 2005 an ihre Aktienbesitzer aus. Ziel des Vorstands ist es aber, den Aktienbesitzern noch mehr Geld zu verschaffen. 2008 strebt VW einen Konzerngewinn vor Steuern von 5,1 Milliarden Euro an - vier Milliarden mehr als 2004. Das ist der eigentliche Grund für die ständige Forderung nach Lohnkürzungen.

Nach Angaben des Managements fahren lediglich die sechs VW-Werke in Westdeutschland Verluste ein, angeblich einen dreistelligen Millionenbetrag. Die Arbeitskosten in Wolfsburg lägen um mehr als ein Drittel über denen in anderen deutschen Autowerken und 20 Prozent über den Arbeitskosten in den ebenfalls zu VW gehörenden Audi-Werken in Bayern. Daher müssten insbesondere im Stammwerk Wolfsburg die Arbeitskosten fallen, die allerdings - nach Angaben des Betriebsrats - nur noch 11 Prozent der Gesamtkosten ausmachen.

Der VW-Konzern hat Werke in elf Ländern Europas sowie in sieben Ländern Amerikas, Asiens und Afrikas. Übersetzt heißt die Forderung des Vorstands: Wenn ihr nicht genauso günstig wie in Spanien, Tschechien oder sonst wo arbeitet, schließen wir das Werk. So läuft die Erpressung der Belegschaften - nicht nur bei VW - schon seit Jahren. Teil der jetzigen Vereinbarung ist auch, den konzerninternen Zuschlag für den Bau des neuen Golfmodells nach Wolfsburg zu vergeben. Die Konzernspitze hatte wiederholt gedroht, ihn woanders bauen zu lassen, wenn die Gewerkschaft den verschärften Arbeitsbedingungen nicht zustimmt.

Mit der jetzigen Vereinbarung werden die in den 1960er und 70er Jahren erkämpften tariflichen Errungenschaften vollständig einkassiert. In den vergangenen Jahren ist dies in allen Branchen und Konzernen geschehen. Auch im VW-Konzern arbeiteten innerhalb Deutschlands schon bisher viele Beschäftigte zu schlechteren Konditionen als die Arbeiter der sechs westdeutschen Werke - in Ostdeutschland ebenso wie in der Audi-Sparte oder in der 5000 mal 5000 GmbH im Wolfsburger Stammwerk.

Neueingestellte Arbeiter erhalten seit 2004 ebenfalls geringere Löhne. In diesem Zusammenhang muss auch der derzeitige Versuch des Vorstands gesehen werden, 20.000 Arbeitsplätze über Abfindungen abzubauen. Die alten, etwas bessergestellten Arbeiter gehen, neue, geringer entlohnte kommen. Rund 15.000 Beschäftigte haben bislang Verträge zum Vorruhestand oder Aufhebungsverträge unterschrieben.

Inzwischen sind die einst relativ hohen VW-Löhne auf dem niedrigeren Metall-Tarif angelangt. IG-Metall-Verhandlungsführer Hartmut Meine sagte nach der jetzigen Vereinbarung, VW nähere sich damit dem Flächentarifvertrag der Metallindustrie. Die Lohnrunde 2007 müsse daher nicht mehr eigens verhandelt werden. Sie werde durch eine Einmalzahlung von 1.000 Euro abgegolten. 2008 soll sich die Lohnerhöhung dann am Flächentarif der niedersächsischen Metallbranche orientieren.

Wie schon in den letzten Jahren erweisen sich Gewerkschaft und der Betriebsrat auch mit dieser Vereinbarung wieder als verlängerter Arm des Konzern-Vorstands. Sie übernehmen die Aufgabe, die Angriffe gegen die Belegschaften durchsetzen - auch wenn diese, wie im Falle VW, zu 97 Prozent Gewerkschaftsmitglieder sind.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige den folgenden Kommentar an

wut — wütender