Neue Pläne für Staatsstreich in Venezuela?

Chris Carlsson 23.11.2006 10:40 Themen: Repression Soziale Kämpfe Weltweit
Am 11. April 2002 entführte eine Gruppe von Geschäftsleuten, Politikern und Militäroffizieren - in Kooperation mit den größten nationalen Medien - den venezolanischen Präsidenten Hugo Chavez und übernahm die Regierung. Zwei Tage später - inzwischen waren 19 Menschen tot -, war der Staatsstreich endgültig gescheitert und der Präsident wieder an die Macht zurückgekehrt. Die reichen Geschäftsleute und Oligarchen scheiterten mit ihrem Versuch, den populären Präsidenten der Volksmassen loszuwerden. Aber angesichts aktueller Ereignisse hat man den Eindruck, diese Leute könnten es sehr bald wieder versuchen.
Im Dezember finden in Venezuela Präsidentschaftswahlen statt. In den meisten Umfragen und Statistiken liegt Chavez mit großem Abstand vorn. Eigentlich bestehen kaum Zweifel, wer die Wahlen am 3. Dezember gewinnen wird. Doch sobald Chavez oder seine Partei eine Wahl gewinnt, pflegen die venezolanischen Oppositionskandidaten und oppositionelle Medien "Betrug!" zu rufen. Auch für die kommende Präsidentschaftswahl wird die Bühne schon vorbereitet. Die venezolanischen Mainstream-Medien weisen beständig auf die Möglichkeit eines Wahlbetrugs hin und behaupten, diese Wahlen seien nicht transparent. Bleibt die Frage, wie kann von Betrug die Rede sein, wenn Dutzende Studien in den letzten Monaten belegen, dass noch nicht einmal ein Kopf-an-Kopf-Rennen stattfinden wird? Zweitens, welchen Grund hätte die Regierung Chavez zu betrügen, wenn ihr offensichtlich ein leichter Sieg ins Haus steht? Antwort: Das alles ist Teil eines Planes, um die Regierung zu stürzen. In den Tagen um die Präsidentschaftswahl (am 3. Dezember) herum soll der Sturz stattfinden. Seit ein paar Jahren behaupten die Oppositionsparteien Venezuelas, dass bei Wahlen betrogen wird. Vielfach konzentriert sich ihre Kritik auf die Maschinen ("Captahuellas"), mit denen die Fingerabdrücke der Wähler genommen werden, um Mehrfachstimmabgaben zu verhindern. Manchmal steht auch die staatliche Wahlkontrollkommission CNE im Zentrum dieser Behauptungen. Die Kommission - so wird von der Opposition behauptet -, stehe unter totaler Kontrolle der Regierung Chavez. Über all diese Behauptungen der Opposition wird in den privaten Medien natürlich ausführlich berichtet. So entsteht eine Stimmung, als ob Wahlen in Venezuela eine unfaire Sache seien. Genauso läuft es auch diesmal, mit der Präsidentschaftswahl am 3. Dezember, ab. Es ist die gleiche alte Geschichte - ob die Leute sie nun glauben oder nicht.

Letzte Woche verschärften die Führer der Opposition allerdings ihre Rhetorik und diskutierten über einen "Plan" für die Tage nach dem Wahltermin. Der prominente Journalist und Geschäftsmann Rafael Poleo, der in den Staatsstreichsversuch im Jahr 2002 verwickelt war, verkündete im Kabelsender Globovision, die Opposition habe einen "Plan" für den 3., 4. und 5. Dezember. Dieser "Plan" ruft alle potentiellen Wähler der Opposition dazu auf, am 3. Dezember zur Stimmabgabe zu gehen. Am 4. Dezember sollen die oppositionellen Wähler auf die Straße gehen und gegen den (mutmaßlichen) Sieg von Hugo Chavez protestieren - mit der Behauptung, es sei Wahlbetrug gewesen. Poleo beruft sich auf die "Orangene Revolution" in der Ukraine 2004. Damals hatten Volksproteste einen Wahlbetrug rückgängig gemacht. Poleo behauptet, der Wahlbetrug in Venezuela sei bereits angelaufen und fordert alle Venezolaner, die gegen Chavez sind, dazu auf, am 4. Dezember auf der Straße zu protestieren. Poleo betont, auch der Oppositionskandidat, Manuel Rosales, solle sich der Bewegung am 4. Dezember anschließen und behaupten, es sei zu einem Wahlbetrug gekommen. Falls Rosales sich dafür entscheide, so Poleo, könne er zur wichtigsten Person des 21sten Jahrhunderts in Venezuela werden.

Daneben sieht der Plan Folgendes vor: Die oberste Militärführung des Landes wird aufgefordert, "sich zu entscheiden, ob sie die venezolanische Opposition weiter zwingen will, sich mit einem peinlichen Regime abzufinden", so Poleos Worte. Wer solche Worte an die oberste Heeresführung richtet, fordert diese praktisch zum Sturz der Regierung auf. Laut Poleo sieht der Plan eine Abfolge von Ereignissen vor. Alle Venezolaner würden dies im Dezember mit eigenen Augen sehen. Die bevorstehenden Ereignisse entschieden über das Schicksal der Venezolaner - über ihre Würde als Menschen - und über das Schicksal der Nation. Damit will Poleo offensichtlich sagen: Sollte Chavez an der Macht bleiben, wird Venezuela aufhören, als würdige, respektierte Nation zu existieren. Damit müssten sich die Venezolaner künftig aber nicht abfinden. Was Poleo zu erwähnen vergisst, ist, dass Chavez, laut Umfragen, von den meisten Venezolanern unterstützt wird. Poleos Botschaft an die oberste Heeresführung ging ein vergleichbarer Aufruf des Wahlkandidaten Manuel Rosales am Tag zuvor voraus. Anlässlich einer politischen Kundgebung forderte Rosales ein Treffen mit der obersten Militärführung des Landes, "denn wir haben uns auf einen Übergang und einen Regierungswechsel vorzubereiten, dieses steht Venezuela in nächster Zukunft bevor", so Rosales. Noch behauptet Rosales nicht, bei den Wahlen werde geschummelt. Allerdings forderte er die Regierung auf, die "Captahuella"-Maschinen loszuwerden - dabei wurden diese Maschinen von ihm als Wahlkondition akzeptiert. Nach wie vor behauptet Rosales, er werde die Wahlen an der Urne für sich entscheiden - obwohl fast alle Umfragen ihn weit hinter Chavez sehen.

Sehr auffallend sind die Parallelen zum Staatsstreich 2002. Ohne diese Parallelen käme den Worten der Opposition keine so große Bedeutung bei. Auch der Coup 2002 begann mit ausgedehnten Antiregierungsprotesten der Opposition. Als zwischen Pro- und Antiregierungsgruppen Gewalttätigkeiten ausbrachen, eröffneten Heckenschützen und die Metropolitan-Polizei das Feuer auf unschuldige Protestanten - aus dem Chavez-Lager und aus dem Lager der Opposition. Danach stellten sich einige Militäroffiziere auf die Seite der Opposition - mit der Behauptung, die Regierung trage die Schuld an der Gewalt. Sie forderten den Präsidenten auf, sein Büro zu verlassen, andernfalls würde man den Präsidentenpalast bombardieren. Damals wie heute bereiteten bzw. bereiten die Privatmedien die Bühne für den Staatsstreich vor. Damals hatten die privaten Medien die Menschen in zahlreichen Aufrufen aufgefordert, auf die Straße zu gehen und gegen Chavez zu marschieren. Als eine Gruppe innerhalb des Militärs (zugunsten der Opposition) intervenierte, konnten die Privatmedien fast den Sieg verbuchen - den Sturz der Regierung. Doch Volksdemonstrationen zwangen die Opposition zur Rückgabe der Macht an Chavez. Die radikalen Oppositionsgruppen hörten danach jedoch nicht auf zu existieren. Auch in den folgenden Jahren haben sie weiter versucht, das Land zu destabilisieren.

Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird es am 4. Dezember in den großen Städten Venezuelas zu ausgedehnten Oppositionsprotesten kommen. Da die privaten Medien kontinuierlich falsche Umfragewerte verbreiten - die einen möglichen Sieg der Opposition vorhersagen -, glauben inzwischen weite Teile der venezolanischen Bevölkerung an einen Vorsprung von Manuel Rosales. Falls Chavez Rosales am Wahltag schlägt - wovon laut der meisten Umfragen offensichtlich auszugehen ist -, wird dies für alle Venezolaner, die sich von den großen venezolanischen Medien täuschen und manipulieren ließen, ein schwer zu akzeptierender Schock sein. Rosales und die Oppositionsführer haben einen Aufruf an das Volk und an die Heeresführung gerichtet. Kein Zweifel, in den Tagen nach der Wahl wird es zu Protesten kommen. Die Frage ist nur, wird es auch zu einem neuen Staatsstreich kommen?
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Ergänzungen

Zu diesen Umsturzprinzipien

(muss ausgefüllt werden) 23.11.2006 - 11:21
Wie dieses Prinzip weltweit funktioniert, wer dieses finanziert, sollte man schon wissen:

 http://www.jungewelt.de/2006/11-23/011.php
 http://www.jungewelt.de/2006/11-22/045.php

Einmischung von außen

Maxe 23.11.2006 - 15:26
In diesem Zusammenhang sollte vielleicht erwähnt werden, daß Kolumbien und die USA seit einiger Zeit an der Grenze Militär zusammenziehen, was immer wieder Gerüchte um ein "Eingreifen" aufkochen liess. Hinzu kommen immer wieder Sabotageakte in Venezuela.
Übrigens hat die rechte Opposition (deren Gesellschaftsmodell für Venezuela eine Diktatur ist), einige Teile des Landes nach wie vor unter Kontrolle. Erst vor einigen Wochen wurden dort Proteste von Arbeitnehmern blutig von der Polizei beendet (welche ja auch unter Kontrolle der Rechten steht - wie wohl überall auf der Welt).

Was mich interessieren würde: warum sind in Venezuela alle 2 Jahre Wahlen?

Wahlen in Venezuela

Niemensch 23.11.2006 - 16:26
@maxe
Es sind nur alle 4 Jahre Wahlen in Venezuela. Jedoch wurde ein Gesetz eingeführt, dass es ermöglicht, AmtträgerInnern (auch den/die PräsidentIn) nach der Hälfte der Amtsperiode abzuwählen. Dies wurde bei Chavez versucht, ist aber gescheitert.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Yeah, die Charter Kommission — (muss ausgefüllt werden)

@... — Peter G.

@ peter g. — ...

suuuper — Idiotenfan

Einen Nationalstaat muss Frau, Mann und Kind — (muss ausgefüllt werden)

Und tschüss — Thomas

tja, dass reaktionäre rich Kiddie Pack — (muss ausgefüllt werden)

tja — ...

Anmerkung zu Stefan — Gonzalves da Porta

Die WiWo aus dem Holzbrinck Konzern — bürgerlich Rechter

Anmerkung zu bürgerlich Rechter — Gonzalves da Porta

Kleinkind, ich mag Dich — bürgerlich Rechter

@ bürgerlich (un)rechter — Gonzalves da Porta

Kann mal jemand diesen rechten Werbedreck — (muss ausgefüllt werden)

Schwarz-Weiß — spielt keine Rolle

nicht alles was links ist, macht Brot billig — SchonMalAngstvordeinerRegierunggehabt?

noch was (wiWo= — KubanischerGeheimdienst?ichkoenntesglauben