Was kostet ein Studium?

Wal Buchenberg 21.05.2006 14:57 Themen: Bildung Soziale Kämpfe
Nach der 17. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes betrugen die monatlichen Ausgaben der Studierenden im Jahr 2003 durchschnittlich ca. 700 Euro.
Den größten Kostenanteil schluckten die Wohnraummieten mit ca. 250 Euro (wobei Hamburg mit 305 Euro zu den teuersten und Rostock mit 206 Euro zu den günstigen Studienorten zählen), gefolgt von den Kosten für Lebensmittel mit ca. 160 Euro und den Fahrkosten mit ca. 90 Euro.
Bezogen auf die Gesamtstudiendauer summieren sich diese Ausgaben zu erheblichen Beträgen. Absolventen, die 2003 ihr Studium an einer westdeutschen Universität beendeten, mussten im Durchschnitt ca. 54.000 Euro aufbringen. An ostdeutschen Universitäten lagen die durchschnittlichen Kosten mit ca. 43.000 Euro deutlich darunter.
Etwas günstiger war ein Studium an Fachhochschulen. Hier lagen die durchschnittlichen Kosten bei ca. 40.000 Euro west und ca. 32.000 Euro ost.

Die Zahl der studentischen BAföG-Empfänger hat sich im letzten Jahr auf ca. 497.000 erhöht, so dass jeder vierte Studierende inzwischen BAföG erhält. Davon erhält jeder einen durchschnittlichen Förderbetrag von rund 370 Euro. BAföG deckt also nur rund die Hälfte der Studienkosten ab und muss als Darlehen später zurückgezahlt werden. Alle Studierenden sind auf die finanzielle Hilfe ihrer Eltern und - mit steigender Tendenz - auf eigenen Nebenverdienst angewiesen. Für 2/3 aller Studierenden war und ist der "Job neben dem Studium" eine wesentliche Finanzierungsquelle ihrer Ausbildung.

Wenn jetzt die Studiengebühren von 500 Euro pro Semester hinzukommen, werden die gesamten Studienkosten um rund 5000.- Euro erhöht, eine Verteuerung des Studiums um gut 10 Prozent.
Volkswirtschaftlich gerechnet bringen diese Studiengebühren eine staatliche Gegenfinanzierung des BAföGs. Wenn 500.000 Studierende (2003) pro Semester eine BaföG-Unterstützung von 2220 Euro (6 mal 370 Euro) erhalten, summiert sich das auf eine Gesamtsumme pro Semester von 1,1 Mrd. Euro, die der Staat an Studierende verteilt.

Wenn andererseits (sofort oder allmählich) von allen 2 Millionen Studierenden pro Semester 500 Euro Studiengebühren erhoben werden, dann summiert sich das ebenfalls auf eine Milliarde Euro, die der Staat (bzw. seine Untergliederung) die der Staat von den Studierenden einkassiert.

Volkswirtschaftlich wäre es der gleiche Effekt, wenn die Regierung auf einen Schlag alle Bafög-Zahlungen eingestellt würden. Nur mit dem kleinen Unterschied, dass hunderte Staatsdiener täglich, wöchentlich und monatlich damit beschäftigt sind, jedes Semester 1 Milliarde Euro an die Studierenden auszuzahlen und wieder andere Staatsdiener täglich, wöchentlich und monatlich damit befasst sind, von den Studierenden 1 Milliarde Euro pro Semester einzukassieren.

Hätten unsere herrschende Klasse versucht, die 1 Mrd. Euro BaföG-Zahlungen pro Semester komplett abzuschaffen, dann hätten wir in Deutschland längst französische Verhältnisse. So aber sollen die Studierenden die 1 Mrd. Bafög-Unterstützung über die Studiengebühren faktisch zurückzahlen. Damit kommt unsere schlaue Politikerklasse wahrscheinlich durch.

Daten aus:  http://berufswahl.lernnetz.de/htmdocs/kap2/kap2_8/2_8_11.htm und eigene Berechnungen.

W. Buchenberg für Indymedia, 21. Mai 2006
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Ergänzungen

Studieren mach arm

Cartoon 21.05.2006 - 15:10

Volkswirtschaftlich

Tobias 21.05.2006 - 17:19
In dem Text heißt es: "Volkswirtschaftlich wäre es der gleiche Effekt, wenn die Regierung auf einen Schlag alle Bafög-Zahlungen eingestellt würden."

Nein, denn die Empfänger von Bafög und die Zahler von Studiengebühren sind nicht identisch. Zahlen sollen alle, Empfänger von Studiengebühren sind dagegen die Studierenden aus schlecht verdienenden Elternhäusern. Hier findet also eine Umverteilung von oben und der Mitte nach unten statt, von der die Kinder aus Unterschichtenfamilien profitieren.

Man kann das dann immer noch schlecht finden, aber man sollte nicht so tun, als gäbe es diesen Effekt nicht.

Zur Klassenanalyse der StudentInnen

Wal 22.05.2006 - 09:28

das ist zu einfach

kai 22.05.2006 - 13:30
wal, du verharmlost. ich erkläre das auch,
die statistiken sind net. blos ist die aufrechnerei falsch - es fehlt zu viel.

tatsächlich liegt es so: es werden die kosten für den betrieb einer hochschule gereschnet und das durch die anzahl der studierenden.
dabei kommen die herren auf zahlen wie 20.000 euro für einen 6 jährigen barchelor(da gibts natürlich unterschiedliche - aber das ist ein typischer).

die kosten für leben und materialien etc, die so ein studium nebenher kostet sind darin _nicht_ enthalten. für letzteres bekommen manche studis bafög.

die stellen sind völlig getrennt, das eine ist die hochschule und das andere ist studentenwerk. studentenwerk sind auch wohnheime, bibliotheken, mensen...

die staatlichen aufwendungen wurden in den meisten(allen?) bundesländern sowohl für studentenwerk als auch für hochschule gekürzt.

die hochschulen, aber nicht das studentenwerk bekommt nun die studiengebühren und sind fast gezwungen diese auch zu verwenden aufgrund der kürzungen. das studentenwerk bekommt davon nichts.

zahlen sind 500€, 640€ ... pro semester sollen die studierenden aufbringen. nach kostenrechnung sind ca 3000€(obige 20.000€) pro student und semester nötig damit sich die hochschule selber trägt. diese größenordnung wird auch angepeilt. das wurde wiederholt offiziel so formuliert. die jetzigen gebühren sind nur etappe. bei umfinanzierungsmodellen(krediten!) wird auch in diese größenordnung gerechnet(20.000 aufwärts für ein studium).

damit will ich nicht sagen, daß ich ausschließen, das der staat nicht auch noch irgendwann die finger lang macht, aber das krasse ist aber diese änderung der finanzierung.

das krasse ist, das dies eine zugangshürde darstellt, die jenen den zugang zur hochschule verwehrt, die dieses geld nicht aufbringen können. das läuft auf klassenteilung hinaus.

darüber, daß kredite die klassenteilung nicht kompensieren können brauchen wir uns hoffentlich nicht unterhalten. schon jetzt gibt es fonds, die anlegern fette renditen versprechen. die renditen kommen natürlich aus den rückzahlungen der studierenden. dafür wird auch noch von hochschulen geworben.

damit ist auch klar was passiert: klassen zu überwinden über bildung wird weiter erschwert. soziale mobilität, wie sich das nennt, gab es nie, ein ammenmärchen der bildungsbürger der nachkriegszeit. ein bischen schon zumindes studieren konnten viele. mit diesen rückzahlung wird klar dass die klassenzugehörigkeit über den späteren verdienst entscheidet. die rückzahlungen gehen schließlich vom lohn ab. wobei über den verdienst selber(noch ohne abzug) weniger die bilung als die klassenzugehörigkeit entscheidet(das war schon immer so). also doppelt.

die idee der familie rückt allgemein wieder in den fordergrund. eine frau mit einem kind hat eine mehrbelastung durch das kind und propagandistisch wird das als selbstverständlich und als verantwortung erklärt. das fällt zusammen mit den anderen sozialen geschichten wie auszugsverbot für jugentliche unter 25, bezugsgemeinschaften, kindergeld... also auch hier nochmal klassenerhalt gestärkt. das was du bekommen kannst hängt ab von deiner herkunft.
die idee, daß kinder niemanden gehören und kein einkommen haben also alle für sie aufkommen müssen ist gar nicht mehr zu erkennen. "einmal in der gosse immer in der gosse" ist die devise die proklamiert wird.

daß geht hin bis zur umdeutung von studien. aus denen geht natürlich klar hervor, daß reichere sich eher bilden dürfen als arme. die umdeutung geht so: "reichere sind schlauer als arme"(wörtlich so gesagt und "belegt" worden). dieses reichere sind schlauer als arme ist zu finden wo ich hinschaue. das ist darwinismus und zwar heftigst. das findest du oft nicht so offen aber deutlich erkennbar... das wird auch gefördert, indem hochschulen durch kürzungen auf wohlhabende studierende angewiesen sind und diese anwerben. die argumente kommen und die propaganda fällt auf fruchtbaren boden und stimmen in den chor der darwinisten ein.

dazu kommt diese barchelor geschichte, die weit mehr ist als nur eine einführung eines allgemeinen abschlusses. über den barchelor gibt der staat sein bildungsmonopol in hände von privatunternehmen(akreditierungsinstitute). im endeffekt bedeutet das: anerkennung eines abschlusses gegen cash. es ist die frage ob ein staatliches bildungsmonopol sinnvoll ist(früher habe ich schon mal dagegen gewettert) eine bildungsbewertung gegen cash ist aber krasser.

dazu kommt die umstrukturierungen an den hochschulen. mitsprache rechte werden gerade komplett ausgehebelt. nicht unbedingt indem die gremien abgeschaft werden sondern indem ihre kompetenzen genommen werden. externe "boards" gibt es da, die über die hochschule bestimmen, ein gremium das in der hochschule gar nicht verankert ist, keiner kontrolle durch die hochschule unterliegt, soll die höchste entscheidungsinstanz der hochschulleitung. räte und ausschüsse, nach dem schülersprechermodel werden eingeführt.

schon jetzt werden inhalte von vorlesungen von unternehmen diktiert. proffessuren werden von unternehmen vorgegeben mit dem argument: sie zahlen schließlich.
das ist so einer:
 http://en.sce-web.de/intro.php
proffessur kein problem, wenn du von da kommst und zahlst.

dazu kommt natürlich das bildung verweigern auch heißt leute zu verunmöglichen mitzubestimmen.

lieber wal, du unterschätzt das ausmaß des ganzen, wenn du meinst der staat würde nur bafög gegenfinanzieren - schön wärs.
das ding ist klassegegensätze verschärfen - als teil davon unteren klassen bildung verweigern.

kurz deine studienanlyse

kai 22.05.2006 - 13:53
ist auch nicht ganz richtig.
dass diese 20% studierende die nach dem studium besser verdienen( deine zahl, unüberprüft) rekrutiert sich nicht aus dem querschnitt der studierenden.
nicht der abschlusch ist entscheidend. vielmehr zeigt sich bei betrachtung von statistiken, daß diejenigen, die nach einem studium besser verdienen, eltern haben, die auch schon besser verdient haben. und diejenigen aus ärmeren elternhaus auch mit abschluß nicht zu den besserverdienenden gehören weren. einstellungsgehälter sind durchaus unterschied und es ist nicht gesagt, das hohe gehälter sich erst nach 15 jahren einstellen(ja, sie nehmen zu).
das entscheidende ist das studium gibt die möglichkeit sich für eine stelle zu bewerben, aber die stelle bei der ein höheres einkommen zu erwarten ist wird an den aus reicheren elternhaus vergeben.

oft ist es auch einfach nur vitamin b. die eltern kennen jemanden, dann bekommt das kind den job. oder es gibt ein praktikum und der mit den wohlhabenden eltern kann eine einladung annehmen während der ohne auf seinen geldbeutel schauen muß und nicht annehmen kann. im praktikum entsteht eher eine unterhaltung zwischen leuten aus der gleichen klasse. gemeinsam über die probleme mit dem personal jammern verbindet ... die große gala ist gesprächsstoff und gibt den kontakt für den späteren job.

es gab nie soziale mobilität(ausnahmen gibts, aber sehr übersichtlich).

umverteilung

kai 22.05.2006 - 14:24
umverteilung liegt selbstverständlich vor.
zu zahlen ist: studiengebühren - steuerersparnis.

früher wurde bildung über progressiver steuersatz finanziert hat(wer mehr hat zahlt mehr).
1. ein reicher hat auf grund der progressivität eine höhere steuerersparnis ein armer u.u. gar keine.
ergebnis: plus für den besserverdienenden.

2.ein armer hat auf grund der progressivität u.u. gar nichts für die bildung gezahlt und muß nun die gebühren berappen.
ergebnis: minus bei den geringverdienern.

3. belastung durch kinder:
früher: über steuer gesellschaftliches aufkommen für die kinder.
heute: belastung der eltern über gebühren.
heißt ein minus für leute mit kindern und ein plus für kinderlose.(siehe bundesarmutsbericht, was das heisst)


160Euro für Fressen

Kenner 22.05.2006 - 14:25
160 Eus im Monat fürs Fressen! Kenne ich noch zu gut.

Wie will man bei 5 Euro Essensgeld am Tag genügend Obst und Gemüse zu sich nehmen? Bei "Kaisers" kostete letzte Woche der Eisbergsalatkopf noch 1.49! Wie im Winter! O.K man kann ja auch Containern gehen, aber die sind auch schon immer leer und alles prügelt sich...

Logische Konsequenz daraus:

1. Klauen gehen und sich nicht erwischen lassen: macht so ungefähr jeder 15. bis 20igste Mensch in Deutschland - bis man 2-3Mal erwischt wurde, versteht sich...
2. Dispo-Kredit aus- bzw. überreizen: macht fast Jede/r, so soll das System nunmal funktionieren...
3. Resignation mit der Hoffnung auf einen baldigen Karriereschwung. Allerdings können nur relativ wenige Leutchen in Führungsetagen sitzen, sonst gäbe es ja keine "Führung" (im wirtschaftlichen Sinne).

Also viel Spaß beim Träumen, liebe StudentInnen

überhaupt nicht

klippschüler 23.05.2006 - 19:14
"Zahlen sollen alle, Empfänger von Studiengebühren sind dagegen die Studierenden aus schlecht verdienenden Elternhäusern. Hier findet also eine Umverteilung von oben und der Mitte nach unten statt, von der die Kinder aus Unterschichtenfamilien profitieren."

Nein, denn von der Kohle die dem Mittelstand abgeknöpft wird, sehen ja die Studierenden aus der Unterschicht nix, im Gegenteil zahlen sollen die ja auch. Nach deiner Argumentation ist es schon eine begrüßenswerte Umverteilung, wenn der Staat zugunsten einer sozial ungerechten Maßnahme (Studiengebühren) von einer noch ungerechteren Maßnahme (Bafög-Streichung) absieht.

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