Kriegsähnliche Zustände in kurdischen Städten

isku 30.03.2006 21:54 Themen: Militarismus Repression Weltweit
Nach einem Giftgasangriff der türkischen Armee auf ein kurdisches Guerillalager, bei dem 14 Guerillas starben, eskalieren die Auseinandersetzungen in den kurdischen Städten der Türkei. Bei Angriffen von Polizei und Spezialeinheiten auf die Trauerzüge für die Gefallenen und auf Protestdemonstration wurden bislang 6 Menschen erschossen.
Giftgasangriff auf Guerilla

Am 24. März führten türkische Armeeeinheiten eine umfangreiche Militäroperation im Gebiet "Mus-Süd" zwischen Mus-Zentrum, Kulp, Genc und Solhan gegen die HPG-Guerilla durch. Die Operation wurde von Luft- und Bodentruppen unterstützt und fand mit einer Beteiligung von 10 000 Soldaten aus Amed, Bingöl, Dersim und Mus sowie von Dorfschützern der Dörfer Badika und Semale statt.

Die Operation begann am 24. März um sechs Uhr morgens mit der Besetzung
mehrerer Berggipfel durch den Einsatz von zehn Skorsky-Hubschraubern. Gegen zehn Uhr wurde eines unserer Guerilla-Lager angegriffen. Das andauernde Gefecht intensivierte sich in der Nacht. Aufgrund dessen wurde in der Nacht zum 25. März seitens des Militärs Verstärkung aus anderen Gebieten angefordert, mit deren Unterstützung das Guerilla-Lager umzingelt wurde. Das darauf folgende Gefecht dauerte mit Unterbrechungen bis zum Abend des 25. März an. Danach setzte die türkische Armee Giftgas und schwere Waffen ein.



6 Demonstranten erschossen

Nach Bekanntwerden der Angriffe und des Todes der 14 Guerilla-Kämpfer kam es in zahlreichen Städten zu Demonstrationen und schweren Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräfte, die noch immer andauern.
Besonders intensiv verlaufen die Auseinandersetzungen in Diyarbakir (kurdisch: Amed), wo am Dienstag die Beerdigung von vier der getöteten Guerillakämpfer stattfand. Es kam bisher zu insgesamt sechs Toten durch Polizeischüsse, darunter zwei neun- und sechsjährige Kinder. Nach Angaben des Menschenrechtsvereins IHD lag die Anzahl der Verletzten am Mittwoch bei 106, davon 28 durch Schusswunden. Bis Donnerstag stieg die Zahl der Verletzten auf über 300. Mehrere davon befinden sich in Lebensgefahr. Die Krankenhäuser nehmen nur noch Notfälle auf. Die Demonstranten griffen das Gouverneursamt, mehrere Polizeireviere, Banken und staatliche Gebäude mit Steinen an. Den ganzen Tag über flogen F-16-Kampfflugzeuge und Hubschrauber über die Stadt. Aus der Umgebung wurden militärische Einheiten nach Diyarbakir verlegt. Die Aktivisten kündigten an, ihre Aktionen drei Tage lang fortzusetzen. Unter den Sicherheitskräften befinden sich Sondereinheiten, JITEM-Mitarbeiter und Überläufer. Die Geschäfte in der Stadt sind seit drei Tagen geschlossen. Auch die meisten Schulen wurden boykottiert. Osman Baydemir, Bürgermeister von Diyarbakir, wurde auf dem Weg zu einem Gespräch mit dem Gouverneur von Sondereinheiten mit Schusswaffen bedroht und konnte seinen Weg erst durch Intervention des stellvertretenden Polizeichefs fortsetzen.



20.000 demonstrierten in Batman

Der HPG Guerilla Abdullah Rukun,mit dem Codenamen Berxwedan Garzan, wurde in Batman unter der Beteiligung von 20.000 Menschen beerdigt.
Bei der Beerdigung wurden die Verantwortlichen für das Massaker verurteilt. Die Leiche von Abdullah Rükün wurde in der Anbiya Moschee gewaschen und im Anschluss mit einer Demonstration zum Îkîztepe Friedhof gebracht. 20.000 Menschen beteiligten sich an dem Marsch, sie trugen Poster von Öcalan und Mahsum Korkmaz. Außerdem wurden Fahnen der Gemeinden der Kommunen Kurdistans KKK und ein Transparent mit der Aufschrift "Wir gehen auf die Berge und verlangen Rechenschaft" getragen.
Vor allem rief die Menge die Parolen "Rache, Rache", "Es lebe unser Vorsitzender Apo" und "Die Gefallenen sind unsterblich". Studentinnen und Schülerinnen gingen nicht in die Schulen, Geschäfte und Schulen blieben geschlossen. Der Vorsitzende der DTP von Batman, Ayhan Karabulut erklärte, das kurdische Volk habe immer für die Würde gelebt und werde auch weiter für seine Würde leben.
Karabulut sagte: "Dieser Angriff ist unmenschlich. Wenn die Regierung glaubt, sie werde mit diesen grausamen Methoden durchkommen, werden wir diese Haltung nicht akzeptieren. Wir sind jederzeit bereit zu sterben. Aber wir wollen niemanden töten und nicht getötet werden. Wir wollen dass die Probleme mit zeitgemäßen und demokratischen Methoden gelöst werden".
Nach der Rede von Karabulut demonstrierte die Menge zum Trauerzelt auf dem Platz des 19. Mai.
Die Anzahl der DemonstrantInnen erreichte am Mittag des 30. März erneut 10.000. Überall in der Stadt wurde Militär stationiert. Die Auseinandersetzungen mit der Polizei begannen am Morgen in der gesamten Stadt. Barrikaden wurden auf der Diyarbakirstraße errichtet. Die Polizei und Spezialteams griffen mit Gasbomben und Panzerfahrzeugen an und schossen in die Luft. Die Menge antwortete mit Molotowcocktails und Steinen. Zahlreiche Fenster von Geschäften gingen zu Bruch.
Nach einer zunehmenden Eskalation wurden Militäreinheiten der Gendarmeriekaserne von Elih in die Stadt gebracht. Die Auseinandersetzungen dauern vor allem beim Bürgermeisteramt und auf der Kreuzung der Straße Elih Hasankeyf an. Bisher wurden mehr als 30 Personen verletzt, 20 Personen festgenommen. Die Polizei soll einer Person aus dem 4. Stock eines Gebäudes geworfen haben.



Ein Toter in Istanbul

Weitere Auseinandersetzungen fanden u.a. in Van, Adana, den Istanbuler Stadtteilen Gazi und Ümraniye sowie in Siirt statt, wo ein Sechzehnjähriger durch Schüsse von Soldaten und Dorfschützern lebensgefährlich verletzt wurde.
In Istanbul kam am Mittwoch bei Auseinandersetzungen mit der Polizei der 24jährige Huseyin Demir ums Leben. Die näheren Umstände sind noch nicht bekannt.
In Sakarya griff eine Gruppe von mehr als 1000 türkischen Nationalisten das Gebäude der Bewegung für eine demokratische Gesellschaft (DTP) an und verbrannte Teile der Inneneinrichtung.



Neue Militäroperationen

Die türkische Armee hat am 27. März erneut mit einer breitangelegten Operation unter der Beteiligung von 20 000 Soldaten begonnen, die von der Region Siirt bis nach Eruh reicht.
Die Verlegung von Soldaten in die Region dauert nach regionalen Augenzeugenberichten noch an.
Auch in der Region Ava Spi in der Region Merdin Nusaybin hat eine breitangelegte Operation begonnen. Zahlreiche Soldaten wurden in die Region Merdin Qoserê und Stewrê verlegt.
Auch in der Region Amed Farqin (Silvan) und in den Besta Bergen hat eine Operation begonnen.



Weitere Infos:

ständig aktuelle Nachrichten in türkischer Sprache gibt es bei der kurdischen Nachrichtenagentur Firat (ANF):  http://www.firatnews.com ; auf Kurdisch bei Azadiya Welat:  http://www.azadiyawelat.com und in kurdischer, türkischer und englischer Sprache bei der (leider kostenpflichtigen) Dicle Nachrichtenagentur (DIHA):  http://www.diclehaber.com - von der auch die meisten der hier übersetzten Artikel stammen.

Ständig aktualisierte Berichte zeigt auch der kurdische Fernsehsender ROJ TV:  http://www.roj.tv - der auch einen Stream seines Programms bietet:  http://www.roj.tv/index/yayinakisi/roj_zindi.html (wmv)

gesammelte Artikel aus der deutschsprachigen Presse und Übersetzungen aus dem Türkischen und Kurdischen gibts es bei der ISKU:  http://www.nadir.org/isku

Übersetzte Artikel aus der (pro-)kurdischen Presse in Deutsch/Englisch/Französisch/Italienisch gibts bei Kurdish Info:  http://www.kurdishinfo.com

Die aktuellen Presseerklärungen der kurdische Guerilla HPG in kurdischer/türkischer/arabischer/englischer/deutscher Sprache sind auf deren Webseite zu finden:  http://www.hpg-online.com

(Bislang) einen englischsprachigen Blog-Eintrag und eine Gallerie mit Fotos der Ereignisse in Batman und Amed gibts es bei DozeMe:  http://www.dozame.org/blog/


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(Die Bilder wurden in Amed/Diyarbakir aufgenommen und zeigen den Beerdigungszug am Dienstag und weitere Demonstrationen am Donnerstag)
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Ergänzungen

Chronologie 26.-30.3.

. 31.03.2006 - 12:27
26. März

Malatya:

- Die Leichname der 14 getöteten Guerillakämpfer werden zur Autopsie in die Gerichtsmedizin Malatya gebracht.

27. März

Malatya:

- Familienangehörige der Toten erklären in Malatya, die Leichname seien kaum zu identifizieren und der Zustand der Leichen lasse auf Giftgas schließen. Sie wenden sich an den Menschenrechtsverein IHD mit der Forderung um juristische Hilfe.

Hakkari:

- In Yüksekova (Provinz Hakkari) protestieren ca. 2500 Menschen gegen die kurz zuvor stattgefundenen Vorfälle in Hakkari, bei denen 19 Personen verletzt wurden und gegen fünf Personen Haftbefehl ausgesprochen wurde. Der Kreisverbandsvorsitzende der Partei für eine demokratische Gesellschaft (DTP), Muhyettin Ünal, macht in einem Redebeitrag auf das neue Konzept der Gewalt aufmerksam, mit dem die kurdische Bewegung nach den friedlich verlaufenden Newrozfeiern konfrontiert sei.

28. März

Diyarbakir:

- Eine Menschenmenge, die vor der Beerdigung in Diyarbakir auf die aus Malatya kommenden Leichname von vier der HPG-Kämpfern wartet, baut Straßenbarrikaden aus brennenden Autoreifen.

- Nach der Beerdigung formiert sich ein Demonstrationszug, der von der Polizei mit Schusswaffen und Tränengas angegriffen wird. Es kommt zu einer Vielzahl von Verletzten.

- Eine Gruppe zerstört die Scheiben sämtlicher Geschäfte, Banken und Büros im zentral gelegenen Diyarbakirer Viertel Ofis.

- In vielen Stadtteilen Diyarbakirs bleiben die Läden geschlossen. An mehreren Punkten finden Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften statt. 14 Demonstranten werden festgenommen.

- Als die Auseinandersetzungen sich vergrößern, ist erstmalig seit 15 Jahren wieder die Jandarma im Stadtzentrum präsent.

- Aus Sicherheitsgründen fahren keine Streifenwagen mehr durch die Stadt.

- In Baglar werden Jandarma- und Sondereinheiten stationiert.

- In den Stadtteilen Baglar und Sehitlik versammeln sich Tausende Menschen auf den Straßen.

- Außer den Bäckerein und Apotheken schließen alle Geschäfte.

- Das Gouverneursamt, die Polizeidirektion und die Polizeischule werden von Militärs und Sondereinheiten geschützt.

- Die Filiale Melikahmet der Isbankasi wird von Protestierenden angezündet.

- In den Stadtteilen Baglar und Kurucesme werden sieben Autos angezündet.

- Die Polizei greift Journalisten an, die Festnahmen aufnehmen wollen.

- Im Stadtteil Melikahmet wird ein Polizeirevier angegriffen. Es fallen Schüsse.

- In Baglar wird beim Protest einer Menschenmenge vor einem Polizeirevier ein zehnjähriges Kind durch Polizeischüsse verletzt.

- Zwei Fahrzeuge vor der Polizeischule werden angezündet, die Schule mit Steinen angegriffen.

Batman:

- Der Leichnam von Abdullah Rükün (Berxwedan Garzan), einem der 14 getöteten Guerillakämpfer, wird in Batman im Beisein von 10.000 Menschen beigesetzt.

Siirt:

- Der Leichnam von Kenan Demir (Mervan) wird in Siirt-Gökcebag im Beisein von 10.000 Menschen beigesetzt. Im Anschluss an die Beerdigung wird der 16-jährige Muhlis Ete durch Schüsse von Soldaten und Dorfschützern lebensgefährlich verletzt, als er eine Fahne des Demokratischen Konföderalismus am Gipfel des dem Friedhof gegenüberliegenden Berges anbringen will. Es brechen Auseinandersetzungen aus, in deren Verlauf vier Personen festgenommen werden.

Van:

- In Van protestieren Hunderte in den Stadtteilen Hacibekir und Yüniplik gegen die Ermordung der 14 Guerillakämpfer.

Urfa:

- In Urfa-Viransehir protestiert eine Gruppe gegen die Ermordung der 14 Guerillakämpfer.

Adiyaman:

- Der Leichnam von Hüseyin Kizil wird in Adiyaman im Beisein von Hunderten Menschen beigesetzt.

Adana:

- Die Menschenmenge, die an der Beerdigung des Guerillakämpfers Idris Sinet teilnimmt, wird von der Polizei mit Tränengas und Panzerfahrzeugen angegriffen.

Süleymaniye:

- In Süleymaniye-Derbandixan in Südkurdistan demonstrieren Hunderte Menschen für die getöteten 14 Guerillakämpfer.

Siirt:

- Die türkische Armee leitet eine Militäroperation in Siirt-Eruh gegen die HPG-Guerilla unter Beteiligung von ca. 20.000 Soldaten ein.


29. März

Siirt:

- Aus Protest gegen die Schüsse auf den 16-jährigen Muhlis Ete nach der Beerdigung des HPG-Kämpfers Kenan Demir am Vortag bleiben die Geschäfte geschlossen und die Schulen werden boykottiert.

Diyarbakir:

- Die Auseinandersetzungen beginnen morgens erneut. In mehreren Stadtteilen versammeln sich Menschen, bauen Barrikaden und liefern sich Straßenschlachten mit der Polizei. Am Mevlaha-Halit-Boulevard setzt die Polizei Pfeffergas und Schusswaffen ein. Ein 18-Jähriger wird durch Schüsse lebensgefährlich verletzt.

- Die Notaufnahmen des Universitäts- und des staatlichen Krankenhauses verzeichnen 95 Verletzte seit dem vergangenen Morgen.

- Beim Polizeiangriff auf Demonstranten in Baglar werden vier Personen verletzt.

- In Baglar wird der 22-jährige Tarik Atakaya, der als Lehrling in einem Möbelgeschäft arbeitet, von Sondereinheiten erschossen. Daraufhin strömen die Menschen auf die Straßen und liefern sich Straßenschlachten mit der Polizei.

- Alle Schulen in der Stadt werden boykottiert. Die Geschäfte bleiben geschlossen.

- Strategisch wichtige Punkte in der Stadt werden unter militärischen Schutz gestellt.

- Zehn Abgeordnete rufen gemeinsam mit dem Gouverneur der Provinz Diyarbakir die Bevölkerung zur Besonnenheit auf und fordern ein Ende der Auseinandersetzungen.

- Im Stadtteil Sehitlik werfen Demonstranten Steine auf ein Polizeirevier.

- Die regionalen Industriellenverbände GÜNSIAD und DISIAD, die Industrie-Kammer und weitere Organisationen rufen dazu auf, die Auseinandersetzungen zu beenden.

- In Ofis in der Innenstadt Diyarbakirs kommt es zum Polizeiangriff auf Demonstranten, die zwei Autos niederbrennen.

- Nach Protesten in Seyrantepe, der Tekel-Tabakfabrik und nahegelegenden Dörfern werden Dörfer von Soldaten umstellt.

- Gouverneursamt in Yenisehir wird trotz Militärschutz mit Steinen angegriffen. Polizei und Militär greifen ein, woraufhin sich die Protestierenden zurück ziehen und eine fünfzig Meter entfernte Filiale der Ziraat-Bank entglasen sowie Geldautomaten zerstören.

- Das Dienstfahrzeug des Diyarbakirer Bürgermeisters Osman Baydemir wird von Sondereinheiten angegriffen, als er sich auf dem Weg zu einer Demonstration in der Nähe des Gefängnisses befindet, wo er die Bevölkerung zur Ruhe bringen will.

- In Baglar wird der neunjährige Abdullah Duran von Polizisten erschossen.

- Efkan Ala, Gouverneur von Diyarbakir, erklärt, dass bei den Vorfällen drei Menschen getötet, 250 verletzt und 200 Personen festgenommen worden sind.

- Festgenommene und Augenzeugen von Festnahmen berichten von polizeilicher Folter.

- Birgül Özbaris, Korrespondentin der Tageszeitung Ülkede Özgür Gündem, entgeht nur knapp gezielten Schüssen maskierter Polizisten.

Suleymaniye:

- Die türkischen Behörden fordern eine Übersetzung der arabischen Identitätspapiere des aus Süleymaniye stammenden Guerillakämpfers Kawa Ibrahim (Karker Ciwanro) ins Türkische, bevor der Leichnam den Angehörigen übergeben wird.

Istanbul:

- In Istanbul-Ümraniye werden bei einer Polizeiintervention mit Pfeffergas gegen eine Barrikaden bauende Gruppe zwei Personen verletzt. Bei den entstehenden Auseinandersetzungen wird Hüseyin Demir (24) getötet.

- Im Stadtteil Gazi werden aus Protest gegen die Ermordung der 14 Guerillakämpfer Barrikaden errichtet und Feuer angezündet.

30. 03. 2006

Urfa:

- Die Polizei greift eine Gruppe an, die mit Mülltonnen Barrikaden baut. An verschiedenen Punkten der Stadt werden strenge Sicherheitsmaßnahmen getroffen.

Cizre:

- In Sirnak-Cizre wird bei einer nächtlichen Demonstration ein Polizeirevier mit Steinen beworfen und eine Filiale der Isbankasi entglast.

Batman:

- Über hundert Menschen protestieren gegen die Ermordung der 14 Guerillakämpfer.

- Unter der Parole “Die Menschen von Amed sind nicht allein” laufen Tausende Menschen auf die AKP-Zentrale zu. Polizei und maskierte Sondereinheiten intervenieren mit Panzerfahrzeugen und Tränengas. Die Demonstranten schlagen mit Steinen und Molotowcocktails zurück. Als die Polizei Schusswaffen einsetzt, verteilen sich die Demonstranten auf Nebenstraßen, wo die Auseinandersetzungen weiter gehen.

Van:

- In Van protestieren hundert Menschen gegen den Giftgaseinsatz gegen die Guerilla. Die Polizei interveniert mit Panzern. Die Protestierenden reagieren mit Steinwürfen und zünden ein Fahrzeug an.

Diyarbakir:

- Die Geschäfte im Stadtzentrum bleiben auch am dritten Tag geschlossen, mehrere Schulen werden weiterhin boykottiert.

- Das staatliche Krankenhaus, in dem sich über hundert Verletzte befinden, wird von der Polizei umstellt, Angehörige und sich in medizinischer Behandlung befindende Verletzte werden mit Schlagstöcken angegriffen. Es kommt zu mehreren Festnahmen.

- In mehreren Stadtteilen kommt es zu kleineren Protestkundgebungen.

- Tausende Menschen versammeln sich vor der Sefik-Efendi-Moschee, wo die Leichname der getöteten Guerillakämpfer Onur Kaya und Abdullah Duran aufgebahrt sind. In größerer Entfernung von der Menschenmenge werden Armee-Einheiten stationiert. In der Umgebung befinden sich an mehreren Punkten maskierte Sondereinheiten.

- Eine Abordnung hochrangiger Polizeikräfte der Antiterror- und der nachrichtendienstlichen Abteilung unter Vorsitz des stellvertretenden Polizeichefs der Türkei trifft in Diyarbakir ein.

- Die Leichname von Abdullah Duran (9) und Tarik Atakaya (22), die bei den Vorfällen durch Polizeischüsse ums Leben gekommen sind, werden in die Sefik-Efendi-Moschee gebracht. Vor der Moschee warten ca. 20 000 Menschen und fordern Rechenschaft vom Staat.

- Das Polizeibüro neben der medizinischen Fakultät wird mit Molotow-Cocktails niedergebrannt.

- Ein Sechsjähriger wird von der Polizei beim Angriff auf die Menschenmenge vor der Sefik-Efendi-Moschee erschossen. Ein 14-Jähriger wird am Fuß getroffen.

- Polizisten dringen in ein Gymnasium in Sur ein und verprügeln Lehrer, weil die türkische Fahne von der Schule entfernt worden ist. Der Direktor und ein Lehrer werden ins Krankenhaus eingeliefert.

- Das Innenministerium leitet Ermittlungen gegen Osman Baydemir als Bürgermeister von Diyarbakir ein, weil dieser nach dem Tod der ersten beiden Zivilisten in Diyarbakir gegenüber Journalisten geäußert hatte, der Schmerz der Stadt und der Region habe sich von 14 auf 16 erhöht.

- Das staatliche Krankenhaus wird von Soldaten umstellt. Angehörigen der Verletzten wird der Zugang verwehrt.

- Der Korrespondent der Nachrichtenagentur DIHA, Sakir Uygar, wird bei der Beobachtung der Vorfälle nach der Beerdigung durch Polizeischüsse am Fuß verletzt.

- Nach einer Bombendrohung besetzt die Polizei das staatliche Krankenhaus und lässt Gebäudeteile räumen.

- Polizisten aus der Polizeischule greifen mehrere Gebäude in der Umgebung mit Steinen an, zerstören Fensterscheiben und bedrohen die Bewohner.

- Demonstranten errichten in der Nähe der Polizeischule Barrikaden und zünden zwei Autos an.

- Ilyas Aktas, Korrespondent der Zeitung Devrimci Demokrasi, wird von Polizisten durch einen Kopfschuss lebensgefährlich verletzt.

- Innenminister Abdulkadir Aksu trifft abends in Begleitung von 250-300 Sondereinheiten in Diyarbakir ein.

Antalya:

- Aynur Yasli zündet sich aus Protest gegen die Ermordung der 14 Guerillakämpfer durch Giftgas und die Vorfälle in Diyarbakir selbst an und erleidet lebensgefährliche Verbrennungen.

Bingöl:

- Die türkische Armee leitet eine Militäroperation in Bingöl ein. Luft- und Bodentruppen sind in das Gebiet verlegt worden.


Quellen: ANF, DIHA, 27.-30.03.2006, Übersetzung aus dem Türkischen: ISKU

Weitere Bilder aus Diyarbakir bei ANF:
 http://www.firatnews.com/modules.php?name=News&file=article&sid=6765

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