Eine Arbeiterin ist ihres Lohnes nicht wert?

los 21.11.2005 16:44 Themen: Globalisierung Soziale Kämpfe Weltweit
Untersuchung "The situation of women in the Eastern European and Turhish garment industries" belegt Sozial- und Arbeitsrechtsverletzung in den Bekleidungs- und Textilzulieferfabriken in Osteuropa.
Eine Arbeiterin ist ihres Lohnes nicht wert?
Letzte Woche wurde von der Evangelischen Akademie Meißen die Untersuchung "The situation of women in the Eastern European and Turhish garment industries" vorgestellt. Zwischen 2003 und 2005 wurden an 55 Arbeitsorten mit 256 Arbeiterinnen Interviews über ihre Bedingungen und Behandlung bei der Arbeit durchgeführt. Dafür begutachteten ForscherInnen - zum Teil aus Arbeits- und Menschenrechts-NGOs - die Zustände in Zulieferfirmen des europäischen Textil- und Bekleidungshandels in Polen, Rumänien, Bulgarien, Serbien, Mazedonien und der Türkei. Die Untersuchung liefert die Argumente, warum es wichtig ist, das Netzwerk der Clean Clothes Campaign (CCC) ( http://www.cleanclothes.org/) zu stärken und auszuweiten.
Bekannte Namen wie Adidas, C&A, HUGO BOSS, OTTO und viele andere mehr, stehen für den Profit auf Kosten der ArbeiterInnen. Die deutsche Bekleidungs- und Textilindustrie hat nicht die Sozialnormen der Arbeitsplätze „mitgenommen“ als „sie“ ins Ausland abzuwandern begann. 75900 Arbeitsplätze wurden von dieser Industrie aus Deutschland seit 1998 abgebaut und zum Teil an andere Standorte verlagert. Unter Umgehung von Arbeitskämpfen mit ArbeiterInnen in der BRD wurden im Ausland rechtlose und unorganisierte ArbeiterInnen beschäftigt. Wie groß die Angst ist, einen 100 Euro-Arbeitsplatz (!) zu verlieren, zeigte sich bereits bei der Suche nach Interviewpartnerinnen. Es mussten geeignete Orte außerhalb der Fabriken gefunden werden, damit die Gespräche stattfinden konnten. Was dabei ans Licht kam, lässt sich als "Arbeitnehmerhölle" bezeichnen. Der Katalog von Entwürdigungen ist lang. So kommen Beschimpfungen, Feindseligkeiten, Toilettenpause und Trinken nach Stechuhr oder wegen Hitze in Unterwäsche arbeiten neben vielen anderen Dingen vor. Dass ArbeiterInnen an Arbeitstagen, die 36 Stunden dauern, an Herzinfarkten sterben, wird billigend in Kauf genommen. Ganz systematisch werden die als Menschenrechte geltenden Kernarbeitsnormen ( http://www.ilo.org/public/german/region/eurpro/bonn/ilo_kernarbeitsnormen.htm ) verletzt. Die Unterdrückung von Gewerkschaften findet ebenso statt. Diese Verhältnisse in den Exportproduktionszonen und Sweatshops besonders in Asien und Lateinamerika werden durch die CCC und die US-amerikanische und australische Anti-Sweatshop-Bewegungen angeprangert. Dass dies auch in Osteuropa gängig ist, belegt die Untersuchung. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) schreibt zu der Problematik in einem Bericht vom 20. Mai 2004: "Menschen verlieren weiterhin ihr Leben und ihre Freiheit, weil sie versuchen, sich zu organisieren und ihre grundlegenden Rechte gemeinsam zu verteidigen".
Um die Menschen in ihrem Bemühen zu unterstützen, ist auch das kritische Verhalten der KonsumentInnen gefragt. Hierzu laufen seit geraumer Zeit Aktionen bspw. zu Tchibo ( http://www.oneworld.at/cck/start.asp?ID=6718&nobackbut=&mh=&showmenu=yes oder  http://www.de.indymedia.org/2005/05/114384.shtml ). In einem Zuliefererbetrieb für Tchibo in Bangladesch kamen mehrere Menschen um Leben. Wenn die großen Bekleidungsunternehmen ihrer Verantwortung für Sozalstandards nicht nachkommen, sind sie ihres Profites nicht wert!
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Ergänzungen

Download der Untersuchungsbroschüre

los 21.11.2005 - 18:33
Unter  http://www.saubere-kleidung.de/download/workers-voice.pdf kann die angesprochene englischsprachige Broschüre "The situation of women in the Eastern European and Turhish garment industries" runtergeladen werden.

Download der Boschüre

los 21.11.2005 - 19:32
Die Broschüre "The situation of women in the Eastern European and Turkish garment industries" kann unter  http://www.saubere-kleidung.de/download/workers-voice.pdf runtergeladen werden

Es war (zufällig) nicht Tchibo ...

los 25.01.2006 - 12:41
Ergänzende Berichtigung
Es war nicht Tchibo, das in der eingestrüzten Nähfabrik hat produzieren lassen. Tchibo läßt aber auch in Bangladesch von Zulieferfirmen produzieren. Die Bedingungen sind nicht tötlich, jedoch würdelos und zerstörerisch. Beauftragt von Tchibo ist "eine deutsche Consulting Firma nach Bangladesch [gereist], um erste Gespräche mit verschiedenen Akteuren zu führen und bezüglich der akuten Arbeitsrechtsverletzungen zwischen Gewerkschaften und Unternehmen zu vermitteln. [...] In der dritten Woche im Januar 2005 wird eine Delegation von Tchibo nach Bangladesch reisen, um allen Zulieferern den Kurswechsel [zukünftig die Sozialnormen praktizieren zu sollen] bekannt zu geben. Eine Lösung des Konflikts im Fall A-one und Basic [Zulieferer von Tchibo] soll bis dahin vorliegen."  http://www.saubere-kleidung.de/
In dem Gebäude in Bangladesch, welches einstürzte, waren zwei Nähfabriken (Spectrum Sweaters Ltd. und Shahriyar Fabriks Ltd.) die Karstadt/Quelle, Steilmann, Kirsten Mode, Bluhmod, New Yorker und Dr. Rehfeld zulieferten. Mehr dazu unter:  http://www.saubere-kleidung.de/1-032-info_spectrum-bangladesh.htm

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