Scheitert der Friedensvorschlag Batasunas?

Ralf Streck 18.11.2005 08:59 Themen: Weltweit
Am 14. November vor einem Jahr hatte die baskische Partei Batasuna (Einheit) einen Vorschlag zur friedlichen Lösung des schwelenden bewaffneten Konflikts gemacht. Nachdem die Sozialisten (PSOE) im Frühjahr 2004 die Macht in Spanien übernahmen, schien es eine Chance zu geben, 30 Jahre nach dem Tod des Diktators Franco eine seiner Altlasten zu entsorgen.
Obwohl es kleine Fortschritte gibt, ist ein Friedensprozess nicht in Gang gekommen. Sichtbar ist bisher das „Nationale Debattenforum“ von Batasuna. Die 2003 verbotene Partei arbeitet darin mit Parteien, Gewerkschaften und sozialen Organisationen an einem Lösungsweg, über den die Bevölkerung per Referendum entscheiden sollen. Obwohl die große Baskisch-Nationalistische Partei (PNV) daran nicht teilnimmt, hat sie über den Partner Solidaritätspartei (EA) einen Fuß im Forum. Ohnehin hat auch sie kürzlich in einem Grundsatzpapier die Methodologie akzeptiert. Ihr Regierungschef Juan José Ibarretxe will aber eine eigene Dialogrunde mit allen Parteien bilden.

Da Batasuna am politischen Geschehen teilnimmt, ist sie „faktisch legal“, sagte Ibarretxes Stellvertreterin Idoia Zenarruzabeitia. Sie warf am Montag der PSOE „Heuchelei“ vor, weil die Ibarretxe dafür kritisiert, das er Batasuna einbinden will. Statt offen treffe sich die PSOE heimlich mit Batasuna.

Das Verhalten der Sozialisten ist zwiespältig. Auf der einen Seite hat sich der spanische Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero vom Parlament sogar die Zustimmung für Verhandlungen mit der ETA eingeholt, um über ein Ende des bewaffneten Kampfs zu sprechen. Für eine politische Normalisierung müsste aber zunächst das Parteiengesetz fallen, das extra für das Batasuna-Verbot geschaffen wurde. Dann hätte er einen klaren Ansprechpartner. Der Vorschlag von Batasuna, den die ETA trägt, weist der nur die Rolle zu, über die Frage der Demilitarisierung, Gefangene und Exilanten zu verhandeln.

Schritte zur Entspannung lässt die aber Regierung vermissen. So wurde bisher die Chance vertan, zu einer Waffenruhe zu kommen, die den Prozess antreiben würde. Über die wird zwar ständig spekuliert, doch nach einem Sommer ohne Bomben, hat die ETA ihre Aktionen auf niedrigem Niveau wieder begonnen.  http://de.indymedia.org//2005/09/128180.shtml

Batasuna warnte am Montag erstmals deutlich davor, dass der eingeleitete Prozess scheitern könnte. Kürzlich hatte der Parteisprecher Arnaldo Otegi davon gesprochen, er sei in die Konkretisierungsphase eingetreten. Nun warnte er: „Es existieren ernste Risiken diese Chance zu verlieren“, weil die „notwendigen Fortschritte“ fehlten. Ibarretxe setze statt auf eine definitive Lösung auf ein neues Autonomiestatut für drei von sieben baskischen Provinzen. Erneut wolle der den Fehler vom Ende der Franco-Diktatur wiederholen und die Lösung vertagen.

Die spanische Regierung habe die „strukturelle Gewalt“ nicht gelockert. Er führte vor allem die Massenprozesse an, die kommende Woche beginnen. Am Montag mussten die ersten 59 Angeklagten ins ferne Madrid reisen, nur um am Nationalen Gerichtshof ihre Ladung abzuholen.

Die Verfahren sind Altlasten der Strategie der ultrarechten Volkspartei (PP). Die versuchte die baskische Linke über Repression auszuschalten. Verbote von Kommunikationsmedien, Organisationen und Parteien waren an der Tagesordnung, weil sie angeblich der ETA untergeordnet seien. In acht Jahren wurde dafür kein Beweis erbracht. Das Haupt- und die verschiedenen Unterverfahren gegen fast 200 Personen könnten längst eingestellt sein. Obwohl immer wieder Mitglieder linker Jugendorganisationen bei der ETA auftauchen, konnte das Sondergericht im Juni keine Verbindungen zur ETA feststellen. Dieses Verfahren war extra vorgezogen worden, um eine Präjudiz zu schaffen.

Geändert hat sich auch nichts an der Lage der mehr als 700 politischen Gefangenen, die immer noch über die Knäste in ganz Frankreich und Spanien verteilt sind. Eine Verlegung ins Baskenland, welche die Strafrechte beider Länder ohnehin vorsehen, wird als Schlüssel für das Tor angesehen, dass definitiv das Tor zu einer Dialoglösung öffnet.

Dass die Inhaftierung von Otegi vorbereitet wird, trägt auch nicht zur Entspannung bei. Spanien will den Sprecher von Batasuna hinter Gitter bringen. Erneut wurde gegen Arnaldo Otegi ein Verfahren vor dem Nationalen Gerichtshof eröffnet, weil er den „Terrorismus verherrlicht“ habe. Dafür soll er 17 Monate ins Gefängnis. Auf einer Ehrung für das ETA-Mitglied Argala sprach Otegi 2003 von Kämpfern, „die für das Baskenland ihr Leben ließen“. Argala war Teil des ETA-Kommandos, das mit einer Bombe Carrero Blanco ermordete. Den hatte der greise Diktator Franco als Nachfolger bestimmt und somit wurde die agonisierende Diktatur geköpft. Der Tod des Diktators beendete 1975 die Diktatur aber Argala fiel 1978 den staatlichen Todesschwadronen zum Opfer.

Letzte Woche war Otegi vom Obersten Gerichtshof zu einem Jahr Haft verurteilt worden, weil er den König beleidigt habe. Nach der Schließung einer Tageszeitung 2003 hatte Otegi den König Juan Carlos als „Chef der Folterer“ bezeichnet. Verhaftete Journalisten hatten Folter durch die Guardia Civil angezeigt. Der Befehlshaber der Militäreinheit ist der von Franco eingesetzte König. Die Guardia Civil ziert sämtliche Folterberichte, weshalb das Verfahren zunächst mit Verweis auf die Meinungsfreiheit eingestellt worden war.

Nächste Woche wird der Gerichtshof auch entscheiden, ob eine Strafe von 15 Monaten Haft gegen Otegi gerechtfertigt war, weil er an der Ehrung einer ETA-Militanten 2003 teilgenommen habe. Alle Verfahren wurden im Rahmen des Verbotsantrags gegen Batasuna eingeleitet. Die war 2003 verboten worden, weil sie die Anschläge der ETA nicht verurteilt.
Wird diese Strafe bestätigt, muss Otegi ins Gefängnis, weil er die Grenze von zwei Jahren Haftstrafe überschreitet. Das ist delikat äußerst delikat, wenn die Sozialisten wirklich einen Friedensprozess wollen. Man stelle sich vor, was in Nordirland passiert wäre, wenn die Briten Gerry Adams während eines anlaufenden Friedensprozesses inhaftiert hätten.


© Ralf Streck, Donostia-San Sebastián den 18.11.2005
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Ergänzungen

Links

Paul 18.11.2005 - 10:33
Näheres zum Batasuna Vorschlag

 http://de.indymedia.org//2004/11/99236.shtml

Der Vorschlag in Auszügen:

 http://de.indymedia.org/2004/11/99240.shtml