Angebliche Waffenruhe der ETA nahe

Ralf Streck 15.09.2005 10:53
Die spanische Regierung soll Kontakte mit der baskischen Untergrundorganisation ETA unterhalten haben. Das berichtete die Tageszeitung El Mundo am Montag in ihrer Internet-Ausgabe. Bei den indirekten Kontakten sei vereinbart worden, dass die ETA in den kommenden drei Monaten eine Waffenruhe erkläre. Dieser Schritt sei im August vereinbart worden, um die Voraussetzung für offizielle Verhandlungen zu schaffen. Die Sozialisten (PSOE) unter José Luis Rodríguez Zapatero hatten sich im Mai das Plazet für einen Dialog vom Parlament geholt. Dabei geht das ganze mit der Kriminalisierung der Gewerkschaft LAB und der baskischen Kommunisten eher in eine ganz andere Richtung.
Doch das Vorgehen der Regierung gegen die baskische Unabhängigkeitsbewegung widerspricht diesem Szenario. Auf den Friedensvorschlag der im März 2003 verbotenen Partei Batasuna (Einheit), dem sich die ETA angeschlossen hat, hat Zapatero fast ein Jahr lang Gesten der Entspannung vermissen lassen. Demonstrationen für einen Friedensprozess werden zum Teil brutal aufgelöst und Batasuna Führungsmitglieder plötzlich mit Anklagen überzogen.

Man sei „am Limit der Geduld“ angelangt, sagte der Sprecher der Partei Arnaldo Otegi kürzlich mit Bezug auf die Vorladung von Führern der linken baskischen Unabhängigkeitsbewegung vor den Nationalen Gerichtshof in Madrid. Insgesamt sieben Personen sollen „Mitglieder oder Unterstützer“ der ETA sein, die meisten davon sind Mitglieder der „Kommunistischen Partei der Baskischen Territorien“ (EHAK) und dazu gesellt sich der Chef der linksnationalistischen Gewerkschaft LAB. EHAK hatte, mit Hilfe der Batasuna-Basis, bei den Wahlen im Frühjahr ein hervorragendes Ergebnis erzielt. Ohne ihre Stimmen geht im baskischen Parlament praktisch nichts.

Das ganze lief auf Basis einer Anzeige der „Vereinigung der Terrorismusopfer“. So soll auch EHAK zur ETA gehören. Mit diesem Vorwurf wurden unter der rechtsradikalen Volkspartei (PP) reihenweise baskische Kommunikationsmedien, Organisationen, Parteien und Wählerlisten verboten. In keinem Fall konnte bisher vor Gericht der Beweis dafür erbracht werden. Batasuna wurde über ein neues Parteiengesetz im März 2003 verboten, wonach eine Partei die Anschläge der ETA verurteilt muss.

Statt Gesten der Entspannung, wie die 700 politischen Gefangenen ins Baskenland zu verlegen, wie es das Strafrecht vorsieht, wurden einige sogar weiter entfernt. Das Ministerium für Staatsanwaltschaft verhindert mit neuen Verfahren auch die Freilassung von Gefangenen nach ihrer Strafverbüßung. Am 3. August sollte der baskische Gefangene Iñaki de Juana nach 18 Jahren aus dem Gefängnis kommen. Gegen ihn wurde ein neues Verfahren eröffnet und er wurde erneut in in Untersuchungshaft genommen, um das zu verhindern.

Als Begründung werden zwei Artikel angeführt, die Juana für die baskische Tageszeitung Gara geschrieben hat. Darin kritisiert er das Haftregime, dem die baskischen Gefangenen unterworfen sind. Besonders greift er die Zerstreuung der Gefangenen über ganz Spanien an, die gegen das Strafrecht verstößt, weil es eine heimatnahe Verbüßung der Strafe vorsieht. So habe der Autor der „ETA Ziele vorgegeben“ und „terroristische Bedrohungen“ gegen das Knastpersonal ausgesprochen, heißt es in dem Beschluss des Sondergerichts in Madrid.

Der Nationale Gerichtshof setzt sich dabei über die Entscheidung des Richters Santiago Pedraz hinweg. Der hatte, nachdem das Ministerium für Staatsanwaltschaft ein Verfahren eingeleitet hatte, den Fall geprüft. Das Ergebnis war, dass Pedraz keine kriminellen Handlungen erkennen konnte und das Verfahren eingestellt hatte. Nach einer über die Medien lancierten Protestwelle, durch die wegen Unterschlagung von Fördergeldern gebeutelten Organisation der Terrorismusopfer (AVT), hat sich das Sondergericht nun über eigene Urteile hinweggesetzt. Rechtsstandards müssen massiv verbogen werden, um aus einem Gefangenen ein Mitglied einer bewaffneten Untergrundorganisation zu machen. Aus baskischen Jugendlichen will das Ministerium für Staatsanwaltschaft umbedingt ETA-Mitglieder machen, obwohl ein Gericht bestätigt hatte, es gäge keine Hinweise für eine Verbindung von den Jugendorganisationen und der ETA. http://de.indymedia.org//2005/08/124836.shtml

Am Montag wurde dann auch der Chef der Gewerkschaft LAB als angebliches Mitglied der ETA vor den Nationalen Gerichtshof gezerrt wurde. Rafa Diez trat stets für einen Friedensprozess ein, und wurde 1996 von der PSOE als Vermittler zur ETA eingesetzt. Seine Vorladung dürfte mehr ein Vorgang des Nationalen Gerichtshofs sein. Das Sondergericht wird, wie alle hohen Instanzen, weiter von Richtern der rechtsradikalen Volkspartei (PP) kontrolliert, die einen Dialog mit der ETA bekämpft. Doch die Regierung lässt sie gewähren, wie sogar die größte spanische Gewerkschaft Arbeiterkommissionen (CCOO) heftig kritisiert. Der LAB-Chef kam wieder raus, weil der Richter aus den abgehörten Telefonaten keine Hinweise für eine Mitgliedschaft in der ETA gefunden hat, aber die Anklage hat er nicht fallen lassen. Letzte Woche kamen drei Mitglieder von EHAK nur mit einer Kaution von jeweils 100.000 Euro wieder frei. Einer wurde zwischenzeitlich für drei Tage wieder inhaftiert, weil er gegen die drastischen Meldeauflagen "verstoßen" hat, sich zwei Mal täglich bei der Polizei zu melden. In einem Fall kam er etwas zu spät.

So wird insgesamt eher ein Verbot von EHAK und LAB als ein Friedensprozess vorbereitet. So kritisiert die CCOO das Vorgehen gegen „bedeutende Personen der baskischen Gewerkschaftsbewegung“. Ein Friedensprozess werde von „gewissen Instanzen“ behindert und das „erschwert einen Normalisierungsprozess”, erklärte die CCOO. So dürfte die ETA, die seit Wochen eine unausgesprochene Waffenruhe einhält, eher nervös werden, als in diesem Kontext eine Waffenruhe auszusprechen.

© Ralf Streck, Donostia-San Sebastián den 15.09.2005
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Ergänzungen

chaos

txapote 15.09.2005 - 17:23
high, weist du vielleicht wo man mal die beiden gara-artikel von de juana chaos(auf spanisch,bitte nicht baskisch....)lesen kann? danke!

Beim Gara

Ralf 15.09.2005 - 17:47

vielleicht bei la haine

xirimiri 16.09.2005 - 16:18
 http://www.lahaine.org

da werden oft gara-artikel reingestellt...

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

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Ich könnte sie — Ralf