Ceuta/Melilla: Europäische Karawane 5./6.11.05

Gisela Reher mit Lotti 13.11.2005 23:57 Themen: Antirassismus Weltweit
Etwa 400 Menschen kamen am letzten Wochenende nach Ceuta, einer derbeiden spanischen Enklaven in Marokko, um gegen die AbschottungspolitikSpaniens und der EU zu protestieren. Es war die erste Demonstration zudiesem Thema in Ceuta, einer hochgradig militarisierten Stadt, nach dendramatischen Ereignissen an den Grenzzäunen der Enklaven Ceutaund Melilla in den letzten beiden Monaten. Im Verlaufe dieserEreignisse starben 16 Menschen, etwa 4000 Personen wurden von denmarokkanischen Behörden in ihre Herkunftsländerabgeschoben und immer noch werden hunderte von Flüchtlingen inmarokkanischen Militärcamps festgehalten.
Die Demoroute führtezunächst vomFähranleger an den 4 km entfernten Grenzzaun im Südenvon Ceuta, auf dieser langen Strecke wurden jede Menge Transparente undPappschilder getragen, Aufkleber geklebt, Parolen gesprüht undlautstark gerufen. Das Fronttransparent trug die Aufschrift " No masmuertes en la frontera - ningun ser humano es ilegal"(KeineToten mehr an der Grenze - kein Mensch ist illegal). Die Demowirkte insgesamt sehr entschlossen und kämpferisch, es wurdenununterbrochen Parolen gerufen wie "papeles para todos o todos sinpapeles" (Papiere für alle oder alle ohne Papiere), "todossomos hijos de la inmigration - primera, segunda, tercerageneracion" (Wir sind alle Kinder der Immigration - erste,zweite, dritte Generation), "no se quita el hambre con el alambre" (Manbeseitigt nicht den Hunger mit Zäunen). Die Demoroute auf derStraße zum Grenzübergang bzw. Grenzzaun nach Marokkoführte an  verschiedenen Wohnblocks vorbei, die inRichtung Grenze immer ärmlicher und schäbiger wurden,entsprechend vielen auch die Reaktionen der Bevölkerung aus.Von vereinzelten Beschimpfungen, Pöbeleien und sogarEierwürfen abgesehen, wurde die Zustimmung zur Demo immergrößer je näher wir der Grenze kamen, woüberwiegend Menschen mit migrantischem Hintergrund leben. Esbedankten sich Leute bei der Demo, applaudierten uns, schlossen sichvereinzelt der Demo an und etliche arabischsprachige Kids begleitetenuns lautstark Parolen brüllend zum Grenzzaun.

demo

Dort war das Aufgebot der Guardia Civil (entgegen meinen Erwartungen)relativ locker und entspannt, allerdings durfte die Demo nichtunmittelbar an den Zaun, sondern wurde auf 50 meter Abstand gehalten.Einer kleinen Gruppe wurde erlaubt, ein Transparent am Grenzzaum zubefestigen und Blumen abzulegen an der Stelle, wo am 29.09. mehrereMenschen zu Tode kamen. Das Transparent trug die Aufschrift "tumba lavalla" (Reißt den Zaun nieder). Vor dem Grenzzaun und denreichlich anwesenden Medienvertretern wurde nochmal die Forderung nacheiner umfassenden Untersuchung der Todesumstände durch eineunabhängige Delegation, der Identifizierung derVerantwortlichen und ihre gerichtliche Verfolgung vorgetragen, dieEntmilitarisierung der Grenze, die Einstellung der aktuellen EU -Migrationspolitik, die Schließung der Lager, dieAnerkennung der politischen Flüchtlinge und dieRegularisierung aller MigrantInnen in den Lagern in Ceuta und Melillagefordert, sowie das Ende der sozialen undarbeitsmäßigen Apartheid.

zaun

Danach ging die Route zum CETI, dem Auffanglager fürMigrantInnen in Ceuta, welches sich auf der entgegengesetzennordwestlichen Seite der Stadt befindet und zur Zeit nur noch etwa 400Flüchtlinge beherbergt. Das CETI ist ein halboffenes Lager,welches die Flüchtlinge zwar verlassen dürfen, dortaber um 23 Uhr wieder anwesend sein müssen. Dieparolenrufende, kämpferische Demo wurde zunächst nochetwas zurückhaltend von den anwesenden Flüchlingenerwartet. Wir bauten dann unser Camp auf einem großen Platzoberhalb des CETI im Dunkeln auf und luden die Flüchtlingeein, zu uns auf den Platz zu einem Fest zu kommen. Sie kamen dann auchtatsächlich und es gab eine wirklich multikulturelleBegegnung, bei der einzelne Flüchtlinge das Mikrofon ergriffenund Lieder in ihren Sprachen sangen, während die Anderen denRhythmus klatschten und tanzten. Das war wirklich sehr bewegend imwahrsten Sinne des Wortes, da es draußen sehr kalt und windigwar. Die Flüchtlinge und auch die Leute von der Karawane habenden Abend sehr genossen, es gab sozusagen zwei Bühnen: eineafrikanische und eine indisch/arabische. Zum Schluß habendann alle in den Demo Song "papeles, papeles ..." eingestimmt undgetanzt.

shirt

Am nächsten Morgen gab es eine große Versammlung mitden Flüchtlingen, bei der alles Gesagte auch ins englische undfranzösische übersetzt wurde. Die OrganisatorInnenerklärten zunächst den MigrantInnen, warum dieKarawane nach Ceuta gekommen ist und welches unsere Forderungen sind.Die Flüchtlinge hatten dann Gelegenheit zu erzählen,wie und warum sie kamen und welche Unterstützung sie von unserwarten bzw. wie eine Zusammenführung ihrer Kämpfemit unseren und eine Vernetzung derselben errreicht werden kann. Eswurden viele Adressen und Handynummern ausgetauscht und die Karawanesagte zu, sich für die Legalisierung der MigrantInnen vonCeuta und Melilla einzusetzen und die Vorgänge an den EUAußengrenzen weiterhin intensiv zu verfolgen.

gedraengel

Anschließend gab es eine Demo zur spanischenRegierungsdelegation im Centrum von Ceuta. Die Flüchtlingebegleiteten uns nicht auf dieser Strecke, sondern kehrten ins CETIzurück, da die Einschätzung vorherrschte,daß die latent rassistische Stimmung innerhalb derBevölkerung und die hetzerische Berichterstattung in derLokalpresse über die Karawane eventuelle Übergriffeprovozieren und die Flüchtlinge gefährdenwürde. Also verabschiedeten wir uns mit der neu erlerntenParole "Solidarite avec les sans papieres"(Solidarität mit den Papierlosen) und formierten uns wieder zueiner kämpferischen Demo. Allerdings liefen wir (wie am Vortagteilweise auch) durch unbewohntes Industriegebiet und selbst in derInnenstadt von Ceuta waren am Sonntag Nachmittag zur Stunde der Siestakaum Menschen unterwegs. Außer vereinzeltenPöbeleien und Beschimpfungen kam es dann aber doch nicht zuirgendwelchen ernsthaften Auseinandersetzungen mit derBevölkerung und selbst vor dem Platz der spanischenRegierungsdelegation, der natürlich abgesperrt war, verliefalles friedlich. Die OrganisatorInnen der Karawane hatten denRegierungsvertreter am Vortag zu einem Gespräch mit ihnenaufgefordert und welch ein Wunder, er war tatsächlich anwesendund empfing die sechsköpfige Delegation. Dieseüberbrachte die Forderungen der Karawane, während derRegierungsvertreter in dem halbstündigen Gespräch dieMeinung vertrat, daß die spanische Regierung nur geltendeGesetze angewandt und zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Fehler begangenhätte.    

mauer

Die angespanntesten Momente während der gesamten Aktion gab esdann während der Pass- und Gepäckkontrollen vor derAbfahrt der Fähre. Während es auf der Hinfahrt vonAlgeciras nach Ceuta überhaupt keine Kontrollen gab, da janach spanischem Verständnis keine Grenzeüberschritten wurde, gab es auf der Rückfahrtausführliche Pass- und Gepäckkontrollen. Dabei kam eskurzfistig zu Rangeleien mit Grenzschützern bzw. Polizistenwobei auch einige Gegenstände zu Bruch gingen, als Leuteversuchten die Absperrungen zu durchbrechen. Da die Leute entschlossenwaren, daß entweder alle oder niemand mit der Fährezurückkehren würde, wurde der Zugang zurFähre besetzt und so die Abfahrt verhindert bisschließlich alle die Grenzkontrollen passiert hatten. Dieübrigen Passagiere der Fähre waren entsprechend sauerund es gab heftige verbale Auseinandersetzungen bis die Fähremit 1 ½ stündiger Verspätung ablegte,danach beruhigten sich die Leute wieder.

warten

Insgesamt war die Aktion am 5./6. November in Ceuta meiner Meinung nachein großer Erfolg wegen des starken Medienechos in Spanienund auch bezüglich weiterer Schritte hin zu einer besserennationalen und internationalen Vernetzung gegen das derzeitige EU -Grenzregime, für offene Grenzen und gleiche Rechtefür alle !!!

Bilder:http://estrecho.indymedia.org/pbook/Caravana/display_contents/9

redecora

ninguna

zaun

Quelle: http://galiza.indymedia.org/gz/2005/11/5027.shtml
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Ergänzungen

Aha

Klatsch 14.11.2005 - 21:59
Schöne Aktion, das hört sich wirklich nett an.Danke auch für den schönen Artikel zu den Bildern,ist ja keine Selbstverständlichkeit. :-) Ansonsten würde ich sagen,dass die Grenzschützer und die Guardia Civil sich an dem Tag vornehm zurückgehalten haben, natürlich der Presse wegen.Das sehe ich mit einem zwiegespaltenen Gefühl, macht die Demo aber angenehmer.Andererseits kommen die dann in der Presse gut weg, was natürlich schade ist.

Film und Diskussion in Berlin 19.11.05 20h

ari berlin 16.11.2005 - 23:10
AM SAMSTAG; DEN 19.11.2005 20 Uhr im A6 Laden (Adalbertstr. 6, U1/8
Kottbusser Tor, Berlin)
FILM + DISKUSSION + VOKÜ (Auf Spanisch mit Übersetzung ins Englische)

Zu den Ereignissen in Ceuta und Melilla, der Meerenge von Gibraltar, den
Politiken Spaniens und Marokkos an der Südgrenze Europas und den Kämpfen der
Migration. Nico von indyestrecho-malaga berichtet darüber und über die
Karawane
gegen den Zaun "kein mensch ist illegal", die vom 4.-6. November vor Ort
gegen
die EU-Politik demonstrierte.

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SÁBADO 19.11.2005 a las 8 pm en A6 Laden (Adalbertstr. 6, U1/8 Kottbusser
Tor, Berlin)
PELÌCULA + DISCUSIÓN + COMIDA (en español con traducción al inglés o alemán)

Sobre los hechos en Ceuta y Melilla, el estrecho de Gibraltar, las politicas
de
Espana y Marruecos en la frontera sur de Europa y las luchas de l@s
inmigrantes. Nico de indymedia estrecho-malaga contará sobre esta situación
y
la caravana contra la valla "ninguna persona es ilagal" que se organizó del
4.-6. de novembre contra las políticas migratorias de la UE.


Fotos anonymisieren!

caravanista 18.11.2005 - 18:01
Aus Guenden des Persoenlichkeitsschutzes und moegliche Repression gegen Personen in prekaeren Verhaeltnissen, bitte die Gesicher aller auf den Fotos erscheinenden Gesichter anonymisieren!

Aktuelle updates

at.indy 18.11.2005 - 18:54
Auf at.indymedia.org gibt es eine umfangreiche Linksammlung mit Artikeln, Lageberichte, Videos, Audios, Fotos, Hintergrundinformationen usw. - eine Zusammenfassung deutschsprachiger Informationen zur Situation an der EU-Außengrenze in Marokko seit September/Oktober 2005 - die unregelmäßig upgedatet wird:  http://at.indymedia.org/newswire/display/54580
Falls es Ergänzungen gibt, bitte in den Kommenatren posten!