karneval in edinburgh

barbarossa 05.07.2005 21:46 Themen: G8 Globalisierung Repression
Karneval in Edinburgh verboten und bekaempft
Organisiert von der Clownarmee (ein Zusammenschluss von Clowns aus ganz Grossbritannien, die hoch nach Gleneagels ziehen wollten, um dem G8 ihre Meinung zu sagen) sollte gestern in Edinburgh ein Karneval gegen Prekarisierung stattfinden.
Die Verwaltung machte diesem jedoch einen Strich durch die Rechnung, indem sie die Demonstration verbot.
Die Demoteilnehmer liessen sich davon natuerlich nicht abhalten und versuchten, trotz des Verbotes auf die Strasse zu gehen.
Die Proteste sollten friedlich bleiben, so war es von der Clownsarmee gewuenscht, denn auch wenn Clowns sich selbst und gegenseitig verpruegeln, so ist dies ein Schauspiel bei dem kein Mensch wirklich zu schaden kommt. So sollte auch der Karneval ein friedliches Spektakel werden, bei dem wieder einmal bewiesen wuerde, wie bunt der Protest gegen die G8 und ihre neokoloniale Politik wirklich ist.
Doch es sollte anders kommen.
Nachdem die Demonstration zunaechst in zwei Teile gespalten wurde und ein Teil der Clownsarmee eingekesselt wurde, gab es erste Gerangel, um die eingesperrten Clowns zu befreien und zur Hauptdemonstration hinzuzustossen.
Die Polizei hatte jedoch wohl die Order, zunaechst noch nicht gewaltsam vorzugehen, so dass die Menge, nachdem das Kraefteverhaeltniss zugunsten der Polizei ausging, sich einen anderen Weg suchte, um sich zu vereinen und um die Bloecke zog. Wohlgemerkt - sowohl von der Polizei als auch von den Demonstranten war dies lediglich ein Geschubse, ohne wirklich ernst zu werden.
Doch als der Teil der Demo (indem ich mich befand) um die Ecke bog und zu einer naechsten Kreuzung kam, drehte die zahlenmaessig weit unterlegene Polizei durch, zog den Teleskopschlagstock, und pruegelte auf die Demonstration ein.
Diese versprengte sich zunaechst in Panik und erst eine eintreffende Delegation von Clowns, die sich dazwischen stellte, brachte wieder Ruhe ein. Auch hier war von Seiten der Demoteilnehmer noch keine grossartige Gewalt zu sehen, nicht einmal Reaktion auf die Gewalt der Polizei.
Ziel dieser Polizeiaktion, bei der auch berittene Polizisten eingesetzt wurden, war scheinbar, ein Zusammentreffen mit einem anderen Demonstrationszug zu verhindern.
Die Demo zog dann eine unblockierte Strasse rauf, nachdem klar war, dass ohne Gewalt auch hier kein Durchkommen war, lediglich Pruegel waren zu beziehen.
Eine Kreuzung weiter war die Strasse zur Princess-mall (grosse Strasse, wo der Hauptteil der Demo war) von Polizeimassen versperrt, hier wurde keine Konfrontation gesucht, sondern mensch zog direckt weiter geradeaus.
Naechste Kreuzung war dann der Weg zur Princess-mall frei und wir standen auf einmal wieder auf der Princess-mall, diesmal auf der anderen Seite der Polizeisperre vom Anfang - wir hatten es also soweit geschafft, die erste Sperre zu umgehen.
Doch der Hauptteil der Demo war inzwischen weitergezogen und die Polizei hatte eine weitere Sperre errichtet um die Demo noch weiter zu spalten.
Wir waren direckt vor einem Park, von beiden Seiten von Polizei eingeschlossen, und berittene Polizei ging Schlagstockschwingend gegen die Demo vor.
Mehrere Leute bauten Baenke aus den Parks ab und bauten eine Sperre auf, durch die die Pferde nicht durchkamen, indem sie sie auf die Strasse stellten.
Die Polizei, derart in ihrer Bewegungsfreiheit getroffen, setzte nun fuer ein anderes mal Schlagstock ein und ging dabei nicht zimperlich vor - sich meter fuer meter ueber die Barrikaden um diese Beiseite zu schaffen und so Platz fuer die Ritter zu machen, die dann wieder vor in die Menge sprengten um ihrerseits Schlaege zu verteilen.
Das war wohl der Moment, wo all die Beschwichtigungsversuche der Clowns nichts mehr halfen, auch sie wurden verpruegelt und teilweise festgenommen, als sie sich wieder einmal zwischen Demo und Polizei stellten. So wurde auch von Seiten der Demonstrationsteilnehmer sich gewehrt und vor allem Riot-police wurde mit allem beworfen und bekaempft, was das Umland hergab - aufgrund fehlender Steine flogen hauptsaechlich Muelleimer, Blumen, Erde, Stoecke etc.
Da die "normalen" Polizeieinheiten nicht genug Riot Ausruestung hatten mussten sie ohne Helm, Panzerung und Schilder auskommen - dies machten sie aber durch eine gesteigerte Agressivitaet mit ihren Teleskopschlagstoecken wett, wobei sie meist auf die Koepfe zielten, wodurch ueble Platzwunden entstanden.
Die Demo zog sich dann, nachdem die Strasse immer weiter gewaltsam geraeumt wurde, in den anliegenden Park zurueck, wobei es viele Verletzte beim uebersteigen des Zaunes gab, da dieser spitzer war als er aussah und sich gerne durch den ein oder anderen Fuss bohrte.
Im Park wollten die Demonstranten sich ausruhen und ihre Wunden lecken, bzw. durch die Demosanis verarbeiten lassen, aber wieder einmal hatten sie die Rechnung ohne die Polizei gemacht, die auf einmal auch gegen die Leute im Park vorging. Es bildeten sich Kreise mit Verletzten und Demosanis in der Mitte, die nur schwer durch eine Kette vor schlagenden Polizeieinheiten und panisch rennenden Demoteilnehmern zu schuetzen waren.
Als sich die Situation gerade wieder beruhigt hatte und alles so aussah, als ob es jetzt erstmal vorbei waere, begann die Polizei auf einmal mit Stosstrupps in den Park zu sprengen um entweder Leute rauszuziehen oder einfach wahllos auf die Demo einzupruegeln. Mehrere Festnahmen wurden dabei verhindert durch ebenfalls nicht zimperlich einschreitende Demoteilnehmer, die sich mit allem, was zu finden war, wehrten.
Besonders eine Attacke war dabei schon fast geschichtstraechtig, bei der die Polizei in einer Linie vorsprengte und auf alle Koepfe in Reichweite einschlug. Der Park faerbte sich Rot vor Blut an dieser Stelle, ein Freund von mir kam mit einem Pulli voll Blut zu mir an, mich sofort beruhigend, es sei nicht sein Blut...
Da ich mit einem Bus aus Stirling gekommen war, der puenktlich wieder abfahren wollte, machte ich mich nach einer Weile auf, die Demo zu verlassen. Der Kessel, der an manchen Stellen so dicht aussah, war an anderen Stellen total offen und so konnte ich entkommen.
Anderen Berichten zufolge soll es bis in die Nacht hinein weiter in diesem Stil abgegangen sein...
Momentan ist Wunden lecken angesagt und Vorbereiten auf die Blockaden morgen, wollen wir hoffen, dass die Polizei da nicht wieder so brutal vorgeht.
Auf dem Camp jedenfalls bereiten sich viele nun vor auf die Polizeigewalt, ueberall werden Teppiche zerschnitten und zu Polsterungen verarbeitet.
Bei den Festgenommenen handelt es sich groesstenteils um Demosanis, auch Samba-leute sollen gezielt festgenommen worden sein...
Was mit ihnen passiert ist noch unklar, momentan gehen wir hier von knapp ueber hundert Festnahmen aus, die wohl morgen bis Freitag verhandelt werden sollen.
Soviel von hier, bald mehr
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Ergänzungen

Nicht von den Clowns organisiert

azul 05.07.2005 - 23:23
Die Demo wurde nicht wie oben geschrieben von den Clowns organisiert, sondern so weit ich weiß von verschiedenen Gruppen die zu Prekarisierung arbeiten - z.B. der Dissent Working group against work. (Prekarisierung kommt von "prekär"=unsicher, also der Verunsicherung der Arbeits- und damit auch der Lebensverhältnisse)
Das Motto war "NO wage slavery, no debt slavery, no army slavery, no ??? slavery" - wobei sich letzteres auf das Analogon zu 1 eurojobs bezog. Also gegen jegliche Formen von Zwangs"arbeit", wobei der Zwang zur Lohnarbeit berücksichtigt wurde. An deren Stelle trat der Carnival for full enjoyment - Also ein Karnevall für Vollbelustigung (statt Vollbeschäftigung - wenn mensch versucht die Anspielung zu übersetzen.)
Insgesammt finden sehr vielfälltige Aktionen statt. Bei
 http://www.indymedia.org.uk
gibts auch zahlreiche Videos.

Ich versuche mal ne Zusammenfassung zu schreiben, sobald ich Zeit habe.

Geil die Berichterstattung in den Medien

Maxe 05.07.2005 - 23:55
In Deutschland wurden die Anti-G8-Proteste in UK bisher verschwiegen (bis auf wenige Ausnahmen). Nur von der Pro-G8-Jubelparty von Geldof gabs berichte - dort aber regelrechte Hofberichterstattung.
Über den Karneval war nun erstmals was zu den Anti-G8-Proteste in UK zu lesen. Allerdings ziemlich verzerrt. In etwa: Autonome randalierten grundlos und ein Polizeisprecher sagt: "das ist ein regelrechter Karneval gewesen".

Geschehnis-Ergaenzung

Anarchist 06.07.2005 - 06:31
Wir kamen in Edingborough an. Raus aus dem Bahnhof.

Es war so das die Demo von der Princess-Street immerweiter zurueckgedraengt wurde. und man kam an die Demo nicht mehr ran. wir wollten ueber Umwege trotzdem dahin da griff uns eine Section 60 Order an und zog uns die Masken brutal vom Gesicht. Das war illegal, denn eigentlich muessen sie uns danach fragen die Masken abzunehmen. Die Demo wurde Charlotte Square abgedraengt und mehr oder weniger eingekesselt. Kaum an der Polizeikette pruegelte die nervoese Polizei los und nahm einen von uns brutal fest! Nochmal Umwege und Polizeiverfolgung, schafften wir es trotzdem auf die Demo, die nun die Georg Street runterging und zur Prince Street abbog. Einige hundert Meter spaeter stoppte uns die Polizei durch Pruegelorgien.

Nun began der Kampf um die Strasse, der von Waverly Bridge begann und sich von Scott Monument bis zur Royal Scottish Academy zog. Ecke The Mount und Waverly Bridge sperrten sie ab und kesselten. Sie versuchten wieder mit Pferden in uns reinzureiten, aber wir hoben alle unsere Haende und streichelten sie teilweise! Nun kamen die Riot-Cops und die wuesten Schlaegereien begannen. Letztendlich wurden wir in den Park abgedraengt. Es gab aber noch nicht so viele verletzte, weil die Tore noch offen waren. Die Polizei wurde teilweise militant aus dem Park verjagt, aber sie hatten von der Market Street her auch dicht gemacht. Einige Stunden spaeter hatte n sich die Schwarzgekleideten verduennisiert und ausserhalb um eine Sambaband bildete sich eine normalgekleidete Menschentraube auf Hoehe der Royal Academy. Alle Tore waren zu. Als nun Hanover Street und Princes Street von beiden Seiten dicht gemacht wurden und sich krasse Schlaegereien entfachten sprangen Leute panisch ueber den Zaun. der Zaun hatte lange Spitzen wie Messer dazwischen kleine Spitzen. Viele verletzten sich an den kleinen Spitzen. Aber waere jemandes ausgerutscht haette er oder sie leicht aufgespiesst werden koennen. Und es haetten Menschen sterben koennen.

Dramatisch genug lies die Polizei niemandes aus dem Park. Die Paramedics (Sanitaeter) kamen nicht rein, weil die polizei sie nicht liess, und so hatte ein staatlich unabhangiger Demosani allein 25 Erstversorgungen von Leuten die sich die Fuesse aufgespiesst hatten mit vielen richtig tiefen Schnittwunden in den Fuessen. Einer hatte sogar durch den Fuss durchgestochen.

Noch nicht schlimm genug schickten sie noch mehr Riot Cops und die Zahl der Verletzten stieg. In unserer Gruppe waren 2 mit teilweise tiefen Schnittverletzungen! Irgendwann wurden die Tore aufgemacht aber gegen 19 Uhr entwickelten sich an der Waverly Station voll die brutalen Strassenschlachten mit einem Gemisch aus Schwazgekleideten und Ortsansaessigen Jugendlichen GEGEN die Polzei und so hatten sie auch viele Verletzte.

Ende der Ergaenzung

Ein paar Korrekturen und Ergaenzungen

ein mensch 06.07.2005 - 20:21
Der Carnival for full enjoyment wurde nicht von "den Clowns" wer auch immer das ist organisiert sondern einigen einigen Gruppen, die zu Praekarisierung arbeiten, organisiert. Der carnival wurde nicht verboten, da nie um eine erlaubnis gebeten wurde. Die demo wurde unangemeldet durchgefuehrt. Eigentlich sollte der Carneval verschiedene Orte an denen Prekarisierung deutlich wird besuchen.