Sicherheitsbeamte zieht's in die Wirtschaft

Thomas Brunst 30.03.2005 12:02 Themen: Globalisierung Repression Soziale Kämpfe
Zum Schutz vor internationaler Kriminalität ordern deutsche Unternehmen und Konzerne verstärkt die Dienste ehemaliger – hochrangiger - Polizisten und Geheimdienstler. Ohnehin ist die (deutsche) Unternehmenssicherheit, im harten globalen Wettbewerb, längst zu einer Staatsaufgabe geworden. Der “Verschmelzungsprozess“ zwischen den Sicherheitsbehörden und der (Sicherheits)Wirtschaft ist hier besonders weit fortgeschritten.
„Die gegenwärtige aktuelle Situation erfordert einen intensiven Informations- und Erfahrungsaustausch der Sicherheitsbehörden auf der einen und der Vertreter der deutschen Wirtschaft auf der anderen Seite. Es ist mir daher ein besonderes Anliegen, die begonnene vertrauensvolle gegenseitige Information zwischen Bundesregierung und Wirtschaft fortzusetzen und weiter zu intensivieren.“ (Zitat des Bundesinnenminister Otto Schily)

„Wir brauchen besonders einen flexiblen und vorrausschauenden Sicherheitsverbund zwischen Staat und Wirtschaft. Der Verband für Sicherheit in der Wirtschaft leistet hier schon seit Jahren einen wichtigen Beitrag. Besonders hervorzuheben ist die ausgezeichnete Zusammenarbeit des Verbandes mit den staatlichen Sicherheitsbehörden.“ (Zitat des Bayerischen Innenministers Günther Beckstein)

„Die Gefährdung der Wirtschaft durch kriminelle oder terroristische Handlungen wird weiter wachsen. Dies erwarten 78% der im Rahmen der siebten WIK Sicherheits-Enquête befragten Fachleute. Das höchste Gefährdungspotenzial messen die Experten heute und in der Zukunft den Angriffen auf die Informationstechnik zu. Aber auch die Gefährdung durch Spionage, allgemeine Kriminalität und Terrorismus werden nach Meinung der Sicherheitsfachleute in den nächsten Jahren wachsen.“ (WIK, Zeitschrift für die Sicherheit in der Wirtschaft, 01/05)

„Spezialisierte Beratung erfordert Spezialisten: Unsere Berater ermöglichen Ihrem Unternehmen den Zugriff auf langjährige Kompetenz, die in Führungsfunktionen der unterschiedlichsten Bereiche von Sicherheitsbehörden (z.B. Polizei, Militär, Geheimdienst, Staatsanwaltschaft) und in der Industrie im In- und Ausland gewonnen wurden.“ („Kompetenz.“, Selbstdarstellung/ Eigenwerbung Prevent AG)



Sicherheitsbeamte zieht‘s in die Wirtschaft

Thomas Brunst, SAFERCITY.DE (30. März 2005)

In unserer globalisierten Welt gewinnen wirtschaftliche Belange mehr und mehr an Bedeutung. Das Wohlergehen der einzelnen Staaten sei eng mit dem der heimischen Wirtschaft, den inländischen Unternehmen und Konzernen, verbunden, heißt es offiziell.
Um den Schaden für die deutsche Wirtschaft beispielsweise durch Spionage, Sabotage, Korruption, Erpressung und Computerkriminalität so gering wie möglich zu halten arbeiten Polizei und Geheimdienste eng mit der (Sicherheits)Wirtschaft und ihren Verbänden zusammen.
Von den im Bereich der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Mode gekommenen “public private partnerships“ (ppp) profitiert die Wirtschaft hierzulande schon lange: Seit vielen Jahren tauschen bundesdeutsche Sicherheitsbehörden mit “Sicherheitsbeauftragten“, Sicherheits- und Detektivunternehmen intensiv und kontinuierlich Informationen aus und erstellen diesbezüglich gemeinsam “aktuelle Lagebilder“. Dies war vor allem im “kalten Krieg“, zum Schutz deutscher Industrie- und Rüstungskonzerne, zwingend notwendig.
So selbstverständlich wie z.B. “City-Detektive“ (Detektivkooperationen zum Schutz des Handels) im Kampf gegen Betrüger, Ladendiebe und diebisches Personal in staatliche Sicherheitskonzepte eingebunden werden geschieht dies auch im umgekehrten Fall, im Zusammenhang mit der Sicherheit größerer Unternehmen sowie deutscher Flug- und Seehäfen (siehe hierzu “ISPS-Code“:  http://www.genre.com/page/0,,ref=GenReGermanyNews200404-de,00.html ). Die Deutsche Bahn (DB) AG zahlt jährlich einen dreistelligen Millionenbetrag dafür, dass der Bundesgrenzschutz als Bahnpolizei deutsche Bahnhöfe schützt. Die Bahnpolizei und der DB-Sicherheitsdienst BSG führen zum Schutz der Anlagen der DB AG gemeinsame Streifengänge durch und halten gemeinsame Übungen ab.
Auch weil sich die Arbeit der “Sicherheitsproduzenten“ häufig im Verborgenen abspielt, bleibt unklar wer innerhalb der privat-öffentlichen Sicherheitskooperationen “den Ton angibt“ und wer für wen arbeitet.
Private agieren da, wo den Ermittlungsbehörden z.B. aus strafprozessualen Gründen “die Hände gebunden sind“ und liefern (gerichtsverwertbare) Informationen.
Aber auch umgekehrt funktioniert die Zusammenarbeit, weiß Buchautor Lothar Mahlberg. Er verweist in „'Privatpolizei' im System unserer Rechtsordnung“ auf die Praxis des “moonlighting“, bei der staatliche Ermittler gegen Bezahlung einzelne Ermittlungsaufgaben von ihren privaten Kollegen übernehmen. Eine Kontrolle - parlamentarischer und datenschutzrechtlicher Art - existiert dabei nicht.
Fakt ist, dass gerade im Bereich der deutschen Unternehmenssicherheit der Verschmelzungsprozess zwischen Staat und Wirtschaft sehr weit fortgeschritten ist. Neben diesem Verschmelzungsprozess, der auch von Regierungsseiten erwünscht ist, vollzieht sich ein Trend, welcher hierbei als Katalysator wirkt.
Zahlreiche “hochdekorierte Beamte“ (Polizei und Geheimdienste) sind in den vergangenen Jahren nach ihrer Pensionierung oder sogar aus dem aktiven Dienst heraus in die Wirtschaft gewechselt. Sold und Beraterhonorare müssen demnach in der Wirtschaft so üppig sein, dass selbst jüngere Beamte ihren sicheren Arbeitsplatz - und das damit verbundene relativ gute Einkommen - aufgeben; sie wissen, dass sie „gesuchte Spezialisten“ (Hamburger Abendblatt) sind und hoffen insgeheim, dass ihnen die “fetten Jahre“ noch bevorstehen.
Die Unternehmen wissen, dass Sie neben dem “know-how“ der ehemaligen Staatsdiener auch die “Informationsbeschaffung auf dem kurzen Dienstweg“ - via “old-boy-network“ - sowie die daraus resultierende Fähigkeit gewisse Sachen für das Unternehmen “passend zu machen“, mit einkaufen.
Gerne wird auf Gefahrenanalysen verwiesen, nach denen der deutschen Wirtschaft Angriffe aus dem europäischen Ausland, beispielsweise von Staaten der ehemaligen Sowjetunion und China, drohen. Als Paradebeispiel für internationale (staatliche) Wirtschaftsspionage gilt ein Auftragsverlust für das deutsche ICE-Konsortium im Jahr 1993. Damals verlor Siemens einen vier Milliarden DM Auftrag zur Lieferung des ICE nach Südkorea. Vorausgegangen war die Ausspähung durch den französischen Geheimdienst DGSE und eine “Weiterleitung“ dieser Informationen an den Siemens-Konkurenten GEC Alsthom. Letzterer lieferte schließlich den TGV nach Südkorea.
An diesem Fallbeispiel wird deutlich: Unternehmen und Konzerne befinden sich im Visier ausländischer Geheimdienste; Selbst “Dienste“ befreundeter Staaten – und Bündnispartner – schrecken untereinander vor Wirtschaftsspionage nicht zurück!
Es darf davon ausgegangen werden, dass vom US-Geheimdienst NSA, mittels “Echelon“ (  http://www.heise.de/tp/r4/artikel/17/17024/1.html ) erlangte wirtschaftlich relevante Informationen - beispielsweise den Forschungs-, Wissenschafts- und Entwicklungsstand ausländischer Unternehmen und Institutionen betreffend - an entsprechende Stellen weitergeleitet werden.


Hamburger Top-Ermittler wandern ab

Thorsten Mehles (43) hält bis heute den Rekord als Hamburgs jüngster Polizeidirektor. Dem “Ex-Top-Polizisten“ prophezeiten viele Kollegen eine glänzende Karriere in den Sicherheitsbehörden. Mehles war Leiter des Dezernats für Interne Ermittlungen (DIE), Chef der Abteilung Organisierte Kriminalität (OK) im Landeskriminalamt (LKA).
Der damalige Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) verschaffte ihm regelmäßig Audienzen bei Bundesinnenminister Otto Schily (SPD). Vom LKA Hamburg wechselte Mehles zum Bundesnachrichtendienst (BND) nach Pullach. Im April 2002 wurde Mehles Vorstand der nicht börsennotierten Wirtschaftdetektei “Prevent AG“ - kein halbes Jahr nach seinem Weggang aus der Hamburger Polizei.
Prevent (  http://www.prevent.ag/htm/main.htm ) berät große Konzerne bei Wirtschaftskriminalität und ist nach eigenen Angaben die Nummer eins unter den strategischen Sicherheitsberatungen im gesamten deutschsprachigen Raum. Mehr als ein Dutzend der im Dax und M-Dax notierten Unternehmen zählt Prevent zu seinen Kunden. Seit etwa einem Jahr expandiert die AG auch ins Ausland, nach Spanien und Frankreich.
Prevent half mit, den Urheber des Computerwurms “Sasser“, einen 18-jährigen Schüler aus Niedersachsen zu ermitteln. Zum Abschluss der Ermittlungen erschien Mehles zu einem Fototermin gemeinsam mit den niedersächsischen Strafverfolgern.
Prevent berät seine Kunden und ebnet den Weg zu den Strafverfolgungsbehörden, heißt es. Ein heikles Feld: Die Arbeit solcher Berater betrachten nicht wenige Staatsanwälte mit Argwohn. Sie vermuten, dass hier manches unter der Hand geklärt wird, was eigentlich in die Hände staatlicher Ermittler gehört. Doch Fahnder in eigenen Unternehmen und damit verbundene Presseberichte, gerade das möchten die meisten Konzerne vermeiden.
Thorsten Mehles ist nur ein Beispiel aus einer ganzen Reihe Hamburger Top-Ermittler, die der Polizei den Rücken kehrten und sich für einen Karriereposten in der freien Wirtschaft entschieden.
Frank Michaelis wechselte als Leiter des Dezernats Raub, Erpressung, Geiselnahme zum international tätigen Sicherheitsunternehmen “Control Risks“. Mehles Vorgänger bei OK, Dieter Langendörfer, ist heute hochbezahlter Sicherheitschef beim Wolfsburger Volkswagen-Konzern. Ein Angebot vom damaligen Innensenator Ronald Schill, unter ihm Polizeipräsident zu werden, lehnte Langendörfer 2001 ab. Polizeidirektor a.D. Mathias Brose wurde ebenfalls Sicherheitschef - bei BMW. (Hamburger Abendblatt, Hamburg, 02.02.05)

Doch Hamburg hat zu diesem Thema noch mehr zu bieten: Der einstige Hamburger Innensenator Werner Hackmann, stieg ein Jahr nach seinem Rücktritt (Stichwort: “Hamburger Polizeiskandal“) 1995 als Deutschland-Chef beim internationalen Sicherheitskonzern ASD Securicor ein. Prompt überreichte er seinem Nachfolger Hartmuth Wrocklage eine detaillierte Liste mit den Aufgaben, die sein ASD der Polizei abnehmen könne (Der Spiegel, Politik, 13.09.99).
Der ehemalige Leiter einer Hamburger Polizeidirektion, der leitende Kriminaldirektor a.D. Erwin Lebedicker, arbeitete nach seiner Pensionierung für das Hamburger Sicherheitsunternehmen “Power GmbH“. Im Internet wirbt das Unternehmen mit folgendem Text: „Unsere Detektive, Personenschützer und Sicherheitsberater verfügen über spezialisierte Berufsausbildungen – z.B. bei staatlichen Stellen - und nehmen ständig an umfangreichen und erstklassigen Trainingsmaßnahmen teil. Außerdem beschäftigen wir ehemalige Kriminalhauptkommissare, leitende Kriminaldirektoren, einen leitenden Oberstaatsanwalt a.D. und einen Brandoberamtsrat, sowie ehemalige Mitarbeiter des MAD. Unsere Unternehmensgruppe verfügt damit über umfangreiches Wissen.“ (Eigenwerbung/ Selbstdarstellung Power GmbH,  http://www.power-gmbh.de/CI/Sites/Mitarbeiter.html )
Jüngster Neuzugang bei Power ist der ehemalige Hamburger Polizei-Vizepräsident Richard Peters der nach 39 Dienstjahren bei der Polizei, nach seiner Pensionierung, Anfang 2004 als Berater zum Unternehmen kam. Dies berichtete das Hamburger Abendblatt vom 24.02.04 mit Berufung auf die Tageszeitung “Die Welt“.
In ihrer Anfrage zur „Videoüberwachung im öffentlichen Raum“ (Drucksache “18/150“ d. Hamburger Bürgerschaft v. 27.04.04) wollte die Grüne Alternative Liste (GAL) vom Hamburger Senat wissen: „13.4 Inwieweit sind ehemalige Polizeibedienstete der Hamburger Polizei bei den privaten Wachdiensten beschäftigt, mit denen die Polizei ggf. eine Zusammenarbeit in diesem Bereich anstrebt?“
Die Antwort des Senats: „Der Senat sieht sich nicht berechtigt, im Rahmen einer parlamentarischen Anfrage Auskünfte über konkrete Beschäftigungsverhältnisse ehemaliger Bediensteter zu geben.“ (  http://www.buergerschaft-hh.de/parldok/ , Dokumentennummer: “150“)

Am Beispiel zweier großer deutscher Sicherheitsunternehmen (zugleich Geld- und Werttransportunternehmen), Securitas Deutschland (Düsseldorf) und Kötter Services (Essen), lässt sich anschaulich verdeutlichen, wie viel Wert in der Sicherheitsbranche auf die Beratung durch “ehemalige“ gelegt wird:


Die Kötter-Berater im „Sicherheitsbeirat“

Im Jahre 2000 gegründete das Sicherheitsunternehmen Kötter Services einen hauseigenen Sicherheitsbeirat. Ziel dieses Gremiums ist es die „Verbindung zu Bundes- und Landesbehörden aufzunehmen, sowie den Dialog und die Kooperation unterschiedlicher Sicherheitsbereiche (Polizei, Bundeswehr, Landesämter für Verfassungsschutz) aufzubauen“ und dadurch „zukünftig eine möglichst reibungslose und vernetzte Zusammenarbeit öffentlicher und privater Sicherheitsdienstleitungen herbeizuführen.“ Ferner berät der Kötter Sicherheitsbeirat im eigenen Unternehmen die Sparte Security.
Mitglieder des Sicherheitsbeirates waren und sind der Gründer und ehemalige Chef der GSG 9, General im BGS a.D. Ulrich Wegener, der ehem. Bundesvorsitzende des BGS-Verbandes Hubertus Grützner, der ehem. Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz Dr. Peter Frisch, der erste Polizeihauptkommissar a.D. Klaus Homeyer und der ehemalige Ministerialdirigent im NRW-Justizministerium (Abteilungsleiter Strafvollzug) Gerhard Starke.
Tätigkeitsschwerpunkte dieses Beirates sind die „Vorbereitung und Konzeption neuer Dienstleistungsfelder in Bereichen wie z.B. ‘Aviation Security’, ‘Öffentliche Sicherheit’ und ‘Justizdienste’“ ( www.koetter.de/de/sicherheitsberat/main.html ).
Beim Kötter-Sicherheitsbeirat entsteht der Eindruck, die Mitglieder hätten es sich zur Aufgabe gemacht, eine Verschmelzung zwischen staatlichen und privaten Sicherheitsdienstleistern herbeizuführen.
Seit Januar 2005 ist auch Polizeidirektor a.D. Horst Heitmann Mitglied des Beirates. In seiner neuen Funktion will sich der 64-Jährige schwerpunktmäßig zwei Bereichen widmen: „Dem Ausbau der grenzüberschreitenden Kooperation zwischen staatlichen und privaten Sicherheitsorganen sowie der Umsetzung von Sicherheitsvorschriften die sich aus dem International Ship and Port Facility Code (ISPS-Code) ergeben. Auf beiden Feldern bringt Heitmann umfassende Erfahrungen ein.“, heißt es in einer Pressemitteilung von Kötter Services vom 05.02.05 (  http://www.koetter.de/de/index_news.html ).


Die Securitas-Berater

Zwar gibt es bei Securitas Deutschland keinen Sicherheitsbeirat, dennoch leistet sich das größte deutsche Sicherheitsunternehmen einen hochkarätigen Beraterstab aus Politik und Polizei. Hierzu zählten in den letzten Jahren beispielsweise der ehemalige Chef der Brandenburgischen Staatskanzlei und Minister a.D. Dr. Jürgen Linde, der ehemalige Abteilungsleiter “Innere Sicherheit“ im Bundesinnenministerium, Ministerialdirigent a.D. Reinhard Rupprecht sowie die leitenden Polizeidirektoren a.D. Wolfgang Bülow und Horst Schult. Horst Schult, der früher Vizepräsident an der Polizeiführungsakademie (PFA) Münster-Hiltrup war, beendete seine über neun Jahre währende Beratungstätigkeit im Oktober 2003.
Berater Schult war stets für eine direkte Zusammenarbeit zwischen der Polizei und dem Sicherheitsgewerbe eingetreten. Auf seine Initiative hin hatte sich der Arbeitskreis II der
Innenministerkonferenz (IMK) mit dem Vorstand des Bundesverbandes Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen (BDWS) e.V. zu zwei Sitzungen in Trier und München getroffen (BDWS-Pressemitteilung Nr. 17, 10.10.03,  http://www.bdws.de/main.html ).


Ein kleiner Ausschnitt: Branchenberater und Chefs mit Vergangenheit

Auch andere Sicherheitsunternehmen haben Berater oder Chefs mit Vergangenheit, die an dieser Stelle genannt werden sollen: So nahm der ehemalige Polizeipräsident von Frankfurt a.M. Wolfhard Hoffmann, der 1999 wegen der sogenannten “Reiter-Affäre“ aus dem Amt scheiden musste und anschließend in den Ruhestand versetzt wurde, unmittelbar nach seiner Pensionierung eine Beratertätigkeit beim Sicherheitsunternehmen IHS Holding GmbH auf. Hoffmann hatte als Behördenchef im gleichen Jahr die Kooperationsvereinbarung zwischen der Frankfurter Polizei und privaten Sicherheitsdiensten unterzeichnet. IHS ist in mehreren Städten in Kooperationsabkommen mit der Polizei eingebunden (Nordkurier, Schwerin, 24.11.99).
Winrich Granitzka war vor der Gründung seiner Security-Agentur Polizeidirektor in Köln. Sein Sicherheitsunternehmen schützt beispielsweise Staatsgäste, die die Domstadt besuchen (Kölnische Rundschau, Lokales, 26.04.04).
Volker Foertsch, einst hochrangiger Abwehrexperte beim BND wechselte Ende der 90er Jahre wegen Spionagevorwürfen zur Gesellschaft für Sicherheitsberatung mbH, kurz KDM, mit Sitz in Frankfurt a.M.. Firmengründer und Chef von KDM ist der Kriminaloberrat a.D. und ehemalige Verfassungsschützer Klaus-Dieter Matschke. Auf der KDM-Internetseite finden sich ehemalige Spitzenkräfte des Bundeskriminalamts, wie der „Abteilungspräsident a.D.“ Jürgen Zeiger und der Kriminaloberrat a.D. Werner Popp. Wolfgang Braun wird als „Innenminister a.D.“ und Klaus Volkmar Seidel als „Ministerialdirigent a.D.“ und ehemaliger „Leiter eines Verfassungsschutzes“ auf dieser Internetseite beschrieben und vorgestellt. KDM berät Firmen z.B. bei Industriespionage, Produktpiraterie, Auslandsengagements und Erpressung (Der Spiegel, Wirtschaft, 13.09.99; Eigenwerbung/Selbstdarstellung, Stand Dez. 2003:  http://www.kdm-portal.com ).
Auf der Internetseite  http://www.shopping-deutschland.com (Suchbegriff: “Detektei“) finden sich weitere Detekteien, die damit werben, ehemalige Geheimdienstmitarbeiter und Kriminalbeamte zu beschäftigen. Auf ihrer Internetseite  http://www.agentursicher.net beschreibt die Detektei von Zimmermann und Kirchner, die in mehreren deutschen Großstädten vertreten ist, welche Voraussetzungen bei Privaten (Detekteien) vorhanden sein müssen, um beispielsweise Zeugen und Schuldner aufzuspüren: „Besonders Wert legen wir auf die Zusammenarbeit mit öffentlichen Institutionen, Teamwork und überregionale Kooperation.“
Am 29.07.04 berichtete “Die Welt“, dass „Deutsche Ermittlungsbehörden...neue Hinweise auf mögliche Fluchthelfer des in Paris gefassten Ex-Rüstungsstaatsekretärs, Ludwig Holger Pfahls“ hätten. „Nach Informationen der Berliner Zeitung soll ein kleines Sicherheitsunternehmen, das unter anderem die ‘Begleitung von Personen im Ausland‘ als Dienstleitung anbietet, in die Betreuung des früheren CSU-Politikers eingebunden gewesen sein. Die im Großraum München agierende Firma war in den Neunzigerjahren von ehemaligen Beamten und Agenten des BND mitgegründet worden. Einer dieser Ex-Beamten soll zu seiner aktiven Zeit engste Beziehungen in die Staatskanzlei des damaligen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß unterhalten haben. Die Ermittler haben Hinweise darauf, dass die Sicherheitsfirma Pfahls bereits kurz nach dessen Flucht im Jahre 1999 zwei mal vor einem unmittelbar bevorstehenden Zugriff durch Zielfahnder des Bundeskriminalamtes bewahrte. (...) Das Sicherheitsunternehmen bekam seinerzeit angeblich über Informanten beim BKA Hinweise auf die geplanten Festnahmeaktionen.“, so die Zeitung.
Der ehemalige GSG 9-Beamte Björn Michael Birr ist Firmengründer und Geschäftsführer des Sicherheitsunternehmens - zugleich Sicherheitsfachschule und -vermittlungsagentur für Sicherheitsfachkräfte – Baltic Safety Network (BSN) mit Firmensitz im norddeutschen Blankensee. Das Unternehmen schult mittels öffentlichen Geldern der BA beispielsweise Arbeitslose zu Wach- und Personenschützern und vermittelt diese anschließend an Auftraggeber z.B. in Kriegsregionen wie den Irak und Afganistan. Die genauen Aufgaben der BSN-Söldner im Irak bleiben „nebelhaft“, so das Hamburger Abendblatt vom 21.08.04.
Zur Birr’s Unternehmen gehört auch die Delphos AG mit Firmensitz in Lübeck.
In einer Selbstdarstellung von Delphos heißt es: „In der deutschen Sicherheitsbranche ist Delphos der erste staatlich anerkannte ‘Träger der Weiterbildung‘“ (...) „Delphos schult sowohl Unternehmenspersonal, dies schnell, gezielt und individuell, als auch Privatpersonen, die eine Tätigkeit in der Sicherheits- oder Rettungsbranche anstreben oder sich besonders qualifizieren möchten.“ (  http://www.delphos.de/qualifizierung.php )
Damit der “Schulbetrieb“ reibungslos läuft, wichtige Kontakte zu Landes- und Bundesbehörden erhalten und weiter ausgebaut werden, unterhält die BSN einen Stab von ehemaligen Behörden- und Dienststellenleitern: Der leitende Polizeidirektor a.D. Rolf B. Sievers war im aktiven Beamtendienst Leiter der Landespolizeischule Hamburg. Sein BSN-Kollege, der Kriminalhauptkommissar a.D. Ralph Schneider, war einst Lehrbeauftragter an einer Verwaltungsfachhochschule. Schwerpunkt: "Angewandte Polizei-Psychologie“. Und Polizeihauptkommissar a.D. Olaf Rauschenbach vor seinem Einstieg bei BSN Sachbereichsleiter Aus- und Fortbildung in einer Polizeidirektion.
Zu den Kunden von BSN zählen neben großen Unternehmen auch Behörden und Institutionen wie beispielsweise Birr’s früherer Arbeitgeber, der Bundesgrenzschutz.
Die Sicherheitsfirma Espo, bekannt geworden durch ihre Ermittlungsarbeit im Entführungsfall Jan Philip Reemtsma, ist ein Zusammenschluss von „ehemaligen Kriminalhauptkommissaren, Kriminaloberräten und Direktoren des BKA“ (  http://www.espo.de ).
Durch dieses “old-boy-network“ befürchtet BKA-Vizepräsident Bernhard Falk einen „illegitimen Transfer von Know-how und Informationen“ (Der Spiegel, Politik, 13.09.99).

Die Zeiten in der Wirtschaft werden stürmischer, der Wettbewerb der Unternehmen und Konzerne untereinander wird härter. Konglomerate, bestehend aus staatlichen und privaten “Sicherheitsproduzenten“, schützen und “schnüffeln“ gleichzeitig.
Vor allem private Sicherheitsdienste, Werkschutzfachschulen und Detekteien (z.B. Ermittlungs-, Auskunfts- und Wirtschaftsdetekteien) profitieren davon und schaffen sich somit ein lukratives Betätigungsfeld.
Den Unternehmen und Konzerne ergeht es dabei - in Bezug auf die Unternehmenssicherheit -ähnlich wie den Vereinen der Fußball-Bundesliga: Um (international) bestehen zu können bzw. erfolgreich zu sein sind sie gezwungen die Dienste der besten Akteure einzukaufen und eine Mannschaft aufzustellen, die Abwehr und Angriff gleichermaßen beherrscht. Dass es bei diesem Spiel zu “Schadensverursachern“ in den eigenen Reihen kommt, ist Teil dieses Spiels.


Weitere Informationen zum Thema:

"Die private Stadtsicherheit - Wie in Deutschland eine milliardenschwere Sicherheitsindustrie an Einfluß gewinnt und ihre Macht die Grundrechte gefährdet":

 http://www.workfare.ipn.de/sic21204.pdf (PDF)

 http://www.trend.infopartisan.net/trd0804/050804.html (HTML)
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Ergänzungen

Geheimdienste arbeiten auch für Wirtschaft

Dixi Toi Toi 16.12.2005 - 19:43
Stichwort NSA - "No Such Agency"


Die National Security Agency (NSA) wurde 1952 offiziell gegründet. Ihr Auftrag ist es seitdem, ausländische Nachrichtenverbindungen abzuhören. Jahrzehntelang war die Existenz der Behörde streng geheim, spöttisch wird sie daher auch heute noch "No Such Agency" genannt.

Das Hauptquartier der NSA liegt in Fort Meade, Maryland. rund 16 Kilometer nordöstlich von Washington, D.C. Es gibt sogar eine eigene Ausfahrt auf der Autobahn Baltimor-Washington nur für NSA-Mitarbeiter, gekennzeichnet mit „NSA Employees Only“. Besucher müssen die „Exit Canine Road“ zum frei zugänglichen „National Cryptologic Museum“ wählen.

Höheres Budget als CIA

Die NSA, deren Budget höher als das der CIA ist, gilt heute als mächtigster Auslandsgeheimdienst der USA, der seine Ohren überall hat. Rund 38.000 Mitarbeiter arbeiten für die Behörde. Großteils sind dies Mathematiker, die sich mit allem befassen, was irgendwie mit geheimer Informationsbeschaffung und Kryptographie zu tun hat. Wenig verwunderlich gilt die NSA auch als größter Arbeitsgeber von Mathematikern.

Geheimnisumwobenes Abhörsystem "Echelon"

Mit Hilfe des von der NSA kontrollierten Abhörsystems Echelon werden weltweit Telefongespräche, E-Mails und Faxe abgehört und überwacht. Mittels neuester Technologien ist bereits die gezielte Überprüfung von Kommunikation durch bestimmte Schlüsselworte möglich.

Was Echelon tatsächlich kann bzw. was Schauermärchen und Legende ist, darüber versucht sich auch das EU-Parlament seit einiger Zeit genauer zu informieren.

Unterstützt NSA Wirtschaftsspionage?

Die NSA soll in der Vergangenheit geholfen haben, US-Wirtschaftsinteressen durchzusetzen. Laut der deutschen Wochenzeitung "Die Zeit" endete 1996 die Karriere des VW-Spitzenmanagers José Lopez, weil General Motors mit Hilfe der NSA beweisen konnte, dass der frühere GM-Manager geheime Entwicklungsunterlagen zu VW mitnahm und dort weiter nutzte.

Weitere Verdachtsfälle gibt es genug. So soll sich die brasilianische Regierung bei der Entscheidung um ein Milliardenprojekt für ein US-Rüstungsunternehmen entschieden haben, obwohl französische Konkurrenten ursprünglich günstigere Angebote legten. Die US-Firma besserte das Angebot dann einfach nach. Auch ein Airbus-Deal mit Saudi-Arabien soll geplatzt sein, weil die USA das Angebot kannten und sogar über gezahlte Schmiergelder Bescheid wussten. (diepresse.com, 16.12.05)

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Ex-BKA'ler??? — Hans A.