Italien: Polizei bricht Streikposten

rf 27.04.2004 01:19 Themen: Globalisierung Repression Soziale Kämpfe
Im süditalienischen Melfi wurde heute ein Streik per Polizeieinsatz gebrochen. Das hatte es seit 30 Jahren nicht mehr gegeben. (Kurzinfo und links zu Bildern)
Fünftausend Arbeiter, die bei Fiat oder in der Zuliefererindustrie beschäftigt sind, wurden am achten Tag eines Streiks gegen extreme Arbeitsbedingungen gewaltsam von der Polizei angegriffen. Die Arbeiter hatten sich zum unbefristeten Streik entschlossen, weil die Einheitsproteste und Forderungen der letzten Jahre nichts gebracht hatten. Fiat kündigte einen harten Kurs bei der Auseinandersetzung an. Die Polizei kam im Intetresse des Unternehmens zu Schaden der Arbeiter zum Einsatz. Es gab 13 Verletzte unter den völlig friedlichen Arbeitern, als die Polizei mit Knüppeln vorging, um drei Bussen (!) mit etwa vierzig Streikbrechern einen Durchgang zu verschaffen. Die Arbeiter von Melfi verdienen 20% weniger und arbeiten 20% mehr als alle anderen Fiat-Arbeiter und sie müssen 15 Tage am Stück Nachtschichten schieben. Das Tun sie nach dem berüchtigten Arbeitsleistungsoptimierungsmodell TMC2, ein Arbeitstempo, das kein Mensch ohne gesundheitliche Schäden aushalten kann. In den letzten 12 Monaten trafen die Arbeiter in Melfi darüber hinaus 5000 Mitteilungen über Disziplinarmaßnahmen und einige Gewerkschaftsdelegierte wurden entlassen. Bilder auf den Websites der Zeitungen La Repubblica und Il Corriere della Sera zeigen, wie es war. An mehreren Orten im Land solidarisierten sich Arbeiter, in der Lombardei gab es eine Autobahnblockade, anderswo legten Arbeiter die Arbeit nieder; der Protest wird sich aller Voraussicht nach ausweiten. Der Betrieb steht bis jetzt immer noch still und andere Fiatwerke müssen auch still stehen, weil die Teilprodukte aus Melfi ausgegangen sind.

La Repubblica (12 Bilder):  http://www.repubblica.it/2003/e/gallerie/economia/fitmlf/fitmlf.html

Corriere della sera (10 Bilder):  http://www.corriere.it/av/galleria.html?2004/aprile/melfi&1
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Ergänzungen

Büchertip zum Thema

70er Arbeiterautonomie bei FIAT 27.04.2004 - 11:23
Nanni Balestrini: "Wir wollen alles"

SAV - für Gewerkschaft der Polizei

Trotzkist 27.04.2004 - 15:25
Die "trotzkistische" SAV fordert die gewerkschaftliche Organisierung der Polizei, damit die Polizei auf Seite der kämpfenden Arbeiter steht.
Nun, in Italien gibt es eine Gewerkschaft der Polizei und die betrachtet sich sogar als links...
Na ja, die Genossen der SAV sollten sich wirklich fragen, ob sie mit dieser Taktik dazu beitragen "sozialistisches Bewußtsein" in der Bevölkerung zu verankern. Fraglich, fraglich...

SAV und ihre halbe Stellungnahme

Trotzkist 28.04.2004 - 18:05
Unter folgende Adresse findet man einen Artikel der
SAV. Dabei wird kein Wort vergeudet um das Vorgehen der
Polizei zu verurteilen.
Wie sollen sich die von der Polizei geschlagenen Arbeiter
bzg. der gewerkschaftliche Organisierung von "Arbeitern
in Uniform? verhalten?

Trotzkist



 http://www.sav-online.de/modules.php?name=News&file=article&sid=859

Wilder Streik legt bei Fiat Produktion lahm

Veröffentlicht auf dieser Site: 28. April 2004
Thema: B&G: Arbeitskämpfe
Ein seit zehn Tagen andauernder wilder Streik im süditalienischen Werk Melfi hat gestern erstmals auch alle anderen inländischen Fabriken des Autoherstellers Fiat lahmgelegt.

Fiat bestätigte, dass wegen fehlender Teilelieferungen derzeit die gesamte Fertigung stillsteht. Das entspreche einem Produktionsausfall von knapp 5.000 Autos täglich.
In Melfi werden von Fiat sowie weiteren 22 Zulieferfirmen Komponenten und Bleche für alle anderen italienischen Fabriken des Unternehmens hergestellt. Experten schätzen den bislang durch den Arbeitskampf verursachten Umsatzverlust auf 200 bis 250 Millionen Euro.
Die Gewerkschaft Fiom-Cgil fordert eine sofortige Anhebung der Löhne auf das Niveau der Kollegen in Norditalien sowie bessere Arbeitszeiten, während das Management Lohnzurückhaltung und die Beibehaltung der Flexibilität bei den Arbeitszeiten verlangt. Um dem Streik Nachdruck zu verleihen, hatten die Arbeiter der Fiat-Fabrik Strassensperren errichtet, diese sind nun gestern verboten worden.
Melfi war Anfang der 90er Jahre als Antwort auf die „japanische Herausforderung“ mit staatlichen Subventionen in der wirtschaftlich schwachen Region Basilicata, 160 Kilometer östlich von Neapel, entstanden. Dank spezieller Regelungen für die Arbeitszeit und des Aufbrechens des Flächentarifvertrages galt Melfi bislang als profitabelster Standort im Konzern.

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Verstecke die folgenden 8 Kommentare

@Trotzkist

bist Du.. 28.04.2004 - 01:04
...vielleicht ein SPARTAKIST ???

zur Gewerkschaft der polizei

Kritiker 28.04.2004 - 09:29
Zunächst möchte ich feststellen, das ich kein mitglied der SAV bin und ihr auch nicht sonderlich nahe stehe. Aber zur gewerkschaftlichen organisierung der polizei kann ich nur sagen, das man mal anerkennen muss, das auch bullen menschen sind! Und ich glaube nicht das eine Revolution, die je bekanntlich meist mit einem Bürgerkrieg einher geht, ohne die Solidarität von Teilen der Polizei und sogar Teilen des Militärs militärisch erfolgreich sein wird... In den meisten Revolutionen die eine Regierung stürzen konnten waren große Teile des Militärs zumindest passiv eingestellt. Teilweise waren sie aber auch direkt an den revolutionären Aktionen beteiligt (siehe 1917 Rusland, 1918 Deutschland,...).

In Deutschland gibt es bei der Polizei zwei Gewerkschaften: Die Rechtskonservative "Polizeigewerkschaft" und die angepasste sozialdemokratisch geprägte "Gewerkschaft der Polizei"(GdP).
Ich weis das linke teile der GdP ihre Mitglieder auch schon bei Naziaufmärschen indirekt aufgefordert haben sich krank zu melden. Da die Bullen Beamte sind können sie nicht zu einer Arbeitsniederlegung/zu einem direkten Boykott eines Befehls (hier das Schützten der Nazidemo) aufrufen ohne mit hohen Schadensersatzforderungen zu rechnen...

@ Trotzkist
Was meinst du denn welche davon eher ein Bündnispartner bei einer Revolution wäre? Oder brauchen wir das gar nicht, weil wir die eh mit Masse überrennen (denk an die MGs und die Luftwaffe)?

Polizeigewerkschften sind nicht revolutionär

Gewerkschfter 28.04.2004 - 10:37
allen die denken das über eine gewerkschftliche organisierung der polizei etwas "für die revolution" getan werden kann sei folgendes im groben gesagt:

# gewerkschaften sind schutzvereinigungen der arbeiter und arbeiterinnen
neben dem ziel von arbeitszeitverkürzung, lohnerhöhung und möglichst geringer arbeitsdichte spielte und spielt zum teil noch heute der gedanke der "risikovermeidung", also des arbeitsschutzes eine gewisse rolle.

also was soll eine polizeigewerkschaft erreichen?:
- kürze arbeitszeiten für polizisten und polizistinnen
der effekt wäre konzentrierte "einstzkräfte" welche die ihnen gestellten aufgaben besser erledigen könnten, evtl würden so auch noch ein paar tausend neue stellen geschaffen (zum glück ist "arbeit, arbeit, arbeit" nicht alles!!)
- höhere bezüge
das wird die im fachjargong "einsatzkräfte" genannten sicher freuen und darüber hinaus ein anreitz sein sich bei der polizei ein zu reihen

- die arbeitsdichte der polizei hängt von der anzahl der beamten, der arbeitszeiten, der gesetzte (was muß die polizei alles verfolgen), und dem angagement der bevölkerung (wer demonstriert, wie häufig, wofür oder wo gegen, .... ) usw usf ab
je geringer jedoch die arbeitsdichte, desto effektiver können die gestellten aufgaben erledigt werden

- arbeitsschutz bei der polizei
das meint unter anderem, das es keine kennzeichnungspflicht gibt, das sie bei jeder gelegenheit in spezielle sicherheitsuniformen gesteckt werden, das sie lernen möglichst effektiv menschen aus zu schalten, das sie waffen tragen und benutzen dürfen, das.... usw. usf

nein danke - ich kann auf eine slche und jede andere polizei gut verzichten. polizei - das ist keine arbeit, sondern eine funktion, ebenso wie militär und politik.
wenn (!) irgendjemand möchte das im falle der revolution möglichst viele militärs und polizei "überlaufen", dann geht dies nur durch eine agitation von aussen. klar, alle angehörigen der repressionsorgane sind menschen, auch wenn sie sich in ihrer rolle in einer bestimmten funktion gar nicht menschlich verhalten können. aber: niemand zwingt irgendjemanden bei der polizei oder sonst wo zu sein. auch wenn die alternative die sogenannte arbeitslosigkeit ist, menschen müssen raus aus dieser funktion!! sonst bleiben sie nicht mehr lange menschen (sein bestimmt das bewußtsein!)

@Kritiker

anarchosyndikalist 28.04.2004 - 14:46
eine revolution muß und sollte nicht über einen bürgerkrieg verlaufen.
schon mal etwas von "bildung der massen" gehört?
wenn man nämlich die menschen von seinen guten ideen überzeugt hat, benötigt man keinen bürgerkrieg.
ein revolution , die über das töten vieler menschen hin und über unterdrückung anderer gesucht wird ist zum scheitern verurteilt.

Tod der Dialektik?!

Marxist 28.04.2004 - 15:04
1. Könnte es sein, daß die Polizei verschiedene Fuktionen hat? Eine davon ist sicher die Unterdrückung von Widerstand, eine viel zu wichtige, aber... Sitzt Du in einem brennenden Haus, fragst Du Dich vielleicht, warum niemand dafür gesorgt hat, die Feuerwehreinfahrt freizuhalten.
Warum gibt es kasernierte Bullen, Streifenbullen, Verkehrsbullen?!
2. Wollen wir wirklich als "linke" anfangen Menschen, die sich gewerkschaftlich organisieren wollen, das Recht dazu absprechen? Wollen wir mit aller Macht verhindern, daß sie streiken ("Nicht streiken dürfen" ist ungleich "Nicht streiken können")? Wollen wir also lieber, daß sie auf uns einprügeln?
3. Können wir nicht für Lohnerhöhungen im öffentlichen Dienst gemeinsam demonstrieren und gegen eine bessere Prügelausstattung sein, wenn die Beschäftigten der Unterdrückungsorgane das fordern.
Wenn ein bisschen Dialektik sozialistischem Bewußtsein schaden sollte, dann hätten wir wohl schon verloren. Im grauen Text unten hat jemand den Zerfall des Staatsapparates an der Klassenlinie im revolutionären Prozess ja schon anhand (1917 und 1918) thematisiert.

@Marxist

Trotzkist 28.04.2004 - 18:50
Zentrale Einrichtungen des Staates oder auch der "Staatsmaschine" im allgemeinen sind: Polizei, stehendes Heer und Bürokratie.
Marxisten bekämpfen den bürgerlichen Staat und daher, un darin liegt die Dialektik, ihre Institutionen.
Wer dies nicht erkennen will oder kann, handelt äußerst unmarxistisch und hat mit den Lehren von Marx, Lenin und Trotzki wenig gemeinsam.
Trotzki forderte anders als die liebe SAV die "die unabhängige Bewaffnung der Arbeiterklasse".
Die Bourgeoisie unterhält ein massives stehendes Heer und bewaffnete Spezialeinheiten, um ihre Privilegien in Zeiten politisch revolutionärer Krise verteidigen zu können. Daher ist die Arbeiterklasse gezwungen, ihre eigene Miliz aufbauen zu müssen, um eben ihre Organisationen gegen Polizei- und Militärattacken zu verteidigen, wie jetzt in Italien.
Trotzki schrieb, z.B., dass "Das erste Unterscheidungsmerkmal der proletarischen Revolution sah Lenin mit Marx und Engels darin, daß sie, indem sie die Ausbeuter enteignet, die Notwendigkeit eines sich über die Gesellschaft erhebenden bürokratischen Apparats, vor allem der Polizei und des stehenden Heeres beseitigt." L. Trotzki, Verratene Revolution, in: Trotzki, Schriften 1.2, S. 739

Und nach der Revolution:
"Haben die bürgerlichen Verhältnisse einmal die feudalen Fesseln abgestreift, entwickeln sie sich automatisch. (…)
Ganz anders steht es mit der Entwicklung der sozialistischen Verhältnisse. Die proletarische Revolution befreit nicht nur die Produktivkräfte von den Fesseln des Privateigentums, sondern übergibt sie auch der unmittelbaren Verfügungsgewalt des von ihr geschaffenen Staates. Begnügt sich der bürgerliche Staat nach der Revolution mit eine bloß polizeilichen Funktion, während er den Markt dessen eigenen Gesetzen überläßt, so tritt der Arbeiterstaat direkt in der Rolle des Wirtschafts-Organisators auf."
L. Trotzki, Arbeiterstaat, Thermidor und Bonapartismus, S. 587-588

Vielleicht kann uns @Marxist sagen, was er zu den o.g. Zitaten denkt und wie diese mit dem Marxismus-Leninismus-Trotzkismus zu vereinbaren sind.

Was sollen die FIAT Arbeiter in Melfi tun, wenn die Polizei sie schlägt? Sollen sie die gewrkschaftliche Organisierung fordern und dann die Streikbrecher freies Zugang räumen lassen?

Wenn Streikbrecher von der Polizei geschützt werden, was sollen wir fordern? Geht in die Gewerkschaft???

Die ist in Italien ohnehin schon vorhanden und dies verhindert die Polizei nicht auf die Arbeiter draufzuschlagen...


Grüsse

Trotzkist

Gewerkschafter hat recht!

ein anderer Marxist 28.04.2004 - 18:55
Ja, die Polizei als Institution kann nie revolutionär werden! Man muss sie bekämpfen...
Auch Marxist

Übrigens, bin kein Spartakist

Trotzkist 28.04.2004 - 18:58
Bin ja nicht verrückt!