Zur Manipulation gehören immer zwei

Ralf Streck 17.03.2004 17:04 Themen: Repression Weltweit
Spanien schafft Präzedenzfälle bis in UNO. Der Sicherheitsrat muss erstmals eine Resolution korrigieren, weil Spanien unbedingt die ETA für die Anschläge in Madrid verantwortlich machen wollte. Der spanische Ministerpräsident betätigt sich ungefragt als Pressecoach und seine Mannen sollen sogar einen Putsch vorbereitet haben.
Im Zeitraffer hat die Volkspartei (PP) in den Tagen ihres Abstiegs noch einmal die Reinform ihrer Politik dokumentiert. Mit ihrer geballten Streitmacht aus Manipulationen, Absurditäten und einer erzreaktionären bis faschistischen Politik hat sie noch einmal um sich geschossen, doch hat das mehr zu ihrem Abgang als zu ihrer Verteidigung beigetragen.

Wenn man der nationalen Radiokette SER ( http://www.cadenaser.es) glaubt, hat die PP, ganz im Stile des Vorbilds Francisco Franco ( http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/15501/1.html) in der Nacht vom Samstag auf Sonntag sogar eine Art Putsch vorbereitet, während sie einräumte, ein Bekennervideo für das Massaker am 11. März von Islamisten erhalten zu haben. Das an der Aufdeckung der Lügen um die angebliche ETA-Täterschaft stark beteiligte Radio ( http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/16965/1.html), behauptet jedenfalls, aus dem Wahlrat und anderen Quellen erfahren zu haben, die PP-Führung habe den Ausnahmezustand vorbereitet. Mit Hilfe des Militärs sollten die Wahlen verschoben werden. Der König, als Oberbefehlshaber der Streitkräfte, habe aber seine Zustimmung verweigert, womit die Aktion gescheitert sei. Ein Skript des Beitrags findet sich hier:  http://euskalherria.indymedia.org/eu/2004/03/13151.shtml

Abschließend kann das noch nicht beurteilt werden. Zuzutrauen wäre es der PP. Sie hat sich nie vom Putsch Francos 1936 und dessen blutigen Diktatur distanziert. Sicher ist: SER verfügte in den kritischen Tagen über gute Quellen und publizierte die Informationen auch. Das haben nicht alle getan. Es kann sich aber erneut um ein Manöver handeln, wie beim sogenannten Putsch am 23. Februar 1981, das der Sicherung der Monarchie dient. Der König stand doch fest an der Seite des Ex-Falangisten und (noch) Ministerpräsident José María Aznar. Er hätte zum Beispiel die Kriegsbeteiligung Spaniens verhindern können. Soll von der Verantwortung des Monarchen abgelenkt werden?

Ein Ziel des Pseudo-Putsches 1981 war, den vom Diktatur eingesetzten König nicht nur im Amt zu sichern, sondern ihn zum Retter der Demokratie zu stilisieren. Der war aber Teil des Putschplans, sagen Putschisten, wie Teile der Sozialisten eingeweiht waren. General Armado erklärte 2001 im spanischen Fernsehen offen: "Der Putsch hat triumphiert". Das Land sei wieder auf den richtigen Weg gebracht worden. Die herrschende Klasse war abgesichert, die Verbrecher wurden bis heute nicht bestraft, Kämpfer gegen Franco sind weiter Terroristen, Massengräber weiter geschlossen und Folter bis heute an der Tagesordnung.

Bei der PP darf man sich auch nicht wundern, wenn Aznar selbst zum Pressecoaching übergeht und eigens ungefragt Direktoren wichtiger Medien zu überzeugen suchte keine Zweifel an der offiziellen Version zu formulieren. Der Direktor der Zeitung El Periodico Antonio Franco bekam gleich zwei Anrufe aus dem Regierungssitz. Während Aznar die Direktoren bearbeitete, traktierte sein Regierungssprecher unaufgefordert die akkreditierten ausländischen Korrespondenten. Bei einigen zog die Strategie, bei anderen nicht. Auffällig war, wie die PP-nahe Zeitung El Mundo auf den Webseiten Zweifel an der ETA-These äußerte, fehlten sie in der Druckausgabe plötzlich. Nur so lassen sich wohl auch Artikel, wie die des taz Korrespondenten Rainer Wandler erklären, die als Beleidigung der Intelligenz bezeichnet werden könnten.

Es verwundert vielmehr der plötzliche Aufschrei über die Manipulationen der PP. Hat sie nicht ständig gelogen und manipuliert: im Fall des Irak-Kriegs, im Fall des Öltankers Prestige. Hat sie nicht fünf baskische Kommunikationsmedien vernichtet, Journalisten inhaftiert und zum Teil gefoltert ohne jemals nur den Schimmer eines Beweises vorgelegt zu haben. Bisher war doch die Anschuldigung für viele Kollegen gleich Beweis. Als die baskische Zeitschrift Ardi Beltza das geheime Manipulationsnetz mit Briefings von Journalisten durch das Innenministeriums aufgedeckt hat, wurde die Zeitschrift geschlossen, der Chefredakteur, obwohl schwerkrank, verhaftet und fast umgebracht. Selbst der Schreiber dieser Zeilen wurde in diesem Zusammenhang beschuldigt, für die ETA gearbeitet zu haben. Zur Manipulation gehören immer zwei. Jemand der manipuliert und jemand der sich manipulieren lässt.

Das gilt auch für UNO, die in diesen Tagen erneut eine Respektverlust hinnehmen muss. Auch sie hat sich für PP-Wahlkampfinteressen einspannen lassen und die zweifelhafte Version Spaniens sogar in eine für die ganze Welt verbindliche Resolution 1530 gegossen. Sie steht nun vor der peinlichen Frage, wie man erstmals in der Geschichte eine Resolution rückgängig macht. Da dies nicht vorgesehen ist, muss wohl eine neue Resolution her, welche die falsche ersetzt.

Obwohl uns auch die Bundesregierung tagelang von der ETA-Täterschaft überzeugen wollte, wusste sie besser oder zweifelte zumindest an der Version und spielte Steigbügelhalter von Aznar. Algerien, Pakistan, Brasilien, Russland und Deutschland, argumentierten im Sicherheitsrat dagegen, der ETA sofort die Verantwortung zuzuschieben. So rieb man sich verwundert, die Augen warum Innenminister Otto Schily ständig über einer möglichen ETA-Täterschaft oder deren noch absurderen möglichen Zusammenarbeit mit Al Kaida fabulierte. Oder liegt das nur an der fragmentarischen Informationsübermittlung, über die sich der deutsche Geheimdienst in Spanien beschwerte. Diese Schuldzuweisung an die abgewählten Spanier ist einfach und lenkt von fatalen Fehlern ab. Im schlimmsten hätten sie auch anderswo vielen Menschen das Leben kosten können, weil die Terroristen Zeit hatten, um anderswo zuzuschlagen. Zum Glück ist das nicht passiert, an Schily lag das sicher nicht.

© Ralf Streck, Donostia-San Sebastian den 17.03.2004


Näheres nachzulesen in: "Tondar - Geschichte und Widerstand politischer Gefangener" im Türkei, Kurdistan, Baskenland, Iran, - politische Entwicklung, Repression, Knäste, politische Gefangene Hrsg. Ralf Streck, Pahl-Rugenstein Verlag Bonn.
Indymedia ist eine Veröffentlichungsplattform, auf der jede und jeder selbstverfasste Berichte publizieren kann. Eine Überprüfung der Inhalte und eine redaktionelle Bearbeitung der Beiträge finden nicht statt. Bei Anregungen und Fragen zu diesem Artikel wenden sie sich bitte direkt an die Verfasserin oder den Verfasser.
(Moderationskriterien von Indymedia Deutschland)

Ergänzungen

Gladio

Informant 18.03.2004 - 03:36

Dementi

Ralf 18.03.2004 - 09:40
SER hat die Putschgeschichte heute dementiert und El Mundo und Cope (auch ne Radiokette) dafür verantwortlich gemacht, sie in die Situation gebracht zu haben.
 http://www.cadenaser.com/noticias/nota.html?xref=20040317csrcsrnpr_1&type=Tes

Den ersten und wichtigsten Absatz übersetzt

"Angesichts der Kampagne zur Verunsicherung die von der Zeitung El Mundo und den Cope Radios ausgelöst wurde, die SER zuschreiben, man hätte eine Ente in die Welt gesetzt, um der PP den Versuch eines Staatsstreichs kurz vor den Wahlen zu beschuldigen, erklärt SER: Wir weisen in jeder Form zurück in unserem Programm einem solchen Unsinn Raum gegeben zu haben, der seit Montag anonym im Internet zirkuliert".

Desmentido de la cadena SER a El Mundo y la COPE

17-03-2004 CADENA SER

Ante la campaña de intoxicación informativa que el diario El Mundo y la Cadena Cope han desencadenado al atribuir a la SER la puesta en circulación de un bulo que acusa al PP de un intento de golpe de Estado, la víspera de las elecciones, la Cadena SER quiere desmentir rotundamente que se haya hecho eco en ninguno de sus programas de semejante disparate, que circulaba por internet de forma anónima desde el lunes.


Personal de la Cadena SER recibió por primera vez ese correo electrónico anónimo el lunes, 15 de marzo, a las 15.37 horas. El mismo mensaje llegó esa tarde en un sobre blanco, cerrado y sin remitente, a la sede de la Cadena SER en Madrid. Los responsables de la redacción tuvieron la evidencia de estar ante un montaje que no mereció la atención de ningún espacio informativo, ni en la radio ni en su página web.
El mensaje llegó también a través de un internauta a uno de los foros abiertos de la web de la SER, a las 18.42 del martes, 16 de marzo. Cada día llegan a este tipo de foros cientos de mensajes. Un texto idéntico fue publicado 24 horas antes en la web de “Libertad Digital”, medio de comunicación ligado a Federico Jiménez Losantos, director del programa de la Cope en el que se ha tratado de culpar a la Ser de la difusión de esa patraña.

Dos horas después de que el mensaje llegara a uno de los foros de la SER, un correo idéntico se colgó en otro foro de la página web del diario El Mundo, donde permanecía colgado en la mañana de hoy, miércoles.

La cadena SER se resiste a valorar la intencionalidad de una infamia que habla por sí misma y aclara el tipo de periodismo que se practica en los medios citados.

La SER aprovecha para agradecer las numerosas muestras de reconocimiento que han llegado a su redacción procedentes de los medios más prestigiosos del mundo por las decisivas aportaciones periodísticas de esta cadena sobre lo sucedido en Madrid con ocasión del terrible y luctuoso atentado del 11-M.

Dementi

RAlf 18.03.2004 - 09:47
SER hat die Putschgeschichte heute dementiert und El Mundo und Cope (auch ne Radiokette) dafür verantwortlich gemacht, sie in die Situation gebracht zu haben.
 http://www.cadenaser.com/noticias/nota.html?xref=20040317csrcsrnpr_1&type=Tes

Den ersten und wichtigsten Absatz übersetzt

"Angesichts der Kampagne zur Verunsicherung die von der Zeitung El Mundo und den Cope Radios ausgelöst wurde, die SER zuschreiben, man hätte eine Ente in die Welt gesetzt, um der PP den Versuch eines Staatsstreichs kurz vor den Wahlen zu beschuldigen, erklärt SER: Wir weisen in jeder Form zurück in unserem Programm einem solchen Unsinn Raum gegeben zu haben, der seit Montag anonym im Internet zirkuliert".

Desmentido de la cadena SER a El Mundo y la COPE

17-03-2004 CADENA SER

Ante la campaña de intoxicación informativa que el diario El Mundo y la Cadena Cope han desencadenado al atribuir a la SER la puesta en circulación de un bulo que acusa al PP de un intento de golpe de Estado, la víspera de las elecciones, la Cadena SER quiere desmentir rotundamente que se haya hecho eco en ninguno de sus programas de semejante disparate, que circulaba por internet de forma anónima desde el lunes.


Personal de la Cadena SER recibió por primera vez ese correo electrónico anónimo el lunes, 15 de marzo, a las 15.37 horas. El mismo mensaje llegó esa tarde en un sobre blanco, cerrado y sin remitente, a la sede de la Cadena SER en Madrid. Los responsables de la redacción tuvieron la evidencia de estar ante un montaje que no mereció la atención de ningún espacio informativo, ni en la radio ni en su página web.
El mensaje llegó también a través de un internauta a uno de los foros abiertos de la web de la SER, a las 18.42 del martes, 16 de marzo. Cada día llegan a este tipo de foros cientos de mensajes. Un texto idéntico fue publicado 24 horas antes en la web de “Libertad Digital”, medio de comunicación ligado a Federico Jiménez Losantos, director del programa de la Cope en el que se ha tratado de culpar a la Ser de la difusión de esa patraña.

Dos horas después de que el mensaje llegara a uno de los foros de la SER, un correo idéntico se colgó en otro foro de la página web del diario El Mundo, donde permanecía colgado en la mañana de hoy, miércoles.

La cadena SER se resiste a valorar la intencionalidad de una infamia que habla por sí misma y aclara el tipo de periodismo que se practica en los medios citados.

La SER aprovecha para agradecer las numerosas muestras de reconocimiento que han llegado a su redacción procedentes de los medios más prestigiosos del mundo por las decisivas aportaciones periodísticas de esta cadena sobre lo sucedido en Madrid con ocasión del terrible y luctuoso atentado del 11-M.

kleine kritik

dd 18.03.2004 - 12:22
weiterführende hintergrundlinks wären angebracht. ab dem dritten absatz werden diese ganzen nicht-konformen behauptungen (gefolterte journalisten, etc) einfach so genannt als sei das gängige meinung und bedürfe keiner weiteren aufklärung. von gefolterten journalisten in spanien höre ich zum ersten mal und ich nehme das nur dann unskeptisch hingegen wenn ich ohnehin davon überzeugt bin dass spanien ein fieses faschistisches land ist.
aber denk mal an den grossteil der mitmenschen und daran dass spanien ein EU-land ist. da kann man sowas nicht schreiben ohne dass man sowas für haltlose "linke propaganda" hält.

daher muss man wirklich darauf achten, dass wenn man die story so kritisch betrachtet auch hintergrundlinks bereitstellt um sowas zu untermauern.

das is auch nicht so toll wenn der autor von sich behauptet er wäre selbst entführt und gefoltert worden (oder wie auch immer) ohne weitere infos anzugeben und stattdessen auf sein buch hinzuweisen das man sich wohl kaufen soll.

ich finds ausserdem immer noch seltsam dass du, ralf streck, so besessen auf dieses copyright-symbol bist. möchtest du die freie weiterverbreitung deiner inhalte damit unterbinden? weshalb veröffentlichst du dann überhaupt auf indymedia und nicht in einer kommerziellen zeitung?


schönen tag noch.

Spanien foltert

Karl 18.03.2004 - 14:10
@dd
speziel im Fall Egunkaria wurden Journalisten gefoltert,
Beweise gibt es dafür in der Regel nicht, habe aber selbst gesehen wie Ortamendi unter Tränen von seinen Misshandlungen erzählte.
Aber wie gesagt Beweise gibt es keine, trotzdem glaube ich Ortamendi eher, angesichts seines Zustandes, als der spanischen Lügenregierung.
Hier ein link:  http://de.indymedia.org/2003/06/53670.shtml



So oft

Ralf 21.03.2004 - 08:40
Hallo,

habe schon so oft Zeug zu Folter gepostet, wie wärs, wenn du auch mal selbst die Suchmaschine bemühst.

Ansonsten ist das ein guter Link.

 http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/12359/1.html

Im überigen hat die UNO gerade einen neuen Bericht aufgelegt und Spanien schwer beschuldigt.

Ciao rAlf