Gericht nimmt Foltervorwürfe an - Regierung weist zurück

Ralf Streck 04.06.2003 19:56 Themen: Medien Repression Soziale Kämpfe
Die Foltervorwürfe des Chefredakteurs der baskischen Tageszeitung "Euskaldunon Egunkaria" werden nun doch von einem Gericht untersucht. Martxelo Otamendi bestätigte, das fünfte Ermittlungsgericht in Madrid habe seine Anzeige angenommen. Derweil nutzte die spanische Regierung eine parlamentarische Anfrage, um die Folteranklagen internationaler Organisationen abzuweisen. Dass im Auftrag des Staates aber nicht nur gefolter, sondern auch gemordet wird, zeigt der Prozess gegen drei Mitglieder der Todesschwadrone GAL. Eine ehrenwerte Gesellschaft aus Polizei, Guardia Civil, rechten Unternehmern, Söldnern und Drogenhändlern.
Die Foltervorwürfe des Chefredakteurs der baskischen Tageszeitung "Euskaldunon Egunkaria" werden nun doch von einem Gericht untersucht. Martxelo Otamendi bestätigte, das fünfte Ermittlungsgericht in Madrid habe seine Anzeige angenommen. Nun werde auch seine Aussage vor dem Ermittlungsrichter, Juan del Olmo, beigezogen. Der hatte die Verhaftung von zehn Journalisten und die ?vorläufige Schließung? der Zeitung Ende Februar verfügt. Otamendi denunzierte, dass seine Aussage damals bisher nicht einmal vom Tonband abgetippt worden sei.

Gleich bei der Vernehmung vor dem Ermittlungsrichter hatte Otamendi die Qualen angezeigt, die er in den fünf Tagen der Kontaktsperre in den Händen der Guardia Civil erlitten hat.  http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/co/14275/1.html Statt gegen die Militärs zu ermitteln, läuft seither ein Verfahren gegen die vier Journalisten, welche Folter denunziert haben. Sie seien mit ihren Anzeigen, "der Strategie der ETA" gefolgt, meint die Staatsanwaltschaft. Otamendi geht von einem langen Verfahren aus, "bei dem die spanische Justiz wenig Interesse hat, die Folterer hinter Gitter zu bringen".

Während Otamendi und sechs weitere Journalisten entlassen wurden, befinden sich noch immer drei in Haft. Da die "geheimen Ermittlungen" auch über die Frist von drei Monaten hinaus verlängert wurden, ist noch unbekannt, was der Zeitung und den Journalisten konkret vorgeworfen wird. Die Schließung hatte del Olmo damit begründet, es handele sich um ein Projekt der ETA. Er berief sich auf mutmaßliche Briefe der ETA, die aber schon vor mehr als zehn Jahren gefunden wurden.

Die spanische Regierung hat eine parlamentarische Anfrage der Baskischen Solidaritätspartei (EA) genutzt, um Foltervorwürfe internationaler Organisationen zurück zu weisen. Sowohl die Kommission des Europarats zur Prävention der Folter (CPT) als auch die Anti?Folter?Kommission der UNO (CAT) hatten etliche Folterfälle in Spanien angegriffen.  http://www.heise.de/tp/deutsch/deutsch/inhalt/co/12359/1.html.
Die Regierung behauptet, weder die CPT noch die CAT ?haben Schlussfolgerungen gezogen, die in einem konkreten Fall die Existenz von Folter bestätigen?. Lediglich ?Empfehlungen? seien abgeben worden.

In den Berichten von CAT und CPT hörte sich das aber ganz anders an.  http://www.cpt.coe.int/en/press/20030313en.htm Spanien biete keine Garantien gegen Folter, hatte die Kommission des Europarats im März erklärt. Sie hatte einen Bericht veröffentlicht, den Spanien seit Jahren zurückhält. Darin dokumentieren Spezialisten des CPT Folterspuren, die sich mit den Aussagen der Opfer decken. Bei Blitzbesuchen hatte sie sich im Juli 2001 Zugang zu Gefangenen Basken verschafft. Die ?Sackgasse? müsse verlassen werden, mit der sich die Diskussion mit Spanien über Folter befände, hatte das CPT erklärt. Wie auch die UNO und amnesty international kritisierte die CPT die meist fünftägige Kontaktsperre, in der die Gefangenen weder Kontakt zu einem Anwalt oder Arzt des Vertrauens haben, als ein Mittel das Misshandlungen erleichtere.

Die Regierung beschwört dagegen weiter die Existenz einer ?Strategie der ETA und ihrem Umfeld?, Folter vorzuschieben. Amnesty international, die Spanien erst in der letzten Woche in ihrem Jahresbericht erneut angegriffen hat, wurde auf den Weg gegeben, ihre Vorwürfe mit Daten offizieller Stellen zu kontrastieren. Einer der von amnesty angegriffenen Fälle war der von Unai Romano.  http://www.jungewelt.de/2003/06-03/004.php und  http://www.jungewelt.de/2003/06-04/005.php Schließlich sei Folter in Spanien ein Delikt, aber es gäbe keine Verfahren gegen Folterer.

Dafür läuft gerade seit Montag zum zweiten Mal das Verfahren gegen die staatlich beauftragten Mörder des Parlamentariers von Herri Batasuna (HB/Volksunion), Santi Brouard. Der Kinderarzt wurde vor 19 Jahren in seiner Praxis von den Todesschwadronen GAL niedergeschossen. 1993 konnten zunächst nur zwei Söldner der staatlichen beauftragen Mörder verurteilt werden, die für die damalige Sozialistische Regierung agiert haben.

Schon jetzt sind interessante Tatsachen auf den Tisch gekommen. So haben sowohl der Ex-Polizist José Amedo als auch der Unternehmer José Luis Morcillo plötzlich ihrer Geständnisse aus dem Jahr 1999 widerrufen, aber sich in zahlreiche Widersprüche verwickelt. Auch die Beschuldigungen gegen die politischen Verantwortlichen, wie den Ex-Zivilgouverneur Julián Sancristobal zogen sie zurück. Der dritte Angeklagte, der Ex-Guardia Civil Beamte und Drogenhändler Rafael Masa schwieg dagegen. Ohnehin ist für die Familie des beliebten Politikers klar, dass erneut nur die Bauernopfer auf der Anklagebank sitzen. Die politisch Verantwortlichen, wie ein Ex-Innenminister und der ehemalige Staatssekretär für Sicherheit wurden bisher nur wegen Entführung verurteilt und sind durch die neue konservative Regierung längst begnadigt worden.

So kam schon jetzt heraus, dass Morcillo zunächst völlig unbehelligt in Spanien lebte und sich schließlich mit einem neuen Pass aus dem Innenministerium nach Südamerika absetzte. Obwohl ein Internationalere Haftbefehl gegen ihn anhängig war, konnte er auf den spanischen Vertretungen ungehindert seine Papiere erneuern und mehrfach nach Spanien einreisen. Verhaftet wurde er dann wegen Drogenhandel, ein Nebengeschäft der Staatsterroristen.

© Ralf Streck, Donostia-San Sebastian den 03.06.2003
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Ergänzungen

¿was heißt eigentlich.....

yo 05.06.2003 - 14:55
..... "gal" und welche bedeutung hat diese ¿organisation? im zusammenhang mit der ganzen thematik?

nur so am rande

ef 05.06.2003 - 15:04
ZU GAL weiß ich leider nix, ...aber nur so am Rande: Fermin Muguruza hat in Evian (bzw. Annemasse) das halbe Konzert mit Manu Chao zusammen gespielt, dabei durften Hits von FM Dub Manifest und Kortatu (Sari sari...)nicht fehlen, und Fermin hatte'n Shirt von Egunkaria an. Hat zwar nich viel zu bedeuten, mich hat's trotzdem gefreut... ;-) Grüße nach Donostia, t etxo d -, agur

05.06.2003 - 22:45
Ich dachte eigentlich das die GAL bekannt wäre. nun gut, GAL war ein Todesschwadron welches zwischen 1983 und 1987 mit Geldern des spanischen Innenministeriums operierte. Bevorzugtes Operationsgebiet war das französische Baskenland, um so Frankreich zur Auslieferung von baskischen Flüchtlingen an Spanien zu bewegen, aber auch in Spanien gab es mehrere Opfer. Damals soll es für einen toten Basken 50.000 DM und für ein totes ETA-Mitglied 100.000 DM gegeben haben. Teilweise wurde in Bars von baskischen Flüchtlingen wahllos mit MG´s reingeballert.
Als Frankreich dann seine Außenpolitik änderte und baskische Flüchtlinge an Spanien abschob, verschwand die GAL wieder. Wie sich später rausstellte steckte hinter der GAL die Spanische Regierung unter Felipe Gonzalez. Einigen Drahtziehern wurde der Prozeß gemacht mit Urteilen von 72 Jahren Gefängnis, allerdings wurde diese von der Aznar-Regierung schnell begnadigt.

Einer sitzt noch

Ralf 05.06.2003 - 23:25
einer sitzt noch der GAl-Chef, wollte sagen Guardia Civil Chef, der zu 72 Jahren verurteilt wurde wegen Mord an zwei Jugendlichen, die sie totgefoltert haben, nachdem sie aus dem französischen Baskenland entführt wurdne. Doch die Bedingungen von Galindo sind super. Er sitzt in Militärhaft, obwohl er längst aus der Militäreinheit, die Spanien ja immer als Polizei bezeichnet rausgeworfen wurde. Während baskische Gefangenen nicht einmal mit schweren Krankheiten Haftverschonung begkommen, sieht das bei den Gal-Mörder anders aus. Der General durfte trotz bester Gesundheit Weihnachten und Neujahr in Freiheit mit seiner Familie verbringen. Dabei wurde er erst vor zwei Jahren verurteilt, weitere Verfahren stehen aus. Ausgerechnet der Verteidigungsminister hat die Vergünstigung gewährt, obwohl Galindo aus der Guardia Civil entlassen wurde und das Verteidigungsministerium nicht mehr zuständig ist. Von Abschwören oder aktiver Mithilfe zur Aufklärung der staatlichen Morde ist bei den Staatsterroristen natürlich keine Rede um Hafterleichterungen zu bekommen.

Galindo sitzt also weiter unter „Bewachung“ seiner Kameraden in Militärhaft und die Regierung bastelt an seiner Begnadigung, wie sie zuvor fast alle seiner staatsterroristischen Kollegen begnadigt hat. Die Tatsache, dass sich kürzlich der Oberste Gerichtshof gegen die Begnadigung ausgesprochen hat, wird daran nichts ändern. Der General, der zwar im Auftrag der sozialistischen Vorgängerregierung auf Menschenjagd ging, weiß zu viel, auch über die Verwicklungen der konservativen Nachfolger. Außerdem hat erst kürzlich der PP-Gründer Fraga neue Aktionen der Todesschwadrone angekündigt; zuvor hatte der Ex-Polizeichef bestätigt, dass der „schmutzige Krieg“ nie aufgehört hat. Die letzte Hürde, die Entschädigung seiner Opfer hat er hinter sich gebracht.

ich dachte gal heißt grün alternative liste

honc 07.06.2003 - 01:29