Hamburg: Demo gegen Bildungsklau (Teil 1)

Das Bo 15.12.2003 22:48 Themen: Bildung Freiräume Repression Soziale Kämpfe
Verdi und GEW hatten heute zu einer Demo gegen Bildungs- und Sozialabbau aufgerufen. Mit etwa 5.000 - 6.000 Teilnehmern zog die erstaunlich bunt gemischte Demo durch die Innenstadt. Die Route über die Mönckebergstraße war im Vorfelde verboten worden.
„Das lassen wir uns nicht gefallen!!“

Die Frau, die für die Veranstalter vom Lautsprecherwagen aus redete, war hörbar wütend. Sie erzählte, wie die ursprüngliche Route verboten wurde, wie die Veranstalter Revision einlegten, wie sie wieder und wieder vor Gericht abblitzten. Die Argumente der Polizei: es sei mit einem Block innerhalb der Demo zu rechnen, der erhebliches Gewaltpotential aufweise, so dass die Polizei bei einer Route über die Mönckebergstraße nicht in der Lage sei, die Situation zu beherrschen.

Diese Behauptung wirkte jedoch höchst unglaubwürdig, wenn man sich das Aufgebot anschaute, was für den heutigen Abend bereitgestellt worden war: es erinnerte eher an Staatsbesuch aus den USA als an eine Demo, die zu einem großen Teil aus Schülern, Studenten und wegen des Kita-Skandals gefrusteten Mütter mit Kinderwagen bestand.
Nun erleben also auch die Gewerkschaften, was „Bambulisten“ und ähnliche Gruppen schon zur Genüge kennen: der Senat, auch wenn er momentan in seiner derzeitigen Form in den letzten Zügen liegt, lässt noch einmal deutlich erkennen, dass ihm die Meinung der Bevölkerung deutlich am A**** vorbeigeht.

Sah die Demo kurz vor dem Start noch wie eine „gewöhnliche Gewerkschaftsdemo“ aus, die zudem noch nicht einmal sonderlich gut besucht schien, passierte auf einmal Erstaunliches: die Menge wuchs nach wenigen Minuten auf ca. 5.000 – 6.000 Leute an, die aus den unterschiedlichsten sozialen Zusammenhängen stammten. Da waren Gruppen von Schülern, Leute von der HWP, Gewerkschaftsmitglieder, attac, Ex-Bambule (oder wars die „Henriette“?) mit einem bunten Treckergespann, die Falken mit ihrem Falken-Flitzer, der tüchtig Musik machte, ein wenig weiter vorn eine Samba-Gruppemit viel guter Laune um sich herum, dann eine ganze Reihe Schwarzgekleideter mit der Botschaft „Bambule hat noch einen gut“, dann Mütter mit Kinderwagen, Bündnisse gegen Privatisierung, die politische Ecke mit PDS und Regenbogen… dieses ganze bunte Durcheinander in sich aber ziemlich einig, ein guter Abend, um Vorurteile und Vorbehalte abzubauen.

Nach dem Start schwenkte die Demo einmal um den Hauptbahnhof herum, flankiert von einer martialischen Polizeikette, die die Mönckebergstraße hermetisch abriegelte, es ging über den Jungfernstieg an der Binnenalster entlang (wobei vom Rathaus her ein eisiger Wind, über die Wasserwerfer hinweg, dem Zug entgegenwehte), zum Gänsemarkt, und schließlich weiter durch kleine enge Straßen zum Großneumarkt, wo an einer Bühne noch eine Abschlusskundgebung gemacht wurde. Während ein paar Meter weiter Feuerspucker zeigten, dass sie was drauf haben, sprachen auf der Bühne unter anderem Gewerkschaftsvertreter, jemand aus dem Kitabereich, eine Studentin, die die momentane Situation an der Uni verdeutlichte, und der Schauspieler Rolf Becker, der sehr gesellschaftskritische Töne anschlug. Aufgrund der eiskalten Temperaturen dünnte sich die Menge allerdings schnell aus, da half auch die tolle Sambagruppe nicht mehr, die noch einmal ihr Bestes gab.

Mein persönliches Fazit: auch wenn die Demo nur mittelgroß war (vielleicht, weil die Gewerkschaften dafür mobilisiert haben???), konnte man deutlich spüren, dass sich die Kluft zwischen Bauwagenbewohnern, Anarchisten, Gewerkschaftlern, Studenten und Alleinerziehenden merklich verringert hat: alle sitzen in einem Boot und ziehen zunehmend an einem Strang. In Anbetracht der neuen Bürgerschaftswahl im Februar, so konnte man immer wieder hören, werden sich die Parteien daran messen lassen müssen, wie sie mit der Bildungs- und Sozialpolitik umzugehen gedenken. Daß im Wahlkampf viele hohle Worte kommen werden, ist den meisten klar. Vielleicht kann ja ein neues linkes Wahlbündnis den Senat ein wenig aufmischen, für das fleißig Flyer verteilt wurden. Ob es dieses geben wird und in welcher Form, kann am Donnerstag um 19:30 in der HWP im Rahmen einer öffentlichen Diskussion beraten werden.

PS: Es gab im Verlauf der Demo keinerlei Ausschreitungen, nur hunderte durchgefrorene Polizisten.
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Ergänzungen

weitere Fotos und Pressespiegel

Michel Alexander 16.12.2003 - 15:15
Die SchülerInnenkammer Hamburg bietet als MitorganisatorIn ebenfalls Bilder und einen Rückblick samt Pressespiegel an.

@dabeigewesener

Das Bo 16.12.2003 - 23:02
Stimmt, Du hast recht... ein Totenkopf war auch noch drauf.

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rote fahne? — dabeigewesener