Aktionen zu Martin Luther

Thomas Müntzer auch nicht nur ... + überarbeitet 12.12.2003 11:47 Themen: Kultur Medien
[English Version]
Luther ... Antisemit, Reaktionär und Sozialrassist.Es lohnt sich, den Film "Luther" zu besuchen - nicht wegen dessen Inhalt, sondern all dem, was der Film verschweigt. In dem von der evangelischen Kirche finanzierten Film wird nicht ansatzweise erwähnt, dass Antisemitismus, Frauenfeindlichkeit und ein genereller Hass auf konstruierte Randgruppen fester Teil von Luthers Weltanschauung war...
(Termine; Links usw. im Feature).
Am Freitag, den 12.12. eröffneten im Raum Gießen die ersten Ausstellungen mit kritischen Hintergründen zu Martin Luther, Flugblätter wurden und werden vor Kinos verteilt. Pressearbeit und bislang drei geplante Informationsabende werden noch folgen ... Martin Luther kommt in und um Gießen unter Druck: Er selbst mit seinem widerlichen Antisemitismus, seinen Vernichtungsphantasien gegen Juden, Behinderte, aufständische Bauern, Hexen und Zauberer sowie seinem sexistischen Frauenbild. Die schweigenden Kirchen und die Religionen selbst werden ebenfalls angegriffen

Luther ... Antisemit, Reaktionär und SozialrassistEs lohnt sich, den Film "Luther" zu besuchen - nicht wegen dessen Inhalt, sondern all dem, was der Film verschweigt. In dem von der evangelischen Kirche finanzierten Film wird nicht ansatzweise erwähnt, dass Antisemitismus, Frauenfeindlichkeit und ein genereller Hass auf konstruierte Randgruppen fester Teil von Luthers Weltanschauung war: In unmißverständlichen Formulierungen träumte er vom feurigen Ende aller Juden, vom Ersäufen von "behinderten" Menschen in der Gosse, vom Morden an den aufständischen Bauern usw. Seine Schriften dokumentieren den Hass auf alles Abweichende, der sich als roter Faden durch Luthers Gedankenwelt zieht. Der Reformator könnte ohne Skrupel als Vordenker der Nazis bezeichnet wird - Hitler und die evangelische Kirche im Dritten Reich sahen das auch so. Eine kritische Auseinandersetzung mit Luther ist offenbar nicht gewollt - einige Feuilleton-RedakteurInnen haben bereits die kritische Informationen zu Luther abgelehnt. Die evangelische Kirche und viele patriotische Gruppen in Deutschlands feiern Luther als wichtigen Gesellschaftsgestalter und beziehen sich ungebrochen positiv auf den geistigen Brandstifter und Sozialrassisten.

Einige Zitate
"Wie es unmöglich ist, daß die Aglaster ihr Hüpfen und Getzen läßt, die Schlange ihr Stechen: so wenig läßt der Jude von seinem Sinn, Christen umzubringen, wo er nur kann."
(Tischreden. Erlanger Ausgabe der Werke Luthers, Bd. 62, S. 375)

"Darumb wisse Du, lieber Christ, und Zweifel nichts dran, daß Du, nähest nach dem Teufel, keinen bittern, giftigern, heftigern Feind habest, denn einen rechten Jüden, der mit Ernst ein Jüde sein will."
(Luther: Handbuch der Judenfrage, S. 182)

Luther Antisemitische Klischees bis hin zur Auslöschungsphantasien . Sein religiöser Eifer, der sich in der Vernichtung der jüdischer Menschen im Geiste und später dann auch materiell niederschlägt, geht soweit, dass er offen dazu aufruft, dieses Werk zu vollstrecken ... hier der Anfang seines Sieben-Punkte-Plans:

"Ich will meinen treuen Rat geben.
Erstlich, daß man ihre Synagoge oder Schule mit Feuer anstecke, und was nicht verbrennen will, mit Erde überhäufe und beschütte, daß kein Mensch einen Stein oder Schlacke davon sehe ewiglich.. Zum andern, daß man auch ihre Häuser desgleichen zerbreche und zerstöre. Denn sie treiben eben dasselbige darin, was sie in ihren Schulen treiben ..."
(Luther: Von den Jüden und ihren Lügen. Erlanger Ausg. Bd. 32 S. 233-238)

Nazis bezogen sich positiv auf Luther
Besonders gemein: In seinen Thesen schlägt Luther die Verwertung nützlicher Juden vor - die Konzentrationslager der Nazis sind davon gedanklich nicht mehr weit entfernt: "Siebtens soll man den jungen, starken Juden und Jüdinnen Flegel, Axt, Spaten, Rocken und Spindel in die Hand geben und sie ihr Brot verdienen lassen imSchweiße des Angesichts." Somit ist es auch kein Zufall, dass sich Adolf Hitler 1923 positiv auf Luther bezog: "Luther war ein großer Mann, ein Riese. Mit einem Ruck durchbrach er die Dämmerung; sah den Juden, wie wir ihn erst heute zu sehen beginnen." Bei den Nürnberger Prozessen beriefen sich die Nazis ausdrücklich auf Luthers Anti-Juden-Schriften. Auch die Kirchen selbst bezogen sich in der NS-Zeit auf Luther: In den Weihnachtstagen 1941, als die letzten noch lebenden Juden in Deutschland verpflichtet waren, einen Judenstern auf ihrer Kleidung zu tragen, erklärten sieben deutschchristliche Landeskirchenführer - und dem schloss sich die Deutsche Evangelische Kirchenkanzlei an - : "Als Glieder der deutschen Volksgemeinschaft stehen die unterzeichneten deutschen Evangelischen Landeskirchen und Kirchenleiter in der Front dieses historischen Abwehrkampfes, der u.a. die Reichspolizeiordnung über die Kennzeichnung der Juden als der geborenen Welt- und Reichsfeinde notwendig gemacht hat, wie schon Dr. Martin Luther nach bitteren Erfahrungen die Forderung erhob, schärfste Maßnahmen gegen die Juden zu ergreifen und sie aus deutschen Landen auszuweisen." (Günter Brakelmann/Martin Rosowski (Hg.), Antisemitismus, Seite 108, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 1989).

Luther und die Frauen
Frauen waren für Luther, auch wie für fast alle in seiner Zeit, ein nettes Beiwerk zur Produktion der Nachkommen. Ebenso befürwortete er die Hexenverbrennung:

"Der Tod im Kindbett ist nichts weiter als ein Sterben im edlen Werk und Gehorsam Gottes. Ob die Frauen sich aber auch müde und zuletzt tot tragen, das schadet nichts. Lass sie nur tot tragen, sie sind darum da."

"Die größte Ehre, die das Weib hat, ist allzumal, dass die Männer durch sie geboren werden."

"Die Zauberinnen sollst du nicht leben lassen... Es ist ein gerechtes Gesetz, dass sie getötet werden, sie richten viel Schaden an."
(Predigt von 1526, Weimarer Ausgabe 16, S. 551)

Antisemitismus
Hass gegen das Andere
"Wenn man aber von den teufelsähnlichen Kindern erzählt - so halte ich dafür - dass es wahre Teufel sind."

Warum tötet man die Ehebrecher nicht? ? Luther fordert den Tod untreuer Partner

Luther und die Bauernaufstände
Luther war ebenso auch ein erklärter Gegner der Bauernaufstände. Hier zeigt sich seine obrigkeitshörige Haltung

"Ich bin der Meinung: es ist besser, dass alle Bauern erschlagen werden als die Fürsten und Obrigkeiten und zwar deshalb, weil die Bauern ohne Gewalt von Gott das Schwert nehmen: Deshalb gebührt den Bauern keine Barmherzigkeit, keine Geduld, sondern der Zorn und Unwillen Gottes."

"Steche, schlage, würge hie, wer da kannBleibst du darüber tot, wohl dir, einen seligeren Tod kannst du nimmer mehr erlangen"".(Luther über die aufständischen Bauern, Weimarer Ausgabe 18, S. 357 f)

Reaktionär Luther
Ebenso widerlich auch seine Verehrung der mittelalterlichen Fürsten als Heilbringer für das ?Volk?:"Es ist besser, wenn Tyrannen hundert Ungerechtigkeiten gegen das Volk verüben, als dass das Volk eine einzige Ungerechtigkeit gegen die Tyrannen verübt."

Aktionen
Der Film läuft überall. Kirchen gibt es überall, Lutherdenkmäler an vielen Stellen. Lutherstraßen und -plätze, Lutherberge, -schulen und -universitäten ebenfalls. Eine der widerlichsten prominenten Personen, die Adolf Hitler weder in den Grundpositionen noch im Vernichtungswahn nachsteht, wird in Deutschland überall gefeiert. Wer dagegen aktiv werden will, kann mit eigenen Ideen loslegen. Die in Gießen entstandenen Aktionsmaterialien können genutzt werden:
- Ein Flugblatt (A4 beidseitig) ist als PDF-Download im Netz vorhanden.
- Eine Plakateserie gibt es ebenfalls als PDF-Download im Netz. Sie kann als Ausstellung in Kinos, Schulen usw. untergebracht werden. Vielleicht stellt sich ja auch die eine oder andere Kirche der Debatte und bringt die A3-Plakate unter.

In und um Gießen sind zudem Straßentheateraktionen geplant ... wenn genug Menschen Lust haben, auch wieder Weihnachten vor den Kirchen.

Ausstellung zu Luther mit Zitaten & Co:
- Ab Samstag, 12.12.2003 im Kino Traumstern (Lich)
- Ab Dienstag, 16.12.2003 im Infoladen, Alter Wetzlarer Weg 44 (Gießen)
- Ab sofort in der Projektwerkstatt, Ludwigstr. 11 (Reiskirchen-Saasen)

Info- und Diskussionsveranstaltungen (offen für alle)
- Sonntag, 21.12.2003, nach dem Film (ca. 21.45 Uhr) im Foyer des Kino Traumstern (Lich, Gießener Str. 15)
- Dienstag, 23.12.2003, bei der Vokü (lecker Essen) im Infoladen ... ab ca. 21 Uhr
- Mittwoch, 24.12.2003, Anti-Weihnachten in der Projektwerkstatt ... ab ca. 18 Uhr mit Gratisessen, Filmen und mehr

Internet
- Kritische Seite zu Luther: www.luther-der-film.de.vu
- Die Seite des Films: /www.luther-der-film.de(mit Diskussionsforum)
- Religionskritik: projektwerkstatt.de/religion
- Herrschaftskritik, Utopien ...: herrschaftsfrei.de.vu
- Ideen für kreative Aktionen allgemein: direct-action.de.vu
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Ergänzungen

Vorsicht mit Begriffen!!

Jos Fritz 12.12.2003 - 12:10
Vom heutigen Stnadpunkt aus ist es vieleicht richtig Luther Antisemitismus zu unterstellen. ABER per Deffinition ist Antisemitismus ein Phänomen der Neuzeit. Zur Zeit Luther muss von einem "einfachen" Judenhass ausgegangen werden. Dieser war leider weit verbreitet. Spanien war z.B. dank der Spanischen Inqisition (eine besondere Form der Inquisition, da diese nicht dem Pabst unterstand) und dem fundamentalistischen Katholizismus "Juden- und Moslemsfrei" seit 1492 (Fall von Granada /glaube ich). Zur Neuzeit waren "Juden" nach der Taufe Christen, was bei dem Antisemistismus der Moderne nicht so ist, da hier aus einer Religion und Kultur ein VOlk konstruiert wird.

Aber wie gesagt, dass ist eine kleine Wortkritik, da Luther seine Judenfeindlichkeit gerne betont hat.

@dummdödel und andere einfühler

xxx 12.12.2003 - 15:31
es ist mitnichten sinnfreien die heutige rezeption von luthers lehren in ihrem geschichtsverfälschenden duktus zu kritisieren. zumal mit eben jenen lehren auch heute noch argumentiert wird und soziokulturell wirken - auch nach "sovielen" jahrhunderten.

im übrigen ist die kontextualisierung des betrachteten objekts immer nur die halbe (bestenfalls) analyse.

hmm,

cptn. future 12.12.2003 - 18:11
ob die menschen in 500 jahren, wenn der indy-datenschrott dereinst geborgen wird, auch so wohlmeinend über die linke urteilen werden? "man darf diese sonderbaren diskussionen nicht an unseren heutigen maßstäben messen. damals, 2003, da gehörte der antisemitismus auch bei den sich für fortschrittlich haltenden menschen zum guten ton"

Kritische Hintergründe

J. Hoffheinz 13.12.2003 - 21:08
Der Film konstruiert einen deutschen Helden. Die Dekonstruktion ist ein seriöseres Anliegen. Luther als Vorläufer? Nein, aber als Teil der Gemengelage, die es Hitler als einem unter vielen rechten Demagogen ermöglichte die Macht zu haben auch Gedankengut umzusetzen, dass dieser teilte. Die Darbietung der Geschichte im Film ist, wenn historischer Anspruch erhoben wird - und da die Kirche finanziert ist dies evident - zu kritisieren. Kritische Hintergründe eines solchen Geschichts-bewusstseins gehören in den Fokus unserer Aufmerksamkeit. Nicht Luther ist der Schurke sondern ...
Luther wurde auch schon in anderer Rezeptur angeboten z.B. in der DDR.
Auch der Junker Jörg ist eine Facette Luthers und wenn wir uns in der Kritik des lutherschens Jahrhunderts einig sind können wir Ihn darin auch gelegentlich als Wegbereiter unseres in wneigen Weltgegenden besseren Zeitalters sehen. (Der Film ist in diesem Sinne unterbelichtet und seine Kritik sollte den Anspruch haben nicht anderes auszublenden).

judenhaß auf den begriff gebracht

Prof. Bienlein 16.12.2003 - 10:26
Zur Unterscheidung von (modernem) Antisemitismus und (neuzeitlichem) Antijudaismus siehe auch den ersten Teil von Hannah Arendts >Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft<: Antisemitismus, München 1986

Es geht hier nicht um Wortklauberei, sondern um Begriffe und damit um eine Theorie des Antisemitismus. Die Projektion der Moderne auf das Mittelalter oder die beginnende Neuzeit und damit die universelle Verwendung EINES Begriffs für verschiedene Arten des Hasses auf Juden, vor dem Hintergrund jeweils ganz unterschiedlicher gesellschaftlicher Bedingungen, ist mit einer Kritischen Theorie des Antisemitismus nicht vereinbar. Leider habe ich den Eindruck, daß es vielen, die in guter Absicht gegen Antisemitismus streiten nicht ernsthaft um eine solche Theorie geht.

Luther war u.a. Antijudaist. Antisemiten haben an ihn angeknüpft.

Bla bla bla

atheistischer katholik 16.12.2003 - 19:03

Ihr habt doch alle einen Knall.
Ihr seid tatsächlich "Pharisäer".
Warum vertraut ihr nicht einfach auf die Weisheit des Jüngsten Gerichts? Wenn Gott existiert, dann wird er auch Luthers Sünden nicht ungestraft lassen.

Der Film verschweigt zwar manches über Luther, aber er verteidigt seinen Antisemitismus etc. auch nicht.
Man kann dem Film vorwerfen, daß er die historische Wirklichkeit so zurechtmodelt, daß Luther dasteht wie ein Vorläufer unserer heutigen demokratischen Werte. In gewisser Weise stimmt das sogar, auch wenn Luther selbst davon nichts ahnte und das in Wirklichkeit eben viel viel komplizierter und verworrener war als es der Film uns glauben machen will. Das (Massen)Kino hat nun mal seine eigenen Gesetze.
Genau wie so ein Forum auf Indymedia. Strukturbedingt sind hier dumme, aber laute Argumente regelmäßig wirksamer als die leiseren, klügeren. Daran ist nicht die Dummheit der (individuellen) User schuld, sondern die Gesetzmäßigkeiten der öffentlichen "Debatte", bei der alle und jeder gleichberechtigt mitquasseln dürfen.
(Nein nein, ich will keine Zensur!!)

Im übrigen dürft ihr nicht glauben, die Ablehnung des Antisemitismus und der Frauenfeindlichkeit verstünden sich zu allen Zeiten einfach von selbst. Wenn der Judenhaß heute Gott sei Dank geächtet ist, dann ist das nicht einfach das Verdienst von uns Gutmenschen, sondern in gewissem Maße auch einfach eine (hoffentlich nicht so bald) vorübergehende Zeiterscheinung. Wenn man nur bedenkt, daß vor 30 Jahren ein großer Teil der LInken mehr oder weniger offen mit terroristischer (palästinensischer) Gewalt sympathisiert hat, mochte sie so judenfeindlich daherkommen wie sie wollte. Die gleichen Schreihälse, die heute gegen den Film protestieren, verlangten damals "Solidarität" mit den Tätern. Nicht ein und die selben Personen, aber eben doch Typen von identischem Zuschnitt. Hätten sie vor 30 Jahren gelebt, hätten sie eben "USA-SA-SS" gebrüllt. Die Sorte stirbt nicht aus. Erst galt ihnen das Privateigentum die Wurzel allen Übels, dann die Familie, dann die Umweltverschmutzung, dann der Kommunismus, jetzt die Globalisierung und morgen vielleicht schon wieder die Juden. Wer weiß?

Darum bin ich der Meinung, daß es besser ist, nicht zu viel über Luthers Judenhaß zu reden, denn der Schuß könnte nach hinten losgehen. Woher nehmt ihr denn die Gewißheit, daß der Durchschnittsbürger daraufhin seine Meinung über Luther ändern wird -- und nicht über die Juden?
Es gibt Autoritäten, die lassen sich nicht so leicht erschüttern. Neben Luther wäre das z.B. das Alte und Neue Testament, die Scharia oder das Kommunistische Manifest. Problematisch wäre der Film dann gewesen, wenn er Martin Luther auch als Antisemiten in einem positiven Licht gezeigt hätte. Wenn ihr lang genug schreit, wird es auch einen solchen Film früher geben, als euch lieb ist.

s.c.a.r.y.

Pylades 17.12.2003 - 15:44
Es ist erstaunlich...was zu letzt, im Bezug auf den Lutherfilm, hier geschrieben stand!

Martin Luther war ein Mann, der sich mit Sicherheit einen Namen gemacht hat. Das war zu Zeit als er lebte und wirkte so und hällt bis heute an. Dass Luther kein Held war, welcher durch seine uneigenützige Tollkünheit, die böse große römisch katholische Kirche zum guten gewendet hat, müsste jedem klar sein, der im herkömmlichen Schulunterricht von ihm hörte. Ohne die guten Beziehungen zu ihm wohl gesonnenn Adligen, hätte er es nie vollbracht sich so erfolgreich gegen Rom aufzulehenen. Martin Luther lehnte sich sehr weit aus dem Fenster, als er zum Beispiel die Thesen anschlug oder öffentlich gegen Ablass wetterte. Doch es stellt sich noch die Frage wem diese "Reformation" (Transformation "Kirchen Modell 2") am meisten von Nutzen war? Der durchschnittleiche Reformierte führte unter der neuen Kirche ein nicht weniger hartes Leben, es waren nur neue und veränderte Regeln, welche er einzuhalten hatte. Was sich allerdings veränderte, waren die Wege des Geldes aus den beuteln der Menschen. Wo Ablass und damit verbürgte Eintrittskarte ins Paradies, ein super Geschäfft für Rom waren, standen nun mehr Steuern und Vorderungen des "beschützenden" Adels.

Daher sollte man sich nach meiner Meinung schon im Vorfeld überlegen , ob man sich einen Film im Kino anschauen muss, der propagiert das es in Deutschland eine Reformation gegeben hätte, der die Motivation zu Grunde gelegen hätte, den Menschen das Leben zu erleichtern.

Was hier über Luther als Feind von Juden, Frauen oder Minderheiten geschreiben stand, erscheint mir aus diesem Gesichtspunkt auch nicht unlogisch, da eine Marionette des Adels mit Toleranz, Nächstenliebe oder gar der Befreiung von Menschen nicht viel zu tun haben kann!

luther = zwiespältiger mensch

anna nühm 18.12.2003 - 02:44
hallo!

mit erschrecken lese ich den aufruf gegen den luther film zu protestieren. ich habe den film gesehen, fand auch, das er luther 'schönfärbt' und das er wichtige elemente der person einfach ausblendet weil sie stören. deswegen hat mir der film auch nicht so gut gefallen, weil er sich zu positiv gibt. aber...aber....

'Eine der widerlichsten prominenten Personen, die Adolf Hitler weder in den Grundpositionen noch im Vernichtungswahn nachsteht, wird in Deutschland überall gefeiert'

díese aussage auf die gesamte person luther zu beziehen ist schlicht weg falsch. sein judenhass entwickelte sich erst mit seinem alter, sprich in seinen jüngeren jahren hat er noch ganz anders (positiv) über die juden geredet und auch andere (in ansätzen demokratische, 'sozialistische' ('von der freiheit eines christenmenschen')) ideen verbreitet. wer sich nun ganz auf diese facette von luther einschießt (die mitnichten schön ist) der verkennt voll und ganz die andere seite. deswegen ist dieser mensch auch so interessant. er ist nicht nur gutmensch sondern auch ein mensch zum aufregen. er reißt den menschen auch vollkommen aus dem kontext seiner zeit, man kann nicht einfach über personen mit unseren heutigen wertmaßstäben urteilen, und dies nicht zuletzt, weil unsere wertmaßstäbe, bzw. unsere art zu denken und zu forschen mit großem anteil auf luther zurückgehen! die reformation, der buchdruck und die entdeckung amerikas waren die drei großen ereignisse, welche das moderne welt- und menschenbild mitprägen.
luther soll und mag man kritisch bewerten, aber ihn nur auf seinen judenhass zu reduzieren, reduziert diesen menschen auf ein minimum, und wird ihm nicht gerecht!

netten gruß
anna

Nicht Luther, sondern den Lutherpathos!

Gegen Herrschaft! 19.12.2003 - 11:13
Die Hinweise, daß Luther in einer anderen Zeit gelebt hat, sind richtig. Glaubt hier jemand, das sei nicht bekannt, dass er schon länger tot ist? Aber was soll dieser Hinweis? Aus zwei Gründen halte ich den für gefährlich:

1. In der Sache selbst:
Wenn es schon zu einer Entschuldigung wird, wenn jemand Scheiße baut oder redet, dass das auch viele andere tun, ergäbe sich eine ganz neue Gemengelage für emanzipatorische Kritik. Dann ist nämlich plötzlich alles irgendwo o.k. oder zumindest verständlich. Emanzipatorische Kritik aber ist vorwärtsdrängend und orientiert sich an der Befreiung der Menschen.
Ohne das in der Sache vergleichen zu wollen, wäre doch auch das Prinzip der Argumentation völlig sinnlos, wenn es hieße: "Als Hitler an der Macht war, haben viele so gedacht. Deshalb muß man Hitler als Kind seiner Zeit sehen ... blabla".
Ich argumentiere lieber entlang der Aussagen. Als Person mag Luther entschuldbar sein mit dem Hinweis, dass viele so eine Scheiße dachten. Inhaltlich ändert das nix.

2. In Bezug auf heute:
Luther zu kritisieren, macht gar keinen Sinn, wenn Luther gemeint ist. Der ist nämlich tot. Und zwar schon lange. Die Kritik muß daher die treffen, die heute einen positiven Bezug auf Luther setzen - und zwar auf ihn als Ganzes. Es wäre ja noch etwas anders, wenn gesagt würde: Naja, da und da hatte er recht, da und da hat er aber auch Scheiße geredet. So ist es aber nicht. Luther ist der wichtigste theologische Vordenker der evangelischen Kirche und zudem hochgeschätzt als Teil der deutschnationalen Geschichte. Hier findet sich seltenst bis nie etwas kritisches. Luther wird in der Kirche unkritischer übernommen als z.B. Steiner bei den Anthros (und dort ist es schon grauselig).
Der Skandal an Luther und auch am Film ist, daß Luther ein Held ist. Es hätte den Film sogar eher spannender gemacht, wenn auch die Widersprüche gezeigt worden wären, aber es lag offenbar im Interesse der MacherInnen und des Finanziers aus Kirchenkreisen, daß das alles nicht gesagt wird. Da liegt der Skandal. Luther ist schon tot, die Kirche und alle klerikalen, deutschnationalen und sonstigen Kreisen, die Luther zu ihrem Helden machen, müssen in die Ziellinie der Kritik.

Warum macht Ihr das?

Diet Simon 25.12.2003 - 01:03
Warum machen diese Aktivisten das? Ich habe in Allem, was ich von ihnen publiziert gesehen habe, nach einer Erklärung gesucht, was sie erreichen wollen. Ich habe keine gefunden. Mehrere Anfragen an sie blieben unbeantwortet. Es ist ja an und für sich ein spannendes Thema, aber könnte es sich hier um Aktion der Aktion willen handeln?

Aktion und Stress in Grünberg

Flugiverteili 25.12.2003 - 21:11
Heute (25.12.) lief in Grünberg der Film Luther an. Vorher wurde die Besitzerin des Kinos (Apollo und Turm) gefragt, ob sie einverstanden wäre, im Kinofoyer oder ähnlich eine Ausstellung zu schaffen und Flugblätter vor dem Film zu verteilen. Sie untersagte das und legte sofort auf.
Um 17 Uhr standen heute vor der Erstaufführung Leute vor dem Kino und verteilten Flugies an die ca. 20-30 Gäste (mehr war nicht). Nach kurzer Zeit kamen die Bullen und machten eine "anlaßunabhängige Personalienkontrolle" - zufällig nur bei denen, die Flugblätter verteilten. Dann holten die Bullen die Kinobesitzerin, schließlich wollten sie noch die Anweisung zum Runterschmeißen vom Parkplatz und Gehweg. Die Besitzerin erteilte die und einer der beiden Bullen schmiß einen Flugblattverteiler spektakulär vom Parkplatz. Auf die anderen hatten sie dann aber doch erstmal keine Lust mehr. Es kam auch nur noch ein Fahrzeug und dem wurden die Flugies noch auf der Anfahrt gegeben. Die Bullen hatten weitere Verstärkung angefordert. Ein Gefangenentransporter und ein Zivilwagen kamen, als die FlugiverteilerInnen gerade wieder gingen.

@günther

icke 30.12.2003 - 23:15
luther ist deshalb wichtiger als karl der grosze z.b., weil nicht nur kirchen, sondern auch im allgemeinen die gesellschaft sich positiv auf diese person bezieht. deswegen finde ich es schon angemessen und irgendwo auch notwendig, das oeffentlich zu thematisieren und das scheinbar saubere image dieses ekels zu entschleiern.

Kind seiner Zeit

Weiss 01.01.2004 - 18:46
Einen Menschen sollte man auch danach beurteilen, wie weit er dem "comon sense" seiner Zeit voraus ist. Hierin liegt nämlich seine Wahrheit, auch die von Martin Luther. Im Übrigen könnte man, a-historisch interpretiert auch Jesus unterstellen, er sei unmenschlich in manchen seiner Ansichten gewesen. Gewiss sind wir heute in manchen Punkten weiter als er, wenn auch gewiss nicht in seinem Hauptanliegen. Und darum geht es. Die Richtung muss stimmen.

@icke

Diet Simon 01.01.2004 - 19:27
Und wenn das scheinbar "saubere image dieses ekels" entschleiert ist, was dann? Ich finde es auch gut, die Wahrheit über Luther zu verbreiten, um nicht blind an Idolen hängen zu bleiben. Aber wollen diese Aktivisten, daß keiner deswegen evangelisch sein will? So unrealistisch können sie nicht sein. Sie bleiben uns, verdammt noch mal, alle eine Erklärung schuldig, was sie damit bezwecken. Wenn wir sie ernst nehmen sollen, sind sie uns das schuldig. Ansosnsten ist es Aktionismus des Aktionismus willen.

beitrag zum thema...

Chris 03.01.2004 - 18:54
Bedauerlicherweise ist folgender Beitrag, der die Motivation der Lutherfilm-Gegner meiner Meinung nach recht deutlich macht, unter "sinnlos" abgestempelt worden:


Lieber "Gegen Herrschaft"
atheistischer katholik 19.12.2003 10:43

Lies Dir doch noch mal die Texte oben durch und sag mir dann, ob die Leute, die diese Anti-Luther-Aktion anschieben wollen, tatsächlich ein "differenziertes" Bild von wem oder was auch immer anstreben.

Es handelt sich doch, wie man sofort sieht, um fanatisch gebärdende Eiferer, die es darauf anlegen, einseitig und gehässig zu argumentieren, weil sie sich nur davon eine Wirkung versprechen. Sie glauben, daß die Menschen ein dummes Vieh sind, das nur auf die stärksten Reize reagiert.
In diesem Punkt unterscheiden sie sich nicht von den Filmproduzenten in Hollywood oder den Machern der BILD-Zeitung. (Auch ihr Flugblatt haben sie darum BILDzeitungsähnlich gestaltet).

Differenzierte Kritiken des Films findet man auch in der FAZ oder im "Spiegel", aber das beeindruckt die da oben nicht. (Denn außer ein paar Millionen Menschen liest das ja keiner!). Die Kritik im normalen Feuilleton befriedigt eben nicht ihr psychologisches Bedürfnis, den Film öffentlich angeprangert und "vernichtet" zu sehen. (Kritik muß immer "vernichtend" sein, sonst ist sie ja wertlos).

Es geht noch um was anderes: Die Eiferer wollen irgendwo in der Öffentlichkeit eine kleine Situation dominieren und sich somit in einer größeren Öffentlichkeit profilieren. Sie wollen sich in der Technik üben, auf andere Druck auszuüben und in einem bestimmten Umfeld Meinungen wirksam zu kontrollieren. Das ist für sie eine wichtige persönliche Erfahrung auf dem Weg zu höheren Zielen.

Von diesem Standpunkt aus muß man diese "Filmkritik" wohl bewerten.



Nochmals: volle Zustimmung. Schade, dass eine solche mit sicherheit nicht unfundierte Bewertung des Hintergerunds dieser Aktion, bei der jemand sich Gedanken machte und nicht nur 2 Zeilen "Dagegen !" schrieb, nicht als sinnvoll angesehen wird.



Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Zeige die folgenden 6 Kommentare an

ist nicht dein ernst ... — dummdödel

Zuviel Inhalt? — Leser von hier

...noch mehr Antisemiten — Aufklärer

Weisheit — nordelbier

Lieber "Gegen Herrschaft" — atheistischer katholik

albern — günther