Genua: 2 Jahre danach

Roberto Greco 24.07.2003 18:26 Themen: Globalisierung Repression Soziale Kämpfe
2 Jahre G8 - Genua zwei Jahre nach dem Ausnahmezustand

ein Reisebericht aus Genua
24.07.2003


Anreise

Für die Fahrt kalkulierte der Wegeplaner des PC sechs Stunden, wir brauchten das Doppelte an Zeit. In früher Morgenstunde waren die Temperaturen angenehm und hier und da ein Gewitter, das über den Bergen leuchtete, brachte der von Hitze geplagten Natur oberflächliche Erfrischung. Oben am Gotthardtunnel brach der Verkehr zusammen. Kein Fortkommen mehr. Ohne Vorwarnung schienen plötzlich alle Prognosen, gute Reisetipps und Routenplanungen der Urlaubsindustrie zusammengebrochen. Unzählige Arbeitsstunden von Reisebüros, Fachredakteuren und Rundfunksprechern endeten im stundelangen Stau unzähliger Arbeitsstunden an Bandmontagen von Blech, Lack, Plastik und Elektroniksystemen. Die Feriensuchenden trugen das Chaos in stoischer Ruhe. Von unten glaube ich das Haus zu erkennen, das in einem Fernsehfeature über Lärmbelästigung der Anwohner und Umweltschäden am Gotthard zu sehen war. Eine Siebzigjährige berichtete darin, dass hier Wohnen seit Jahrzehnten die Hölle bedeutet. Es sieht nicht so aus als hätte irgendjemand ihr zu Liebe auf seine Reise verzichtet. Warum auch, die idyllische Urlaubskulisse dient immer noch ihrem Zweck und die vom Waldsterben bedrohten Bäume erzählen nichts von den Folgen, die sich für Mensch und Natur abzeichnen.

Wir machen es wie andere auch, weichen auf den Seitenstreifen aus, nehmen die nächste Ausfahrt hinauf zum Pass. Oben ist es kühl, dass die Sommerkleidung nur kurze Zeit schützt. Vor wenigen Jahrzehnten kleidete sich hier die Landschaft um diese Jahreszeit noch ganz in Weiß. Nun sind die Gletscher abgetragen, das Kleid der Natur von der Globalisierung zerschlissen, von Moränen notdürftig geflickt. Doch trotz dieser sichtbaren Armut, die sie mit der Menschheit teilt, gibt sie sich majestätisch und stolz und scheint in ihrer Unbeweglichkeit nur auf den geeigneten Augenblick zu warten, Widerstand leisten zu können. Letztes Jahr hat sie zugeschlagen im Molise und Alto Adige, im Piemont, in Alessandria und Vercelli und sie rächte sich v.a. an den Armen, zerstörte Leben, Haus, Feld, Existenz.

Hinunter nach Mailand wälzen sich endlose Schlangen glitzernden Lacks, deren Fluss hier und da durch Long Vehicles ins Stocken gerät. Die Metropole Milano brütet schon in früher Morgenstunde unerträgliche Hitze aus und bereits jetzt zeigt sie sich in diesem eigentümlichen Licht der Smokeglocke, die keinen Blick mehr auf die Sonne freigibt. Das eben noch saftige Grün der Voralpen ist nun von den Farben der Trockenheit und Dürre abgelöst. Es gibt kein Wasser im Po, keinen Wind, der den Aufenthalt in den Städten angenehmer macht und es gibt nicht genügend Elektrizität für all die technischen Errungenschaften westlicher Zivilisation, die zumindest im Haus für ausgeglichene Temperaturen sorgen sollen. Und es gibt keine Regierung, die in solch einem Moment wüsste, was zu tun ist. Gerade eben hat sie noch den staatlichen Ausverkauf der Energieversorgung betrieben und schon wittert sie die Chance, die Geldsäcke der Konzerne noch praller zu füllen. Mit neuen Atom- und Kohlekraftwerken will sie den Energienotstand bekämpfen, wobei es völlig ausreichen würde, Maßnahmen gegen die Energieverschwendung einzuleiten. "Es gibt kaum Häuser, die ausreichend thermisch isoliert wären, die Hälfte des Trinkwassers wird durch undichte Wasserleitungen vergeudet. Unschätzbare Mengen an Wasser, das zur Bewässerung in der Landwirtschaft dienen könnte, wird nicht gewonnen, weil Städte wie Mailand kein Wasseraufbereitungsanlagen besitzen." (Jacopo Fo, Scoop a perdere, newsletter 20.7.2003).

Noch ist vom Wassermangel für den Uneingeweihten wenig zu merken. Die Reisfelder des Piemont bei Vercelli, zeigen noch frisches Grün. Wir haben keine Zeit abzuwarten, wie sie sich in ein oder zwei Wochen verfärbt haben. Vor hundert Jahren transportierte der Po noch genügend Wasser, gab seine Kraft für die schwimmenden Reismühlen, die zur Erntezeit im flexiblen Einsatz die Mühe von einem Jahr harter Arbeit auf den Reisfeldern belohnte. Den Lohn genossen die Padroni, die Landbesitzer, die Mühe hatten die Taglöhner. Die Natur kümmert sich nicht um die sozialen Angelegenheiten der Menschen. Sie will nur respektiert werden. Sie dankt auch nicht einfallsreichen Bürgermeistern wie denen von Monsano oder Colorno, die nicht die Entscheidung der Regierung abwarteten und die Wasserversorgung ihrer Einwohner durch eine Verminderung des Drucks sicherstellten. Vielleicht krümmt sie sich vor Schadenfreude, wenn sich in Jahrzehnten die Menschen wegen des kostbaren Guts Wasser tot schlagen.

Ankunft

Noch ein, zwei Stunden bis zur Hafenstadt. Die Hügel Piemonts mit ihren Kastellen sind von der Autostrada nicht zu sehen: der Dunst von Abgasen gibt ihre Schönheit nicht preis. Der kurze Weg über die Ausläufer der Apeninnen streift Landschaften, die viel zu erzählen hätten. Doch bleiben sie dem Touristen gegenüber stumm, erzählen nicht von der natürlichen Festung Genua, die für die rivalisierenden Stadtstaaten Italiens uneinnehmbar war. Sie erzählen auch nichts von den Partisanen, die hier ihr Operationen gegen die deutsche Besatzung im zweiten Weltkrieg vorbereiteten und durchführten. Sie schweigen sich darüber aus, dass vor gerade zwei Jahren die Mächtigen der Welt, die nicht weit entfernte Stadt am Golf in eine Festung verwandelten und über sie den faschistischen Ausnahmezustand verhängten, dass in ihr in den Sommertagen des Juli 2001 eine Polizeisoldateska prügelte, hinrichtete, die Menschenwürde wie einen verbrauchten Lumpen beiseite warf. Von hier oben aus war alles zu sehen, das Luxusschiff einer verschwenderischen politischen Klasse, der zu ihrem Schutz kein Geld zuviel ist und für ihre Verschwendung kein Geld zu wenig. Von hier waren die Betonsperren, Container, der Stacheldraht zu sehen, der sie, die Mächtigen, vor den gefährlichen Contestatori schützen sollte. Mit einem Flakschiff ließen sie das Hafenviertel Genuas sichern, seine Kanonen zielten auf einen der ärmsten Stadtteile der Hafenstadt. Und während sie in Sektlaune ihre nächsten Pläne zur Ausplünderung der Welt ausheckten, wurde innerhalb der faschistischen Festung Genua der Sohn einer Lehrerin und eines ehemaligen Gewerkschaftssekretärs hingerichtet.

Die Mächtigen haben den Mord bis heute ignoriert, italienische Gerichte haben die Verantwortlichen zynisch als in Notwehr handelnd freigesprochen und wenn die semifaschistische Regierung Berlusconi damals ihr Debut gegeben hat, sind nun drei Jahre nach dem G8-Gipfel die Sätze des italienischen Premier im Europaparlament nur so zu werten, dass er seine Pappenheimer kennt. Es gab nur wenige Parlamentarier, an fünf Fingern abzuzählen, die sich angesichts der Ereignisse von Genua verantwortlich zeigten. Und ein Kanzler Schröder wäre nie auf den Gedanken gekommen, seinen Urlaub in Italien zu stornieren, weil in Genuas Kasernen der Mord an einem Jungen mit faschistischen Liedern gefeiert und mit Bier begossen wurde. Sie alle haben 3 Tage Faschismus in einer Stadt gut geheißen. Keiner von ihnen hat, auch nicht im Nachhinein, ein Wort des Protestes gegen die brutale Vorgehensweise der Carabinieri gegen friedliche Demonstranten eingelegt. Bis heute verschweigt die Bundesregierung wie in der Vorbereitung und Sicherung des G8-Gipfels deutsche und italienische Polizeiapparate zusammenarbeiteten. Sie hat nie Protest eingelegt über die Behandlung ihrer Bürger, die in Genuas Carabinieri-Kaserne Bolzaneto oder im Gefängnis von Alessandria mißhandelt und gefoltert wurden.

Als wir über die Tangentiale Ovest den Bahnhof Brignole erreichen, wird das alles lebendig, was diese schrecklichen Tage ausmachte. Die Sirenen der Ambulanzen klingen noch ebenso bedrohlich wie im Juli 2001. Jeden Augenblick vermuten wir, dass diese schwer bewaffneten und vermummten Polizeiroboter auftauchen, die erbarmungslos zuschlagen, weil sie auf Brutalität konditioniert wurden. Doch hinter dem Sirenengeheul der Ambulanz, erscheinen dieses Mal keine Wasserwerfer, keine Defender und Mannschaftswagen. Corso Torino und Via Tolomaide geben sich so als hätten sich die Julitage 2001 nie ereignet.

Samstag, 19. Juli - Genua

Die Hitze an der Stazione Brignole ist unerträglich. Von dort zur Via Tolomaide und zur Hinrichtungsstätte des Jungen Carlo ist es ein kurzer Weg zu Fuß. Wer die Julitage vor zwei Jahren erlebte und nun zurückkam, um nicht nur die Erinnerung an einen wichtigen Wendepunkt der Bewegung zu bewahren, sondern auch wie damals gemeinsam mit den italienischen Freunden und Compagni für eine andere Welt zu demonstrieren, der zurückkam, um neue Erfahrungen darüber zu sammeln wie diese andere Welt aussehen könnte, registriert aufmerksam jeden Ort, ist auf der Suche danach, ob sich in diesen zwei Jahren etwas geändert hat. Paolo Cervi, Soziologieprofessor an der Universität Florenz schreibt in seiner Studie "Die globalen Bewegungen - Der Protest im 21. Jahrhundert": "Nach Genua fürchtete sich die globale Elite hauptsächlich vor dem globalen Protest. Nach New York fürchtet sie v.a. den Terrorismus. Nach Genua fürchtete die Bewegung hauptsächlich die Repression, nach New York fürchtet sie v.a. den Krieg ... Krieg und Terrorismus verändern dramatisch die Szene." (Paolo Ceri, Movimeti Globali, Editori Laterza, März 2002)

Und der Krieg hat auch das Stadtbild Genuas verändert. 2001 waren trotz der Solidarität, die aus vielen Wohnhäusern bekundet wurde, die Embleme der Bewegung nur vereinzelt an ihren Fenstern zu entdecken. Jetzt wehen in der Stadt an jeder Ecke, in jeder Straße die Fahnen der neuen Bewegung in ihren Regenbogenfarben und unten am Hafen, im Stadtteil der Emigranten und Armen ist die schwarzrote Fahne der anarchistischen Föderation keine Seltenheit. Die Bewegung ist sichtbar im Stadtbild präsent und verschont auch nicht die herrschaftlichen Palazzi in den wohlhabenderen Vierteln Genuas. Genua ist arm, hat eine hohe Arbeitslosenrate, doch eine ungebrochene Tradition des sozialen Widerstandes. Ab 2004 wird sie Kulturhauptstadt Europas werden, wird sie bis dahin eingestehen, dass sie noch drei Jahre zuvor zur Hauptstadt der Unkultur wurde?

Non Archiviabile lautet der Text auf dem überlebensgroßen Plakat, das die hintere Fassade am Palazzo Ducale schmückt. Nicht archivierbar sind für die italienische Bewegung die Ereignisse in den Sommertagen 2001. Sie sind es nicht, weil bis heute die semifaschistische Regierung Berlusconi jegliche Diskussion in der Öffentlichkeit verhindert hat. Sie sind es auch nicht, weil ihnen bis heute weder Gerechtigkeit noch Wahrheit widerfahren ist.

Non Archiviabile war auch der Titel der Ausstellung, die das Komitee Giustizia e Verità (Gerechtigkeit und Wahrheit) im Waffensaal des Palazzo Ducale die ganze 3. Juli-Woche über mit weiteren Veranstaltungen zum G8-Gipfel 2001 organisiert hat. Sie ist auch Treffpunkt der Bewegung und Gelegenheit zur Diskussion und zum Gedankenaustausch. Hier im Herzen der roten Zone von einst, sollten sich nach dem Wunsch der Familie Giuliani Gegenwart, Zukunft und Vergangenheit treffen, um die Engpässe der Bewegung in den letzten Monaten zu überwinden und neue überzeugende politische Perspektiven zum wachsenden Europa erarbeiten. Die Familie von Carlo wollte an seinen Tod erinnern, "nicht um aus ihm einen Heiligen zu machen" wie die Mutter Heidi Giuliani auf der Donnerstagsveranstaltung des europäischen Legal Teams erklärte, sondern damit die Bewegung hier in Genua wieder neuen Aufschwung erhält.

Einer der zentralen Punkte, beinhaltete die Ergebnisse der eigenen Nachforschungen zu den G8-Ereignissen, die im Kontext einer Nachkriegsrepublik interpretiert wurden, in der Polizeiapparat und Geheimdienst oft genug eine düstere Rolle bei der Unterdrückung der sozialen Bewegungen in Italien gespielt haben. So begann die Woche auch mit einem Treffen der Familienangehörigen vieler Demonstranten, die in den siebziger Jahren Opfer von Polizeiterror, aber auch wie Peppino Impastato Opfer der Mafia wurden oder bei den vielen Bombenanschlägen durch die Strategie der Spannung ums Leben kamen.

Diskutiert wurden auch die weiteren Ziele des Europe Legal Teams. Genua, Evian und Saloniki verlangen eine politisch-juristische Antwort, die mit drei Zielen benannt wurde. Das Recht auf Bewegungsfreiheit und Teilnahme an Demonstrationen, ohne Behinderung an den Grenzen. Das Recht frei zu demonstrieren, ohne der Gefahr eines Polizeiübergriffs ausgesetzt zu sein. Das Recht auf unabhängige Information und auf Schutz der Mediencenter vor Verfolgung und Zerstörung wie dies in der Scuola Pertini und in Genf in der Usine geschah.

Die Diskussion der italienischen Bewegung konzentrierte sich auf das Ziel der Gründung von Generalständen für ein anderes Europa, die den Widerstand gegen das italienische Semester der europäischen Präsidentschaft organisieren und die Kritik an Themen wie prekäre Arbeitsverhältnisse, Rentenreform, Immigration und europäische Konstitution vorantreiben.

Sonntag, 20. Juli Genua

Die Demonstration im Gedenken an die Ereignisse des G8-Gipfel 2001 war auf den späten Nachmittag festgesetzt, doch fanden schon den ganzen Tag über Treffen an der Piazza Alimonda, dem Ort, wo Carlo sterben musste, statt. Seit zwei Jahren erinnert dort eine Gedenkstätte an die Bluttat mit der die italienische Regierung ihre Legislatur begonnen hat. Sie wird täglich mit frischen Blumen aus der Bevölkerung geschmückt, Embleme und Plakate klagen an, verlangen Wahrheit und Gerechtigkeit. Mörderstaat ist auf einem Plakat zu lesen, Gedichte wurde geschrieben, Manifeste angebracht.

Der Vater von Carlo, ehemaliger Sektretär der Gewerkschaft CGIL eröffnete in der immer noch glutheißen Nachmittagshitze die Zeremonie zum Gedenken an seinen Sohn. Dieser brutale Mord, der vor zwei Jahren von der Carabinieri-Besatzung eines Defenders verübt wurde, war so lebendig als wäre er gerade geschehen. Der Schuss, der taumelnde Körper des Jungen, der Defender, der den fast leblosen Körper zweimal überollte. Lebendig war auch die Ohnmacht, Verzweiflung und Trauer, und so als sollten all die Gefühle in Stärke und Widerstand verwandelt werden, wurde das Ende der Rede mit einem mehr als 10 Minuten andauernden rhythmischem Applaus beantwortet. Er war so stark, dass er die Sirenen am nahe liegenden Hafen, die ebenfalls zur Erinnerung an diese Schandtat aufheulten, verdeckte. Er wurde verstärkt durch das Glockenläuten der Kirche am Platz und war wie ein Versprechen, die Wahrheit und die Gerechtigkeit wieder herstellen zu wollen. Am 20. Juli 2001 wurde die Wahrheit und Gerechtigkeit geknebelt, die Bewegung mit Belagerung, Polizeiterror und Mord mundtot gemacht. Viele der Demonstranten hielten deshalb den Mund mit einem Seidenband verbunden oder mit einem Heftpflaster bedeckt. Zu Beginn des Zuges eine gespenstische Situation, denn eine fast geräuschlose Demonstration bewegte sich durch die Straßen in Richtung Bahndamm.

Die Carabinieri aber in den Seitenstraßen wurden immer wieder von den vorbeiziehenden Gruppen mit rhythmischem Geklatsche für ihre Schandtat bedacht. "Bravo Bastardi di quello che avete fatto!" 30 000 Menschen waren es, die von der Piazza Alimonda zur Piazzale Kennedy am Hafen zogen. Unter ihnen die Familie Carlos, ihre Freunde und Compagni. Aus vielen Teilen Italiens kamen Gruppen und Delegationen zur Demonstration, die von den Einwohnern Genuas mit Interesse und Sympathie verfolgt wurde. Auch aus Europa, aus Griechenland, Frankreich und Spanien waren Delegationen zu sehen. Von deutscher Bewegung keine Spur, sie hat die Woche einfach verschlafen, hat im zweiten Jahr nach den G8-Ereignissen gar nicht registriert, dass Genua 2001 einen wichtigen Ausgangspunkt für die europäische Bewegung darstellte. Es hätte auch vielen dieser selbsternannten Organisationen, Sprecher und Grüppchen der Bewegung gut getan, die Kraft, die inhaltliche Diskussion, organisatorische Strukturen und das hohe Niveau einer Bewegung, die Einheit in wichtigen Fragen, am praktischen Beispiel zu erleben.

Von diesen Genua-Tagen ist es möglich wieder einige Monate in provinziellen Verhältnissen auszuharren, in diesen deutschen Städten und Landen, in denen der Widerstand wie eine Stecknadel im Heuhaufen zu suchen ist, in denen sich Rebellion beschränkt auf höfliche Presserklärungen zu Randerscheinungen des Kapitalismus und in denen sozialdemokratisch dominierte Gewerkschaften das Geschäft der neoliberalen Unterdrückung betreiben. In diesen Städten und deutschen Landen, wo man das Attribut "revolutionär" geflissentlich vermeidet, um weder Regierung noch Bevölkerung zu erschrecken, wo sich Widerstand reduziert auf die prekären Verhältnisse einiger Randgruppen und keine Partei, keine Organisation eine deutliche Sprache spricht. In Genua muss radikale politische Praxis nicht erst mühsam gesucht werden. Sie ist an jeder Straßenecke der armen Viertel zu finden, in jeder Bar, beim Tabacchaio, im Lebensmittelladen, am Zeitungskiosk. Die Bevölkerung wehrt sich, formt ihr Bewusstsein und besitzt in den Parlamenten die Parteien, die ihre Belange unterstützen. In Genua wird dank der Bewegung, an einer anderen, der kapitalistischen Wirklichkeit völlig entgegen gesetzten Welt gearbeitet. Genua bewies in den Julitagen 2001, dass es mit seiner revolutionären Tradition immer noch verbunden ist, bewies in den Julitagen 2003, dass es seither nicht resignativ war, sondern sich in täglicher Kleinarbeit an der Basis weiter entwickelt hat. Genua ist keine Sommerakademie bei Attac, jedoch eine gute Adresse für die, denen es ernst ist mit dem Gedanken einer anderen Welt und die am praktischen Beispiel lernen wollen. Hier erlernen schon Kinder den sozialen Widerstand.



Teil II: Eine andere Welt am Beispiel der christlichen Basisgemeinde San Benedetto al Porto
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Ergänzungen

sehr gut

anti 25.07.2003 - 14:07
ein sehr guter artikel, einer der besten, den ich in letzter zeit bei indy gelesen habe! ich würde aber nicht meinen, dass die proteste von genua durch den faschistoiden polizeieinsatz zum verstummen gebracht wurden; im gegenteil, der protest wurde dadurch erst recht laut. in d-land leider nicht.