Europäischer Menschenrechtsgerichtshof entscheidet über Itoiz Zip

rafl streck 17.02.2003 10:36 Themen: Militarismus Weltweit Ökologie
Mehrere Tausend Menschen haben am Sonntag in der baskischen Kleinstadt Agoiz, bei Pamplona, gegen den umstrittensten Staudamm der iberischen Halbinsel demonstriert. Der Staudamm beim Dorf Itoiz ist fertig und soll alsbald bis zur vollen Höhe geflutet werden, geht es nach dem Willen der Regionalregierung von Navarra und der Zentralregierung in Madrid. Die sind bereit Tausende Menschen einer tödlichen Gefahr eines unsicheren Staudamms auszusetzen, wie honorige Gutachter bestätigen, damit in Südspanien Touristen auf immergrünen Golfplätzen herumturnen können. Damit im Süden weiter Wasser verschwendete werden kann, soll Itoiz und neun weitere Dörfer, 1000 Hektar Wald und Ackerfläche der Landwirte unter einer riesigen Wasserfläche verschwinden. Drei Naturschutzgebiete und zwei Vogelschutzzonen würden zum Teil geflutet. In diesen Tälern der Pyrenäen siedeln fast 100 Tierarten die vom Aussterben bedroht sind, wie Schmutzgeier, Steinadler und Königsuhus. Der bedrohte Fischotter ist durch die Bauarbeiten schon vertrieben worden. Doch mit dem Hochwasser ist den Bewohnern der Gegend nicht nur ein Schreck in die Glieder gefahren, oberhalb und unterhalb des Staudamms haben die Menschen auch neue Hoffnung geschöpft. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg hat wegen zahlreicher merkwürdiger Vorkommnisse die Klage gegen den Staudamm zur Entscheidung angenommen. Ralf Streck war in Navarra und berichtet. ´Der Beitrag läuft in Kurzfasssung im Deutschlandfunk zwischen 11 Uhr 30 und 12 Uhr Bilder müsst ihr bei Indy Schweiz gucken, ging nicht hochzuladen  http://switzerland.indymedia.org/demix/2003/02/4595.shtml
Anmoderation:
Mehrere Tausend Menschen haben am Sonntag in der baskischen Kleinstadt Agoiz, bei Pamplona, gegen den umstrittensten Staudamm der iberischen Halbinsel demonstriert. Der Staudamm beim Dorf Itoiz ist fertig und soll alsbald bis zur vollen Höhe geflutet werden, geht es nach dem Willen der Regionalregierung von Navarra und der Zentralregierung in Madrid. Die sind bereit Tausende Menschen einer tödlichen Gefahr eines unsicheren Staudamms auszusetzen, wie honorige Gutachter bestätigen, damit in Südspanien Touristen auf immergrünen Golfplätzen herumturnen können. Damit im Süden weiter Wasser verschwendete werden kann, soll Itoiz und neun weitere Dörfer, 1000 Hektar Wald und Ackerfläche der Landwirte unter einer riesigen Wasserfläche verschwinden. Drei Naturschutzgebiete und zwei Vogelschutzzonen würden zum Teil geflutet. In diesen Tälern der Pyrenäen siedeln fast 100 Tierarten die vom Aussterben bedroht sind, wie Schmutzgeier, Steinadler und Königsuhus. Der bedrohte Fischotter ist durch die Bauarbeiten schon vertrieben worden. Doch mit dem Hochwasser ist den Bewohnern der Gegend nicht nur ein Schreck in die Glieder gefahren, oberhalb und unterhalb des Staudamms haben die Menschen auch neue Hoffnung geschöpft. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg hat wegen zahlreicher merkwürdiger Vorkommnisse die Klage gegen den Staudamm zur Entscheidung angenommen. Ralf Streck war in Navarra und berichtet. ´Der Beitrag läuft in Kurzfasssung im Deutschlandfunk zwischen 11 Uhr 30 und 12 Uhr

Agoiz, ist die kleine baskische Stadt, deren Bewohner auf eine Betonmauer blicken. Sie ist so hoch wie der Kölner Dom und so lang wie 5 Fußballfelder. Dahinter liegt Itoiz. Den Bewohner im geplanten Stausee steht das Wasser bis zum Halse. Hochwasser des Irati sorgte dafür, dass der Wasserspiegel im See unkontrolliert auf die dreifache, der erlaubten Menge angestiegen ist. Da bisher kein Notfallplan umgesetzt wurde, darf die Marke 506 Meter über dem Meeresspiegel eigentlich noch nicht überflutet werden. So sind viele Bürger in Agoiz, wie Mertxe Larraza Lizarraga, erschreckt zur Tat geschritten:

?Wir haben seit dem Hochwasser Angst bekommen. Deshalb haben wir uns im Bürgermeisteramt eingeschlossen. Wir wollen die Bevölkerung über den außer Kontrolle geratenen Pegel und die sehr gefährliche Situation aufzuklären?.

Bisher verhielten sich viele unterhalb der Mauer indifferent. Die Flutung der Naturschutzgebiete war vielen egal, Entschädigungen flossen in die Gemeindekassen. Erst das Hochwasser hat vielen die Augen geöffnet. Was passiert wäre, wenn der Staudamm schon voll gewesen wäre, mag sich niemand ausmalen.

Patxi Gorraiz, einer der letzten 12 Bewohner von Itoiz und Sprecher der Koordination, die seit 18 Jahren gegen den Staudamm kämpft, weist auf einen weiteren Aspekt hin.

?Entgegen ihren Aussagen, haben sie bisher die Ableitung des Flusses noch nicht ganz geschlossen, wo noch viel Wasser abfließt. Doch zusammen mit Abflüssen des Damms, haben sie es nicht geschafft, während des Hochwassers den Pegel zu kontrollieren. Obwohl das keine der großen Fluten war, wie wir sie in den letzten Jahren am Irati gesehen haben.?

Die Sicherheit des Staudamms sei nicht zu gewährleisten, die Abflüsse zu klein dimensioniert, um ein Überlaufen oder einen Dammbruch zu verhindern. Das befürchten nun auch die Menschen in Agoiz. Wie Larraza fürchten die 2000 Bewohner um ihr Leben.

?Wir fordern ein unabhängiges Gutachten, dass weder von der Koordination noch von der Wasserbehörde in Auftrag gegeben wurde und was uns sagt, ob der Staudamm sicher ist?.

Ohne Erfolg hatte dies die Koordination schon vor Jahren versucht, nachdem bekannt wurde, dass die Regierung ein Gutachten verheimlicht hatte, dass dem Staudamm große Mängel bescheinigt. Sie beauftrage selbst Gutachter, die zu einem vernichtenden Ergebnis kamen. Der Geologe Antonio Casas und der Staudammbauer und Universitätsprofessor Dr. Arturo Rebollo bescheinigen dem Staudamm von Itoiz schwere Mängel, die auch nicht heilbar seien. Eine ihre sieben Katastrophenszenarien zöge sogar ein Atomkraftwerk in Mitleidenschaft.

Die Hoffnung der Betroffenen konzentriert sich nun auf Strassburg. Denn niemand anderes als der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte beschäftigt sich nun mit dem Fall. José Luis Beaumont, der Anwalt der Koordination erklärt wie es dazu kam.

?Jeder Mensch hat nach der Europäischen Konvention das Recht auf einen fairen Prozess und eine garantierte Gleichheit der Mittel. Wir haben in Spanien die Gerichte angerufen um uns juristisch zu wehren. Wir haben Recht bekommen und das Projekt wurde sogar vom höchsten Gerichte annulliert, was in jedem demokratischen Staat das Ende bedeutet hätte?.

Nicht in Spanien. Dabei geht es Strassburg noch nicht um die Sicherheit des Projekts, weil die Rechtsmittel in dieser Frage im Land nicht ausgeschöpft sind. Es geht um die Flutung der Naturschutzgebiete. Weil der Regierung die Annullierung der Richter nicht passte, änderte man rückwirkend die Grenzen der Schutzgebiete, was vom Verfassungsgericht abgesegnet wurde. Nun entscheidet Strassburg im Eilverfahren, bevor durch eine übereilte Flutung Fakten geschaffen worden sind, erklärt der Anwalt.

Weder die Regierung, noch die Wasserbehörde, noch die Bewässerungssysteme von Navarra, waren zu einer Stellungnahme bereit. Das wäre für Zip-FM wahrscheinlich weniger aussagekräftig. Da der Beitrag aber im Auftrag des Deutschlandfunks recherchiert wurde, ist mehr als deutlich, dass man sich kritische Fragen nicht gefallen lassen will. So war die Regionalregierung von Navarra nur bereit ?Presseberichte? zu schicken. Diese Berichte bestanden aus zwei Artikeln von Zeitungen die der Regierung nahe stehen. In beiden Artikeln fand tatsächlich kein Argument der Gegner gegen das Projekt. Nicht einmal die offizielle Presseerklärung der Regionalregierung, wurde weiter gegeben. Doch aus der geht hervor, dass man ein Urteil aus Strassburg ohnehin nicht als bindend ansehe. Was meint also der Anwalt Jose Luis Beaumont zu dieser besonderen Rechtsauslegung.

?Ich spreche ich auch als betroffener Bürger und nicht nur als Anwalt eines Staates der die Europäische Konvention unterschrieben hat. Wenn die unterzeichnet wurde, dann hatte das einen Grund und diese Konvention legte einige Rechte und Pflichten fest. Darunter fällt auch, dass die Rechte der Bürger beachtet werden. Wenn diese Rechte nicht beachtet wurden und das Tribunal das feststellt, so ist das schon erstaunlich, wenn sich ein politischer Vertreter hinstellt und wagt zu sagen, die Entscheidung sei nicht bindend. Wir sind schließlich nicht aus Spaß vor den Europäischen Gerichtshof gezogen. Dieser Gerichtshof wurde von den Mitgliedstaaten gebildet, zu denen Spanien gehört ?.

Das ist nur eines der vielen Beispiele von einem Rechtsverständnis, das in Spanien noch weit verbreitet ist. So ist zu hoffen, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hier einschreitet. Für Jose Luis Beaumont sind die Zeichen sehr positiv. Allein die Tatsache, dass der Fall angenommen wurde ist bei einer Quote der Ablehnung von 95 Prozent herausragend. Dass er sogar noch im Eilverfahren behandelt wird, spricht Bände.

?Das Gericht hat sogar klar gemacht, dass es keinerlei Einsprüche mehr will. Bis zum 31. März können noch Beweise zu den bisher vorgebrachten Argumenten nachgeschoben werden. Meiner Meinung nach ist nicht einmal das nötig. Von da an kann eine Entscheidung fallen, es hängt dann nur noch vom Zeitplan des Senats ab.?

Zu hoffen bleibt, dass der Senat endlich die Betroffen zu ihrem Recht kommen lässt. Dann hat auch der baskische politische Gefangene, Inaki Koch Garcia eine Chance aus dem Knast zu kommen. Seine Gruppe, die Solidarischen mit Itoiz, hatten nach der Annullierung des Projekts zum direkten Widerstand gegriffen, weil eifrig weiter gebaut wurde. In ihrer spektakulärsten Aktion kappten sie die Stahlseile der Transportseilbahn für Beton ? die Bauarbeiten standen ein Jahr still. Die Gruppe sah sich im Recht, ließ sich von Journalisten begleiten, stellte sich der Polizei ? und die Mitglieder müssen für fünf Jahre ins Gefängnis. Entführung lautete das Urteil, weil ein Wachmann für ganze fünf Minuten eingesperrt wurde.

© Ralf Streck, Agoiz den 16.02.2003
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