100000 Fragen an das Weltsozialforum
kritische Fragen zu Perspektiven der Bewegung und an die dritte Auflage des Weltsozialforums aus italienischer Sicht
Hundertausend Fragen an Porto Alegre
Zum ersten Weltsozialforum in Porto Alegre meldeten sich 6000 Delegierte an. Dann wurden es fast 20 000. Für das zweite schrieben sich 20 000 Delegierte ein und schließlich haben 60 000 Delegierte teilgenommen. Die dritte Auflage, die am 23. Februar begann, verbucht 40 – 50 000 Anmeldungen und es ist abzusehen, dass sich die Zahl der Teilnehmer verdoppelt. Das ist aber nicht alles: Zu Beginn stammten die Teilnehmer fast ausschließlich aus Europa und Lateinamerika und jetzt bietet sich ein globales Panorama. Über tausend Anmeldungen kommen aus den USA, weitere tausende aus Asien und auch aus Afrika sind sehr viele zu konstatieren. Die dritte Auflage des Weltsozialforums ist gigantisch geworden. Aber um was zu tun?
In Porto Alegre häufen sich die Teilnahmen von Politikern und Gewerkschaftsfunktionären. Ein Politiker schmückt sich heute gerne damit zu sagen: „Ich bin in Porto Alegre gewesen!“ Die Kritiker dieses Phänomens sollten berücksichtigen und sich daran erinnern, dass die Charta der Prinzipien des Weltsozialforums, sich gegen Neoliberalismus und Krieg ausspricht. Aber ist das ein Kriterium des „Ausschlusses“? Mit anderen Worten: Politiker der Linken und Gewerkschaftsfunktionäre empfehlen sich als „Leader“. Oder sind es die Netzwerke der sozialen Bewegungen, welche Politiker und soziale Funktionäre gezwungen haben über eine Politik nachzudenken, die zwischen Globalisierung und ihrer Ablehnung schwankt? Vielleicht eine gute Frage. Doch es gilt Vertrauen zu haben: Schließlich hört das so oft von der Politik tot gesagte Sozial Forum nicht zu wachsen auf.
Am Horizont aber braut sich ein Gewitter zusammen, welches unerbittlich die Spreu vom Weizen trennt. Es ist gut möglich, dass kurz nach Beendigung des Forum der Krieg im Irak beginnt. Die Frage lautet nicht nur, ob all die, welche am Forum teilnehmen, sich gegen ihn wenden, sondern auch, ob es der Gesamtheit der Bewegung gelingen wird über den Protest hinaus überzeugende Alternativen zu entwickeln. Es ist beispielsweise offensichtlich (das schrieb sogar der französische Sozialist und Expremier Fabius in Le Monde), dass die hauptsächliche Ursache des Kriegs das Öl ist, dessen Kontrolle fundamental für die Regierung Bush ist. Wird die Bewegung in allen ihren Formen und Kulturen verstehen, eine Welt zu entwerfen, in der das Öl eine sekundäre Energiequelle darstellt? Das hieße eine gigantische zivile Revolution, im Verkehrswesen und dem Konsum bis hin zur Produktion. Pazifist zu sein bedeutet u.a. auch dies.
Carta hat wie bei der ersten Auflage des Weltsozialforums alle Möglichkeiten aufgeboten, um über die Tage von Porto Alegre zu berichten (www.carta.org ist eine wirkliche Tageszeitung). Sie arbeitet auch mit italienischen und nichtitalienischen Seiten, Rundfunksendern, unabhängigen Zeitungen zusammen. Carta partizipiert bei Ciranda, die „Gipfelstürmer“ antiliberalistischer Journalisten. Schon letztes Jahr bewährte sich die Zusammenarbeit und es ist eine Ausgabe Porto Alegro der Medienzenter von Genua (G8) und Florenz (Europäisches Sozial Forum). Wir sind dermaßen von der Notwendigkeit eines globalen Netzwerkes der Information überzeugt, dass unsere Redakteurin Anna Pizzo an einer offiziellen Konferenz des FSM zu diesem Thema teilnehmen wird. Sie wird dort Vorschläge unterbreiten, die auch demnächst hier veröffentlicht werden. Der Krieg hat unter anderen zur Folge, dass er die Wahrheit abtötet: deshalb sind die unabhängigen und antiliberalistischen Medien vital.
Vital ist auch eine korrekte Kommunikation, auch um zu begreifen, welche Vervielfachung das Phänomen Sozial Forum erzeugt haben wird. Es gibt tausende Sozial Foren in der ganzen Welt: Sie wurden aus speziellem Anlass ins Leben gerufen (in Johannesburg, Sevilla oder in Barcelona beispielsweise). Sie lebten auf in Städten und Regionen (in Asien, Afrika, Amerika, Europa, etc. - dieses Jahr entstand sogar ein Sozial Forum Mittelmeerraum). Sie behandeln unterschiedliche Themen (Wasser, Erziehung, Demokratie) und sie sind im Begriff die „endlich gefundene konkrete Form“ zu werden, wie Karl Marx aus Anlass der Pariser Kommune schrieb. Sie sind ein neuer öffentlicher Raum, eine neue Demokratie auf globaler und lokaler Ebene oder umgekehrt.
Dies demonstrieren die globalen Bewegungen der Bauern. Unter den Themen, die das FSM in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen rückt, ist die Erde aus vielerlei Gründen das wichtigste. Ein Punkt bildet die Tatsache, dass die Welthandelsorganisation, die im September wieder eines ihrer berüchtigten Treffen in Cancun, Mexiko, abhält, den festen Entschluss verfolgt, all das, was existiert zu privatisieren – in erster Linie Erde und Wasser. Die globalen Bewegungen wie Via Campesina haben hinreichende Alternativen und Energie genug, um sich ihm entgegenzustellen. Die reformistische italienische Linke, die nach Porto Alegre pilgert, täte gut daran, ihren Blick vom Palazzo Chigi (Regierungssitz) abzuwenden: Sie würde dann begreifen, dass die Probleme der Welt größer sind als die unseren mit einem Berlusconismus der im Abklingen begriffen ist.
Somit: Es ist offensichtlich, dass auf dem Weg zu einer globalen „Selbstregierung“, die antiliberalistische Bewegung sich beeilen muss, denn die Erde wird aufgeheizt und es regnet Raketen. Was wird also ihre Zukunft bringen? Welche Vorstellungen der Organisierung hat sie in ihrem „dritten Zeitraum“ wie Riccardo Petrella sagt? Wird sich ein globales Netzwerk der sozialen Bewegungen konstituieren? Und der internationale Rat, der das forum organisiert, wird er transparent genug sein und sich neuen Perspektiven öffnen können? Werden wir aus Porto Alegre mit mehr oder weniger Verwirrung im Kopf abziehen? Auf all diese Fragen haben wir manche Antwort zu bieten. Dieser Almanach ist ein Versuch, mehr als ein Leitfaden zum Weltsozialforum. Gute Lektüre allemal. Gute Reise also, etwas metaphorisch, denn wir sind alle Reisende in eine andere mögliche Welt – oder nicht?
Die Übersetzung habe ich nur unwesentlich gekürzt. Eine Stelle des Beitrags, die zu spezifische italienische Aussagen enthält. Übersetzung: Günter Melle
Zum ersten Weltsozialforum in Porto Alegre meldeten sich 6000 Delegierte an. Dann wurden es fast 20 000. Für das zweite schrieben sich 20 000 Delegierte ein und schließlich haben 60 000 Delegierte teilgenommen. Die dritte Auflage, die am 23. Februar begann, verbucht 40 – 50 000 Anmeldungen und es ist abzusehen, dass sich die Zahl der Teilnehmer verdoppelt. Das ist aber nicht alles: Zu Beginn stammten die Teilnehmer fast ausschließlich aus Europa und Lateinamerika und jetzt bietet sich ein globales Panorama. Über tausend Anmeldungen kommen aus den USA, weitere tausende aus Asien und auch aus Afrika sind sehr viele zu konstatieren. Die dritte Auflage des Weltsozialforums ist gigantisch geworden. Aber um was zu tun?
In Porto Alegre häufen sich die Teilnahmen von Politikern und Gewerkschaftsfunktionären. Ein Politiker schmückt sich heute gerne damit zu sagen: „Ich bin in Porto Alegre gewesen!“ Die Kritiker dieses Phänomens sollten berücksichtigen und sich daran erinnern, dass die Charta der Prinzipien des Weltsozialforums, sich gegen Neoliberalismus und Krieg ausspricht. Aber ist das ein Kriterium des „Ausschlusses“? Mit anderen Worten: Politiker der Linken und Gewerkschaftsfunktionäre empfehlen sich als „Leader“. Oder sind es die Netzwerke der sozialen Bewegungen, welche Politiker und soziale Funktionäre gezwungen haben über eine Politik nachzudenken, die zwischen Globalisierung und ihrer Ablehnung schwankt? Vielleicht eine gute Frage. Doch es gilt Vertrauen zu haben: Schließlich hört das so oft von der Politik tot gesagte Sozial Forum nicht zu wachsen auf.
Am Horizont aber braut sich ein Gewitter zusammen, welches unerbittlich die Spreu vom Weizen trennt. Es ist gut möglich, dass kurz nach Beendigung des Forum der Krieg im Irak beginnt. Die Frage lautet nicht nur, ob all die, welche am Forum teilnehmen, sich gegen ihn wenden, sondern auch, ob es der Gesamtheit der Bewegung gelingen wird über den Protest hinaus überzeugende Alternativen zu entwickeln. Es ist beispielsweise offensichtlich (das schrieb sogar der französische Sozialist und Expremier Fabius in Le Monde), dass die hauptsächliche Ursache des Kriegs das Öl ist, dessen Kontrolle fundamental für die Regierung Bush ist. Wird die Bewegung in allen ihren Formen und Kulturen verstehen, eine Welt zu entwerfen, in der das Öl eine sekundäre Energiequelle darstellt? Das hieße eine gigantische zivile Revolution, im Verkehrswesen und dem Konsum bis hin zur Produktion. Pazifist zu sein bedeutet u.a. auch dies.
Carta hat wie bei der ersten Auflage des Weltsozialforums alle Möglichkeiten aufgeboten, um über die Tage von Porto Alegre zu berichten (www.carta.org ist eine wirkliche Tageszeitung). Sie arbeitet auch mit italienischen und nichtitalienischen Seiten, Rundfunksendern, unabhängigen Zeitungen zusammen. Carta partizipiert bei Ciranda, die „Gipfelstürmer“ antiliberalistischer Journalisten. Schon letztes Jahr bewährte sich die Zusammenarbeit und es ist eine Ausgabe Porto Alegro der Medienzenter von Genua (G8) und Florenz (Europäisches Sozial Forum). Wir sind dermaßen von der Notwendigkeit eines globalen Netzwerkes der Information überzeugt, dass unsere Redakteurin Anna Pizzo an einer offiziellen Konferenz des FSM zu diesem Thema teilnehmen wird. Sie wird dort Vorschläge unterbreiten, die auch demnächst hier veröffentlicht werden. Der Krieg hat unter anderen zur Folge, dass er die Wahrheit abtötet: deshalb sind die unabhängigen und antiliberalistischen Medien vital.
Vital ist auch eine korrekte Kommunikation, auch um zu begreifen, welche Vervielfachung das Phänomen Sozial Forum erzeugt haben wird. Es gibt tausende Sozial Foren in der ganzen Welt: Sie wurden aus speziellem Anlass ins Leben gerufen (in Johannesburg, Sevilla oder in Barcelona beispielsweise). Sie lebten auf in Städten und Regionen (in Asien, Afrika, Amerika, Europa, etc. - dieses Jahr entstand sogar ein Sozial Forum Mittelmeerraum). Sie behandeln unterschiedliche Themen (Wasser, Erziehung, Demokratie) und sie sind im Begriff die „endlich gefundene konkrete Form“ zu werden, wie Karl Marx aus Anlass der Pariser Kommune schrieb. Sie sind ein neuer öffentlicher Raum, eine neue Demokratie auf globaler und lokaler Ebene oder umgekehrt.
Dies demonstrieren die globalen Bewegungen der Bauern. Unter den Themen, die das FSM in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen rückt, ist die Erde aus vielerlei Gründen das wichtigste. Ein Punkt bildet die Tatsache, dass die Welthandelsorganisation, die im September wieder eines ihrer berüchtigten Treffen in Cancun, Mexiko, abhält, den festen Entschluss verfolgt, all das, was existiert zu privatisieren – in erster Linie Erde und Wasser. Die globalen Bewegungen wie Via Campesina haben hinreichende Alternativen und Energie genug, um sich ihm entgegenzustellen. Die reformistische italienische Linke, die nach Porto Alegre pilgert, täte gut daran, ihren Blick vom Palazzo Chigi (Regierungssitz) abzuwenden: Sie würde dann begreifen, dass die Probleme der Welt größer sind als die unseren mit einem Berlusconismus der im Abklingen begriffen ist.
Somit: Es ist offensichtlich, dass auf dem Weg zu einer globalen „Selbstregierung“, die antiliberalistische Bewegung sich beeilen muss, denn die Erde wird aufgeheizt und es regnet Raketen. Was wird also ihre Zukunft bringen? Welche Vorstellungen der Organisierung hat sie in ihrem „dritten Zeitraum“ wie Riccardo Petrella sagt? Wird sich ein globales Netzwerk der sozialen Bewegungen konstituieren? Und der internationale Rat, der das forum organisiert, wird er transparent genug sein und sich neuen Perspektiven öffnen können? Werden wir aus Porto Alegre mit mehr oder weniger Verwirrung im Kopf abziehen? Auf all diese Fragen haben wir manche Antwort zu bieten. Dieser Almanach ist ein Versuch, mehr als ein Leitfaden zum Weltsozialforum. Gute Lektüre allemal. Gute Reise also, etwas metaphorisch, denn wir sind alle Reisende in eine andere mögliche Welt – oder nicht?
Die Übersetzung habe ich nur unwesentlich gekürzt. Eine Stelle des Beitrags, die zu spezifische italienische Aussagen enthält. Übersetzung: Günter Melle
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Ergänzungen
Ergaenzung aus Brasilien
reformisten!
mittlerweile ist es eigentlich egal wer da hinfaehrt oder nicht, das forum ist zu einem reformistischen grab geworden das dem kapitalismus ein wenig leben fuer alle abgewinnen will aber laengst nicht mehr davon traeumt dem system den garaus zu machen. ich hoffe die antiglobalisierungsbewegung ist endlich tot, es lebe der kampf gegen den kapitalismus begriffen als totalitaeres system das bis in unseren alltag hinein lebensbestimmend ist.
porto alegre ist nur ein trauriger ausdruck wie bewegung von der strasse weginstitucionalisiert werden kann, wie aus dem wildem freien tanz der liebe zum menschen ein buerokratisches spektakel wird.
lula ist ein grosser joshka fischer, einer der vielleicht mal was im kopf und im herzen hatte und dies irgendwo zwischen krawatte, schreibtisch und dienstwagen verloren hat. oder wie war das mit den rauemungen vor zwei wochen?
Zum Kommentar über mir fällt mir ein...
Leute wie der über sind wesentlich grusliger als alle Sozies zusammen. Würde mich bei seinem ekelhaften Tonfall nicht wundern, wenn er aus der Wertmüller-Ecke kommt.
@NoKommies??
Meine Sicht der Dinge: Lula ist ein Sozialdemokrat und somit staatsfixiert, reformistisch kapitalistisch. Ich kenne da auch einen Spruch: "Wer hat uns verraten?...." Die Politik der Sozialdemokratie bindet die Menschen immer an eine Hoffnung durch Vertretung und Staatsordnung. Da aber der Staat auch immer das Kapital braucht, steht außer Frage das sich in Brasilien nicht viel ändern wird. Und wenn Lulas Reformen nicht eine absolute Verbesserung für die Armen bringen, was gegen das kapitalistsiche Prinzip verstoßen würde, wird bei der nächsten, oder übernächsten Wahl eben wieder eine nationalistischer rechte Politik gefahren.... so wie immer!! Lasst euch nicht täuschen! Die reale Kraft für die Selbstaufhebung der arbeitenden Klasse liegt in der totalen Negation des Bestehenden!
Darum: Für die herrschaftsfreie Gesellschaft! Für den Kommunismus!
Was will er mit dem Spruch sagen?
So. Was meinte ich nun mit dem Spruch: Sehr oft bemerke ich, wie unflexibel und schwarzweissdenkerisch leute aus der radikalen Linken sind. Wenn ich manchmal sehe, wie die miteinander oder anderen umgehen, dann ist mit ehrlich gesagt ein Sozi an der Regierung besser als ein Honnecker, Wertmüller, AntifaM-Kreis oder irgendwelche Leninisten. Das meinte ich damit.
Sätze wie "porto alegre ist nur ein trauriger ausdruck wie bewegung von der strasse weginstitucionalisiert werden kann, wie aus dem wildem freien tanz der liebe zum menschen ein buerokratisches spektakel wird" sind Ausdruck einer total einseitigen Weltsicht. Revolution findet eben nicht nur auf der Straße, sondern zunächst in den Köpfen statt. Die radikale Linke ist von revolutionären Denken oft weiter weg, als irgendwelche "Normalen Bürger"!
aha, ehem!
revolution findet nicht nur auf der strasse statt, aber in den institutionen des bestehenden systems erst recht nicht. natuerlich geht es nicht darum ab und an auf eine demo zu gehen und dann zu hause den patriarchen raushaengen zu lassen...
der punkt um den es mir geht ist dass sowohl die pt als auch das forum schon lange beim kapitalismus (nicht nur wirtschaftlich verstanden sondern totalitaer, im sinne von gesellschaftsbestimmend) mitmachen wollen. so wie die leute von attac mit ihrer tobin steuer. das ist so wie kirchliche almosen: die armen sollen ein paar krumen abbekommen aber danach bitte schoen das maul halten. wer die baeckerei will, sollte sich aber nicht mit ein paar stueck kuchen zufriedengeben!
Naja