Disobbedienti-Aktion für FIAT Arbeiter

Alberto 29.11.2002 17:49 Themen: Globalisierung Soziale Kämpfe
In Italien verbindet sich zur Zeit die autonome Linke (No Global, Disobbedienti) mit den streikenden Arbeitern. Die Autonomen sind hier viel stärker in die sozialen Kämpfe involviert, wie sich in diesem Artikel zeigt. Diese Vernetzung zwischen der Bewegung und der Bevölkerung stellt die Herrschenden vor massive Probleme, vor diesem Hintergrund ist auch die unglaubliche Repression der italienischen Regierung zu sehen.
Am 23.November besetzte eine Gruppe von uns (Disobbedienti aus Venedig) Palazzo Grassi (eines der ältesten und wichtigsten Museen in Italien), Eigentum von Agnelli, dem Besitzer von FIAT. Dieser entlässt gerade hunderte Arbeiter, da sie teurer sind als die in anderen Ländern. FIAT mächte wohl lieber ärmere Länder für ihre dreckigsten Geschäfte ausbeuten.
Unsere Aktion startete 13Uhr, während in Palazzo Grassi gerade eine bedeutende Ausstellung über ägyptische Pharaonen war. Die Polizei wartete am Eingang auf uns. Aber sie waren nur zu zehnt. Wir sprangen aus dem Boot und durchbrachen, nach einem 30-sekündigen Gerangel, die Polizeikette und rannten ins Museum. Wir fragten dort nach dem Geld (450.000Eur), dem letzten Monatsgehalt für die entlassenen Arbeiter in Süditalien.
Alle Besucher waren geschockt, aber die Polizei konnte uns nicht schlagen, denn es waren hunderte Menschen im Gebäude und wir schrien: "Dies ist ein pazifistische Demonstration". So wusste jeder, daß wir keine Waffen oder Steine hatten. Wir forderten die Verantwortlich auf, das Geld für die FIAT-Arbeiter herauszugeben, aber sie gingen nicht darauf ein. Deshalb entschieden wir, die Besetzung die ganze Nacht lang fortzusetzen.
Die wichigsten italienischen Fernsehsender kamen zur Aktion. Die Nation hielt inne und sah auf uns. Alle Tagesnachrichten sprachen von der wichtigsten Aktion, die es je in Italien gegeben hat. Die Zeitungen schrieben, daß nicht einmal die Arbeiter von 68 solch eine spektakuläre Aktion gemacht haben. Sie schrieben ausserdem: "Die Disobbedienti (die Ungehorsamen) trafen ins Herz des Wirtschaftsrisen FIAT. Es war die unerwarteste, lauteste und glamouröseste Aktion, die es in Italien jemals gab".
Am Anfang waren wir nur 40 Leute, aber später kamen andere Ungehorsame und unterstützten die Besetzung während des ganzen Tages und der folgenden Nacht.

Was lief schlecht?
DIGOS, eine Spezialeinheit der Polizei, die subversive und terroristische Aktivitäten filmt und dokumentiert, hat uns angekündigt, daß wir 2 Jahre Gefängnis riskieren. Hoffentlich wird daraus nichts werden, aber die Geheimpolizei einzuschalten zeigt, daß sie Angst vor uns haben.
Was auch immer, diese Aktion ist jetzt ein Teil der Geschicht Italiens und wird daran erinnern, daß die Disobbedienti für eine Welt ohne Kapitalismus kämpfen.

They make plans .... we make history
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Ergänzungen

Annäherung von beiden Seiten

Zappelphilip 29.11.2002 - 17:55
Auch die Arbeiter scheinen immer mehr die Aktionsformen der Ungehorsamen zu übernehmen. Hier mal ein Auszug aus dem Text

"Teilerfolg der FIAT-Arbeiter?"
 http://de.indymedia.org/2002/11/35436.shtml



Es waren die Arbeiter des Südens, in den sizilianischen Niederlassungen des Autokonzerns, die sich an die Spitze dieses Kampfes stellten.
Sie verlangten von ihren Gewerkschaften den unbefristeten Streik in allen Fabriken von FIAT und das Ausrufen eines Generalstreiks aller
Arbeiter für den 15. November. Für die Arbeiter des Südens stand viel auf dem Spiel. Bei einer Arbeitslosenrate, die offiziell bei 25% liegt, aber
um das doppelte höher ist, in der jede sizialianische Arbeiterfamilie Arbeitslosigkeit mehrfach erfährt, haben sie keinerlei Aussicht auf einen
anderen Arbeitsplatz und sie wissen um den dramatischen Ruin vieler Menschen, die sich aus Verzweiflung über ihre hoffnungslose Existenz
das Leben nehmen.

Und am 11. November machten die Metallarbeiter von FIAT-Imerese ernst. Sie besetzten und blockierten alle wichtigen
Verkehrsknotenpunkte der Insel und legten ganz Sizilien lahm. Sie taten es mit der Sympathie der Bevölkerung auch wenn der Zugang zum
Festland verwehrt war, die Autobahnen und Nationalstraßen, Flugplätze und Häfen nicht mehr funktionierten. Denn jeder und jede in Sizilien,
der/die nicht von mafiosen politischen Geschäften lebt, sah in Imerese die Metapher für ein Italien, das nur Leiden kennt, ein Italien der
Emigration, Arbeitslosigkeit, Armut und bis heute von der Dreieinigkeit von Mafia, Politik und reaktionärem Klerus geknebelt.

In Berlin scheints sich die Idee auch...

Maxx 29.11.2002 - 17:58
..langsam rumszusprechen: Latschdemos, Randale und von der Bevölkerung abzukapseln bringt wenig:
 http://www.indymedia.de/2002/11/35316.shtml

ABKAPSELN????

29.11.2002 - 19:59
Ist mal wieder typisch: ein paar hätten dann doch gerne den Disobbedienti-Ansatz hier in ihr reformistisches Schema gebogen....

Aber bitte, dann macht mal endlich das, was die dort in Italien machen: Büros besetzen, Straßen blockieren, oder gegen CATERPILAR ne Aktion, wie es die Disobbedienti während des ESF in Florenz aus Protest gegen die Lieferungen von Räumpanzern in die besetzen Gebiete nach Palästina gemacht haben!

Bitte - wenn schon einen Ansatz versuchen hier zu übertragen - nichts zurechtbiegen!

Macht mal n paar Straßenblockaden, oder geht wie in Italien mal gegen Genlabors und Abschiebeknäste militant vor!




Was meinst Du damit?

Frager 29.11.2002 - 20:06
Worauf beziehst Du Dich? Musst ja nicht toll finden, wenns anderswo positive Entwicklungen gibt, aber pöbel nicht gleich rum.

Was ist denn "Gepöbel" z.B.?

29.11.2002 - 22:12
Ich habe mich auf diese Coment bezogen:
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In Berlin scheints sich die Idee auch...

Von: Maxx 29.11.2002 17:58

..langsam rumszusprechen: Latschdemos, Randale und von der Bevölkerung abzukapseln bringt wenig
---------------------------------------

so und so ähnlich gibt es so manche Komentare, die mit dem Disobeddienti-Ansatz - bzw. indem sie diesen sicherlich richtigen und wichtigen Ansatz versuchen zu verbiegen - versuchen, ihre Kritik gegen radikale Politik zu formulieren, indem einfach pauschal von "Randale" und von "Bevölkerung abkapseln" reden.

Sicherlich ist dieser Coment etwas mager, jedoch reiht er sich ein in eine Linie, die des öfteren auch hier in Berlin so formuliert wird und wurde.

Z.B. hieß es auf der Nachbereitungs-Veranstaltung zu Florenz in der Volksbühne, daß die Autonomen hier durch Florenz gut dazulernen könnten, daß es auch ohne "sinnlose Randale" gehe.
Dies impliziert: Genua war "sinnlose Randale" - und in Florenz haben die "friedlichen" demonstriert - so würden es die Herrschenden gerne aufspalten. Die guten GlobalisierungsgegnerInnen, und die bösen...

Doch Florenz hat doch klar gezeigt: OHNE BULLEN kein Krawall!!

Ich möchte jetzt nicht die Moralkeule schwingen, indem ich noch mit Carlo Guiliani komme, der in Genua ermordet wurde....

Das was Du schreibst stimmt nicht, Anonymer

Maxx 29.11.2002 - 23:35
Das ist eine Projektion. Mir scheint, daß Du den Streit bewusst suchst. Darauf hab ich keine Lust. Kann Dir nur mitteilen, daß es gar nichts mit Radikalität zu tun hat, kleine abgeschottete Sekten zu bilden oder am 1.Mai Tlefonzellen zusammen mit Hools zu zerdeppern. Gegen Militanz hab ich mich in keinster Weise geäussert, im Gegenteil. Nur scheinen wir unterschiedliche Militanzbegriffe zu haben. Wenn Du Randale=Radikal und DirekteAktion=Reformistisch bezeichnest, scheinst Du die Medien-Definition übernommen zu haben.
Lies doch mal am besten den Text oben, dort wird erwähnt, daß die Ungehorsamen aus dem autonomen Spektrum kommen.
Wenn Du Dich also abkapseln willst und Randale gut findest - Dein Ding! Ich will lieber den Kapitalismus abschaffen.

Für den Pöbler

Finder 29.11.2002 - 23:47
Du scheinst ein Anhänger der Ideologie der Autonomia di classe zu sein. Verwundert nicht, Die deutschen Autonomen haben sich nicht öffnen und weiterentwickeln können und haben ihr Konzept 1994 (Autonomiekongres) aufegegeben. Heute versuchen Kids das was sie für Autonom halten nachzuspielen, während die "Alten" wieder rauskommen und mit den Kiddies kollidieren...
In Italien hat sich die Sache weiterentwickelt und viele haben aus Fehlern gelernt und wollen von nun an auf feste Ideologien verzichten und ständig reflektieren.

Hier mal zwei Kommentare von  http://www.indymedia.de/2002/11/35609.shtml

Nackte Arroganz
29.11.2002 02:25

Man kann's auch in Italienisch gelesen, etwas weiter unten auf indymedia.de, unterzeichnet mit - "Compagni/e di Berlino per l'autonomia di
classe" - wäre schon nützlich, wenn die "Berliner GenossInnen für die Autonomie der Klasse" diesen Beitrag auch auf italia.indymedia.org
(und sich auch der Diskussion) stellen würden. Vielleicht würden sie sehen, dass dieses Thema durchaus dort auch schon diskutiert wird,
dass aber dem selbsternannten Antagonismus um jeden Preis eine gesunde Skepsis entgegenschlägt. Im Allgemeinen steht man dort den Relikten der späten 70er Jahre recht kritisch gegenüber und ist auch nicht unbedingt erpicht darauf, sich eine erneute blutige Niederlage
einzufangen, die die Bewegung weitere zwanzig Jahre zum Schweigen bringt. - Was die Sorge um das Einfangen der Bewegung durch die
parlamentarische "Linke" angeht: dazu besteht wenig Anlass, denn diese hat sich selbst bei ihrer Kernwählerschaft - der "empörten
Zivilgesellschaft", die hier so schön arrogant abgekanzelt wird - durch ihre bisherige "Oppositionsarbeit" gründlich blamiert.


Sektierer aller Länder vereinigt euch!!!
Von: Francesca 29.11.2002 11:03

Na ganz tolle Analyse! Autonomia di classe ist auch eine ganz wunderbare Strömung: Ihr vornehmlicher Dissenz zu den Disebbedienti bezieht sich darauf, dass sie ihnen vorwerfen den Kommunismus verraten zu haben, da sie nicht mehr für die Diktatur des Proletariats seien... dafür ist ihnen auch jede Lüegenkampagne recht. Dazu kommt, dass die paar HanselInnnen auf die sich Autonomia di classe nennen (vielleicht 1000 in ganz Italien höchstens, die sich darauf beziehen)ziemlich krude Positionen vertreten. Z.B. bezüglich Israel-Palästina, wo sie von revolutionären Bewegung in Palästina sprechen und eine ganz klassische ML-Position (so wie hier Linksruck oder so) vertreten. Autonomia di classe waren auch diejenigen, die sich im Frühjahr vor die 150.000 Menschen grosse Demo in Rom für eine friedliche Lösung in Israel-Palästina und ein Ende der Besatzung geschwungen haben um mit selbstgebastelten Sprengstoffgürteln den angeblichen Befreiungskampf in Palästina zu feiern (gegen die Absprachen der Demo, die so einen Scheiss gezielt nicht haben wollte).
Ausserdem war sowohl vor wie auch während des ESF vielmehr Kraft des Staates darauf konzentriert worden die Disebbedienti zu kriminaliseren, als irgend jemand anderes. Und noch was: Wenn es trotz der ganzen Spaltungen und Stretigkeiten in der italienischen radikalen Linken nach dem Repressionsschlag zu gemeinsamen Aktionen und Demos gekommen ist, dann sollte man nicht als Sektiererzwerge in DEutschland so einen Diskurs führen.
Auf solche Spaltersolidarität kann die italienische Bewegung gut und gerne verzichten. Genauso fragwürdog scheint mir diese unendliche
Anstrengung die Disebbedienti diffamieren zu wollen. Es ist ein erfolgreiches politisches Bewegungsmodell von dem sich einige eine Scheibe
abschneiden können. Das heisst nicht man/frau muss alles für gut heissen oder abfeiern. Aber da es auch ein anderer Kontext ist, sollte man/frau sich mit so extremen Urteilen, unbelegten Behauptungen und Lügen besser zurück halten.
Die Disobbedienti haben im Laufe des Aufbaus der Bewegung die richtigen Fragen gestellt. Die sollte man / frau sch anschauen. Welche Antworten man hier in Deutschland darauf findet, steht auf einem anderen Blatt. Auf den Sektiererscheiss von oben kann aber getrost verzichtet werden. Was liegt euch daran eine SPaltung zu betonen, zu fördern und zu unterstreichen, die in Italien im Moment glücklicherweise nicht prägend ist??

halt

r.f. 30.11.2002 - 12:09
dies ist keine attacke gegen die disobbedienti, sondern der versuch klar zu machen, woher die disobbedient-kritischen äußerungen, die hier regelmäßig auftauchen, kommen, weil hier viel zu viel durcheinandergebracht wird. zu den disobbedienti kann gesagt werden, dass sie tatsächlich eine ganze reihe interessante ansätze entwickelt haben, die aus dem versuch, zapatistische techniken im eigenen land umzusetzen erwachsen sind. es geht speziell um den großen coup, den der sup und seine gefährten in der berühmten sylvesternacht 1994 landeten, als die besetzung des rathauses von san cristobal um die welt ging und die allseits bekannte zapatistische botschaft millionen menschen
erreichte und nachhaltig beschäftigte.

die vorstellung, dass aufstände legitim sind, schlug ein in einer eingeschlafenen welt, die damals nur allzu willig dem neoliberalismus in die arme lief und gerade glaubte, die revolution sei mit dem untergang der udssr für immer gestorben. in italien nahmen millionen die zapatistische botschaft auf, die leute, aus denen die disobbedienti hervorgegangen sind waren übrigens lange nicht die einzigen, die in italien ganz intensiv darauf eingingen. die disobbedienti kultivierten von den verschiedenen zapatistischen ansätzen vor allem die kommunikationstechnik. sie schreiben bis heute flugis im stil der communiques der zapatistas und imitieren dabei (meiner ansicht nach auf eine sehr schlechte art)die zapatistische sprachpoesie. die kommunikationsguerrilla ist ihre spezialstrecke, nicht so sehr auf der ebene handfester gegenöffentlichkeit, sondern auf der ebene des bewußten einsatzes symbolischer, möglichst spektakulär arrangierter auftritte.

berühmt worden sind sie allemal dafür, doch wird ihnen oft ein grundsätzlicher mangel an tiefergehender politischer substanz vorgeworfen und nicht unerhebliche gewalt gegenüber andere teile der sozialen und politischen bewegungen im land. gerade die zapatistas haben ja immer neben dem "dagegen sein" und der lautstarken anklage gegen die verbrechen des neoliberalismus auch die frage nach dem wofür propagiert. das wurde besonders nach genua bei den tute bianche, die sich dann in luft auflösten um später als disobbedienti wieder aufzutauchen, jenseits des inhaltlichen und technischen kommunikations-know-hows schwer vermisst.

auf der ebene der suche nach umsetzungsmöglichkeiten der lautstarken anklage haben die disobbedienti durchaus brauchbare ansätze entwickelt, ansonsten aber läuft da leider nicht viel, sowie es scheint. das ist in italien einer der konfliktpunkte mit ihnen. der andere punkt ist, dass vor allem die disobbedienti vom nordosten schon oft unliebsame genossen aus anderen zusammenhängen auch ´mal verprügelt haben, deren teilnahme an bündnisdemos teilweise versucht haben zu verhindern und veranstaltungen anderer gruppen bis hin zur demolierung von einrichtungen angegriffen haben sollen, was recherchen von mir leider bestötigt sahen.

daher kommt es, dass manchmal selbst im ausland der eine oder andere böse text auftaucht, wenn jemand soziale kämpfe in italien mit den disobbedienti gleich setzt. in florenz verlangten sie ziemlich offensiv die demospitze. sie wurden dazu verdonnert, als letzte zu gehen, hinter der cgil, der gewerkschaft der mitte. das hätte die sfe leitung nie durchsetzen können, wenn sdie disobbedienti mit ihrem dominanten verhalten nicht so viel verbitterung anderer gruppen und einzelpersonen auf sich gezogen hätten.

auch muss gesagt werden, dass nie die sache mit genua aufgearbeitet wurden. gerade mit ihrem ansatz der visuell aufgearbeiteten mediengerechten inszenierung einer möglichen antwort auf die militärische belagerung der stadt haben sie als tute bianche in den augen vieler dazu beigetragen, dass es weg von den inhalten hin zur gewaltorgie als einziges, was heute noch mit genua in verbindung gebracht wird und damit von genua inklusive des toten carlo bleibt, ging. der weg zum g8 in genua hatte in italien eine unglaublich breite politisierung, organisierung und mobilisierung von menschen gesehen, das wirklich eine bedrohung des status quo darstellte. vom genua horror hat sich diese bewegung bis heute nicht wirklich erholt, wenn auch ich das nicht allein an den tute bianche festmachen will.

ein weiterer reibungspunkt mit den disobbedienti liegt in der tatsache, dass sie durch ihre systematisch medientauglich angelegten auftritte zu einer prominenz kommen, die ihnen zahlenmmässig aberkannt wird. desweiteren gab es oft schon große aufregung, weil sie als für die bewegung nicht inhaltlich, wohl aber medial repräsentativer haufen, nicht nur faktisch vereinnahmend gewirkt haben, sondern auch mit vetretern des establishement auf unterschiedlichste weisen immer wieder undurchsichtig paktiert und hier und da nebenbei auch manches nicht transparente geld organisiert haben sollen. zuletzt blieb in florenz die frage unbeantwortet, woher sie sie das geld hatten, um die horrenden kosten ihres satellitaren global-tv zu decken.

die arbeiterschaft haben die disobbedienti jedenfalls erst später endeckt, d.h. vor kurzem. bei einem radioauftritt in berlin im vorfeld des g8, als die tute bianche in aller munde und auf tour waren, weiss ich noch, wie sie erklärten, der kampf der arbeiter mit dem schraubenschlüssel, italienisches sinnbild des arbeiters, der sich körperlich seinen ausbeutern widersetzt, habe ausgedient, (da standen mir die haare zu berge, ehrlich gesgt)es gehe jetzt darum, den körper emanzipatorisch als waffe wiederzuentdecken, um in genua heuil als kompakte masse durch die belagerung zu kommen, was ja mit diesen bewußt kameratauglichen imitationen polizeilicher kampfmonturen bewerkstelligt werden sollte, in der realitätsfernen hoffnung auf einen kollektiven ya basta sturm auf die rote zone einer bewegung in rebeldia.

die thematisierung des körpers in einem katholischen land, dass das selbstbestimmte recht am eigenen körper systematisch bestraft und beschneidet war verständlich, so wie auch die radikale kritik an die belagerung und die kritik der tobin-tax-softies, aber situationsbezogen politisch daneben, die höhenflüge von persönlichen befreiungsmomenten in den vorausgegangenen jahren in den nischen besetzter zentren, wo endlich der hedonismus von den cooleren und schöneren richtig ausgiebig gelebt werden konnte, hat ihnen meiner meinung nach einen ganz bösen streich auf der ebene der politischen wahrnehmung und unbewußt eine nicht unwesentliche rolle bei der entwicklung des tute bianche ansatzes gespielt, wenn auch andere theoretische überlegungen den inhaltlichen weg markierten.

die no g8 bewegung hatte jedenfalls durchaus mehr inhalte, die so überdeckt wurden. der vorwurf an die tute bianche wegen der vereinnahmung des protestes von genua ist fakt. die piquetes aus argentinien sind auch in italien eine altbewährte kampftechnik, die nicht erst seit argentinien existiert. blockaden, assemblee, präsidien, volksbesetzungen: alle diese kampftechniken wurden damals gerade von den tute bianche mit der behauptung, der schraubenschlüsselkampf sei passé, als altmodische operaistische langweiler abgetan.

ich vertrete die ansicht, dass mensch nie auslernt, deshalb finde ich es ok, wenn die leute jetzt auch eine annäherung zu den arbeitern suchen, auch ist es großartig, weil es echt ganz neue chancen birgt, dass die arbeiter von termini imerese in sizilien jetzt durch die begegnung mit den disobbedienti neue wege der kommunikation und der medienpraxis einschlagen, wie man an der stolz verkündeten gründung eines arbeiterkampf-fernsehens vor wenigen tagen zu sehen war.

im kampf, der nicht auf symbolischer anklage und protest fußt, sondern ein echter, militanter forderungskampf ist aber, waren die arbeiter zuerst da, ganz ohne die disobbedienti, und die einfache bevölkerung als erste an der seite der arbeiter. erst als der unglaublich lange atem der arbeiter inmitten der größten schwierigkeiten klar wurde, kamen die disobbedienti dazu. also ist es nicht zulässig, die disobbedienti hierbei in den vordergrund zu setzen, wie viele bald tun werden, wenn immer nur von ihnen die rede ist.

das know how der disobbedienti in sachen rebellionstheorie und -pr ist etwas an sich ganz gutes, aber nicht alles, und die irritation vieler ihnen gegenüber ist de facto nicht unbegründet. ich sehe schon, wie disobbedienti-fans jetzt mit gegenkommenteran lautstark zurückschlagen werden, um ihre lieblinge zu verteigen, daher versichere ich im voraus, dass die vorwürfe der systematischen unsichtbarmachung anderer bewegungskomponenten, die ansatz- und verhaltensbedingte tendenz zu vereinnahmen und permanente verbale wie auch die gelegentliche, aber immer wieder vorkommende anwendung von körperlicher gewalt gegen andere bewegungsangehörige leider wahr sind.

wie schon am anfang gesagt, dies ist nicht als attacke gegen die disobbedienti gedacht, sondern als versuch, klar zu machen, woher die disobbedient-kritischen äußerungen, die hier regelmäßig auftauchen, kommen. als letzes muss noch gesagt werden, dass die disobbedienti und die autonomia nicht identisch sind. hundert prozent nicht. ciao, und versucht bitte, bei einer möglichen diskussion zu diesem beitrag, sachlich zu bleiben und nicht gehässig zu werden. ich habe nicht gerne dazu geschrieben, die tatsache aber, dass einerseits die disobbedienti von manchen viel zu pauschal gefeiert werden und oft als die einzig wahre kraft einer bewegung gelten, die in wahrheit aber ganz anders zusamengesetzt ist und der umstand andererseits, dass immer noch unklar ist, was hinter der kritik steckt, die dennoch immer wieder zu ihnen auftaucht, war mir jetzt aber grund genug, es doch zu tun.


Danke für den Background

Berliner 30.11.2002 - 12:56
Meiner Meinung nach mhr ein grund für eine breite in der Bewegung einzutreten: Jeder Zusammenhang hat seine Stärken und Schwächen. Wenn die Gemeinsamkeiten erkannt werden, können die Stärken zusammengebracht werden. Hierzulande gibts ja leider die Illusion der "perfekten Ideologie". Viel an der Kritk bei Indy.de kommt von Leuten, die aber genau diese Illusion haben und solange keine Bewegung dulden, bis sie "ihre" Bewegung bekommen haben.
(Das mit dem Dominanzverhalten wurde vor Florenz auf einer Vranstaltung in Berlin erklärt - ist scheinbar in Problm der ital. Linken insgesamt. Mal sehn, ob die lernen...)

@r.f.

Danke, aber... 30.11.2002 - 16:03

Danke für die gute Recherche, sie hat aber einen grundlegenden Fehler. Zwar sind alle deine Thesen wichtige Kritikpunkte, jedoch treffen sie nicht alle auf die Disobbedienti zu, sondern großteils auf die Tute Bianche (zum Beispiel die Gewalt gegen Genossen). Die Tute Bianche und die Disobbedienti sind nicht gleich zu setzen, denn die Tute Bianche ist nur zum Teil zu Disobbedienti geworden und dieser Teil stellt auch nur einen kleinen Teil der Disobbedienti dar. Es ist sogar so, daß die Tute Bianche in Disobbedienti Kreisen eher unbeliebt sind. Das hängt damit zusammen das die Tute Bianche zum Beispiel ein Sozialzentrum in Mailand angegriffen haben, in dem viele Anarchisten aktiv waren, welche einen humorvoll kritischen Artikel über die Tute Bianche verfasst hatten. Also ich kann das auch nur aus meinem Blickwinkel und meinen Erfahrungen berichten, aber die Disobbedienti aus Italien, die ich kenne mögen die Tute Bianche ganz und gar nicht.

@ one above

r.f. 30.11.2002 - 16:46
ich muss dir leider widersprechen. die disobbedienti sind sehr wohl aus den tute bianche hervorgegangen. in kürze poste ich übersetzungen von materialien zum thema. dass es disobbedienti gibt, die nix von den tute bianche wissen wollen, hat damit zu tun, dass ja im laufe der zeit die verschiedensten menschen sich den ungehorsam (disobbedienza)zu eigen gemacht haben und ganz klar auch einzelpersönlichkeiten dabei sind, die nicht gut auf die tute bianche zu sprechen sind, wenn auch sie eine minderheit darstellen. die multiplen bewegungsinternen zwistigkeiten beschränken sich übrigens bei weitem nicht auf den von dir erwähnten mailänder vorfall. vorerst muss das reichen, ick übersetze erst ´mal weiter, ich denke, original-dokumente sind sinnvoll, um mehr zu erfahren/verstehen.

zusätzliche anmerkung

r.f. 30.11.2002 - 16:53
nochmal @ one above: die gewalt gegen genossen auf die ich hinweise kam von disobbedienti-gruppen, so leid es mir tut. der letzte vorfall ist gerade ´mal eine woche alt. nach wie vor betone ich meine große hoffnung auf eine konstruktive auseinandersetzung. ich will auf keinen fall, dass aus dem gespräch eine polarisierte denunziationsgeschichte wird.

Linke und Toleranz

30.11.2002 - 18:15
Warum muss immer irgendwas ganz gut oder ganz schlecht sein? Warum gibts für viele nichts dazwischen? Warum kann denn mal eine Sache nicht differenziert betrachtet werden? Keine Gruppe/Organisation ist nur gut oder nur schlecht. Warum ist es besonders der deutschen Linken nicht möglich,
- aus anderen Ansätzen sich das rauszunehmen, was gut oist und den Rest zu ignoreiren (anstatt alles abzulehnen oder alles blind zu übernehmen)
- andere meinungen neben den eigenen existieren zu lassen
???

disobbedienti und tute bianche

hier zwei links 30.11.2002 - 20:41
At the G8 summit in Genoa the Tute Bianche decided to take off their trademark white overalls that had given them their name and instead blend in the multitude of 300,000 demonstration participants. The transition from the Tute Bianche to the Disobbedienti, the disobedients, also marked
a development from "civil disobedience" to "social disobedience."

 http://www.noemalab.com/sections/news_detail.asp?IDNews=696

 http://www.nadir.org/nadir/initiativ/agp/free/tute/