Infostand zum 20. Geburtstag der EZLN

Die Löwin und der Maulwurf 18.11.2003 14:12 Themen: Globalisierung Soziale Kämpfe Weltweit
Gestern, am 17. November 2003 jährte sich der Jahrestag der Gründung der EZLN zum 20. Mal. Um dies zu feiern und ein wenig Ã?ffentlichkeit zu schaffen gab es am frühen Nachmittag und Abend einen revolutionä¤ren "Info-Cafestand" in der münsteraner Innenstadt. Felix Cumpleaños al EZLN!!!! No están sol@s!!!
Text des Flugblattes, das an die BürgerInnen verteilt wurde:

Infos darüber, wer warum mit wem Geburtstag feiert und Erklärung wer die Zapatistas eigentlich sind.

Heute, am 17. November 2003 jährt sich der Jahrestag der Gründung der EZLN (â??Zapatistische Befreiungsarmeeâ??) aus Mexiko zum 20. Mal. Mit dieser Gründung entwickelte sich im südlichsten Bundesstaat Mexikos (Chiapas) eine Bewegung, die gegen Ausbeutung und Unterdrückung nicht nur in ihrem Land sondern weltweit kämpft, um etwas Neues zu schaffen, etwas Menschlicheres und etwas Gerechteres.
1994 erhoben sich die in der EZLN organisierten IndÃgenas, die Ureinwohner Mexikos, in dem bewaffneten Kampf gegen die Regierung. Sie kämpften zwei Wochen lang, um denjenigen eine Stimme zu geben, die über 500 Jahre nicht gehört wurden. Seit 10 Jahren nun kämpfen sie mit Worten, anstatt mit Waffen und halten ein einseitiges Waffenstillstands-abkommen mit der Regierung ein. Während die Regierung einen schmutzigen Krieg der â??niederen Intensitätâ?? führt, indem sie die Aufständischen mordet, unsägliche Repression ausübt und den Menschen ihre Existenzgrundlage entzieht, versuchen sich die Zapatistas autonom und basisdemokratisch zu organisieren.
Heute zeigen wir unsere Solidarität mit der zapatistischen Bewegung und feiern damit die Gründung der EZLN, weil die Aufständischen in Chiapas zeigen, dass eine andere Welt möglich ist, weil nicht die Eroberung der Macht das Ziel der Zapatistas ist, sondern Demokratie, Freiheit, Gerechtigkeit und ein Leben in Würde für alle. Weil der Aufstand der Zapatistas nicht entfacht wurde, um fertige Rezepte in die Tat umzusetzen, sondern um die Freiräume zu schaffen, anders zu leben und zu denken, weil es ihnen nicht darum geht, endgültige Antworten zu besitzen, sondern darum, Fragen zu stellen; denn es müssen immer neue Wege des Denkens und Handelns eröffnet werden. Weil sie gegen den Neoliberalismus kämpfen und sich basisdemokratisch und kollektiv organisieren. Weil sie uns zeigen, dass es nicht nur möglich ist gegen etwas zu kämpfen, sondern auch für etwas und weil sie uns zeigen, dass es für jeden von uns möglich ist, sich zu organisieren.


Und was geht uns das hier in Deutschland an?

Vieles von dem, was sich gegen die Gestaltung der Welt von den Reichen für die Reichen regt, findet ihren Ursprung im Aufstand und den Initiativen der Zapatistas.
Heute, 20 Jahre nach der Gründung der EZLN schlägt der Neoliberalismus in Deutschland mit all seiner Härte all diejenigen, die nicht in das Konzept der gnadenlosen Vermarktung und der kapitalistischen Verwertung passen.


Es ist an der Zeit auch hier zu sagen: Ya Basta - es reicht! Schluss mit den neoliberalen Programmen der Regierung.

Nun, sie werden nun wohl immer noch denken, und was geht mich das alles an?
Mexiko ist weit weg, fast eine Galaxie. Chiapas, davon haben wir noch nie was gehört. Und warum stehen diese Leute hier rum und erzählen den Quatsch. Wir sind hier zum Einkaufen. Au�erdem will das Kind noch vom Training abgeholt werden. Das essen muss auf den Tisch. Morgen müssen wir wieder früh raus. So oder so ähnlich werden sie vielleicht denken.

Weit weg ist Chiapas sicherlich: Topographie: dort gibt es Berge, hier ist es
flach. Dort Regenwald, hier Kuhweiden. Sprache: dort Spanisch, Tzeltal, Tzotzil und viele andere, hier spricht man Hochdeutsch. Politik: hier spricht man von Frieden und Demokratie und hat den Knüppel doch immer griffbereit, in Chiapas herrscht Krieg, aber die Zapatistas kämpfen mit Worten. Ã?konomie: nun sie werden sich entweder wohl zu Tode arbeiten oder wegrationalisiert worden sein, dort sterben sie durch Arbeit und sie sterben wenn sie auf die Strasse geworfen werden. Sie können auch ins Krankenhaus gehen, oder in die Schule und sie bekommen immer noch Arbeitslosengeld in Höhe des Sozialhilfesatzes. Die IndÃgenas in Chiapas können nicht zur Schule, nicht ins Krankenhaus und Sozialhilfe hat es noch nie gegeben. Dann muss es wohl der Regen sein, der uns gemeinsam ist, triefend, grau in grau, die Tage beginnen spät und enden früh.

Und das soll alles sein. Der triefende Regen, das Grau in Grau, die Nacht. Vielleicht auch nicht. Am 01.01.1994 haben die Zapatistas sich erhoben, der Tag, als das Nordamerikanische Freihandels-abkommen unterzeichnet worden ist. Ein Faktum der kapitalistischen Globali-sierung. Aber das stimmt nicht, der Regen ist nicht alles Gemeinsame, denn sie können hier dasselbe hören wie dort: dass zuwenig gearbeitet wird und die Löhne zu hoch sind, dass kein Geld für das Gesundheitssystem da ist und auch keins für die Schulen und auch keins für die, die arbeitslos sind. Weil der Wirtschaftstandort gestärkt werden muss, weil wir gegen die Konkurrenz bestehen müssen, weil der Mensch für die Wirtschaft da ist und nicht umgekehrt. Sie sehen, es gibt so was wie den mexikanischen Hartz I, II, III, IV, den Rürup, die Finanzlöcher und Schlupflöcher, und die, die immer reicher werden, und durch jedes Loch hindurch-finden.

Wir haben viele Gemeinsamkeiten! Deswegen sind wir hier. Nämlich um einen Geburtstag zu feiern, und zwar den einer Organi-sation, von Men-schen geschaffen, die erkannt haben, dass der Staat es nicht mehr richtet, die beschlossen haben ihr Leben in die eigene Hand zu nehmen, damit die Sonne für alle scheine und jeder Mensch die Möglichkeit auf ein würdevolles und gerechtes Leben hat. Deswegen, weil wir anders sind und auch gleich, stehen wir hier mit den Zapatistas zusammen. Deswegen bitten wir sie, von dem täglichen Grauen ein wenig Auszeit zu nehmen und ihr Leben in die eigene Hand zu nehmen. Sie können gerne mit den Leuten hinter dem Stand reden, die bei�en nicht, und versuchen ebenfalls mit Worten zu kämpfen. Hier am Stand gibt's fair gehandelten Kaffee, Tee und wenn wir es geschafft haben auch Kuchen. Und - vielleicht regnet es ja auch gar nicht. Aber das liegt nicht in unserer Hand.

Kontakt: www.gruppe-basta.de
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Ergänzungen

Die EZLN wird zwanzig – ¡cumpleaños feliz!

Direkte Solidarität 18.11.2003 - 18:31
Die EZLN wird zwanzig – ¡cumpleaños feliz!


Gestern Montag, den 17.11. 04, feierten die Zapatistas den zwanzigsten Geburtstag des Zapatistischen Heeres zur Nationalen Befreiung! Wir gratulieren!!!

Über die internen Feiern im Folgenden einen Artikel aus der Jungen Welt.

Anschliessend die Übersetzung eines Communiqués von Subcomandante Marcos, in dem die Geschichte der zapatistischen Guerilla in sieben Kapiteln erzählt wird.


Geschlossene Gesellschaft

Dario Azzellini

Zapatisten feiern den 20. Jahrestag der EZLN-Gründung – im internen Kreis

Es sind 20 Jahre, aber wir fangen gerade erst an«, kommentierte Comandante Abraham von der EZLN den Jahrestag der Gründung der mexikanischen Guerilla EZLN (Ejercito de Liberación Nacional) während der gegenwärtig laufenden Feierlichkeiten in Mexiko-Stadt. Mit Lesungen, einer Buchvorstellung, Konzerten und einer großen Tombola begehen die Zapatisten und ihre Sympathisanten mehrere Tage lang den 20. Geburtstag der EZLN. Die Feierlichkeiten sind Teil der Kampagne »20-10«, die bis Anfang Januar fortgesetzt wird: In der Nacht vom 31. Dezember auf den 1. Januar 2004 jährt sich zum zehnten Mal der Beginn des zapatistischen Aufstands, als Kämpfer der bis dato unbekannten EZLN in Chiapas mehrere Bezirkshauptstädte und das regionale Zentrum San Cristobal militärisch besetzten. Nach heftigen Auseinandersetzungen mit Regierungstruppen, die eine bis heute noch unbekannte Zahl von Toten forderten, erklärten die Zapatisten eine Waffenruhe, und die Regierung stellte auf massiven Druck der mexikanischen Bevölkerung, die mit Massendemonstrationen für Frieden eintrat, ihre Angriffe ein. Das Datum des Aufstands war von der EZLN gewählt worden, da es mit dem Inkrafttreten der Nordamerikanischen Freihandelszone (NAFTA) zusammenfiel, die von der ländlichen Bevölkerung abgelehnt wird.

Am 17. November 1983, so berichtete Subcomandante Marcos in einer eingespielten Tonbandaufzeichnung, die in Mexiko-Stadt präsentiert wurde, gründeten sechs linke Aktivisten, fünf Männer und eine Frau, im Urwald Chiapas die Befreiungsbewegung. Marcos selbst stieß erst neun Monate später zu dem Gründerkreis. Zu Zeiten der Aufstandes, so Marcos, habe die EZLN 4 500 Kämpfer und 2 000 Reservisten in ihren Reihen gezählt.

Der Aufstand der EZLN, der mit den Worten »Ya basta« (»Es reicht«) in die Öffentlichkeit gelangte, erregte weltweites Aufsehen. In Mexiko wurde deutlich, daß der Traum des Übergangs zur »ersten Welt« und eines prosperierenden Mexiko ohne soziale Probleme eine Seifenblase war. Das »Ya basta« der Zapatisten setzte ein deutliches Zeichen gegen den damals propagierten Siegeszug des Neoliberalismus und das »Ende der Linken«. Zugleich trug der Aufstand stark zur Erneuerung linker Diskurse und der Globalisierung von Protest- und Widerstandbewegungen bei.

In einem Interview des Subcomandante für ein vor wenigen Tagen präsentiertes Buch über die zapatistische Bewegung, veröffentlicht von der Journalistin Gloria Muñoz, zeigte sich Marcos außergewöhnlich selbstkritisch. »Als erstes muß klargestellt werden, daß nicht alle Aufrufe und Initiativen der Zapatisten auf eine massive Antwort der nationalen und internationalen Zivilgesellschaft gestoßen sind. Wir denken, dies war Fehlern geschuldet, in diesem Fall meinen.« Als solche Fehler benannte er seine Schreiben bezüglich des Konfliktes im Baskenland und die schwache Reaktion auf seine Aufrufe an die Zivilgesellschaft, sich dem Irak-Krieg entgegenzustellen.

In den Tagen bis zum 20. November wird nun in den zapatistischen Gemeinden gefeiert, doch überraschenderweise ohne die Öffentlichkeit. Nachdem im August ursprünglich öffentliche Feierlichkeiten angekündigt worden waren und sich einige Gemeinden in den vergangenen Tagen offensichtlich darauf vorbereitet hatten, verkündete ein Kommuniqué kürzlich, daß der Festakt hinter verschlossenen Türen stattfinden wird. »So können wir Zapatisten uns ausschließlich der Feier unseres Geburtstages widmen«, hieß es kurzerhand.

 http://www.jungewelt.de/2003/11-18/009.php

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Anmerkung der Direkten Solidarität mit Chiapas: Der Waffenstillstand am 12.1.94 wurde einseitig von der Regierung Salinas ausgerufen und mit einer Amnestie verbunden, von der insbesondere die Bundesarmee profitierte, welche in den zwölf Tagen Krieg mehrere aussergerichtliche Hinrichtungen beging.



Marcos' Botschaft zur Präsentation des Buches "EZLN - 20 und 10, das Feuer und das Wort"


Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung
Mexiko

10. November 2003.

Guten Tag, guten Nachmittag und guten Abend. Hier spricht Sup Marcos.
Willkommen an alle.

Wir sind hier, um mit der Feier einer Geschichte zu beginnen und um ein Buch zu präsentieren, das einen guten Teil dieser Geschichte erzählt. Auch wenn man das Gegenteil denken könnte, die Geschichte die gefeiert und erzählt wird, sind nicht die 20 und 10 Jahre der EZLN. Das heißt, nicht nur. Vielen Menschen kommt es so vor, als hätten sie an diese 20 und 10 Jahren teilgenommen. Und damit meine ich nicht nur die Tausende indigener Gemeinden in Widerstand, sondern auch die Tausenden von Männer, Frauen, Kinder und Alte aus Mexiko und der ganzen Welt. Die Geschichte die wir heute zu feiern beginnen, ist auch die Geschichte eines jeden einzelnen von ihnen.

Die Worte, die ich heute schreibe und spreche, wenden sich an all diese Menschen, die ohne den Reihen der EZLN anzugehören mit uns gemeinsam eine Idee teilten, lebten und für sie kämpften: der Aufbau einer Welt, in der alle Welten Platz haben. Man könnte auch sagen, wir wollen einen Geburtstag, in dem alle Geburtstage Platz haben.

Beginnen wir die Fiesta also, wie wir die Geburtstagsfeste in den Bergen des mexikanischen Südostens seit 20 Jahren beginnen, das heißt, indem wir Geschichten erzählen.

Unserem Kalender zufolge hatte die Geschichte der EZLN vor dem Beginn des Krieges sieben Etappen.

Die erste Etappe war die Auswahl der Leute, die der EZLN angehören würden. Das war um 1982. Es wurden Übungen von ein, zwei Monate in der Selva organisiert, und die Leistung der Teilnehmer wurde bewertet um zu sehen, wer "es aushalten" konnte. Die zweite Etappe war das, was wir das "Implantieren" nennen, das heißt, die eigentliche Gründung der EZLN.

Heute ist der 10. November 2003.

Stellen Sie sich bitte vor, wie an einem Tag wie heute, aber vor 20 Jahre, im Jahre 1983, eine Gruppe von Personen in irgendeinem sicheren Haus die Ausrüstung vorbereitete, die sie in die Berge des mexikanischen Südostens mitnehmen würde. Dieser Tag vor 20 Jahren verging vielleicht mit der Überprüfung von Vorräten, dem Einholen von Informationen über Strassen, alternative Routen, Zeiten; das Detaillieren von Zeitplänen, Befehlen, Vorkehrungen. Vor 20 Jahren, zu vielleicht genau dieser Stunde, bestiegen sie ein Fahrzeug und begann die Reise nach Chiapas. Wenn wir dort gewesen wären, hätten wir diese Personen vielleicht gefragt, was sie zu tun beabsichtigten. Und sicher hätten sie uns geantwortet: "wir werden die Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung gründen". Sie hatten 15 Jahre darauf gewartet, diese Worte sagen zu können.

Nehmen wir mal an, dass sie ihre Reise am 10. November 1983 begonnen haben. Einige Tage später, erreichten sie das Ende eines Trampelpfades, stellten ihre Sachen ab, verabschiedeten den Fahrer mit einem "bis dann", und nachdem sie ihre Rucksäcke aufgeschultert hatten, machten sie sich daran, eine der Sierras zu erklimmen, die nach Westen hin die Selva Lacandona durchziehen. Viele Marschstunden später, mit jeweils 25 Kilo auf dem Rücken, schlagen sie ihr erstes Lager auf, inmitten der Sierra. Ja, es ist durchaus denkbar, dass dieser Tag kalt war und es sogar regnete.

Heute vor 20 Jahren senkte die Nacht sich rasch über die großen Bäume, und mit Hilfe von Taschenlampen hängten diese Männer und Frauen ein Plastikdach an einer Leine auf, befestigten ihre Hängematten, suchten nach trockenem Feuerholz, und zündeten eine Plastiktüte an um das Feuer in Gang zu bringen. Im Schein dieses Feuers notierte der Befehlshaber in sein Feldtagebuch etwas in der Art: "17. November 1983. So und so viele Meter über dem Meeresspiegel. Regnerisch. Bauten Lager auf. Keine Zwischenfälle". In der linken oberen Ecke des Blattes, erscheint der Name, den sie dieser ersten Station einer Reise gegeben haben. Wie sie alle wissen, wird diese sehr lang sein. Es gab keine besondere Zeremonie, aber an diesem Tag und zu dieser Stunde, wurde die Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung gegründet.

Bestimmt schlug damals jemand einen Name für dieses Lager vor, wir wissen es nicht. Was wir sicher wissen ist, dass diese Gruppe aus sechs Personen bestand. Die ersten sechs Insurgentes (Aufständische), fünf Männer und eine Frau. Von diesen sechs waren drei Mestizen und drei Indigenas. Das Verhältnis von 50% Mestizen und 50% Indígenas sollte sich in den 20 Jahren der EZLN nie mehr wiederholen, genauso wenig wie der Anteil von Frauen (weniger als 20% in diesen ersten Tagen). Im Augenblick, 20 Jahre nach diesem 17. November liegt der Prozentsatz bei etwa 98,9% Indigenas und 1% Mestizen. Der Frauenanteil liegt bereits bei etwa 45%.

Wie hieß dieses erste Lager der EZLN? In dieser Hinsicht sind sich die ersten 6 Insurgenten nicht einig. Wie ich später lernte, wurden die Namen der Lager ohne jede Logik gewählt, ganz natürlich und ohne Verstellung, unter Vermeidung apokalyptischer oder prophetischer Namen. Keins darunter heißt zum Beispiel "Primero de enero de 1994"

Wie diese ersten 6 erzählen, wurde eines Tages ein Insurgente losgeschickt um zu erforschen, ob ein Standort die nötigen Voraussetzungen für ein Lager bot. Der Insurgente sagte bei seiner Rückkehr, der Platz sei "ein Traum". Die Compañeros (Gefährten) marschierten darauf los, und als sie ankamen, standen sie in einen Sumpf. Daraufhin sagten sie zu ihrem Compañero "Das ist kein Traum, das ist ein Alptraum". Und so hieß das Lager danach "Der Alptraum". Das muss in den ersten Monaten von 1984 gewesen sein. Der Name dieses Aufständischen war Pedro. Später würde er zum zweiten Leutnant, Leutnant, Unterhauptmann, Hauptmann und Subcomandante aufsteigen. Mit diesem Rang und als Anführer des zapatistischen Generalstabs, fiel er 10 Jahre später im Januar 1994 im Kampf um die Einnahme von Las Margaritas, Chiapas, Mexiko.

In der dritten Etappe, immer noch vor dem Aufstand, widmeten wir uns der Aufgabe des Überlebens, das heißt, wir jagten, fischten und sammelten Früchte und Waldpflanzen. In dieser Zeit eigneten wir uns Kenntnisse über das Terrain an, Orientierung, Wanderungen, Topografie. Und wir studierten militärische Strategien und Taktiken aus den Handbücher der nordamerikanischen Armee und der mexikanischen Streitkräfte, und den Gebrauch und die Pflege diverser Schusswaffen, sowie die sogenannten "Kampfsportarten". Wir studierten auch mexikanische Geschichte und führten natürlich ein sehr intensives Kulturleben.

Ich kam während dieser dritten Etappe in die Selva Lacandona, 1984. Das heißt im August-September dieses Jahres, ungefähr neun Monate nach Ankunft der ersten Gruppe. Mit mir kamen zwei weitere Compañeros: eine indigene Chol-Compañera, und ein indigener Tzotzil-Compañero. Wenn ich mich recht entsinne, bestand die EZLN bei meiner Ankunft aus sieben Basiselementen und zwei weiteren, die in der Stadt "ein und aus gingen". Für Postzustellungen und um Vorräte zu beschaffen. Sie durchquerten die Dörfer nachts oder als Ingenieure verkleidet.

Die Lager waren damals relativ einfach: es gab ein Verwaltungsareal oder die Küche, die Schlafräume, den Übungsplatz, den Wachposten, das Areal 25 und 50, und die Schussübungsplätze für dieVerteidigung. Vielleicht werden sich einige Zuhörer fragen was zum Henker das "Areal 25 und 50" ist. Nun, zur Erfüllung gewisser Bedürfnisse, die man als "primär" bezeichnet, musste man einen gewissen Abstand vom Lager halten. Um zu urinieren musste man sich 25 Meter weit entfernen, um zu kacken waren es 50 Meter; außerdem musste man ein Loch mit der Machete schlagen und das "Produkt" sofort zudecken. Natürlich galten diese Bedingungen als wir, wie es so schön heißt, nur eine Handvoll Männer und Frauen waren, also nicht mehr als 10. Später bauten wir Latrinen in abgelegenere Zonen, aber die Bezeichnung "25 und 50" blieb hängen.

Es gab ein Lager, den man "Der Ofen" nannte, weil wir dort zum ersten Mal einen bauten. Davor wurde das Feuer am Boden angezündet, und die Töpfe (es gab zwei: einen für Bohnen und den anderen für das Tier, das wir erlegt oder gefischt hatten), wurden an eine mit Lianen festgemachten Stange gehängt. Aber bald wurden wir mehr, und so traten wir in das "Zeitalter des Ofens". Zu der Zeit bestand die Truppe der EZLN aus 12 Mitstreitern.

Etwas später, in einem Lager namens "Rekruten" (weil hier die neuen Kämpfer ausgebildet wurden), traten wir in das "Zeitalter des Rades" ein. Das heißt, wir schnitzten uns mit der Machete einen Holzrad zurecht, und bauten einen Schubkarren um Steine für die Schützengraben zu transportieren. Das muss schon lange her sein, weil das Rad ziemlich quadratisch war, und wir am Ende die Steine auf dem Rücken schleppten.

Ein anderes Lager hieß "Baby Doc", zu Ehren des Herren, der Haiti mit dem Segen der Vereinigten Staaten terrorisierte. Wir waren gerade mit einer Reihe von Rekruten unterwegs, um in die Nähe eines Dorfes zu kampieren. Dabei stießen wir auf ein Rudel Wildschweine, das heißt, auf einen ziemlichen Haufen von ihnen. Die Guerilleros verteilten sich diszipliniert und gewandt, das heißt, der Anführer brüllte "Schweine!", und stürmte, von Panik getrieben, mit einer nie wieder gesehenen Geschicklichkeit, auf einen Baum. Andere rannten tapfer los, aber in die vom Feind, das heißt, den Wildschweinen, entgegengesetzte Richtung. Einige legten an und nahmen zwei Wildschweine ins Visier. Beim feindlichen Rückzug, das heißt, als die Schweine davonzogen, blieb ein kleines Schweinchen zurück, so groß wie eine Hauskatze. Wir adoptierten es und tauften es "Baby Doc", weil Papá Doc Duvalier damals gerade gestorben war, und das Schlachtfest an seine Nachkommen weitervererbt hatte. Wir lagerten dort, um die Waffen zu reinigen und zu essen. Das Schweinchen
verliebte sich sehr in uns. Ich glaube das lag am Gestank.

Ein anderes Lager in diesen Jahren hieß "Jugendlager", weil hier die erste Gruppe jugendlicher Insurgentes ausgebildet wurde, die "Jungen Rebellen des Südens". Einmal pro Woche trafen sich die jungen Insurgentes um zu singen, zu tanzen, zu lesen und Sport und Wettkämpfe zu machen.

Am 17. November 1984, vor 19 Jahren, feierten wir zum ersten Mal den Jahrestag der EZLN. Wir waren neun. Ich glaube das war in einem Lager namens "Margaret Thatcher", weil wir dort ein Äffchen aufgegabelt hatten, das, ich schwöre, das genaue Ebenbild der "Eisernen Lady" war.

Ein Jahr später, 1985, feierten wir in einem Lager namens "Watapil", genannt nach einer Pflanze, aus deren Blätter wir das Dach des Vorratslagers gebaut hatten.

Ich war Unterhauptmann, wir befanden uns in der sogenannten "Sierra de Almendro", und die Hauptgruppe war in einer anderen Berggegend geblieben. Ich hatte drei Insurgentes unter meinem Kommando. Wenn meine mathematischen Kenntnisse mich nicht in Stich lassen, waren wir in diesem Lager also zu viert. Wir feierten mit Tostadas, Kaffee, Pinole mit Zucker, und einer Cójola, die wir am Morgen erlegt hatten. Es gab Lieder und Gedichte. Einer sang oder trug vor und die anderen drei applaudierten gelangweilt. Als ich an die Reihe kam, sagte ich ihnen in einer feierlichen Ansprache, ohne weitere Argumente zu haben als die Moskitos und die Einsamkeit, die uns umgab, dass wir eines Tages Tausende sein würden, und unser Wort um die Welt gehen würde. Die anderen drei kamen überein, dass die Tostada wahrscheinlich verdorben war und mir sicherlich geschadet hatte, und ich deshalb im Delirium war. Ich weiß noch, dass es in dieser Nacht regnete.

In der sogenannten vierten Etappe wurden die ersten Kontakte mit den umliegenden Dörfer geknüpft. Zuerst redeten wir mit einer Person, und dieserredete mit seiner Familie. Die Familie gab es an das ganze Dorf weiter. Das Dorf an die ganze Region. So wurde unsere Anwesenheit langsam zu einem offenen Geheimnis und einer massiven Verschwörung. In dieser Etappe, die parallel zur dritten verlief, war die EZLN bereits nicht mehr das, was wir uns bei unserer Ankunft vorgestellt hatten. Zu der Zeit waren wir bereits von den indigenen Gemeinden besiegt worden, und als Produkt dieser Niederlage, fing die EZLN an, geometrisch zu wachsen und "sehr anders" zu werden, das heißt, das Rad verbog sich weiter, bis es endlich rund war und das tun konnte was Räder tun sollen, also rollen.

Die fünfte Etappe war das explosive Anwachsen der EZLN. Aufgrund der politischen und sozialen Bedingungen, wuchsen wir über der Selva Lacandona hinaus und erreichten das Hochland und den Norden von Chiapas. Die sechste Etappe war die Abstimmung für den Krieg und die Vorbereitungen, einschließlich der sogenannten "Schlacht von Corralchén", in Mai 1993, als wir unser erstes Gefechte mit der Bundesarmee zu bestehen hatten.

Vor zwei Jahren, auf dem Marsch für die Indigene Würde, sah ich an einem der Orte durch die wir zogen eine Art dicke Flasche, wie ein Topf mit einem engen Hals. Ich glaube sie war aus Lehm, und war mit winzigen Spiegelstückchen bedeckt. Wenn sie das Licht reflektierten, warf jeder kleine Spiegel auf der Topfflasche ein bestimmtes Bild zurück. Alles um sie herum hatte sein eigenes Spiegelbild, und ähnelte gleichzeitig einem Regenbogen aus Bildern. Es war als ob viele kleine Geschichten vereint würden, ohne ihre Einzigartigkeit zu verlieren, um eine größere Geschichte zu bilden. Ich dachte, dass die Geschichte der EZLN vielleicht so erzählt, gesehen und analysiert werden könnte, wie dieser Flaschentopf.

Heute, am 10. November 2003, zwanzig Jahre nach der ersten Reise der Gründer unserer Organisation, beginnt eine Kampagne, auf Initiative der Revista Rebeldía, um den 20. Geburtstag der EZLN, und den 10. Jahrestag seit Beginn des Krieges gegen das Vergessen zu feiern, und um dieses Buch von Gloria Muñoz Ramírez vorzustellen, mit dem Titel "EZLN: 20 und 10, das Feuer und das Wort“. Wenn man dieses Buch mit einem Bild ausdrücken könnte, gäbe es kein besseres, als die spiegelbedeckte Topfflasche.

In einem Teil des Buches sammelte Gloria die Aussagen einiger Compañeros der Unterstützungsbasis, von Verantwortlichen, Komitees und Insurgentes, die von ihrem eigenen Spiegelchen in den letzten fünf Etappen vor dem Aufstand erzählen, das heißt die Etappen 3, 4, 5, 6, und 7. Es ist das erste Mal, dass die Compañeros, die mehr als 19 Jahre im zapatistischen Kampf zugebracht haben, ihr Herz und ihre Erinnerung über diese Jahre des Schweigens öffnen. Und so gelang es Gloria, diese kleinen Spiegelstückchen in Kristallstückchen zu verwandeln, durch die man sich diesen ersten 10 Jahren der EZLN annähern kann.

Auf diese Weise kann eine andere Geschichte erraten werden, die sich sehr von derjenigen unterscheidet, die von den Regierungen von Carlos Salinas de Gortari und Ernesto Zedillo durch Lügen und beliebig veränderter Polizeiberichte entworfen wurde. Und mit der Komplizenschaft der Intellektuellen, die hinter der Maske angeblich "ernsthafter" Untersuchungen die Schecks und die Streicheleinheiten verbargen, die sie von der Macht im Tausch für ihre "wissenschaftliche Objektivität" erhalten haben.

Durch die kleinen Stückchen von Spiegel und Kristall, die Gloria zusammengesucht hat, wird der Leser erkennen, dass das Gezeigte kaum über ein paar Teile eines gigantischen Puzzles hinausreicht. Ein Puzzle, dessen Kernstück der erste Tag des Jahres 1994 ist, an welchem Mexiko durch das Nordamerikanische Freihandelsabkommen in die Erste Welt eintrat.

Der Vorabend dieses ersten Januars, war die siebte Etappe der EZLN.

Ich erinnere mich, dass ich mich in der Nacht vom 30. Dezember 1993 auf der Strasse Ocosingo- San Cristóbal de las Casas befand. An diesem Tag hatten ich unsere Positionen nahe Ocosingo aufgesucht. Ich hatte über Funk die Lage unserer Truppen überprüft, die sich an den verschiedenen Punkten entlang der Autobahn konzentrierten, entlang die Cañadas von Patihuitz, Monte Líbano und Las Tazas. Diese Truppen gehörten zum dritten Infanterieregiment. Es waren etwa 1500 Kämpfer. Das dritte Regiment hatte den Auftrag, Ocosingo einzunehmen. Aber zuvor sollten sie "unterwegs", die Fincas der Zone besetzen und die Weißen Garden der Finqueros entwaffnen. Wie man mir berichtet hatte, wurde das Dorf von San Miguel von einem Armeehubschrauber umflogen, sicher von den vielen Fahrzeugen dort alarmiert. Seit dem Morgen des 29. Dezembers hatte kein Fahrzeug die Cañadas verlassen; alle wurden "ausgeliehen" um die Truppen des dritten Regiments zu befördern. Das dritte Regiment bestand ausschließlich aus Tzeltal Indigenas.
Unterwegs hatte ich die Positionen des 8. Bataillons überprüft (ein Teil des 5. Regimentes), das die Aufgabe hatte in einem ersten Vorstoß den Bezirkshauptsitz Altamirano einzunehmen. Danach sollte es weitermarschieren und Chanal, Oxchuc und Huixtán einnehmen, um sich daraufhin dem Angriff auf die Garnison von Rancho Nuevo vor San Cristóbal anzuschließen. Das 8. Bataillon war verstärkt worden. Für die Einnahme von Altamirano würde es etwa 600 Kämpfer haben, von denen ein Teil auf der besetzten Plaza bleiben würden. Auf dem Vormarsch würde es mehr Compañeros aufnehmen, um Rancho Nuevo mit etwa 500 Streitkräfte zu erreichen. Das 8. Bataillon wurde überwiegend von Tzeltales gebildet

Immer noch auf der Autobahn, machte ich auf einer Anhöhe Rast, um Funkkontakt mit dem 24. Bataillon aufzunehmen (ebenfalls Teil des 5. Regimentes), das die Mission hatte, den Bezirkshauptsitz San Cristóbal de Las Casas einzunehmen, und (zusammen mit dem 8. Bataillon), das Militärquartier von Rancho Nuevo anzugreifen. Das 24. war ebenfalls ein verstärktes Bataillon. Zu seiner Truppe zählten etwa 1000 Kämpfer, alle aus dem Hochland und Tzotzil Indigenas.

Als ich San Cristóbal erreichte, umrundete ich die Stadt und ging zu der Position, an der sich das Hauptquartier des EZLN Kommandos befinden würden. Von hier setzte ich mich per Funk mit dem Befehlshaber des 1. Regiments in Verbindung, Subcomandante Insurgente Pedro, Leiter des zapatistischen Generalstabs, und zweiter Kommandant der EZLN. Seine Mission war es, den Hauptsitz von Las Margaritas einzunehmen, und auf das Militärquartier in Comitán vorzustoßen. Das Erste Regiment, mit 1.200 Kämpfer, bestand überwiegend aus Tojolabales.

Zusätzlich blieb in der sogenannten "zweiten strategischen Reserve" ein Bataillon von Chol Indigenas, und tief in unsere Basiscamps in den Tzeltal, Tojolabal, Tzotzil und Chol Gebieten, hielt sich die sogenannte "erste strategische Reserve" mit drei Bataillone in Bereitschaft.

Ja, die EZLN trat in das Licht der Öffentlichkeit mit mehr als 4.500 Kämpfer in den vordersten Kampfreihen, die 21. Zapatistische Infanteriedivision, und weitere 2000 Kämpfer blieben in der Reserve.

Am Morgen des 31. Dezember 1993, bestätigte ich den Angriffsbefehl, das Datum und die Stunde. Kurz gesagt: die EZLN würde gleichzeitig 4. Bezirkshauptsitze angreifen, und unterwegs drei weitere, die Polizei und Militärtruppen dort überwältigen, und dann weitermarschieren um zwei große Garnisonen der Bundesarmee anzugreifen. Der Tag: der 31. Dezember 1993, die Stunde: 2400 Uhr.

Am Morgen des 31. Dezember 1993 evakuierten wir die Stadtpositionen, die wir an einigen Orten aufrechterhielten.. Gegen 1400 Uhr meldeten die verschiedenen Regimente dem Generalkommando per Funk, dass sie einsatzbereit waren. Um 1700 Uhr begann der Countdown: Es war die Stunde "Minus 7". Von diesem Zeitpunkt an herrschte völlige Funkstille zwischen den Regimenten. Der nächste Funkkontakt war für "Plus 7" vorgesehen, also um 0700 Uhr des 1. Januar 1994, für die, die dann noch lebten.

Wenn Sie nicht wissen, was danach folgte, können Sie es in diesem Buch erfahren, und wenn Sie es wissen, dann können Sie sich dadurch daran erinnern. Die Topfflasche verwandelt sich darin in einen gigantischen Wandteppich, dessen allgemeinen Züge bereits von Gloria gezeichnet worden ist, voller Stückchen aus Spiegel und Kristall, die aus den verschiedenen Momente der EZLN in den letzten 10 Jahren zusammengesetzt sind, das heißt, die Periode zwischen dem 1. Januar 1994 und dem 1. August 2003. Ich bin sicher, dass viele den Spiegel und den Kristall finden werden, die ihnen entsprechen. Tatsächlich dachte ich genau daran, als ich in der Vorstellung folgendes schrieb: "eine Frau, eine Journalistin, nicht ohne Schwierigkeiten, die komplizierte und dicke Mauer des zapatistischen Skeptizismus, und sie blieb und lebte mit den indigenen Gemeinden in Rebellion. Von dieser Zeit an, teilte sie mit den Compañeros den Traum und die schlaflosen Nächte, die Freuden und die Sorgen, die Nahrung und ihr Mangel, die Verfolgungen und die Ruhepausen, die Tode und die Leben. Langsam lernten die Compañeros und Compañeras die zu akzeptieren, und sie als ein Teil ihres täglichen Lebens anzunehmen. Ich werde hier nicht ihre Geschichte erzählen. Unter anderem deshalb, weil sie es vorgezogen hat, die Geschichte einer Bewegung zu erzählen, der zapatistischen, und nicht ihre eigene.

Der Name dieser Person ist Gloria Muñoz Ramírez. Zwischen 1994 bis 1996 arbeitete sie für die mexikanische Zeitung "Punto", für die deutsche Nachrichtenagentur DPA, für die Nordamerikanische Zeitung "La Opinión" und für die mexikanische Tageszeitung "La Jornada". In 1995, am Morgen des 9. Februar, gemeinsam mit Hermann Bellinghausen, nahm sie für La Jornada das, was damals möglicherweise das letzte Interview mit Subcomandante Insurgente Marcos hätte sein können auf. In 1997 ließ sie ihre Arbeit, ihre Familie und ihre Freunde zurück (und andere Dinge, von denen nur sie weiß), und kam um in den zapatistischen Gemeinden zu leben. In diesen sieben Jahren publizierte sie nichts, aber sie schrieb weiter, und sie gab ihren journalistischen Eifer nicht auf. Sie war natürlich keine Journalistin mehr, oder nicht mehr nur Journalistin. Gloria lernte eine neue Art des Sehens, die weit entfernt ist von der Verblendung, die durch die Scheinwerfer entsteht, dem Pandämonium der Tribünen, dem Gedränge hinter den Nachrichtenschlagzeilen, dem Kampf ums Exklusive. Die Art des Sehens, die man in den Bergen des mexikanischen Südostens lernt. Mit der Geduld einer Kunststickerin, setzte sie Fragmente aus der inneren und äußeren Realität des Zapatismus zusammen, aus diesen nunmehr 10 Jahren des öffentlichen Lebens der EZLN.

Wir wussten es nicht. Erst bei der Ankündigung der Geburt des Caracoles und der Gründung der Juntas der Guten Regierung, erhielten wir ein Brief von ihr, das uns diese Stickerei aus Worte, Daten und Erinnerungen vorstellte, und sie der EZLN zur Verfügung stellte.

Wir lasen das Buch - nun, damals war es noch kein Buch, sondern eher ein großer, vielfarbiger Gobelin, dessen Vision und erheblich dabei half, die komplizierte Silhouette des Zapatismus von 1994 bis 2003 zu zeichnen, die 10 Jahren öffentlichen Lebens der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung. Also liebten wir es. Wir kennen kein anderes Material, das mit so viel Aufmerksamkeit fürs Detail veröffentlicht worden wäre, und so vollständig ist.

Wir antworteten Gloria so wie wir immer antworten, also mit einem "Hmm, und?" Gloria schreib uns zurück, und sie sprach über den doppelten Jahrestag (20 Jahre EZLN, und 10 Jahre seit Beginn des Krieges gegen das Vergessen), über den neuen Abschnitt, der mit der Schaffung der Caracoles und der Juntas der Guten Regierung begonnen hatte, irgendwas über Festlichkeiten, die von der "Revista Rebeldía" geplant wären, und ich weiß nicht mehr was noch alles. Bei so viel Geplapper war eins klar: Gloria schlug vor das Buch zu publizieren, damit die jungen Leute von heute mehr über den Zapatismus lernen könnten.

"Die jungen Leute von heute?" wunderte ich mich, und fragte Major Moisés: "Sind wir nicht die jungen Leute von heute?". "Sind wir das?" fragte Major Moises zurück ohne aufzuhören sein Pferd zu satteln, während ich weiterhin mein Rollstuhl einölte, und den Umstand verfluchte, dass der Sanitätskasten kein Viagra enthielt.

Wo war ich? Oh ja, das Buch, das noch kein Buch war. Gloria wartete nicht darauf, dass wir ja sagten, oder wer weiß, oder typisch zapatistisch, gar nicht erst antworteten. Im Gegenteil, Gloria fügte dem Gobelin, oder dem Rohentwurf des Buches, das noch kein Buch war, ein Gesuch das Material durch Interviews zu vervollständigen.

Ich ging zum Komitee, und breitete den Gobelin (den Rohentwurf des Buches) auf den schlammigen Septemberboden aus.

Sie sahen. Ich meine, die Compañeros sahen sich selbst. Der Gobelin war gleichzeitig auch ein Spiegel. Sie sagten nichts, aber ich verstand, dass es mehr Menschen geben würde, viel mehr Menschen, die auch sehen, und sich selbst sehen könnten.

Wir antworteten Gloria, "mach weiter".

Das war in August oder September dieses Jahres (2003), ich erinnere mich nicht mehr genau, aber es war nach der Fiesta der Caracoles. Ich weiß noch, dass es stark regnete, dass ich ein Hügel hinaufmarschierte und mit jeden Schritt Sisyphus' Fluch wiederholte, und dass Monarca entschlossen war, dass wir ein Remix von "La del Moño Colorado" für Radio Insurgente, "Die Stimme der Stimmlosen" machen sollten. Als ich mich umdrehte um Monarca zu sagen, dass das nur über meine Leiche gehen würde, rutschte ich zum x-ten Male aus, und dann fiel ich auch noch auf ein Haufen scharfer Steine und schnitt mir das Bein auf. Und während ich da lag und meine Wunden zählte, ging Monarca einfach so über meine Leiche. An diesem Nachmittag sendeten wir eine Version von " La del Moño Colorado" auf Radio Insurgente, "Die Stimme der Stimmlosen", die den Anrufen der Zuhörer nach zu urteilen ein voller Erfolg war. Ich seufzte, wie auch sonst?

Das Buch, das der/die Leser/in gerade in seinen oder ihren Händen hält, ist dieser Gobelin-Spiegel, aber als Buch verkleidet. Man kann es nicht an der Schranktür hängen, aber man kann sich ihm nähern und uns suchen und sich selbst suchen. Ich bin sicher, dass Sie uns finden, und sich finden werden.

Das Buch " EZLN: 20 & 10, Das Feuer und das Wort" von Gloria Muñoz Ramírez, wurde durch die Bemühungen zweier Kräfte verlegt, durch die "Revista Rebeldía", und die mexikanische Tageszeitung "La Jornada", unter Leitung von Carmen Lira. Hmm. Noch eine Frau. Das Design stammt von Efraín Herrera, und die Illustrationen von Antonio Ramírez und Domi. Hmm. Noch mehr Frauen. Die Fotoaufnahmen sind von Adrian Meland, Ángeles Torrejón, Antonio Turok, Araceli Herrera, Arturo Fuentes, Caros Cisneros, CarlosRamos Mamahua, Eduardo Verdugo, Eniac Martínez, Francisco Olvera, Frida Hartz, Georges Bartoli, Heriberto Rodríguez, Jesús Ramírez, José Carlo González, José Nuñez, Marco Antonio Cruz, Patricia Aridjis, Pedro Valtierra, Simona Granati, Víctor Mendiola und Yuriria Pantoja. Für die Fotoauswahl ist Yuriria Pantoja verantwortlich, und Priscila Pacheco war für das Redigieren zuständig. Hmm. Wieder Frauen. Wenn es dem Leser auffällt, dass die Frauen in der Mehrheit sind, was soll ich dann tun - mich am Kopf kratzen und sagen "nie im Leben"?

So wie ich das verstehe (Ich schreibe dies aus der Ferne), besteht dieses Buch aus drei Teilen. Ein Teil enthält Interviews mit Compañeros Unterstützungsbasen, Komitees und aufständische Soldaten. In den Interviews sprechen die Compañeros und Compañeras über die 10 Jahre, die dem Aufstand vorangingen. Ich sollte sagen, dass es sich hierbei nicht um ein globales Bild handelt, sondern um Fetzen einer Erinnerung, die noch darauf warten muss zusammengesetzt und vorgestellt zu werden.

Diese Stückchen helfen einem dennoch sehr dabei zu verstehen, was als nächstes im zweiten Teil folgt. Er enthält eine Art Kompasslinse der öffentlichen Aktivitäten des Zapatismus, vom Beginn des Krieges am Morgen dieses ersten Januars 1994, bis zu der Geburt der Caracoles und der Gründung der Juntas der Guten Regierung. Aus meiner Sicht ist es der vollständigste Bericht der öffentlichen Aktivitäten der EZLN. Der Leser kann auf dieser Reise vieles entdecken, aber etwas ganz besonders: die Prinzipientreue einer Bewegung. Im dritten Teil erscheint ein Interview mit mir. Sie schickten mir die Fragen in schriftlicher Form zu, und ich musste vor einem kleinen Kassettenrekorder antworten. Ich verwechselte immer die "Rückwärtstaste" mit "Aufnahme", und so versuchte ich eine Einschätzung der letzten 10 Jahren zu machen, und auch noch über andere Dinge zu reflektieren. Während ich alleine vor dem Kassettenrekorder antwortete, regnete es draußen, und eine der Juntas der Guten Regierung entrichtete gerade den Ruf der Unabhängigkeit. Es war der Morgen des 16. Septembers 2003.

Ich denke die drei Teile passen sehr gut zusammen. Nicht nur weil sie von der gleichen Schreibfeder geschaffen wurden. Sondern auch weil sie auf eine Art sehen, die einem dabei hilft zu sehen, uns zu sehen. Ich bin sicher dass genau wie Gloria, viele Leute, indem sie uns ansehen, sich selbst erblicken werden. Und ich bin auch sicher, dass sie, und mit ihr viele andere, herausfinden werden, wie besser sie sind.

Und genau darum geht es hier, darum besser zu sein.


Das war in der Vorstellung, denn im Vorwort zum Buch habe ich folgendes geschrieben:

Vor 10 Jahren, am Morgen des 1. Januar 1994, erhoben wir uns in Waffen für Demokratie, Freiheit und Gerechtigkeit für alle Mexikaner. In einer Simultanaktion nahmen wir sieben Bezirkshauptsitze des südöstlichen Bundesstaates von Chiapas ein, und erklärten der Bundesregierung und deren Armee und Polizei den Krieg. Seit damals kennt uns die Welt als die "Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung".

Aber wir haben uns schon vorher so genannt. Die EZLN wurde vor 20 Jahren, am 17. November 1983 gegründet, und als EZLN begannen wir die Berge des südöstlichen Mexikos zu wandern, beladen mit einer kleinen Fahne mit schwarzen Hintergrund und einem fünfeckigen roten Stern mit den Buchstaben "EZLN", auch in rot, darunter. Ich trage diese Fahne immer noch. Sie wurde oft geflickt und ist arg mitgenommen, aber sie weht immer noch anmutig im Generalkommando der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung.

Auch unsere Seelen sind geflickt, und tragen Wunden die vernarben sollten, aber wieder aufbrechen, wenn wir es am wenigsten erwarten. Zehn Jahre lang, haben wir uns auf diese ersten Minuten des Jahres 1994 vorbereitet. Nun blicken wir auf den 1. Januar 2004. Bald werden sich 10 Jahre des Krieges erfüllen. 10 Jahre Vorbereitung und 10 Jahre Krieg. 20 Jahre.

Aber ich werde weder von den ersten 10 Jahren reden, noch von den 10 danach, und auch nicht von den 20 Jahren zusammen. Ich werde nicht einmal über Jahre, Tage, oder Kalender sprechen. Ich werde von einen Mann erzählen, ein aufständischer Soldat, ein Zapatista. Ich werde nicht viel sagen. Das kann ich nicht. Noch nicht. Sein Name war Pedro und er starb im Kampf. Er hatte den Rang eines Subcomandante und war im Augenblick seines Todes, der Leiter des Generalstabs der EZLN, und mein zweiter im Kommando. Ich werde nicht sagen, er sei nicht gestorben. Er starb wirklich, und ich wollte nicht, dass er stirbt. Aber wie alle unsere Toten, läuft Pedro herum und taucht manchmal auf und redet, und scherzt, und wird ernst, und fragt nach mehr Kaffee, und zündet die x-te Zigarette an. Er ist jetzt hier. Es ist der 26. Oktober, und es ist sein Geburtstag. Ich sage ihm "Alles Gute Geburtstagskind". Er hebt sein Kaffeebecher und sagt "Salud Sub". Ich weiß nicht wieso ich mich "Marcos" genannt habe, wenn keiner mich so anredet, alle sagen "Sub" zu mir, oder etwas vergleichbares. Pedro nennt mich "Sub". Pedro und ich unterhalten uns. Er erzählt und ich erzähle. Wir erinnern uns. Wir lachen. Wir werden ernst. Manchmal schimpfe ich mit ihm. Ich beschimpfe ihn, weil er ungehorsam war, weil ich ihm nicht angeordnet hatte zu sterben, und er trotzdem starb. Er hat nicht gehorcht. Also beschimpfe ich ihn. Er reißt nur die Augen auf und sagt zu mir "nicht möglich". Ja, nicht möglich. Dann zeige ich ihm eine Landkarte. Er hat sich Landkarten immer gerne angesehen. Ich zeige ihm, wie wir gewachsen sind. Er lächelt. Josué kommt näher, grüßt und beglückwünscht ihn "Glückwünsche Compañero Subcomandante Insurgente Pedro". Pedro lacht und sagt "Himmel Mann, bis Du das alles gesagt hast kann ich ja gleich noch einmal Geburtstag feiern ". Pedro sieht Josué an und er sieht mich an. Ich stimme schweigend zu.

Plötzlich feiern wir keinen Geburtstag mehr. Wir drei besteigen gemeinsam einen Hügel. Während einer Rast sagt Josué "Bald werden es 10 Jahre seit Kriegsbeginn sein". Pedro sagt nichts, er zündet sich nur die Zigarette an. Josué fährt fort "Und 20 Jahre seit der Geburt der EZLN. Da muss es ein großes Tanzfest geben".

"20 und 10" wiederhole ich langsam, und füge hinzu, "und die, die noch kommen werden".

Dann haben wir den Gipfel des Hügels schon erreicht. Josué legt sein Rucksack ab. Ich zünde meine Pfeife an und zeige mit der Hand in die Ferne. Pedro sieht wohin ich zeige, er steht auf und sagt, sagt zu sich, sagt zu uns: "Ja, man kann den Horizont schon sehen..."

Pedro geht. Josué schultert wieder seinen Rucksack, und sagt mir, dass wir ihm folgen müssen

Und ja, so ist es, wir müssen folgen.

Was sagte ich gerade? Ah ja! Wir wurden vor 20 Jahren geboren, und vor 10 Jahren haben wir uns in Waffen erhoben für Demokratie, Freiheit und Gerechtigkeit. Man kennt uns unter den Namen "Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung", und unsere Seelen, voller Flicken und Narben, wehen weiterhin genau wie die alte Fahne, die dort oben zu sehen ist, die mit dem roten fünfeckigen Stern auf schwarzem Hintergrund, und die Buchstaben "EZLN".

Wir sind die Zapatisten, die Allerkleinsten, die ihre Gesichter verhüllen um gesehen zu werden, die Toten, die sterben um zu leben. Und das alles wegen einem 1. Januar vor 10 Jahren, und einem 17. November vor 20 Jahren, in den Bergen des mexikanischen Südostens

Hier endet das Vorwort und beginnt das Werk von Gloria Muños Ramírez, genau so wie heute meine Worte enden, und die Kampagne "EZLN: 20 und 10, das Feuer und das Wort" beginnt, mit der Vorstellung eines Buches, das manchmal wie eine Topfflasche ist, bedeckt mit Spiegel und Kristalle, und manchmal wie ein Wandteppich, und immer eine Geschichte, die nicht vergessen werden darf, denn wenn wir sie vergessen, vergessen wir uns selbst.

Und jetzt ist es offiziell: wir beglückwünschen alle, die in diesen 20 und 10 Jahren mit Feuer und mit dem Wort beigetragen haben.

Das ist alles was ich zu sagen habe. Wenn es Ihnen langweilig geworden ist, besuchen Sie doch morgen am 11. November die Kunstausstellung und Verlosung im Kulturhaus Jesús Reyes Heroles, und das Tanzfest am 14. November, im Salón Los Ángeles.

Und wenn Ihnen dann immer noch langweilig ist, dann sind sie aus dem richtigen Holz geschnitzt um Abgeordnete, Senatoren, oder mexikanische Präsidentschaftskandidaten zu werden.

Gut, ich gehe jetzt, weil bereits die ersten Klänge von "Cartas Marcadas" zu hören sind, und weil die mir sicher alle Pasteten und Süßigkeiten wegklauen werden.

Vale. Salud, und auf das alle uns finden und sich finden.

Aus den Bergen des mexikanischen Südostens, und Ballons aufblasend, damit keiner sagen kann ich würde keinen mehr hochkriegen.

Subcomandante Insurgente Marcos

Mexiko, November 2003. 20 und 10.

Feier in San Cristóbal de las Casas, Chiapas

Pancho Papa 18.11.2003 - 20:23
Gestern, am 17. November 2003, wurden zum Geburtstag der EZLN Staende auf der Plaza Catedral in San Cristóbal de las Casas aufgebaut und es wurde mit Musik und einem "Geburtstagkuchen" gefeiert. Kann leider keine Fotos praesentieren, aber die Torte sah verdammt lecker aus!
Am Abend fand dann die Praesentation des Buches "20 y 10" von Gloria Muñoz statt, leider ohne die Autorin. Das Café Museo Café, Ort des Geschehens, war ziemlich voll und auch einige Compas waren anwesend. Gesprochen haben Leute der FZLN und ein Wissenschaftler der UNAM, der Diskurs war leider in der etwas langweiligen Wissenschaftssprache und brachte eigentlich nichts neues, so waere es viel interessanter gewesen einige der anwesenden Companer@s aus den Gemeinden sprechen zu lassen.

Hier noch der letzte in der mexikanischen Tageszeitung La Jornada erschienene Artikel zu Montes Azules:

Sie geben ihre Ablehnung der Versammlungen der Guten Regierung und der “Schnecken” bekannt
Die Lacandonen fordern mehr Militaerpraesenz im Reservat von Montes Azules*
HERMANN BELLINGHAUSEN Entsandter
San Cristobal de las Casas, Chis. 9. November. Die neoliberale Offensive der lacandonischen Gemeinschaft gegen die idigenen Gemeinden in “ihrem” Regenwald, speziell gegen die zapatistischen Gemeinden, ist in eine neue Phase getreten. Jetzt werden sie von Felipe Villagrán repraesentiert, Ex-Funktionaer der Weltbank, der sich nun ganz dafuer einsetzt, von der Regierung Geld, politische Privilegien, Militaerbasen und Waffen fuer die Lacandonen von Lacanjá Chensayab und die “treuen” Siedler von Frontera Corozal und Nueva Palestina zu bekommen.
Bei einem vor kurzem stattgefundenen Treffen mit dem Governeur (von Chiapas, Anm. des Uebersetzers) Pablo Salazar Mendiguchía und diversen Funktionaeren der Landes- und der Bundesregierung praesentierte Villagrán eine Reihe von Power Point – Projektionen mit Bildern und Botschaften, von denen er die letzte dem Amtsinhaber und den weiteren Funktionaeren 10 Minuten projezieren lies: “Wir lehnen die Versammlungen der Guten Regierung und die ‘Schnecke’ ab”.
Im Namen der Gemeinschaft der sogenannten Lacandonischen Zone bat der wirtschaftliche Assistent der Elite von Lancajá Chansayab darum, dass “die mexikanische Armee sofort beginnt, tags und nacht zu patrullieren und ein Camp in Paraíso zu installieren” (, wo sich eine zapatistische Gemeinde, dem autonomen Landkreis Ricardo Flores Magón zugehoerig, befindet). Er sagte, dass sie das Verteidigungsministerium darum bitten werden, die Kaserne am Rande der Lagune Suspiro – die die Lacandonen “Lagune yanqui” nennen, wie es den Zedillistas gefaellt – zu reinstallieren.
An ausufernde “Petitionen” an die Regierung gewoehnt, wollen die Lacandonen neben vielfaeltigen Arbeiten und diversen Geldsummen diesmal “die Autorisation, Waffen niedrigen Kalibers zu tragen, um das kultivierte Gemeingut zu schuetzen”. In einem Schema bemerkenswerter Kohaerenz bitten sie um Vertreter (agentes) des Ministerio Publico an der Kreuzung San Javier und weitere in Benemérito de las Américas sowie “mehr Praesenz” der priístischen Regierung des Landkreises Ocosingo. Anders gesagt, eine Art “paramilitaerischen Paradises”.
Villagrán verurteilte oeffentlich im Namen der von ihm repraesentierten Lacandonen die technische Schule von Frontera Corozal dafuer, dass sie “Unterricht im Zapatismus geben und Wandbilder von Marcos und Che Guevara haben”. Dies tat er am 21. Oktober in Tuxtla Gutiérrez vor den Amtstraegern von den Ministerien Soziale Entwicklung, Indigene Voelker, Gesundheit, Laendliche Entwicklung, der Kommission fuer Verkehrswege (comisión de caminos), dem Nationalen Institut fuer Naturgeschichte und Oekologie sowie der bundesstaatlichen Delegation (von Chiapas, Anm. des Uebersetzers) des Ministeriums fuer die Agrar-Reform.
Eine weitere spektakulaere Ankuendigung war, dass die lacandonische Gemeinschaft formell um ihre Aufnahme in Procedecom bitten wird, womit sich die Tore fuer die Privatisierung der gesamten Biosphaere (von Montes Azules, Anm. des Uebersetzers) oeffnen wuerden. Zu alledem kommen die anhaltenden Forderungen nach der Raeumung/Umsiedlung von Gemeinden in Montes Azules hinzu, auch wenn sie Verhandlungen mit einigen dieser Gemeinden akzeptieren.
Zudem gab Felipe der Abgesandten des Ministeriums fuer die Agrar-Reform in Chiapas ausserhalb des offiziellen Teils bekannt, dass die lacanonische Gemeinschaft vorhat, mit der Bundesregierung von Mexiko ueber die “Abgabe” von 1.126.000 Pesos im Austausch fuer die Uebergabe des von ihnen geforderten Gebietes innerhalb der Selva zu verhandeln, eines Territoriums, das ihnen seit der Zeit ihres ersten praesidentiellen Foerderes Luis Echeverría Alvarez “legal gehoert”.
Die “andere Front” in Montes Azules
Die sich um Montes Azules drehenden Interessen bewegen sich intensiv in diesen Tagen. Priístische Gruppen des Landkreises Marqués de Comillas haben wiederholt versucht, den perredistischen Praesidenten des Landkreises (Landrat?) aus dem Amt zu jagen, indem sie das Rathaus von Zamora Pico de Oro besetzten und den Buergermeister schlechte Handlungsfuehrung vorwarfen, wohinter sich der Versuch seines Rauswurfes verbirgt, da er den illegalen Holzhandel verbietet und ein Hindernis fuer die Aneignung von 5.000 Hektar Land seitens eines wichtigen Staatsfunktionaers (von Chiapas, Anm. des Uebersetzers) darstellt. Auch von Drogenhandel ist die Rede.
Ein Konflikt, der in der heute zu Ende gehenden Woche verdeckt wurde, ist der einer Landstrasse Santo Domingo-ejido Cintalapa, zweier priístischer Gemeinden (und Militaerbasen) innerhalb der sich verringernden Zone von Montes Azules. Der Konflikt hier besteht zwischen diesen und zapatistischen Basen des Autonomen Landkreises Ricardo Flores Magón und, als Konsequenz, auch mit der Versammlung der Guten Regierung “Der Weg der Zukunft” (in La Garrucha). Die Zapatisten lehnen auch die Landstrasse San Antonio Escobar – Chamizal ab, die genau an der Lagune Suspiro, im Herzen von Montes Azules, vorbeifuehren wuerde.
In Uebereinstimmung mit Regierungsquellen haben sich die Unterstuetzungsbasen der EZLN in San José Patuitz konzentriert, um die Arbeiten (an der Strasse, Anm. des Uebersetzers) zu verhindern. Auch wenn der Amtsinhaber (des Ministeriums, Anm. des Uebersetzers) fuer Indigene Voelker, Juan Vázquez, erklaert hat, dass sich die Zapatisten in den Gespraechen mit den (privaten) Baufirmen “flexibel zeigen”, drohen priístische Gruppen mit Gewalt.
Nach Quellen, “die um Anonymitaet baten”, zitiert in der Tageszeitung Cuarto Poder, “hat die Suche nach der Loesung des Problems grosse Fortschritte gemacht, aber alles koennte ‘kippen’, wenn die nicht-zapatistischen Ejidatarios von Siria und anderen angrenzenden Gemeinden ‘vandalisierende oder provokative Akte’ durchfuehrten”. Das gleiche Blatt meint, in Siria “politische Operateure” der priístischen Senatorin Arely Madrid Tovilla aufgedeckt zu haben, “die radikale Positionen vertreten und oeffentlich versicherten, die volle Unterstuetzung der Senatorin zu haben, um mit Hilfe der Kraefte der Foederation (d.h. der Bundespolizeieinheiten oder der Armee) die Zapatisten zu vertreiben.
Die Senatorin, dem Alborismus verbunden, ist sehr aktiv gewesen. Gestern besuchte sie San Cristóbal de las Casas, um fuer sich als die naechste Kandidatin der PRI auf den Governeursposten in Chiapas werben. In der letzten Zeit hat sie klar gemacht, dass sie Paz y Justicia in der Zona Norte anfuehrt und jetzt versichert sie, dass sie “die Kontrolle” ueber die Organización para la Defensa de los Derechos Indígenas y Campesinos (Opdic) hat, welche “als Typ Paramilitaers definiert wurde” (Cuarto Poder, 8. November) und zu der die “Radikalen” von Siria gehoeren.

Quelle:  http://www.jornada.unam.mx/008n1pol.php?origen=politica.php&fly=1

*Anmerkungen:

Procedecom – Programa de Certificación de Derechos Parcelarios; Regierungsprogramm, durch das Gemeinschaftsland zertifiziert wird, damit eineN oder mehrere Eigentuemer hat und dann verkauft werden kann
Priístisch/perredistisch – der PRI/PRD zugehoerig
Ejidatario – Bauer, der auf dem von mehreren Bauern – meist einer Gemeinde – gemeinschaftlich bearbeiteten Land (ejido) arbeitet
Cuarto Poder – Chiapanekische, ziemlich reisserische, konservative Boulevardzeitung
Alborismus – Politik des vorherigen Governeurs von Chiapas, Roberto A. Albores; anderes Bsp. Fox (Mex. Praesident) – foxismo
Paz y Justicia – Paramilitaerische Einheit, die in der Zona Norte (um Palenque) agiert, und durch Aktivitaeten wie z.B. Drohungen, Zerstoerungen von Ernten, gewaltsamen Zusammenstoessen bis hin zu Morden die Bevoelkerung einschuechtert, um bestimmte Interessen – in diesem Fall der priístischen Senatorin – durchzusetzen; sie agieren hauptsaechlich gegen die zapatistischen Gemeinden

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P.D.:Herzliche Gruesse an die Loewin und den Maulwurf, sowie an die anderen MuensteranerInnen, die gestern den Stand organisiert haben.

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Schade! — bewi