Madrid: Der Vorwurf der Terrorismusverherrlichung bringt 2 Puppenspieler in Untersuchungshaft

Am Nachmittag des 5.2.2016 trat das Marionetten-Ensemble "Títeres desde Abajo" aus Granada während der Karnevalsfeierlichkeiten auf einem öffentlichen Platz des Bezirks Tetúan in Madrid auf. Ihr Publikum bestand anscheinend vor allem aus Kindern und deren Eltern, die sich laut Presse sehr empört gezeigt hätten, nachdem während des Stücks ein Polizist ermordet, eine Nonne vergewaltigt und ein Richter gehängt worden wären, bevor dann schlussendlich auch noch ein Plakat mit der Aufschrift "Gora Alka-ETA" ("Es lebe Alka-ETA") im Fenster des Puppentheaters aufgetaucht sei. Sie riefen die Polizei, die die beiden Puppenspieler direkt verhaftete.

Bereits einen Tag später, am Samstag den 6.2.2016, wurden sie auf Grund der Anschuldigung der Terrorismusverherrlichung der Audiencia Nacional überstellt. Der Richter ordnete auf Grund von Flucht- und Verdunkelungsgefahr Untersuchungshaft ohne Kaution an, in der sich die beiden nun bereits befinden. Die Zeitung EL MUNDO veröffentlichte ein pdf der offiziellen Richterschrift, in dem über eine Abbildung des Buches "Contra la Democracia" auf einer Art handegmachtem Notizbuch der Puppenspieler auch eine mutmaßliche Verbindung des Falls zu den GAC (Grupos Anarquistas Coordinados) und den Verhaftungen während der "Operación Pinata" im März 2015 hergestellt wird.* Während in dieser Schrift auch von einem moralischen Vorwurf gegen die Gewalt des Stücks "Die Hexe und Don Cristóbal" die Rede ist, ist es das Auftauchen des Plakats mit Aufschrift "Gora Alka-ETA" in der Hand einer Marionette, der Auslöser für die Untersuchungshaft wegen des Straftatbestands der Terrorismusverherrlichung. Weder in der Richterschrift noch in den Medien wird ein Wort über den Kontext des Plakats innerhalb des satirischen Marionettenstücks verloren, noch darüber, dass es sich um ein Stück handelt, dass eben genau dieses Vorgehen von Polizei und Richtern im spanischen Staat kritisiert.

Das Marionetten-Ensemble "Títeres desde Abajo" gründete sich 2012 in Granada und beschreibt seine unterschiedlichen Stücke als "Teatro Popular" ("Volkstheater"). Außerdem haben sie auch ein Angebot für Kinder. Das Stück "Die Hexe und Don Cristóbal" gehört nicht dazu, wie man auf der website der Gruppe unschwer erkennen kann. http://titeresdesdeabajo.blogspot.com.es  Die Hexe und Don Cristóbal haben sogar einen eigenen blog und sind auch mit vielen Fotos auf facebook präsent. Bleibt also fraglich, warum die Kulturvertreterin der Stadt Madrid nun behauptet, sie seien nicht über den Inhalt des Stücks in Kenntnis gesetzt worden. Fraglich auch, wie das Stück im Kinderprogramm des Veranstaltungsplans der Karnevalsaktivitäten des Bezirks Tetúan in Madrid landen konnte. Seit gestern jedenfalls gilt dies als Skandal, für die Medien ist dieser anscheinende fauxpas der neuen Regierung rund um Manuela Carmena ein gefundenes Fressen. Aus dem Rathaus wurde unterdessen eingeräumt, einen Fehler gemacht zu haben, da der Inhalt des Stücks für Kinder nicht angebracht sei. Allerdings verliert die im Juni 2015 gewählte Ahora Madrid-Regierung  kein Wort darüber, dass das Stück ja auch gar nicht für Kinder gedacht ist. Ihre Empörung gegenüber "Títeres desde Abajo" demonstrierten die Vertreter_innen der Partei, die als "citizen platform of popular unity" beschrieben wird, jedenfalls dadurch, dass sie auf den Vorwurf der Terrorismusverherrlichung noch eine Anzeige wegen Vertragsbruchs oben drauf legen will. Außerdem feuerten sie direkt heute den Verantowrtlichen für das künstlerische Programm des Karnevals in Tetúan, der das Marionetten-Ensemble aus Granada unter Vertrag genommen hatte. Kein Wort hinsichtlich der Tatsache, dass die beiden Puppenspieler der Terrorismusverherrlichung beschuldigt werden, ein Straftatbestand, auf den seit der letzten Reform des spanischen Srafgesetzbuches nicht mehr bis 2 Jahre, sondern von 2 bis 4,5 Jahre Gefängnisstrafe stehen.

In einem Aufruf zu einer solidarischen Kundgebung am 7.2.2016 schreibt die Gruppe Stop Repression Granada: "Wir finden keine Worte um das Niveau dieser Maßlosigkeit zu beschreiben, mit der auf Terrorismusverherrlichung zurückgegriffen und das, was Satire und politische Kritik sein sollte aus jeglichem Kontext gerissen wird, um Untersuchungshaft ohne Kaution anzuordnen".

* Auf Grund der richterlilchen Herstellung einer Verbindung von "Títeres de Abajo" zu GAC und Operación Pinata, sei an dieser Stelle auch noch einmal darauf hingewiesen, dass die Audiencia Nacional ebenfallas am 5.2.2016 den Prozessbeginn für die beiden seit Dezember 2013 wegen der Anschuldigung der Körperverletzung, Zugehörigkeit zu einer terroristischen Vereinigung, terroristischer Zerstörung und Verschwörung  inhaftierten Monica und Francisco beschlossen hat: 8., 9., 10. März 2016. Zur Zeit fordert die Staatsanwaltschaft 44 Jahre Haftstrafe für jede/n der beiden.