Polizei ist ein Rassist*innenverein: Gericht schützt Polizei vor dringend angebrachter Kritik

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Heute am Dienstag, den 30. April, wurde am Landegericht Stuttgart entschieden, dass das Kritisieren der Polizei als Rassist*innenverein strafbar ist, denn die Polizist*innen haben sich durch diese Kritik schwer beleidigt gefühlt. Begleitet wurde der Gerichtsprozess durch kritische Zuschauer*innen und durch eine Kundgebung vor dem Gericht von Plakatkünstler*innen, die selbst rassistische Polizeigewalt anklagten.

 

Der Vorwurf: 

Bela Diegt musste sich vor Gericht wegen Rassismuskritik an der Stuttgarter Polizei verantworten. Zwei Polizist*innen haben ihn angezeigt, weil er im Vorbeigehen zu ihnen "Ach da kommt ja der örtliche Rassist*innenverein" gesagt hat. Die beiden haben sich persönlich angesprochen und beleidigt gefühlt. Im Gerichtsprozess merkte eine der Zeug*innen zudem an, dass sie sich auch von medialer Berichterstattung sehr betroffen fühle. Nicht etwa wegen der menschenfeindlichen Ideologie in ihrer Behörde, sondern da sie sich "über einen Kamm geschoren" sehe. Obwohl es in Deutschland weder Beamt*innenbeleidigung gibt, noch kollektive Titulierungen strafbar sind, hat das Landgericht Bela heute erneut zu 40 Tagessätzen verurteilt.

Doch das Problem heißt Rassismus:

Die "Soligrupppe gegen örtliche Rassist*innenvereine" hat vor dem Prozess verdeutlicht, was eigentlich ins Zentrum der Debatte gehört: Nämlich die von der Polizei ausgehende rassistische Gewalt, die sich immer wieder in unterschiedlichsten Formen wiederholt. "Wir klagen an: Rassistische Polizeigewalt!", stand heute auf einem Schild vor der sogenannten Verfassungssäule vor dem Landgericht Stuttgart. Darunter fanden sich gut lesbar Berichte und Zeitungsartikel über rassistisches Polizeiverhalten; auch aus Baden-Württemberg und seiner Landeshauptstadt Stuttgart. 

"Rassistische Polizeigewalt ist ein strukturelles Problem, das sich immer wieder zeigt und sich nicht leugnen lässt." sagt Heinz L. Fall, Sprecher*in der Soligruppe "gegen örtliche Rassist*innenvereine." Angesichts dieser vielseitigen Berichterstattung über rassistische Praktiken bei der Polizei in Stuttgart und Umgebung, ist das Rassismusproblem in der Polizei zu benennen demnach keine Beleidigung, sondern eine öffentlich bekannte Tatsache.

Struktureller Rassismus zeigt sich aber auch in dem Unvermögen oder der Unbereitschaft der Richterin, diskriminierungssensible Sprache zu verwenden, oder sich über diese zu informieren. Da die Polizeibeamt*innen in der konkreten Situation nicht zwischen "Menschen mit weißer Haut und Menschen mit schwarzer Haut" unterschieden, sei es nicht zu einer rassistischen Tat gekommen. Die Polizist*innen konnten nicht davon berichten, jemals bei der Arbeit etwas von rassitischen Vorfällen mitbekommen zu haben. Das scheint angesichts des Desinteresses an Auseinandersetzung mit Rassismus und Abwesenheit jeglicher Sensibilisierung sogar glaubwürdig. Unglaubwürdig ist, dass es diese Vorfälle nicht gibt, denn Betroffene, Vereine und Medien berichten immer wieder über rassistische Äußerungen und Gewalt bei der Polizei. Gerade deshalb ist die Kritik umso wichtiger. Denn mit Selbstkritik und Reflexion seitens der Polizei ist nicht zu rechnen.

Polizei, Ku-Klux-Klan und NSU

"Belege für den Rassismus in der Polizei gibt es zuhauf" sagt Heinz L. Fall, Sprecher*in der Soligruppe: "Die Bezeichnung der Polizei als 'Rassist*innenverein' ist daher keine Beleidigung, sondern eine auch in den Medien öffentliche bekannte Meinungsäußerung". Ein besonders peinliches Beispiel aus Baden-Württemberg machte bekannt, was Polizist*innen alles an rassistischer Nazi-Scheiße tun müssen, um aus dem Polizeidienst entfernt zu werden: 1. einen Ku-Klux-Klan gründen, 2. mit NSU-Kumpels rumhängen, die eine Kolleg*in Ermorden 3. die ermordete Kolleg*in vorher sexuell belästigen. "Pointe: Im Zuge der Ermittlungen zum "Hannibal"-Naziprepper-Netzwerk wurde bekannt, wo der betroffene Ex-Polizist Ringo nun arbeitet: Beim Verfassungsschutz" berichtet Heinz L. Fall.

 

Das Urteil: 

Dass Rassismuskritik beleidigend ist, bestätigt nun auch das Landgericht und verurteilte den Angeklagten erneut zu 40 Tagessätzen. Der Angeklagte habe seine Meinungsfreiheit missbraucht, so das Urteil der Richter*in "Da sieht man, wie Polizei und Gerichte sich gegenseitig den Rücken freihalten, um Rassismuskritik an staatlichen Institutionen zu vermeiden" sagt eine Zuschauer*in. "Das kann ich so nicht stehen lassen. Ich werde Revision einlegen" so Bela Diegt.

„Super war, dass das Landgericht uns so eine schicke Bühne für unsere Rassismuskritik gegeben hat. Wir lassen uns von so einem Urteil nicht abschrecken. Rassismus bei der Polizei zu kritisieren ist wichtig.“ Findet Ella Eifrig, eine Besucher*in des Prozesses. "Augen auf bei Rassismus. Wir haben überall im Gericht noch ein paar Augen verklebt, als Symbol dafür, mit einem machtkritischen Blick durch staatliche Institutionen zu laufen." freut sich Ella Eifrig. "Dass unser Grundrecht auf Meinungsfreiheit ihre Grenzen bei Rassismuskritik an der Polizei finden soll, weil die sich vielleicht auf den Schlips getreten fühlen, hat mich schon schockiert." empört sich Rita Rüstig, Zuschauerin

 

Rassistische Polizist*innen auf die Anklagebank

"Hier sitzt der Falsche auf der Anklagebank", findet Heinz L. Fall: "Wer endlich mal verurteilt werden müsste, sind rassistische Polizist*innen, und nicht Leute, die das Problem beim Namen nennen."

Die "Soligruppe gegen örtliche Rassist*innenvereine" steht gerne für Interviewanfragen zur Verfügung. Sie ist erreichbar per E-Mail (soligruppe-stuttgart@riseup.net)

 

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