Bericht vom 87. Prozesstag – Mittwoch, 22.02.23

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Bericht vom 87. Prozesstag im Antifa Ost-Verfahren am OLG Dresden am 22.02.2023

Am 87. Prozesstag im Antifa Ost-Verfahren am OLG Dresden waren zwei Zeug:innen geladen. Der Leiter der Ermittlungsgruppe (EG) im hiesigen Verfahren von der Soko LinX, Michael Baum, trat erneut in einer Kostümierung auf. Er sagte zu diversen Telefonnummern aus, welche am 15.02.2020 in Funkzellen rund um den Dresdner Hauptbahnhof eingeloggt waren. Die zweite Zeugin wurde geladen,  nachdem am 05.01.2023 ein weiteres Alibi in Bezug auf den Tatkomplex Eisenach I eingeführt wurde, dessen Beweise jedoch dem Senat so nicht genügten.

Vor Prozessbeginn

Im Sitzungssaal war vor Prozessbeginn ein Pressevertreter, der meinte, er nehme für einen weiteren Podcast Hintergrundgeräusche auf. Zugleich gesellte sich, nach Ewigkeiten die verantwortliche Journalistin eines anderen unsäglichen Podcasts einer Leipziger Lokalzeitung, in den Zuschauer:innenraum.

In diesem wurden zum vergangenen Prozesstag die Corona-Beschränkungen aufgehoben, seither stehen mehr als 115 Plätze für solidarische Besucher:innen, Journalist:innen und andere die reinkommen zur Verfügung.

(Am heutigen Prozesstag war lediglich der Neonazi-Nebenklagevertreter Hentze vor Ort, der nach der Mittagspause nicht mehr auftauchte im Sitzungssaal.)

Prozessbeginn (9:40 Uhr)

Vor der ersten Zeug:innenaussage stellte der Vorsitzende Schlüter-Staats seinen vorläufigen Plan für das Prozessende vor. Demnach wolle er in der kommenden Woche die Beweisaufnahme schließen und schon in der Woche darauf die Plädoyers der Bundesanwaltschaft (BAW) und der Nebenklage (NK) hören. In der Woche darauf, dem 15. und 16. März 2023, soll die Verteidigung ihre Plädoyers halten und dann eventuell am 22. März 2023 das Urteil gesprochen werden. 

Zeuge 1: Michael Baum

Der erste Zeuge war KHK Michael Baum von der Soko LinX, welcher erneut im Anzug, mit falschem Bart, Haaren und Brille aufgetreten ist. Er wurde belehrt und gab an, zwischen der jetzigen und vorherigen Aussage nicht Geburtstag gehabt zu haben.

Das Beweishema war die Zuordnung verschiedener Telefonnummern, welche Herr KOK Sascha Kless/Kläss (42) ihm zu gearbeitet hätte in Bezug auf den Tatkomplex Wurzen (siehe Zwischenbericht, Abschnitt Tatkomplex Wurzen). Hierbei ging es um Nummern, welche in der Zeit, in der eine unbekannte Person, welche die Soko LinX versuchte als eine der angeklagten Personen zu identifizieren, im Zug telefonierte, in Funkzellen rund um den Bahnhof eingeloggt waren und ebenfalls telefoniert haben.

Zunächst fasste der Zeuge seine Bemühungen diesbezüglich zusammen. Er erklärte, er habe die Anschlussinhabenden angerufen und sie zur Nutzung ihrer Telefone in diesem Zeitraum befragt. Laut seiner Aussage habe er alle erreicht und auch alle bis auf eine verifizieren können. Bei den Rufnummern, die zu der Zeit genutzt worden seien, sei bei allen ein Verleih der SIM-Karte oder des Geräts ausgeschlossen gewesen. Mehrere Personen seien Anschlussinhabende, aber nicht Nutzende der Rufnummern gewesen, wobei jedoch die Nutzenden ebenfalls festgestellt worden seien. Viele von ihnen würden im Stadtgebiet Dresden wohnen. Ihr Verhalten in Bezug auf das Nutzen von Zügen als Transportmittel sei sehr unterschiedlich. Die Gesprächspartner:innen aller Anschlüsse in dem Zeitraum seien verifizierbar gewesen.

Der Vorsitzende wollte nun Stück für Stück den Bericht durchgehen, welchen Baum sicher dabei habe, was dieser jedoch verneinte. Somit wurde die Verhandlung für fast 25 Minute unterbrochen, um Michael Baum seinen eigenen Bericht zu kopieren.

Nach der Pause erklärte der Zeuge zu diversen Nummern, wer die Anschlussinhabenden seien und wozu er sie befragt habe. Er habe alle Nummern angerufen und mitunter festgestellt, dass die SIM-Karten von anderen Personen, als den Anschlussinhabenden genutzt worden seien. Auch diese Personen habe er kontaktiert, mit Ausnahme einer, welche im November 2019 abgeschoben worden sei. Im Saal verlas er alle Nummern, deren Nutzungszeitraum, mitunter das Alter und Geschlecht der Anschlussinhabenden, die Beziehungen zu Nutzenden, falls sich dies unterschied und bei allen den Wohnort. Zudem habe er alle befragt, ob sie sich in Dresden aufgehalten hätten, regelmäßig Zug fahren würden und ob sie ihre Telefone oder SIM-Karten je verliehen hätten. Sofern Telefonnummern nicht mehr vergeben gewesen seien, habe er das zuständige Revier gebeten, die Personen aufzusuchen und zu bitten, Baum zu kontaktieren, beziehungsweise sei der Zeuge selbst zu Adressen gefahren, um die Personen zu befragen.

Neben den Anschlussinhabenden selbst, habe der Zeuge auch die Partnernummern überprüft und deren Beziehungen zu den Anschlussinhabenden benannt und diese verifiziert.

Lediglich bei einer Person sei es dem Zeugen nicht gelungen, die anschlussinhabende Person zu erreichen. Diese Nummer schien jedoch von größerem Interesse, da die Partnernummer die des Ermittlungsausschuss Dresden gewesen sein soll. Um die Person zu ermitteln, seien Beamte zur hinterlegten Adresse gefahren, um zu prüfen, ob der hinterlegte Name an Klingel oder Briefkasten stünde, was diese verneinten. Der Vorsitzende beauftrage Baum zusätzlich damit, bei der Hausverwaltung zu erfragen, ob jemand mit diesem Namen dort wohnhaft gewesen sei. Das Ergebnis dieser Nachermittlung solle laut Baum zum Ende der Woche vorliegen.

Für kurze Erheiterung im Saal sorgte die Ausführung von Baum, dass ein:e kontaktierte Person aufgelegt habe, als diese erfahren habe, dass das LKA sie anrufe. Baum meinte, sie sei „wohl misstrauisch gewesen“ – eine sehr verständliche und richtige Reaktion.

Zudem sollte Baum ermitteln, welche Züge an besagtem Tag von Leipzig nach Dresden, mit Zwischenhalt in Wurzen, gefahren seinen. Die Verteidigung fragte diesbezüglich nach, welchen Beweiswert das haben soll, woraufhin der Vorsitzende wie üblich angab, dass es der Vollständigkeit diene. Er begründete mir der Aussage des Vergewaltigers und Kronzeugen Johannes Domhöver (J.D.), dass für eine Ausspähung ja auch die Fahrt von Leipzig nach Dresden über Wurzen relevant sei. 

Er verabschiedete Michael Baum um 11:00 Uhr damit, dass er hoffe, dass sie rauskriegen würden, wer die Person sei, die mit dem EA telefoniert habe.

Rechtlicher Hinweis an Lina

Im Anschluss an die Vernehmung richtete er einen rechtlichen Hinweis an Lina. Dieser besagte, dass sie im Tatkomplex Cedric Scholz (siehe Zwischenbericht, Abschnitt Tatkomplex Cedric Scholz) vielleicht nicht an der Ausspähung beteiligt gewesen sei, jedoch die Förderung durch das Bereitstellen einer Kamera oder der Beratung anderer käme einer Bestrafung nach derselben Strafvorschrift gleich. 

Die Verteidigung hakte diesbezüglich nach, da entsprechende Kamera nicht bei einer der Durchsuchungen festgestellt wurde und auch sehr abstrakt ist, was unter einer Beratung zu verstehen ist. Mit der folgenden Argumentation des Vorsitzenden bestätigte dieser, dass er der Aussage von J.D. so viel Wert beimisst, dass dessen Einschätzung der Rollen einzelner Personen für gegeben hält und somit Linas Unterstützung bei Taten, die mutmaßlich von gewissen Teilen der angeblichen Vereinigung ausgeführt worden seien, für ihn feststünde. 

Beweisanträge der Verteidigung vom 86. Prozesstag

Hiernach wurden Fotos der Verteidigung eingeführt, welche ein Objekt zeigten, zu dem J.D. sagte, dass dort die von ihm so definierten Szenariotrainings stattgefunden hätten. Bei dem Antrag der Verteidigung ging es darum, deutlich zu machen, dass das Haus entgegen der Aussage von J.D. keineswegs typisch sei und auch keine vier Stockwerke habe, wie J.D. behauptete.

Weitere Teile des Beweisantrags vom 15.02.2023 wurden vom Senat abgelehnt.

Ein weiterer Beweisantrag der Verteidigung wurde ebenso abgelehnt. Hierbei handelte es sich um die Beiziehung und Verlesung von BGH-Akten sowie weiteren Aktenteilen aus dem Verfahren gegen Leon Ringl und Maximilian Andreas. So gehe der Senat davon aus, dass Ringl und Andreas unwahre Angaben zur neonazistischen Kampfsportgruppe „Knockout 51“ gemacht hätten. Die Beiziehung weiterer Aktenteile werde als unerheblich erachtet.

Auch zur Einführung der am vergangenen Prozesstagen thematisierten Briefe äußerte sich der Vorsitzende. Diese sollen Teil des Selbstleseverfahrens werden, sodass sie hier nicht verlesen werden müssten. Die Verteidigung äußerte, bei ihrem Widerspruch gegen die Einführung und Verlesung zu bleiben. Sie unterstrich nochmals, dass es den persönlichen Kernbereich betrifft, zudem sind abermals Überinterpretationen seitens der BAW sowie des Senats zu befürchten.

Die Verteidigung verwies auf Nachlieferungen der BAW, die Erkenntnisse zum Telefon von Leon Ringl beinhalteten, so auch Chatverläufe, um deren Einführung es der Verteidigung ging. Die Verteidigung führte kurz aus, welchen Chatverlauf sie meinte und erläuterte dessen Bedeutung. Dieser zeigt nicht nur auf, dass Ringl log, sondern es wird ebenso ersichtlich, dass keine Verletzungen aus dem vermeintlichen Angriff folgten. Der Vorsitzende meinte zur Verteidigung, sie solle diesbezüglich einen Antrag stellen.

Frau Geilhorn ging danach auf das anstehende Ende der Beweisaufnahme ein. Für sie sei noch relevant, welche Ergebnisse die Auswertung des LKA, die Fotos auf dem Telefon betreffend, ergeben würden. Sie kenne die Ergebnisse nicht und eventuell würden sich weitere Nachfragen bzw. Anträge ergeben. Schlüter-Staats verwies auf die Zeugin, die geladen war und dazu eine Aussage treffen solle.

Zugleich verwies er auf die Adhäsionsanträge, auf die er später zurückkommen wolle. Zudem ging es ihn nochmals um die Einziehungsobjekte, wie bspw. SIM-Karten.

Kurz vor der Pause verwies die Verteidigung noch auf Unterlagen, die für die Haftverschonung einer angeklagten Person von Bedeutung sind.

Anschließend verkündete der Vorsitzende, dass die Urkunden, die im Selbstlesekonvolut 68 enthalten seien, Gegenstand der Beweisaufnahme werden sollen. Die Prozessbeteiligten hätten bis nach der Mittagspause Zeit, sich diese anzuschauen. Danach unterbrach er die Verhandlung für die Mittagspause (11:25 Uhr).

Fortsetzung der Verhandlung nach der Pause

Nach Beendigung der Mittagspause (13:51 Uhr) fragte der Vorsitzende die Verteidigung, ob sie ihren Widerspruch erneuern wolle, was diese verneinte. Der Widerspruch gegen die Einführung und Verlesung der Briefe bleibt bestehen, wie er ist. Danach verkündete Schlüter-Staats, dass seine Verfügung aufrechterhalten bliebe, die Briefe somit eingeführt werden könnten. So bestehe kein Erhebungsverbot aufgrund eines Verlobtenstatus, zudem würden die zu verlesenden Passagen keine Details zur privaten Lebensführung enthalten, weshalb das Verwertungsgebot hinsichtlich des grundrechtlich verbrieften Persönlichkeitsrechts nicht greife.

Im Weiteren verfügte der Vorsitzende, dass die Selbstlesekonvolute 57 und 58 zum Gegenstand der Beweisaufnahme gemacht werden würden.

Die Verteidigung intervenierte und verwies darauf, dass es in den Briefen um Austausch über Sport geht und nicht um, wie vom LKA interpretiert, Bewegungsabläufe, die zu Angriffszwecken geeignet sind. Somit besteht keine Relevanz für das Verfahren. Schlüter-Staats sah das erwartbar anders und verwies auf angebliche Kampfsporttrainings und meinte lachend, zumindest gehe aus den Briefen nicht das hervor, was J.D. über Trainings in dem Hausprojekt erzählt habe.

Anschließend verfügte Schlüter-Staats die auszugsweise Verlesung des Protokolls der polizeilichen Vernehmung des Zeugen J.D. vom 19. Mai 2022. Er verlas den entsprechenden Abschnitt, in welchem es um die Anzahl der Stockwerke im Hausprojekt ging. Bei der Vernehmung waren KHK Michael Baum, KHK Daniel Mathe und KKin Konstanze Kästner zugegen. J.D. ließ sich wissentlich ohne anwaltlichen Beistand vernehmen, äußerte aber, Michael Stephan als Rechtsanwalt haben zu wollen.

Die Verteidgung forderte nach der Verlesung den Vorsitzenden auf, den ersten Teil aus dem Protokoll zu streichen, da dieser keinen Bezug zu dem Hausprojekt hatte, jedoch Aussagen über eine angeklagte Person enthielt. Sie sagte, sie fühlt sich vom Vorsitzenden getäuscht, da dieser entgegen seiner Ankündigung mehr versuchte, in die Verhandlung einzuführen.

Anschließend kam die angekündigte Zeugin.

Zeugin 2: Handyfotos, Hunde und Alibi

Die geladenen Zeugin aus Leipzig kam mit einem Rechtsbeistand in den Saal und war unmittelbar mit dem Rassismus des Vorsitzenden konfrontiert, der lachend kommentierte, man müsse ihm nachsehen, dass er den Namen nicht aussprechen könne. Im Verlauf der Befragung wird das nicht der einzige Kommentar dieser Art gewesen sein.

Sie sollte zu dem Alibi eines der Angeklagten befragt werden, welchem am 5. Januar 2023 von der Verteidigung eingebracht wurde.

Hierbei ging es um die Enttarnung einer erneuten Fehlinterpretation durch die Bundesanwaltschaft in Bezug auf ein abgehörtes Gespräch in einem Fahrzeug. In diesem Gespräch soll gesagt worden seien: „Mit dem haben wir die Kneipe gemacht“ (siehe Zwischenbericht, Abschnitt Innenraumüberwachung). Abgesehen davon wurde kein Ort oder Zeitpunkt benannt und auch keine Definition dazu, was „gemacht“ bedeuten könnte. Die BAW nahm allein diesen Satz zum Anlass, zwei Personen zu beschuldigen, an dem Angriff auf das Bull’s Eye (Eisenach I: siehe Zwischenbericht, Abschnitt Tatkomplex Eisenach I – Bull’s Eye) beteiligt gewesen zu sein. Eine der Personen ist angeklagt, eine andere ist beschuldigt, die angebliche Vereinigung zu unterstützen und wurde ebenso wie die anderen mit repressiven Maßnahmen überzogen. Im Januar 2023 wurden sodann Bilder der beschuldigten Person vom Abend des 18. Oktober 2019 vorgelegt und deutlich gemacht, dass diese in Leipzig aufgenommen wurden und es mit keinem Verkehrsmittel möglich gewesen wäre, Eisenach rechtzeitig für den Angriff zu erreichen. Da das Telefon des Beschuldigten beschlagnahmt und entschlüsselt worden sei, ermittelte das LKA Sachsen die Person, in deren Wohnung das Bild aufgenommen wurde und der Senat lud sie als Zeugin. Die Verteidigung hatte zuvor nur die Metadaten der Bilder vorgelegt, um zu belegen, dass die Aufnahmen in Leipzig gemacht wurden, jedoch keine Personen in dem Zusammenhang benannt.

Die Befragung der Zeugin begann schon früh damit, dass der Vorsitzende Informationen über andere Personen erlangen wollte, welche in dem Haushalt leben würden. Obwohl der Rechtsbeistand der Zeugin, als auch die Verteidigung darauf hinwies, dass dies nicht relevant ist, weil die Zeugin angab, an besagtem Abend allein mit dem Beschuldigten gewesen zu sein, bohrte der Vorsitzende nach. Dies tat er vor allem, weil eine der Personen auch am Rande des hiesigen Verfahrens eine Rolle spielt. Zudem hat die Zeugin ein Zeugnisverweigerungsrecht in Bezug auf verwandte und verschwägerte Personen, aber dieses Recht hat für den Senat bekanntermaßen keine Bedeutung. Trotz der Entlarvung des Versuchs des Aushorchens, ließ der Vorsitzende sich nur schwer von den Fragen abbringen. Eine Beanstandung überging er und stellte einfach die nächste Frage ohne öffentlich einzugestehen, dass die vorherige Frage nicht legitim gewesen ist. 

Im weiteren Verlauf der Befragung wollte er wissen, wie das Verhältnis zu dem Beschuldigten sei und stellte sehr viele Fragen zu Hunden, da mindestens zwei auf den Bildern zu sehen waren. Die Zeugin gab an, dass sie die Bilder des Beschuldigten gemacht hat und sagte dazu, dass sie nicht genau wisse, ob es dieser Tag gewesen sei, sie jedoch sicher ist, dass die Bilder in dem Zeitraum entstanden sein müssen. 

Die Bundesanwaltschaft nutzte ihr Fragerecht, um nach Vorbesprechungen der Zeugin mit der Verteidigung und anderen Personen zu fragen. Die Zeugin gab an, dass sowohl der Beschuldigte, als auch die Verteidigung mit ihr über die Bilder gesprochen haben und die Verteidigung ergänzte, dass sie sie in dem Gespräch auch belehrt hat, dass die Zeugin ihr gegenüber nicht zu angaben verpflichtet ist. 

Der Vorsitzende war sehr erbost darüber, dass dieses Alibi so spät eingeführt worden sei und konnte nicht verstehen, warum der Beschuldigte, wenn er doch Zugang zu den Fotos gehabt habe, nicht längst selbst für sich dieses Alibi angebracht hätte. Da dieser jedoch nicht angeklagt ist, erinnerte die Verteidigung daran, dass sie auf das, was der Beschuldigte und dessen Rechtsbeistand machen, keinen Einfluss haben.

Dann regte sich Schlüter-Staats noch darüber auf, dass die Verteidigung die Zeugin trotz Vorgesprächen nicht erwähnt habe, woraufhin die Zeugin selbst zu Wort kommen wollte.

Sie setzte an, ihre Gründe, warum sie nicht benannt werden wollte, zu erläutern und es war für alle im Saal ersichtlich, dass dies nicht leicht fiel. Der Vorsitzende machte einmal mehr deutlich, keinerlei Empathie und Geduld zu haben und unterbrach die Zeugin mehrfach. Diese ergriff jedoch immer wieder erneut das Wort und erklärte, dass sie aufgrund vieler Gewalterfahrungen mit Rechten darum gebeten habe, nicht vor Gericht auftreten zu müssen, da ihr bewusst war, dass im Saal auch die Nebenklage sitzt und mitunter deren Mandanten dabei sind.

Diese sehr nachvollziehbare und ehrliche Begründung überging Schlüter-Staats und entließ die Zeugin kurzerhand.

Im Anschluss an die Befragung der Zeugin verfügte der Vorsitzende die Verlesung der von der Verteidigung gewünschten Passagen aus einem Chatprotokoll von Leon Ringl aus einem Vermerk von KOK Müller vom LKA Sachsen vom 02.05.2022. Dieses Protokoll lag dem PTAZ vor, nachdem die Generalstaatsanwaltschaft Dresden gegen Leon Ringl wegen eines Angriffs auf das jüdische Restaurant „Schalom“ in Chemnitz am 27.08.2018 ermittelte.

In diesem Facebook-Chat schrieb Leon Ringl einer Person namens Hannah am 19.12.2019, dass beim ersten mal 13 Leute da gewesen seien und diese abgehauen seien, nachdem er selbst und ein Kollege zurückgeschlagen hätten. Diese Nachricht bezog sich auf den Tatkomplex Eisenach I.

In der nächsten Nachricht ging es dann um den Tatkomplex Eisenach II (siehe Zwischenbericht, Abschnitt Tatkomplex Eisenach II – Leon Ringl), zu dem Ringl schrieb, dass beim Angriff zehn Personen beteiligt gewesen seien und wenn diese nicht bewaffnet gewesen wären, hätten sie kassiert. Zudem schrieb er, dass aufgrund seines Pfeffers und Messers, die Angreifenden nicht an ihn herangekommen seien. 

Für die Verteidigung war dies wichtig, da Ringl somit deutlich machte, entgegen seiner Aussagen beim LKA und vor Gericht, dass er nicht verletzt wurde.

Kurz vor Schluss ging es erneut um die Adhäsionsanträge der Faschisten, zu denen die Verteidung noch Stellung nehmen müsse. Drei Faschisten haben Anträge gestellt: Robert Schwaab verlangt 3.000 Euro Schmerzensgeld und 1300 Euro für sein Fahrzeug (Tatkomplex Eisenach II). Nils Ackermann (siehe Bild unten) hätte gern 2000 Euro Schmerzensgeld. (Tatkomplex Eisenach II). Und Cedric Scholz, bereits bekannt für Übertreibungen, möchte die zarte Summe von 50.000 Euro Schmerzensgeld.

Das letzte Thema waren erneut die Einziehungsgegenstände, die die Bundesanwaltschaft den Angeklagten auch nach Verurteilung nicht zurückgeben möchte. Die Verteidigung gab teilweise an, keine Herausgabeanträge zu stellen, dies genüge dem Senat jedoch nicht. Sie sollten eine Liste der Gegenstände verfassen, auf welche sie verzichten würden und dann würde das erneut mit der BAW verhandelt werden. Die Verteidigung merkte noch einmal an, dass der Verzicht dann in besonderer Art und Weise bei der Strafzumessung berücksichtigt werden muss.

In der nächsten Woche soll dann die Beweisaufnahme geschlossen werden. 

Der nächste Prozesstag ist der 01.03.2023 um 09:30 Uhr am Oberlandesgericht Dresden.

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