Der "unpolitische" Facebook-Mob macht mobil

Regionen: 

"... Bekennende Rechte seid ihr nicht. (...) Nein, euer Hass gegen Fremde ist subtiler. Und deshalb umso gefährlicher. Denn ihr seid keine Randgruppe. Ihr seid viele. Rechtschaffene Bürger mit Familie und Job. Euer Hass auf Muslime, Sinti und Roma und Asylbewerber wächst. (...) Ihr seid nicht dumm, viele von euch haben studiert und sind erfolgreich im Beruf. (...) Ihr geht wandern und veröffentlicht bei Facebook Katzenfotos.

Ihr seid Männer UND Frauen. Ihr sitzt in der Mitte der Gesellschaft. Eure Waffen haben Wirkung, aber ihr braucht keine Gewalt. Es ist ein friedlicher Hass. Ihr tobt euch in Facebook-Kommentaren aus, ihr schickt uns wütende Mails. Alles natürlich unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit. Ihr macht euch ja nur Sorgen, wollt bloß mal sagen, wie es ist. ..." The Huffington Post

Zwei Montage in Folge demonstrierten mehrere hundert Menschen in der Dresdner Innenstadt unter dem Motto "Gewaltfrei gegen Glaubens- und Stellvertreterkriege auf deutschem Boden". Aufgerufen hatte dazu per Facebook eine Gruppe unter dem Namen PEGIDA - "Patriotische Europäer gegen Islamisierung des Abendlandes". Waren es am 20. Oktober noch 350 TeilnehmerInnen, folgten am 27. Oktober zirka 500 Personen dem Aufruf. Am Rande der ersten Demonstrationen kam es zu Übergriffen auf Protestierende.

 

Initiator der Demonstrationen ist Lutz Bachmann, der auch als Anmelder fungiert und das Facebook Event erstellt hat, gemeinsam mit Siegfried Däbritz, Tom Balazs, Kathrin Oertel und Rene Jahn. Die Facebook-Seite, auf der nun seit Wochen rege "diskutiert" wird, bietet ein ebenso buntes Potpourrie an Teilnehmern wie die Demonstrationen: eindeutige Nazis wie Ronny Thomas, AfDler wie Lars Kretzschmar, Felix Menzel von der Blauen Narzisse, Hells Angels, Hooligans, Verschwörungstheoretiker, "besorgte" Deutsche, Beschützer des "Abendlandes", Sarrazin-Verehrer, Rassisten, die überhaupt keine Migranten wollen und Rassisten, die "nur" keine Muslime wollen, Islamhasser und Linkenhasser. Was sie alle eint, ist - auch wenn die meisten das immer wieder dementieren - ein rechtes Weltbild.

 

Dennoch: zu behaupten, wir haben es hier einfach mit einer Nazidemonstrationen zu tun, greift zu kurz und wird dem Problem, was sich hier auf der Straße zeigt, nicht gerecht. An den Demonstrationen haben bekannte Nazis teilgenommen - Ronny Thomas, Marco Eißler oder Phillipp Göhler, sowie von der NPD Dietmar Grahl und Andreas Klose. Auch Nick Fischer oder Kay Nowotny aus den bekannten sozialen Zusammenhängen des Dresdner Ostens liefen in den Demos mit, ebenso klar rechts eingestellte, erlebnisorientierte Jungmänner, die sich sonst bei Dynamo im Stadion tummeln, FdO-Anhänger, genauso wie zahlreiche Althooligans. Entsprechend geprägt war das Erscheinungsbild: vorwiegend männlich und sportlich.

 

Dennoch ist PEGIDA auch keine reine Kopie von HoGeSa (Hooligans gegen Salafisten), die am vergangenen Sonntag in Köln aufmarschiert sind. Während die Organisatoren von HoGeSa klar der Naziszene zuordenbar sind und die Demonstrationsteilnehmer sich mit Parolen als Nazis präsentierten, stünde der Anmelder Lutz Bachmann nicht mehr zur Verfügung, wenn es nicht mehr so laufen sollte, dass "wir friedlich und ruhig durch die Straßen ziehen ohne Ausschreitungen, ohne NAZI-PAROLEN und ohne Provokationen."

 

Mit Nazis wolle man nichts zu tun haben, wird hier immer wieder betont. Dass soll auch das Logo verdeutlichen auf dem neben IS- und Kurden-Fahne auch ein Antifalogo und ein Hakenkreuz in den Papierkorb fliegen. Auch als Rassist lässt man sich ungern bezeichnen, schließlich kenne man Migranten und sei mit einer Frau aus Mittelamerika verheiratet.

 

"Jetzt geht´s los! Holen wir uns zurück, was uns gehört! Gott schütze unser Vaterland!" (Lars Kretzschmar, Facebook)

 

Was die Initiatoren unter Rassismus verstehen und was für sie Nazis sind, bleibt indes unklar, denn bisher gibt es weder Distanzierungen von Parolen wie: "Wer Deutschland nicht liebt, soll es verlassen", noch von Posts auf der Facebook Seite, die bspw. in versucht-poetischer Form "Multikulti" als Vernichtung der deutschen Wurzeln anprangern.

 

Im Gegenteil. Immer wieder wird Panikmache vor Asylsuchenden betrieben: "Immer schön daran denken, in die leerstehende Wohnung neben euch, könnten bald Asylanten einziehen!" und vor der Übernahme Deustchlands, Europas, des Abendlandes durch den Islam. Auf Einwände, wie: "Die Muslime, die ich kenne sind ehrliche Menschen und schätzen den säkulären Charakter Deutschlands." sind Antworten zu lesen, wie: "Jeder Moslem will Schariarecht weil es der Befehl seines Gottes ist. Jemand, der das nicht will, ist kein Moslem." Lars Kretzschmar freut es, dass "Deutschland erwacht" und immer wieder wird gegen Linke und Antifa als Ratten und Abschaum gewettert.

 

Während sich die Initiatoren nach außen friedlich und offen, weder links, noch rechts, sondern besorgt geben, offenbart ein intensiverer Blick in die zahlreichen Facebook-Comments die zum Teil offen rassistischen Ansichten - ebenso die Rede Bachmanns auf der Demonstration: Vor dem Hintergund steigender Flüchtlingszahlen betont er, "wir Deutschen und Europäer (können) nicht das Auffanglager der Welt sein" und "Wer unsere Gastfreundschaft und unser Sozialgefüge missbraucht muss ausgewiesen werden." Das ist nicht einmal viel gefälliger formuliert als die Parolen der NPD "Wir sind nicht das Sozialamt der Welt" oder "Sozialschmarotzer und Asylbetrüger raus".

 

Weder Nazis, noch Hooligans, weder rassistisch, noch rechts?

 

Offenkundig ist PEGIDA inspiriert von HoGeSa. Den Initiatoren war bewusst, dass sie in Fussballkreisen erfolgreich mobilisieren können. Die Initialzündung mögen die in Dresden durchgeführten Demonstrationen für Solidarität mit Kobane gegeben haben. So stellte Lutz Bachmann am 10. Oktober ein Video der Demonstration auf der Prager Straße bei Youtube online und beklagte sich darüber, dass "auf unseren Straßen Waffen für die PKK gefordert" werde. Die Initiatoren verfolgen durchaus die aktuellen politischen Debatten.

 

Die Notwendigkeit einer Demonstration sehen sie vor dem Hintergund der Situation in Syrien und Irak und der damit verbundenen Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland; vor dem Hintergund der Berichte zu deutschen Salafisten, die in den Djihad ziehen und der damit verbundenen Sicherheitsdebatte und sicher auch vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen zwischen Kurden und Islamisten bspw. in Hamburg.

 

Ihre Antwort auf die von ihnen wahrgenommenen Probleme ist aber nicht Solidarität mit den Betroffenen des IS Terrors und mit Flüchtlingen, die aufgrund dessen ihr Zuhause verlassen müssen. Ihre Antwort ist auch keine Kritik an Islamismus, Salafismus oder Djihadismus. Ihre Antwort ist gerade nicht die Solidarisierung mit den Kurden, die in Kobane gegen den IS kämpfen. Ihre Antwort ist: "Keine Glaubenskriege auf deutschem Boden". Frei nach dem Motto "Wir sind dafür nicht zuständig" demonstrieren sie gegen Zuwanderung aus den Kriegsgebieten, weil sonst der Krieg hier ausgetragen würde und "in wenigen Jahren bei uns ebensolche Zustände wie in den Ländern aus denen die Flüchtlinge kommen” herrschen (Rede Lutz Bachmann).

 

Hier zeigt sich nicht nur ein zynischer Blick auf Menschen, die Krieg und Terror erleiden, sondern auch antimuslimischer und kulturalistischer Rassismus. Der Islam ist das Feindbild gegen das PEGIDA auf die Straße geht. Sie wollen das Abendland gegen eine vermeintlich drohende Islamisierung, gegen die "fanatische, radikalreligiöse Unterwanderung unseres Landes und unserer christlich-jüdischen Abendlandkultur" (Rede Lutz Bachmann) verteidigen. Das impliziert natürlich, dass der Islam perse eine expansive und gewalttätige Religion sei, die versucht Europa einzunehmen und hier weiter ihre Konflikte kriegerisch austrägt.

 

In ihrer Vorstellung sind die Kulturen des "Abend- und Morgenland" zum einen in den Menschen festgeschrieben und zum anderen unvereinbar. Im Zentrum ihrer Argumentation stehen nicht Menschen, sondern Kultur und Nation. Wer so denkt und das auch noch auf die Straße trägt, bekommt Gefolgschaft von Nazis und Rassisten und macht sich mit diesen gemein, auch wenn er bis zum Schluss behauptet selbst keiner zu sein.

 

Wie es mit PEGIDA weitergeht wird sich in den nächsten Wochen zeigen. Es bleibt zu hoffen, dass die Demos den üblichen Weg der Montagsdemos gehen und mit der Zeit auslaufen. Ändern könnte sich das allerdings, wenn die Demonstrationen mit eindeutigen politischen Forderungen vesehen würden. Wenn sich die allgemein formulierte Haltung gegen die Aufnahme von Flüchtlingen verbindet mit dem konkreten Protest gegen die angekündigten Neueröffnungen von Unterkünften in Dresden, enstünde eine neue und gefährliche Dynamik. Entsprechende Forderungen nehmen bei Facebook zu.

Bilder: 
Lizenz des Artikels und aller eingebetteten Medien: 
Creative Commons by-nc-sa: Weitergabe unter gleichen Bedingungen - nicht kommerziell