Knast äußert sich zu Interview-Verbot

Thomas Meyer-Falk 28.04.2014 12:19 Themen: Repression
Kürzlich berichtete ich über ein Verbot der JVA Freiburg, mit dem ARD-Politmagazin KONTRASTE ein Interview zum Thema „Isolationshaft“ führen zu dürfen ( http://de.indymedia.org/2014/03/353426.shtml). Nunmehr liegt die Stellungnahme der Haftanstalt vor.
Begründung der JVA vom 26.03.2014

Gegen das erwähnte Verbot hatte ich beim Landgericht Freiburg (Az. 13 StVK 158/14) Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Die zuständige Richterin am Landgericht, Frau M., prüft nun meine Klage gegen das Verbot.
Hierzu holte sie erst mal eine Stellungnahme der Anstalt ein (diese ist als pdf-Datei im Original zu finden unter:  https://linksunten.indymedia.org/de/node/111999.

Laut Oberregierungsrat R. sei zu befürchten, ein Interview könne mich „zu weiteren Straftaten anregen“, da bei mir eine „schwere narzisstische Persönlichkeitsstörung“ vorliege. Ich könne mir, so der Jurist der Haftanstalt, „nicht eingestehen, viele Jahre (meines) Lebens durch Straftaten und anschließende Freiheitsentziehungen vergeudet zu haben“. Jeder Zuspruch von außen stille mein (angebliches) Verlangen „nach ständiger Aufmerksamkeit“ und im übrigen würde ich mich „hinter der grandiosen Vorstellung einer Märtyrerexistenz“ verstecken, anstatt mich als „therapiebedürftigen Untergebrachten“ zu sehen.

Weiterer Verfahrensgang

Diese Spekulationen des Vertreters der JVA habe ich pauschal bestritten. Nun bleibt abzuwarten, wie die Richterin den Sachverhalt weiter aufklärt, ob sie Zeugen vernehmen oder weitere Stellungnahmen einholen wird. Angesichts der Arbeitsüberlastung der Kammer wird mit einer Entscheidung erst in vielen Monaten gerechnet werden können.

Bewertung der Äußerungen des JVA-Vertreters

An anderer Stelle ( http://de.indymedia.org/2013/06/345749.shtml) thematisierte ich, aus welchen Gründen ich mich dem Therapiediktat nicht unterwerfe; die – nicht nur in meinem Fall, sondern bei nahezu allen Verwahrten – zu beobachtende Vorgehensweise der Pathologisierung nicht nur einzelner Facetten der Betroffenen, sondern ihres gesamten Verhaltens, dient einerseits der Abwertung und Abwehr ihrer (berechtigten) Forderungen. Denn schließlich sind es nur die Ansprüche psychisch auffälliger, ja kranker und abnormer Persönlichkeiten, so dass man sich nicht ernsthaft damit auseinander zu setzen braucht.

Die Instrumentalisierung psychiatrischer Kategorien und Diagnosen zur Ausschließung missliebiger Personen ist aus der Geschichte bekannt, trifft aber auch heute keineswegs nur Inhaftierte, sondern durchdringt weite Teile der Gesellschaft, des Arbeitslebens, ja sogar der Nachbarschaft. Wer sich nicht den sozialen „Normen“ gemäß verhält, gerät schnell in den Verdacht „psychisch krank“ zu sein.

Zum anderen dient speziell bei Sicherungsverwahrten die permanente Pathologisierung dazu, für künftige Entscheidungen über Freilassungsbegehren der Betroffenen genügend Material zu sammeln, um eine solche Haftentlassung ablehnen zu können. In meinem eigenen Fall, die eigentlich zwingende Haftentlassung nach 10 Jahren Sicherungsverwahrung, mit Hinweis auf die angeblich „schwerst gestörte“ Persönlichkeit, auf Grund derer weitere schwerste Straftaten zu erwarten seien, verwehren zu können.

Denn hier zählt nicht die Wahrnehmung, hier zählen nicht die Erfahrungen, die langjährige Freundinnen und Freunde mit den Betroffenen gemacht haben, sondern die konstruierte Realität der Akten. GutachterInnen stützen sich auf besagte Gefangenenakten, deren Inhalt die Vollzugsanstalt bestimmt hat, durch Verfügungen und Schriftsätze wie vorliegend besprochen.

Legitimer Widerstand, Protest, politische Motivation, politische Argumente gegen Strukturen, ob in den Knästen oder außerhalb von diesen, die es zu überwinden gilt, werden durch die Einordnung in psychiatrische Kategorien versucht zu delegitimieren.

Je mehr ein Mensch dann gegen diese offiziösen „Diagnosen“ ankämpft, um so nachdrücklicher stellen staatliche Stellen solche Diagnosen und definieren den Widerstand hiergegen seinerseits als „Ausdruck krankheitsbedingter Unfähigkeit zur Einsicht“ in die angeblich vorhandene „Störung“.

Isolationshaft wird in Deutschland seit Jahrzehnten praktiziert; in den 70'ern und 80'ern vielfach in Zusammenhang mit den RAF-Gefangenen und anderen linken kämpfenden Gruppen, heute im Zusammenhang mit § 129 b-Gefangenen und auch gegen Insassinnen und Insassen, die sich, aus welchen Gründen auch immer, gegen ihre Inhaftierung auflehnen ( http://community.beck.de/gruppen/forum/17-jahre-isolationshaft-in-deutschland).

In diesem Kontext dann kritische Berichterstattung zumindest stellenweise zu steuern zu versuchen, in dem man ein TV-Interview verbietet, ist eine politische Aussage der Justiz und entsprechend zu kritisieren.

Thomas Meyer-Falk, c/o JVA (SV-Abtlg.), Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg
 https://freedomforthomas.wordpress.com
 http://www.freedom-for-thomas.de
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Ergänzungen

ach nelson

....chif 28.04.2014 - 15:16
.... dein text sagt nichts über die situation der heutigen psychiatrie,des widerstands noch weniger über den widerstand von einzelnen menschen dagegen was aus ... sondern nur was über dich und wie du so für dich durchs leben kommst -- interessiert eigentlich nur die, die dich kenen und mit dir vielleicht noch was machen ---- nelson mandela z.b. kam nicht raus, weil er sich angepasst hat ( aus welchen gründen auch immer), sondern weil sich die gesellschaftlichen verhältnisse in seinem land verändert hatten - wir sind hier noch weit davon entfernt - und so lange brauchen wir draussen menschen wie tmf, die sich drinnen durch wort und tat dafür d einsetzen, ob wir draussen in unserem kampf nun ne bankr dafür ausrauben (sinnvoller jedenfalls als scheiben einzuschmeissen), möge die jeweilige situation ergeben

Was sagt die ARD dazu?

Glotzer 02.05.2014 - 11:03
Die ARD muß sich doch ziemlich angepisst fühlen. Wie sieht es denn mit der Pressefreiheit aus, wenn ein Gericht einfach bestimmen kann, wer was sagen darf? Das ist auf jeden Fall ein Skandal. Aus gleichem Grund könnte mensch auch verbieten, daß hier Artikel von tmf erscheinen, weil das seinen Widerstandsgeist unterstützt. Der Witz ist auch, dass Psychologie als Wissenschaft verstanden wird und Wünschelruten nicht, obwohl beides den gleichen Wahrheitsgehalt hat. Ich sage mal fifty-fifty. Vielleicht schneiden Wünschelruten aber auch besser ab.

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