Asyl in der Republik Zypern - Dokumentation

Fachgruppe Zypern d. KuB e.V. 25.04.2013 15:34 Themen: Antirassismus Print Weltweit
Die Asylverfahrensstandards, Rechtslage und Lebens-bedingungen von Asylsuchenden in der Republik Zypern untersucht die neu erschienene Dokumentation "Asyl in der Republik Zypern". Die 60-seitige Broschüre beleuchtet Defizite in der Bearbeitung von Asylanträgen, die zum Teil mangelhafte Umsetzung europäischer Richtlinien und widerrechtliche Inhaftierung von Asylsuchenden sowie die schwierige soziale Situation von Flüchtlingen mit unterschiedlichem Aufenthaltsstatus.
ZUSAMMENFASSUNG DER DOKUMENTATION
„ASYL IN DER REPUBLIK ZYPERN – VERFAHRENSSTANDARDS,
RECHTSLAGE UND LEBENSBEDINGUNGEN AUF DEM PRÜFSTAND“

DER HINTERGRUND
Die im April 2013 erschienene Dokumentation „Asyl in der Republik Zypern“ wurde von der
Fachgruppe „Zypern“ der Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge und MigrantInnen e.V.
(KuB) verfasst. Sie untersucht das zyprische Asylsystem und nimmt dabei unterschiedliche As-
pekte unter die Lupe. Zum einen beleuchtet die 60 Seiten umfassende Analyse die Standards bei
der Durchführung des Asylverfahrens. Zum anderen befasst sich die Untersuchung mit dem
Stand der zyprischen Asylgesetzgebung, der praktischen Umsetzung rechtlicher Grundlagen und
der Implementierung europäischer Richtlinien. Außerdem gibt die Dokumentation Einblick in die
Lebensbedingungen von Asylsuchenden mit unterschiedlichem Aufenthaltsstatus.
Die Erkenntnisse stützen sich auf ein vielseitiges Datenmaterial. Im September/Oktober 2012
führten die AutorInnen 85 Leitfadeninterviews mit MitarbeiterInnen von der am Asylsystem betei-
ligten Institutionen, AnwältInnen und MitarbeiterInnen von NGOs und Beratungsstellen sowie mit
zahlreichen Asylsuchenden. Eine quantitative Befragung der Asylsuchenden lieferte zusätzliche
Informationen. Im Folgenden sollen die wichtigsten Ergebnisse der Untersuchung in Kürze vor-
gestellt werden.

DURCHFÜHRUNG VON ASYLVERFAHREN
Für die Entscheidung über Asylanträge sind der Asylum Service (1. Instanz), die Reviewing Au-
thority (2. Instanz) und der Supreme Court (3. Instanz) zuständig. Für alle Phasen des Asylver-
fahrens wurden erhebliche Mängel festgestellt, sodass davon ausgegangen werden muss, dass
ein Großteil der Asylsuchenden in der Republik Zypern kein angemessenes Asylverfahren
nach den Standards europäischer Richtlinien erhält.
Bereits in erster Instanz ergeben sich Probleme dadurch, dass der Asylum Service Asylsuchende
nur unzureichend über den Ablauf des Verfahrens informiert. Nur jede achte Person gab an, über
ihre Rechte und Pflichten während des Verfahrens aufgeklärt worden zu sein. Schriftliche Infor-
mationsmaterialien sind veraltet und ausschließlich in englischer Sprache erhältlich. Die Qualität
der Anhörungen zu den individuellen Fluchtgründen variiert stark in Abhängigkeit von den
Kenntnissen der AnhörerInnen und SprachmittlerInnen. Die Mehrzahl der SprachmittlerInnen
verfügt über keine spezielle Ausbildung, teilweise beherrschen sie die zu übersetzende Sprache
sogar nur unzureichend.
Bei der erstinstanzlichen Entscheidung kommt es in vielen Fällen zu unangemessen langen
Wartezeiten, oft erhalten die AntragsstellerInnen erst nach mehr als zwölf Monaten ihren Be-
scheid. Negative Bescheide werden ausschließlich in griechischer Sprache begründet, der Zu-
gang zu den persönlichen Fallakten als Hilfe zur Begründung eines Widerspruchs ist nur be-
grenzt möglich und wird erst in der dritten Instanz gewährleistet – eine deutliche Verletzung der
europäischen Asylverfahrensrichtlinie.
Auch der Durchlauf der zweiten Instanz kann teilweise Jahre dauern. Dennoch macht die
Reviewing Authority nur selten von ihrer Möglichkeit Gebrauch, neue Elemente und veränderte
Sachlagen zu erörtern und ExpertInnen oder Behördenangestellte hinzuzuziehen. Folglich wer-
den erstinstanzliche Urteile größtenteils bestätigt.
Der Supreme Court prüft als dritte Instanz lediglich das juristisch korrekte Vorgehen der vorheri-
gen Instanzen. Somit können KlägerInnen nicht auf eine Veränderung der Sachlage (z.B. Situati-
on im Herkunftsland) hinweisen oder neue Beweismittel vorlegen. Diese Praxis verstößt gegen
europäische Gesetzgebung. Es muss davon ausgegangen werden, dass den Asylsuchenden
kein wirksamer Rechtsbehelf gegen Asylentscheidungen zur Verfügung steht. Da seit 2009
nur in drei Fällen Prozesskostenhilfe bei einer solchen Klage zugestanden wurde, scheinen die
Behörden den Zugang zum Klageverfahren zusätzlich zu erschweren. Entgegen der europäi-
schen Vorschrift, nach welcher Abschiebungen während des Klageverfahrens unzulässig sind,
kommt es regelmäßig zu unrechtmäßigen Abschiebungen vor Beendigung des Verfahrens.

LEBENSBEDINGUNGEN VON ASYLSUCHENDEN
Eine Vielzahl von Problemlagen bedingen, dass die Lebensbedingungen für Asylsuchende in der
Republik Zypern als äußert schwierig zu bewerten sind. Insbesondere die Mängel bei der Bewil-
ligung und Auszahlung von Sozialleistungen führen dazu, dass der Lebensunterhalt einer
Vielzahl der Asylsuchenden zumindest zeitweise nicht gesichert ist. Häufig werden Sozialleistun-
gen Monate nach der Ankunft von Asylsuchenden erstmals ausgezahlt und auch nach Feststel-
lung des Sozialleistungsanspruchs sind Verzögerungen der Auszahlungen keine Seltenheit. Hin-
zu kommen zahlreiche bürokratische Hürden, wie beispielsweise die Vorauszahlungspflicht für
die erste Miete vor Bezug von Wohngeld seitens der AntragsstellerInnen. Viele Asylsuchende
sind auf die Unterstützung aus dem sozialen Umfeld angewiesen oder können ihren Lebensun-
terhalt nur durch irreguläre Arbeit sichern.
Auch in Bezug auf die medizinische Versorgung von Asylsuchenden wurden gravierende Män-
gel festgestellt. Es besteht ein grundsätzlicher Anspruch auf medizinische Grundversorgung,
doch in der Praxis erhalten zahlreiche Asylsuchende dennoch keine „medical card“, da sie über
ihren Anspruch auf medizinische Versorgung nicht aufgeklärt worden sind oder an den bürokrati-
schen Hürden zur Erlangung der Gesundheitskarte scheitern. Diskriminierendes Verhalten des
medizinischen Personals erschwert den Zugang zu einer ausreichenden Versorgung – in einigen
von Asylsuchenden geschilderten Fällen wurde die Behandlung gänzlich verwehrt. Für beson-
ders schutzbedürftige Asylsuchende, wie traumatisierte Personen oder schwangere Frauen, gibt
es in der Republik Zypern keine speziellen Programme.
Zur Unterbringung von Asylsuchenden gibt es in der Republik Zypern nur drei Unterkünfte für
insgesamt etwa 450 Personen, in denen nur ein Bruchteil der AntragsstellerInnen untergebracht
werden können. Die Auswahl der Asylsuchenden, die einen Platz in einer solchen Unterkunft
erhalten, scheint willkürlich zu erfolgen. Auf die Bedürfnisse besonders schutzbedürftiger Perso-
nen wird dabei keine Rücksicht genommen. In den Sammelunterkünften werden die Asylsuchen-
den mit Fertigmahlzeiten versorgt, welche von den meisten Personen als einseitig und mangel-
haft beschrieben werden. Aufgrund der finanziellen Schwierigkeiten der Republik Zypern wurde
im vergangenen Jahr in einer Unterkunft das Frühstück gestrichen, in einer anderen die Ausgabe
von Milchpulver und Windeln für Kleinkinder. Die ohnehin zu geringen Barleistungen von 85 Euro
für alleinstehende Personen und Familienoberhäupter sowie 17 Euro für weitere Familienange-
hörige monatlich wurden indes nicht erhöht.
Was die Lebensbedingungen der Asylsuchenden in der Republik Zypern betrifft, lässt sich fest-
stellen, dass Behörden und Regierung ihre Pflicht zur Sicherung der Lebensgrundlage der Asyl-
suchenden nicht ausreichend erfüllen. Ihr Verhalten offenbart, dass sie die Unversehrtheit der
Asylsuchenden durch restriktive Maßnahmen und Unterschlagung von Leistungen bewusst ge-
fährden.

INHAFTIERUNGEN
Alle in die Republik Zypern nach der Dublin II-Verordnung überstellten Personen werden als
sogenannte „prohibited immigrants“ betrachtet und ausnahmslos inhaftiert. Obwohl in vielen Fäl-
len möglich, findet eine Wiederaufnahme des Asylverfahrens keinerlei Anwendung. Darüber hin-
aus sind insbesondere abgelehnte Asylsuchende von Inhaftierungen bedroht, da Inhaftierung als
alternativlose Maßnahme zur Erwirkung der Ausreise abgelehnter AntragstellerInnen erachtet
wird. Auch Personen, deren Klage gegen ihre Asylentscheidung noch läuft, werden regelmäßig
inhaftiert. Entscheidungen des Supreme Courts über die Unrechtmäßigkeit der Inhaftierung wer-
den nicht selten von der Polizei ignoriert. Die Dauer der Inhaftierung überschreitet in vielen Fällen
die rechtlich festgelegte Maximaldauer von Inhaftierungen. So sind die Inhaftierungen von Asyl-
suchenden häufig in ihrer Begründung sowie in ihrer Länge widerrechtlich. Aufgrund des
fehlenden Rechtsbeistands gelingt es allerdings nur wenigen inhaftierten Personen die Recht-
mäßigkeit der Haft richterlich überprüfen zu lassen.
Unterdessen sind die Haftbedingungen für Asylsuchende in der Republik Zypern alarmie-
rend. Häufig werden die Betroffenen nicht in den regulären Haftanstalten, sondern im Polizeige-
wahrsam festgehalten. Sie bleiben auf meist unbestimmte Zeit in Zellen untergebracht, die ledig-
lich für eine sehr kurze Nutzung ausgelegt sind. Zum Teil haben die Inhaftierten nur sehr
eingeschränkte oder gar keine Möglichkeit zum Hofgang, teilweise nicht einmal Zugang zu Ta-
geslicht. Individuelle Rechte wie die Nutzung von Mobiltelefonen und das Recht auf Besuch wer-
den von Einrichtung zu Einrichtung mehr oder weniger willkürlich gewährt. Asylsuchende berich-
ten zum Teil von physischer und psychischer Gewalt seitens der BeamtInnen, auch Fälle von
sexueller Gewalt, Verwehrung medizinischer Hilfe und Entzug von Nahrungsmitteln wurden be-
kannt. Inhaftierten Asylsuchenden werden in der Republik Zypern grundlegende Rechte verwehrt
und teilweise unmenschliche Bedingungen zugemutet – das alles ohne Straftatbestand.



VERANSTALTUNGSHINWEIS
Vorstellung der Broschüre „Asyl in der Republik Zypern – Verfahrensstandards, Rechtslage und Lebensbedingungen auf dem Prüfstand“. Eine Dokumentation der Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge und MigrantInnen e.V.

Zur Präsentation der Broschüre und ihres Entstehungshintergrundes sowie zur Vorführung von Filmausschnitten laden wir alle Interessierten herzlich ein.


02. Mai 2013
17:00 – 19:00 in der Europäischen Akademie
Bismarckallee 46/48, 14193 Berlin


Download der Dokumentation hier:
 http://www.kub-berlin.org/index.php?option=com_content&view=article&id=155%3Aasyl-in-der-republik-zypernq-eine-dokumentation&catid=13&lang=de

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Ergänzungen