AfD: Neue Gefahr von Rechts

Ziel und Kurs Cottbus 24.04.2013 23:00 Themen: Antifa Antirassismus Soziale Kämpfe
Seit Jahren versuchen faschistische Parteien eine Brücke zum bürgerlich-konservativen Milieu zu schlagen, um wieder salon- und mehrheitsfähig zu werden. Doch weder die NPD-Schläger im Biedermannkostüm noch das Dutzend moscheefixierter Dilettanten der Pro-Bewegung und auch nicht die als „Die Rechte“ konstituierte Schar um den NSDAP-Nostalgiker Christian Worch konnten hierbei erwähnenswerte Erfolge erzielen. Diese Gruppierungen sind zu beschränkt, zu unglaubwürdig und zu sehr in ideologische und persönliche Grabenkämpfe verstrickt, als dass sie gegenwärtig eine Option zur Förderung auch nur für Teile der deutschen Kapitalistenklasse darstellen können.
Der Umstand, dass sie trotz offener Verfassungsfeindlichkeit und Verstrickung mit der Mörderbande NSU nicht verboten werden, ist jedoch ein klares Indiz für ihre system-strategische Bedeutung. Für den Fall, dass sich die wirtschaftliche, soziale und politische Situation in Deutschland grundlegend ändert, besteht erfahrungsgemäß die ernste Gefahr, dass den Nazis die finanzielle, mediale und logistische Aufmerksamkeit zukommt, die ihnen wieder auf die große Bühne verhilft. Darum steht außer Frage, dass jedem ihrer Versuche öffentlichen Raum zu betreten, weiterhin entschieden entgegengetreten werden muss.

Doch die momentan weitaus größere Bedrohung für gesellschaftlichen Fortschritt kommt aus einer anderen Ecke des schwarz-braunen Sumpfes. Mit der im April gegründeten „Alternative für Deutschland“ (AfD) tritt genau die Partei auf den Plan, die sämtliche Voraussetzungen erfüllt, um den Bogen vom offen nationalistischen Rand bis tief in akademische und publizistische Kreise zu spannen. Der Nährboden für ihre Existenz ist schon lange bestellt. Die im rechten Spektrum äußerst unpopuläre Öffnung der CDU für Themen wie flächendeckender Mindestlohn, Gleichstellung der Ehe homosexueller Paare, Abtreibung und natürlich die so genannten Hilfsleistungen der BRD an noch stärker verschuldete EU-Staaten förderten im Mittelstand Unzufriedenheit und den Wunsch nach Rückbesinnung (besser: Rückfall) auf stockkonservative und marktliberale Positionen. Die schon lange vorbereitete Gründung der AfD trifft genau den Nerv dieser Leute. So verwundert nicht, dass ihre Unterstützerliste eine brandgefährliche Mischung von Professoren, Unternehmern und Journalisten umfasst. Nur einige Beispiele: Hans-Olaf Henkel, Ex-Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie und von IBM, der Bundesbankdirektor Martin Diehl, der Brigadegeneral a.D. Dieter Farwick, die Unternehmer Norbert Jäger und Thomas Lupp, die Journalisten Konrad Adam (FAZ, Die Welt) und Peter Christ (u.a. Die Zeit, Stuttgarter Zeitung, Manager Magazin, Sächsische Zeitung) und noch viele mehr - darunter Staatssekretäre, Richter, Unternehmensberater und ein Theologe.

Doch worin bestehen ihre konkreten Forderungen?



- Den Schwerpunkt legt die rechte Partei auf die Währungspolitik. Mit ihrer Anti-Euro-Polemik knüpft sie an die NPD-Kampagne „Raus aus dem Euro!“ an und versucht wie diese, europaskeptische Stimmungen in nationale Bahnen zu lenken. Auf eine Analyse wird dabei nicht nur verzichtet, sondern mit deutschem Geltungsbewusstsein gefordert, „dass Deutschland dieses Austrittsrecht (anderer Staaten) aus dem Euro erzwingt, indem es weitere Hilfskredite des ESM mit seinem Veto blockiert“. Unerwähnt bleibt, dass gerade die Europapolitik der BRD einen Anteil an der Verschuldung und dem sozialen Niedergang anderer Länder hat. Der Plan der AfD, die Banken für ihre Verluste selbst aufkommen zu lassen, wirkt angesichts des Klüngels von Bankvorstehern in der Mitgliedschaft wie Hohn und Spott.

- Unter dem Punkt „Rechtsstaatlichkeit und Demokratie“ wünscht die Partei, „dass auch unkonventionelle Meinungen im öffentlichen Diskurs ergebnisoffen diskutiert werden“. Es muss nicht lange gegrübelt werden, ob mit diesem Allgemeinplatz etwa Diskussionen um die Realität von Hartz IV-Empfängern oder Polizeiüberfälle auf Flüchtlinge wie zuletzt in Berlin gemeint sind. Vielmehr sollen bürgerliche Rassenfanatiker wie Thilo Sarrazin und andere Schwadroneure für ihre kruden Hetz- und Verwirrungskampagnen noch mehr Raum erhalten.

- Als „drastische Vereinfachung des Steuerrechts“ verkauft die AfD ihre Forderung nach dem Kirchhof`schen Steuermodell, dem eine Einheitssteuer zu Grunde liegt. Die Erfahrung aus Osteuropa, dass hierdurch in erster Linie die besser Verdienenden profitieren, bleibt natürlich unerwähnt.

- Bezüglich der Bildungspolitik sieht die „Alternative für Deutschland“ die „Kernaufgabe bei den Familien“, die in erster Linie für die Bildung ihrer Kinder verantwortlich seien. Diese Forderung umgesetzt heißt nichts anderes, als Privatschulen für die Reichen zu fördern, da diese kraft ihrer „Eigenverantwortung“ über das nötige Kleingeld verfügen. Die Kluft in der Bildung zwischen Geringverdienern und Arbeitssuchenden auf der einen Seite und den Wohlhabenden auf der anderen würde größer werden. Kinder aus ärmerem Elternhaus hätten es somit noch schwerer, einen Studienplatz zu erhalten.

- Energiepolitisch bedient die AfD einen weiteren Fetisch konservativer Lobbyisten. Zwar beschränkt sie sich auch hier auf die unkonkrete Forderung, das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zu „reformieren“, doch ist klar, dass hiermit nur die Rückkehr bzw. Beibehaltung der Atomkraft gemeint sein kann.
- Was im Programm erwartungsgemäß nicht fehlen darf, ist der Rundumschlag gegen Einwanderer. Eine ungeordnete Zuwanderung in unsere Sozialsysteme müsse unbedingt unterbunden werden, plärren die wohlsituierten Wutbürger von der AfD. Das Gejohle an den Stammtischen dürfte den bürgerlichen Aktivisten sicher sein. Doch sie sind auch bereit, eine Ausnahme zu machen, jedoch reicht es nicht, politisch verfolgt zu sein, man habe schon unter „ernsthaft politischer Verfolgung“ zu leiden. Wenn der Unterdrücker die Pistole an die Schläfe hält, ist das also nicht genug. Er muss schon abdrücken, damit das Opfer in den Genuss bundesdeutschen Asylrechts kommt.



Fazit: Die große Gefahr der „Alternative für Deutschland“ resultiert aus ihren technischen Möglichkeiten. In ihren Reihen tummeln sich Köpfe der wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und medialen Elite der systemtragenden Kräfte. Dies ermöglicht ihr eine breite Plattform, ständige Präsenz und gute Presse. Die im Umgang mit Medien erfahrenen Anhänger werden es zu vermeiden wissen, in offen rassistische Fettnäpfchen zu treten, wie es nur all zu oft ihrer politischen Verwandtschaft von NPD und Co. unterläuft. Ihre Taktik besteht in der Formulierung allgemeiner und mehrdeutiger Forderungen, die nicht immer auf dem ersten Blick zu durchschauen sind. Problematiken, bei denen die AfD fürchtet, sich die Finger zu verbrennen, werden gar nicht erst angesprochen – so findet sich in ihrem Programm nirgendwo der Punkt „Sozialpolitik“. Ihre Stoßrichtung ist klar: Sie stützt den ungezügelten, neoliberalen Kapitalismus und forciert zugleich einen geistigen Rechtsruck der Gesellschaft. Sie bedient sich dabei in populistischer, also demagogischer Manier Reizwörtern wie „Euro“, „Zuwanderung“ und „Steuern“, womit sie neben ihrer Zielgruppe, den Unternehmern, Anwälten und konservativen Akademikern, auch Werktätige und Arbeitssuchende erreichen möchte, also Menschen, deren Interessen sie in Regierungsposition mit Füßen treten würde.

Wenngleich die „Alternative für Deutschland“ sich noch nicht als solche zeigt, birgt sie das Potential, sich als Sammlungsbewegung für faschistoide Bestrebungen zu etablieren. Daher gebührt ihr von linker Seite ein besonderes Interesse, um dieser sich anbahnenden Entwicklung frühzeitig Widerstand zu leisten. Ihre Forderungen müssen entlarvt und als die Forderungen des deutschen Bourgeoisie angegriffen werden!
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Ergänzungen

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Plumpaquatsch 25.04.2013 - 06:51
Zur Ausrichtung der AfD gegen Lohnabhängige und BezieherInnen staatlicher Leistungen finden sich hier ein paar Belege:  http://goo.gl/jqXQe

Bildung ist Klassenfrage

Noch ´mal Plumpaquatsch 25.04.2013 - 18:30
Ihr schreibt: "Die Kluft in der Bildung zwischen Geringverdienern und Arbeitssuchenden auf der einen Seite und den Wohlhabenden auf der anderen würde größer werden. Kinder aus ärmerem Elternhaus hätten es somit noch schwerer, einen Studienplatz zu erhalten."
Kaum geschrieben, schon bestätigt! Aus der FAZ von heute (25.4): "Leherer und Eltern sind sich einig, dass Defizite im Elternhaus die Hauptursache für unterschiedliche Bildungschancen sind. Das belegt eine Allensbach-Studie im Auftrag der Vodafone Stiftung Deutschland zur Bildungsgerechtigkeit im Schulalltag, die am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde. Schüler aus sozial schwachen Schichten berichten besonders häufig, dass sich ihre Eltern kaum bis gar nicht für ihren Schulalltag interessieren."

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Artikel direkt vom ZK der EU?! — Wilhelm Röpke

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