Keine Solidarität mit FEMEN!

diss_ 08.02.2013 13:55 Themen: Antifa Gender Kultur Medien Soziale Kämpfe
Wir sind wütend und ziemlich fassungslos darüber, wie Femen Germany am 25.01.2013 ihren Protest gegen Sexarbeit in der Herbertstraße in Hamburg zum Ausdruck brachten.

Mit nackten Oberkörpern, bemalt mit Parolen und „mit brennenden Fackeln bewaffnet, marschierten [sie] in Formation“(1) durch die Herbertstraße, die von beiden Seiten mit Sichtschutz abgeschlossen ist. Die Tore wurden von den Nazis in den 1930er Jahren eingerichtet und nun knapp 80 Jahre später von den Femen Germany um die Aufschrift „Arbeit macht frei“ ergänzt.
Diese unfassbare Analogie von Holocaust und Sexarbeit zieht sich durch die gesamte Aktion der Femen Germany; sie vergleichen die „Bordellstraße“ Herbertstraße mit nationalsozialistischen Vernichtungslagern: „In KZs [wurden] Menschen zerstört und die Prostitution zerstört auch die Seelen der Frauen. Das ist ein Genozid an Frauen, was hier passiert“(2) und stellen mit ihren Plakaten „sexindustry is fascism“ die Sexindustrie mit Faschismus auf eine Stufe.
Diese Aussagen sind blanker Hohn gegenüber den Überlebenden und all den in der Shoah ermordeten Menschen. Die Gleichsetzung von Genozid und Sexarbeit ist einfach … (…uns fehlen die Worte…). Sexarbeit = Massenmord?! Ja nee ist klar…

Jedoch ist die Analogie von Sexarbeit und Shoah nicht das einzige, was uns an der Aktion und an Femen Germany wütend macht.
Der Blick auf Sexarbeit ist durch eine unerträgliche Viktimisierung und antifeministische Beschränktheit geprägt.
Sexarbeit ist eine selbstbestimmte und freiwillige Tätigkeit – so freiwillig wie Lohnarbeit im kapitalistischen System nun mal sein kann. Sexarbeit stellt eine Form der
Dienstleistung dar, die Sex oder sexuelle Dienstleistung als Ware verkauft und nicht den Körper. Die Körper gehören den Sexarbeiter*innen!
Sexarbeit ist als Arbeit anzuerkennen, die aufgrund unterschiedlichster Motive oder eben auch aus Notlagen heraus ergriffen wird. Wer die Frage nach der Freiwilligkeit von Sexarbeit aufwirft, muss sich auch generell der Frage nach einer Freiheit der Wahl von Lohnarbeit im kapitalistischen System widmen. Jenseits der vermeintlich „freien Berufswahl“ steht Lohnarbeit an sich überhaupt nicht zur Diskussion.(3)
Eine Kritik, die in diese Richtung geht, suchen wir bei Femen Germany vergebens.
Sexarbeit muss von Menschenhandel zur sexuellen Ausbeutung, oder wie Femen es nennt, „de[m] Import von Fleisch aus Osteuropa“, getrennt betrachtet werden.
Bei Menschenhandel handelt es sich um Gewalt und Vergewaltigung und nicht um Prostitution!
Mit ihrer Rhetorik vom „Fleisch“ und ihrer Annahme, dass Prostitution grundsätzlich traumatisierend wirkt – egal ob freiwillig ausgeübt oder nicht – verbleiben Femen in der gleichen respektlosen Sicht auf Frauen*, wie sie es der Sexindustrie vorwerfen.
Sie sprechen damit Sexarbeiter*innen jegliche Selbstbestimmung und Handlungsfähigkeit ab. Und unterstellen damit, dass Frauen* eben nicht zu jeder Zeit, mit wem sie wollen, wie sie wollen und zu ihren Bedingungen Sex haben dürfen und können ohne dass sie damit ihre „Seele“ zerstören.
Was bitte ist daran feministisch?

Femen fordern, Prostitution durch gesetzliche Reglementierungen abzuschaffen. Damit würden alle Sexarbeiter*innen kriminalisiert.
Wem wäre damit geholfen? Den Frauen* die dann in der Illegalität arbeiten müssen?
Femen Germany sieht alle Frauen* die in der Sexarbeit tätig sind, als wehrlose Opfer, die wohl nur darauf warten, dass sie von barbusigen Fackelträger*innen mit Hakenkreuzbinden befreit werden. WTF??
Und wenn alle Prostituierten befreit sind, dann sind auch alle anderen Frauen* von Unterdrückung befreit?

Diese Sichtweisen ignorieren bestehende patriarchale Strukturen und Mechanismen.
Femen Germany wollen zwar das Patriarchat abschaffen, jedoch ist ihr „Revolutionsziel“: „Am Ende steht das Matriarchat“. Diese Aussage von Femen Germany-Anführerin [sic!] Alexandra Schewtschenko aus einem Interview mit der Zeit4 zeigt zweierlei: Der Wunsch nach einer Umkehr der Machtverhältnisse, d.h. die weitere Unterdrückung von Menschen als Ziel der Revolution und die Annahme einer dichotomen Zweigeschlechtlichkeit.
Was genau ist daran jetzt revolutionär?

In ihrer Internetpräsenz berufen sich die „morally and physically fit soldiers“ Femen auf ihre Waffen: „hot boobs“(5).
Auf allen Bildern von Femen in der Presse ist somit vor allem eines zu sehen: Brüste. Nackt. Genau das macht uns stutzig.
Brüste zu sehen schockt ja nicht mehr wirklich in einer Medienlandschaft, in der sogar Margarine mit nackten Frauenkörpern beworben wird.
Klar, Brüste bringen immer noch mediale Aufmerksamkeit, das funktioniert. Aber warum bringen Femen – egal um welches Thema es geht – ihre Brüste ins Bild?
Auf jeden Missstand mit Ausziehen zu reagieren kann also entweder eine extrem geniale Masche sein, oder – ja, was denn eigentlich?

Bei Femen werden Brüste für und durch den ‚männlichen Blick‘ gezeigt. Ist es nicht mindestens fragwürdig, mit den Mitteln der sexistischen Medien in einem sexistischen System gegen Sexismus kämpfen zu wollen? Wird dabei nicht vielmehr ein Beitrag geleistet zur Reproduktion der Verhältnisse, die eigentlich kritisch ins Visier genommen werden sollen? Leistet das Ausziehen nicht vielleicht einen weiteren Beitrag zur Objektifizierung und Sexualisierung von Frauen*körpern? Insbesondere, wenn eben ein sehr stereotypes Körperbild vermittelt wird?
Wie kann Ausziehen noch selbstbestimmt sein, wenn es klar ist, dass nur so die gewünschte Aufmerksamkeit erreicht wird? Und darüber hinaus macht es doch gar keinen Sinn, sich zuerst auf eine Aktionsform festzulegen, um sich dann Themen zu suchen, die dazu mehr oder weniger passend erscheinen.
Interessiert sich denn jemand wirklich für die Themen, die Femen-Aktivistinnen mit ihren Brüsten in die Medien bringen? Oder bleibt die Aufmerksamkeit nicht viel mehr nur an ihren, vorwiegend den vorherrschenden Schönheitsidealen entsprechenden, Körpern hängen?

Die Aktion in der Herbertstraße lässt mehr als nur einen schalen Geschmack zurück. Die Reduzierung von Frauen* auf Opfer, die Analogie zu Faschismus, Holocaust und Genozid; die fragwürdigen Statements und die Berufung auf eine Revolution, die nicht die unsere ist – all das und nicht zuletzt die ständige Bezugnahme auf Nationalsymboliken ( z.B. Flagge von Deutschland) lässt uns zu dem Schluss kommen, dass Femen, obwohl sie sich als Feministinnen begreifen, mit uns nichts gemeinsam haben, extrem kritikwürdig sind und es uns mehr als unmöglich machen, ihren Wünschen nach feministischer Solidarität nachzukommen.

diss_
queerfeministische gruppe hamburg


P.S. Liebe Femen-Aktivist*innen, wenn euch unsere Kritik noch nicht zum Nachdenken anregt, möchten wir euch noch folgende Beiträge ans Herz legen:
 http://evibes.blogsport.de/2013/01/29/offener-brief-an-femen-germany/
 http://www.publikative.org/2013/01/31/wenn-der-aufschrei-im-halse-stecken-bleibt/  http://menschenhandelheute.net/2013/01/31/wer-femen-nicht-braucht-betroffene-von-menschenhandel-und-sexarbeiter_innen/
 http://rechtaufstrasse.blogsport.de/


(1) Facebook-Seite Femen Germany
(2) Hamburger Femen-Aktivistin Irina Khanova im Mopo-Interview
(3) siehe auch:  http://rechtaufstrasse.blogsport.de/2011/06/20/recht-auf-strasse/
(4)  http://www.zeit.de/sport/2012-06/interview-femen-ukraine-protest
(5) femen.org
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Ergänzungen

Manifest der Sexarbeiter_innen

in Europa 09.02.2013 - 10:51

Manifest von Überlebenden der Prostitution

Kar 09.02.2013 - 11:37
Manifest von Überlebenden der Prostitution und des Frauenhandels:

 http://action.web.ca/home/catw/readingroom.shtml?x=82636&AA_EX_Session=3b3e8c8d48ab723de9134ffc3a73c359

aktiver Boykott

a 16.02.2013 - 17:26
Soweit die Diskussion über FEMEN deutschsprachige Indymedia erreicht hat, wäre es wahrscheinlich gut etwas mehr Fakten über die FEMEN zu erwähnen, die in deutschsprachigen Raum wenig oder gar nicht bekannt sind.
e*vibes schreiben "Wir wären nicht überrascht euch am 13. Februar in Dresden zu sehen, mit euren Fackeln, Seite an Seite mit Alt- und Neonazis". Etwas ähnliches auf dessen Art haben FEMEN schon gemacht. 2010 haben FEMEN eine Erklärung an die Stadtrat von Lviv geschickt, wo sie gegen der Anreise von Fußballfans aus der Türkei für eine Fußballspiel "Karpaty-Lviv gegen Galatasaray Istanbul" protestieren. Begründet wurde der Protest mit einer rassistischer Hetzte gegen Menschen aus der Türkei, Leitmotiv von welchen mit der Zitat "schützen wir ukrainischen Mädels von dieser wilder Horde zusammen" gut zusammenfassen lässt. Die Erklärung war von einer Foto-reihe bestärkt, wo sie zusammen mit Fans von FC "Karpaty-Lviv" wie immer nackt posieren. Die Fans von Karpaty aus Lviv sind in der Ukraine für dessen extrem rechte und neonazi Einstellungen bekannt. So waren laut Zeugen zum Beispiel auch solche Fans bei dem Angriff auf ein antifaschistisch geprägter HC/Punk Konzert im Sommer 2012 in Lviv dabei, wo mehrere Menschen schwer verletzt wurden. Angriff fand unmittelbar nach einer Karpaty Lviv spiel statt. Hier kann mensch keltischen Kreuz und Hitlergrüße sehen, die in der Karpaty Kurve während des Spiels mit Galatasaray gezeigt wurde.
Heimat schützen die FEMEN aber nicht nur mit rassistischen Parolen. Antisemitismus scheint für die Gruppe auch attraktiv zu sein. Im September 2009 haben die FEMEN eine empörte Anfrage gestellt, damals aber gleich an die SBU(Ukrainische Sicherheitsdienst, eine Nachfolgerin von KGB). Empörung wurde durch die jährliche Anfahrt von chassidischen Pilgern in die Stadt Uman in der Ukraine ausgelöst. Die Rhetorik war ähnlich und sogar noch direkter: "Zustrom von Vertretern der orthodoxen Formen der jüdischen Religion, mit besonderen Kultur-und Verhaltensmuster, bringt mit sich gewissen Gefahren...", "Pilgers demonstrieren völlige Missachtung der lokalen Traditionen", "jeder Versuch, auf unsere Kultur anzugreifen, soll gestoppt werden". Und dann "eigentlicher" Grund der Anfrage: "häufige Nachweise von Belästigung, Nötigung und sogar Vergewaltigung durch Chassidim Ukrainerinnen werden nicht öffentlich gemacht und zum Wohle der religiösen und Pseudotoleranz nicht untersucht...". Und dazu natürlich auch nackte Fotos: "Korsett a la Uman"(Anspielung an damalige Zitat von FEMEN:"Eltern müssen dessen Tochter wie Jungs kleiden").

Viele Diskussionen beschäftigen sich damit, ob die FEMEN Taktiken zu den Reproduktion patriarchaler Verhältnissen beitragen, wogegen diese Gruppe indem sie sich als feministisch bezeichnet protestiert. Ein gutes Beispiel, was dessen Bezug zu den Verhältnissen sei, ist eine Aktion aus 2010. FEMEN hat gegen Putin's Besuch in Kiew unter dem Motto "Ukraine ist nicht Alina" protestiert. Alina Kabajewa war angeblich eine junge Liebhaberin von Putin, die sogar angeblich einen Kind von ihm hatte. FEMEN hatten dieses Gerücht aufgenommen und die Parolen herausgebracht wie "Putin, fass die Geliebte an, nicht die Ukraine", "Ukraine ist nicht Alina", und damit alle ganz genau verstehen, was sie meinen, auch: "Wir sind nicht so leicht zu beugen"(was auf russisch eine deutliche Anspielung auf Vergewaltigung ist) oder "Wir sind nicht zu ficken." Eine Frau wird in dem Kontext ganz klar von FEMEN zum Objekt gemacht. Und eine Möglichkeit solcher Rhetorik wird vermutlich noch dadurch verstärkt, dass Putin und Kabajewa angebliche Beziehung jenseits der noch bestehender Ehe von Putin haben. Was FEMEN aber noch zu der "Geschlechterbeziehung" denken, könnte mensch besser aus den folgender Zitat von FEMEN zu Erklärung der Aktion sehen: "Er kann seine Liebhaberin so viel, wie er will, haben [auf russisch wird das Verb haben als synonym zum ficken in sehr dominanten sinne benutzt] und ihr so viele Kinder, wie er will, machen. Aber niemand hat ihm das Recht unserer Land zu haben[ficken] gegeben."

FEMEN vertreten und verteidigen rechtskonservative und nationalistische Werte. Die Kränze, die FEMEN immer tragen, sind Teil des "typischen" ukrainischen Nationaltrachtes für Frauen. In der Ukraine selbst ist es Teil der extrem rechter Heimatschutz Rhetorik, in Westeuropa - eine Anspielung an das Bild einer auf bestimmte Art exotisierter und sexualisierter "osteuropäischer Frau".

Wenn mensch Kommentare im Internet zu den FEMEN Aktionen anguckt, fällt auf, dass egal ob in deutsch- oder russischsprachigen Raum einige der ersten immer solche werden, wie "ab sofort alle Forderungen für Frauenrechte nur in solcher Form" oder "so ein Feminismus mag ich". Anti-Feminist*innen und Maskulinisten scheinen von FEMEN sehr begeistert zu sein und verlinken gerne dessen Aktionen. Vielleicht gerade deswegen, weil FEMEN "Objektifizierung und Sexualisierung von Frauen*körpern" noch mehr salonfähiger machen?

FEMEN haben auch kein Problem damit, sich für die sogenannte "Männer-Magazine's" fotografieren zu lassen, oder auch nackt für kommerzielle Projekte Werbung zu machen. Aber bis zum westeuropäischen Promi-Photografen wie Jean-Baptiste Mondino würden FEMEN ohne dessen "politischen" Aktivismus wahrscheinlich nicht schaffen.

Es gibt in ukrainisch- und russischsprachigen Diskussionen die Überlegung, dass FEMEN lediglich ein kommerzielles Projekt sei. Dass die Menschen, die dahinter stehen, einfach Geld damit verdienen. In Medien gibt es Berichte(Beispiel 1,2), dass FEMEN "Aktivistinnen" für ihre Auftritte bezahlt werden und die Spitze des Projekts Aktionen im Auftrag bestellen lassen. Diese Berichte können mehr oder weniger glaubwürdig sein, was FEMEN aber auch in Europa geschafft haben, dass über dessen Aktionen viel berichtet wird. Und diese Popularität lässt sich scheinbar gut verkaufen. FEMEN spricht auch offen davon, eine Aufsichtsrat zu haben, dessen Mitglieder das Geld für das Projekt spenden. Das sind laut FEMEN Jed Sunden, Gründer einer der Größten Medienunternehmen KP Media in der Ukraine; deutscher Techno-DJ und Produzent Helmut Geier aka DJ Hell, Sportjournalist Andrej Kolomiets und Beate Schober, Geschäftsführerin einer internationalen Unternehmen in Kiew.

Aber ob FEMEN ein kommerzielles Projekt ist oder nicht, sie tragen definitiv dazu bei anti-feministische, frauenfeindliche, nationalistische und rechtskonserwative Werte zu verbreiten. Dessen Aktionen diskreditieren auch noch dazu andere feministische Gruppen und selbst den Begriff Feminismus. Dabei scheint nicht nur die gelbe Presse Interesse an FEMEN zu haben, sondern auch „seriösere“ Akteure. FEMEN geben nicht nur Interviews oder nehmen in Talkshows teil, sie werden zu wissenschaftlichen Konferenzen oder Kulturevents in Europa eingeladen als Referentinnen über den Feminismus in ex-SU.

An dieser Stelle wäre es nicht nur zum Boykott von FEMEN aufzurufen, sondern falls es nicht anders geht, auch dessen Auftritten entschlossen zu verhindern.


p.s. grad heute waren FEMEN in Berlin beim Protesten gegen NPD-Treffen dabei...

Beiträge die keine inhaltliche Ergänzung darstellen

Verstecke die folgenden 13 Kommentare

Objektivierung vs Subversivität

genderkillers 08.02.2013 - 14:42
Die Aktion in der Herbertstrasse war tabubrecherischer Scheiß ala Hühner-KZ und Peta. Die Kritik daran richtig und notwendig. Allerdings auch weil die darin vertretene Position zur Sexarbeiter_innen reaktionär ist. Die Stigmatisierung und Objektivierung von Sexarbeiter_innen als patriarchale Opfer verdeckt vor allem die Normalität sexualisierter Gewaltverhältnisse und übergeht in dramatischer Weise die Positionen von Sexarbeiter_innen.

Der Akt des Nackt-Seins von Femen ist als politische Praxis allerdings durchaus in Ordnung. Brüste werden bei dieser Aktion eben nicht im Sinne einer Entindividualisierung von FrauenLesbenTrans als Objekt betrachtet, sondern selbstbestimmt als selbstbewusste und sexualisierte Form des Protestes. Nackt sein, selbstorganisierte Sexarbeit oder queerfemenistische Pornographie kann in diesem Sinne eine Subversivität besitzen, sofern kritisch und subversiv eine eigene Sprache erschaffen wird und normative Codes mit eigenen überschrieben werden.

Mit der pauschalen Kritik am Nacktprotest liegt die queerfeminischte Gruppe daher auf dem Holzweg und wiederholt identitätspolitisch geprägte Irrtümer und Zuschreibungen der etablierten Frauenbewegung. Kritischer Femenismus, insbesondere auch sich als queer beschreibender, muss an dieser Stelle radikaler und offener für Brüche und Widersprüche sein.

nerv

fjrfudc 08.02.2013 - 16:30
Indymedia verkommt echt immer mehr.
Ausser Nazispam und Ultraantideutschen Spalter- und Hetzartikeln ist hier nur noch wenig zu lesen...
Traurige 'deutsche' Linke....

Entschuldigung

auch eine Frauenmeinung 08.02.2013 - 18:09
aber meint ihr das wirklich ernst:

"Sexarbeit ist eine selbstbestimmte und freiwillige Tätigkeit – so freiwillig wie Lohnarbeit im kapitalistischen System nun mal sein kann. Sexarbeit stellt eine Form der
Dienstleistung dar, die Sex oder sexuelle Dienstleistung als Ware verkauft und nicht den Körper. Die Körper gehören den Sexarbeiter*innen!"

Ich kanns nicht glauben!

Kann mich "auch eine frauenmeinung"...

Cassandraardnassac 08.02.2013 - 18:47
...nur anschließen. Ein derartiges Pro-Prostitutionsgesülze von einer Gruppierung, die sich selbst "feministisch" nennt, ist wohl ein schlechter Scherz.

 http://jungle-world.com/artikel/2011/22/43318.html

@auch eine Frauenmeinung

keine Entschuldigung 08.02.2013 - 18:55
Natürlich kann Sexarbeit wie jede andere Lohnarbeit auch freiwillig geschehen. Sie kann auch durchaus von Frauen* selbst verwaltet und gewählt sein. Was ist daran falsch? Mir scheint du hast 30 Jahre Diskurs und Entwicklung von Sexarbeit verpasst...

Dissonanz

antidiss 09.02.2013 - 00:05
"Sexarbeit stellt eine Form der Dienstleistung dar, die Sex oder sexuelle Dienstleistung als Ware verkauft und nicht den Körper. Die Körper gehören den Sexarbeiter*innen!"

Dies ist doch einfach eine unwissenschaftliche Behauptung von euch, dann ist eben auch Sklaverei eine normale Lohnarbeit, die nur über das ganze Leben geht...

Sie verkauft zwar nicht ihren Körper, sondern vermietet ihn für eine gewisse Zeit, doch verkauft sie damit auch nicht ihre Ware Arbeitskraft.
Sex ist eben ein höchstpersönlicher Akt, welcher mit dem Körper verbunden ist und deshalb auch nicht als Dienstleistung angesehen werden kann, dass es im Kapitalismus dennoch zur Ware wird, macht es nicht besser, da hier ja alles eine Warenform annimmt.

Vielleicht solltet ihr alle auch auch mal diesen "Job" ausüben, damit ihr die Folgen dieser "Dienstleistungsarbeit" am eigenen Körper erfährt...

@antidiss

:D 09.02.2013 - 00:21
wahrscheinlich müssen sie das schon und reden sich deswegen diesen müll ein!

BOR endlich mal normale leute. ich könnt Dich drücken ey!!! DANKE!!!!!

Wahrscheinlich mein ganzes Leben

auch eine Frauenmeinung 09.02.2013 - 08:39
habe ich in der Entwicklung der Sexarbeit verpasst, und damit kann ich auch gut leben. Wer eine Freiwilligkeit in der "Sexarbeit"(die es durchaus geben mag) so allgemein gültig wie in diesem Artikel darstellt, blendet einfach einen Großteil der Realität aus. Und die sieht eben so aus, dass viele Frauen ihre "Sexarbeit! eben nicht freiwillig ausüben, wobei der Grund nicht nur direkter körperlicher Zwang sein muss. Genauso können neben psychischem Druck auch immer noch der illusorische Traum vom "schnellen Geld verdienen" oder eben vom "ein Job wie jeder andere auch" Frauen diesen "Job" ausüben lassen, und das hat -zumindest in meinen Augen- auch nix mit Freiwilligkeit und Selbstbestimmung zu tun, oder?

Nochmal nachgelegt

auch eine FRauenmeinung 09.02.2013 - 08:56
Und es kann mir keine_r erzählen, dass die Frauen, die in den fast schrottreifen Wohnmobilen bei jedem Wetter an den Straßen sitzen und jeden "Arbeitsauftrag" annehmen müssen, um über die Runden zu kommen, ein freiwilliges und selbstbestimmtes Leben führen und nach der "Sexarbeit" eine selbstbestimmte Freizeit genießen dürfen, gelle?

Syndikat der Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter

Keine Gewerkschaft wie jede andere 09.02.2013 - 09:47
Ungeachtet der Kontroverse ob Prostitution nun als ein Beruf wie jeder andere betrachtet werden kann, ist es keine Frage, dass sich die Arbeitsbedingungen für SexarbeiterInnen noch deutlich verbessern müssen. Kämpfe für sicherere gesundheitliche Bedingungen sowie für die Verbesserungen der sozialen Situation der SexarbeiterInnen sind heute längst Normalität. Selbsthilfegruppen und Beratungsvereine existieren bereits seit Jahrzehnten und werden in den meisten Fällen öffentlich finanziert. Da diese Kampagnen und Organisationen in der Regel von aktiven oder ehemaligen SexarbeiterInnen getragen werden, kann hier trotz der abhängigen Finanzsituation von einer Selbstorganisation der Betroffenen gesprochen werden. In den letzten Jahrzehnten konnte aus diesem Grund viel für Prostituierte erreicht werden. Durch fundamentale gesundheitliche Aufklärung für Prostituierte und KundInnen, spezifische Rechts- und Steuerberatung für die formell selbstständigen SexarbeiterInnen und politische Kampagnen, mit denen beispielsweise in Deutschland eine Legalisierung der Prostitution erreicht werden konnte, wurde die Situation von SexarbeiterInnen ganz konkret verbessert.

Aus syndikalistischer Perspektive bleibt allerdings anzumerken, dass sich diese Aktionen und Kampagnen meist als Dienstleistungen für SexarbeiterInnen begreifen. Eine gewerkschaftliche Organisierung um die Arbeitsbedingungen direkt im „Betrieb“ anzugehen, findet zur Zeit nicht statt. Kämpferische Betriebsgruppen in prekären Arbeitsverhältnissen sind in der „normalen“ Wirtschaft schon extrem selten. Eine kämpferische Basisgewerkschaft im Rotlicht-Mileu wäre da eine bemerkenswerte Entwicklung.

Erfreulicherweise ist genau diese Entwicklung zur Zeit in Genf zu beobachten. Auch hier existiert mit Aspasie schon seit 30 Jahren eine sehr erfolgreiche Selbsthilfeorganisation für SexarbeiterInnen.

Eine grosszügige öffentliche Finanzierung ermöglicht nicht nur Büroräume in der Genfer Innenstadt, sondern auch ein breites Angebot an Beratungen und sozialen Diensten. Um aber über diese Dienstleistungen hinaus selbstbestimmt direkt für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen, wagten im September Genfer SexarbeiterInnen den entscheidenden Schritt und gründeten das Syndikat der Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter STTS (syndicat des travailleuses et travailleurs du sexe).

Und zwar mit Erfolg. Nach nicht einmal 3 Monaten hat es heute schon über 150 Mitglieder. Bei knapp 1000 aktiven SexarbeiterInnen in Genf ein beachtlicher Organisierungsgrad.

Kein Wunder, kann das neue Syndikat doch mit einigen klaren gewerkschaftlichen Vorteilen aufwarten. Bei rechtlichen Auseinandersetzungen steht den GenossInnen ein Anwalt kostenfrei zur Seite. Wichtiger ist aber noch eine andere, direkte Schutzfunktion des Syndikats: Bei Konflikten mit den BordellbetreiberInnen oder mit den VermieterInnen bietet das Syndikat die Möglichkeit die Forderungen und Beschwerden anonym zu artikulieren und über das Syndikat unerkannt mit der Gegenseite diskutieren zu können. In diesen prekären Beschäftigungsverhältnissen ein wertvolles Instrument.

Da die GenossInnen als formell Selbständige keine Lohnerhöhungen über Tarifverträge erkämpfen können, haben sich die Mitglieder des Syndikats verpflichtet ihre Dienste nicht unter einer vom Syndikat beschlossenen Lohnuntergrenze anzubieten. Ein erster Schritt zur Etablierung der syndikalistischen Registermethode (siehe Alternativen zum Tarifvertrag).

Klassische Streiks sind allerdings, nach Einschätzungen Angelinas, der Präsidentin des Syndikats, in nächster Zeit nicht zu erwarten. Hierfür sind die Arbeitsplätze der GenossInnen zu prekär und ungesichert. Völlig machtlos ist das Syndikat trotzdem nicht. Vor allem der gute Kontakt zu den städtischen Behörden und die große Bereitschaft der Presse über die Situation im Rotlichtmilieu zu berichten, können bei Konflikten für den nötigen Druck sorgen.

Doch nicht nur das Betätigungsfeld des STTS ist für klassische Gewerkschaften ungewöhnlich, sondern auch die Organisationsstruktur. Alle Entscheidungen werden basisdemokratisch auf den monatlichen Vollversammlungen getroffen. Bezahlte FunkonärInnen gibt es nicht und die Mitgliedschaft steht auch Menschen ohne Papieren offen. Das Syndikat sichert darüber hinaus seine Unabhängigkeit damit, dass es sich aus den Mitgliedsbeiträgen komplett selbst finanziert.

Über die gewerkschaftlichen Aktionen hinaus ist das Syndikat außerdem politisch tätig. Da in der Schweiz die Prostitution auf kantonaler Ebene geregelt wird, haben sich bereits mehrere Kantone an das Syndikat gewandt, um die Bedürfnisse und Forderungen der Betroffenen im Gesetzgebungsprozess zu berücksichtigen. Interessanterweise ist eine der Forderungen des Syndikats an die Gesetzgebung, dass es eine gesetzliche Verpflichtung zur Registrierung als SexarbeiterIn geben sollte. Dies habe sich in der Vergangenheit als gutes Mittel gegen mafiöse Strukturen bewährt.

Wie sich dieses Syndikat in den nächsten Jahren weiterentwickelt, wird spannend zu beobachten sein. Besonders die Arbeitskampfformen, die sich im extrem prekären Arbeitsumfeld der Prostitution bewähren, sind sicher auch für andere prekäre Beschäftigungen interessant.

@frauenmeinung

jill 09.02.2013 - 13:09
was ist schon freiwillig und selbstbestimmt? dein leben?
ich glaube ich brauche deine priviligierte, selektive beurteilung nicht!







Selber privilegiert

@ jill 09.02.2013 - 13:24
Und Prostituierte, denen es dreckig geht, brauchen das dumme Geschwätz von Prostitutionsbefürwortern nicht. "Privilegierter", als den betroffenen Frauen zu erklären, wie geil Prostitution (Neusprech: "Sexarbeit") doch sei, geht es ja gar nicht mehr.

Prostitution ist also keine Objektifizierung?

Feministin 08.09.2013 - 10:07
So ein Quatsch. Also ihr bezeichnet Prostitution als Sexarbeit und beschwert euch die die Objektifzierung der Frau?! Gehts noch?

Femen sind aus UKRAINE. @Rassismus: in Ukraine sind es türkische Banden, die Frauen über Odessa, über das schwarze Meer in den Süden verkaufen. Klar haben Femen ein bestimmtes Bild von Türken. In Ukraine ist Prostitution Frauenhandel und Gewalt. Liebe Queerfeministinnen, euch ist schon klar, dass die "Prostitution ist Sexarbeit-Propaganda" von weißen Mittelschichtsfrauen kommt? Ihr wollt also wirklich deren "Realität" verteidigen, in dem ihr verkauften Frauen aus Entwicklungs- un Transformationsländern den Mund verbietet? In einem Land wie Ukraine haben Frauen für einen Luxus wie: "ich betrachte mich als Sexabeiterin un hui! das ist mein Lifestyle" einfach nicht den Wohlstand.

Wie Feministinnen so hasserfüllt die Minderheit der glücklichen Wohlstandsprostitutierten gegenüber den 90% verschleppten Frauen "verteidigen" können, verstehe ich nicht, habe ich nie verstanden - und ich werde es auch nie verstehen.

Mit dem Argument: "Frauen sind keine Objekte" PROSTITUTION toll zu finden und im selben Augenblick FEMEN abzuwatschen, die nur bestehende Strukturen nutzen, um Aufmerksamkeit zu bekommen und die Objektifizierung damit ad absurdum führen, sorry, das KANN ich nicht verstehen. Und ganz ehrlich: ich will es auch nicht.

Femen ist an der Basis und kann sich den Luxus eines Genderstudiums nicht leisten. Sie agieren aus den Realitäten die sie zu Hause erleben.

Und sie sind mir tausend mal lieber als ihr, die sich als angebliche Feministinnen der Realität der Ausbeutung durch Prostitution verschließen. Wahrscheinlich findet ihr auch Kopftücher völlig okay und unproblematisch.