Linke Vereine gewinnen gegen den Verfassungsschutz

Kombinat Fortschritt 24.01.2013 15:56 Themen: Antifa Antirassismus Freiräume Repression
Bereits in den vergangenen Wochen deutete es sich an: Der Bericht des Inlandsgeheimdienstes konnte nicht mehr heruntergeladen werden und wurde nach Angaben des Innenministeriums auch nicht mehr verschickt. Grund waren anhängige Gerichtsverfahren. Schnell war klar: Es sind linke Vereine und Initiativen die gegen ihre Nennung im VS-Bericht klagen. Während das Verfahren im Falle der Band „Feine Sahne Fischfilet“ noch weiter andauert, fiel für drei Vereine heute die Entscheidung: Das Greifswalder IKuWo, das Rostocker Cafe Median und das Peter-Weiss-Haus müssen aus dem Verfassungschutzbericht gestrichen werden. Die Kammer des Schweriner Verwaltungsgerichtes gab den Klägern „vollumfänglich recht“.
Der Verfassungschutzbericht für das Jahr 2011 war in fast jeder Hinsicht besonders. Nicht nur, dass das Innenministerium ein dreiviertel Jahr benötigte, um den Bericht zu veröffentlichen. Auch die Schwerpunktsetzung der Geheimdienstler überraschte. Da wurde der linken Punkband „Feine Sahne Fischfilet“ deutlich mehr Platz gewidmet als dem NSU, obwohl dieser in Rostock Mehmet Turgut umbrachte und in Stralsund Banken überfiel. Auch das Vorwort, das dem Verfassungsschutz dazu dient seine eigene Legitimation darzustellen, wurde erweitert. Böse Zungen behaupteten, offenbar habe man neben der Aktenschredderei doch noch mitbekommen, dass die eigene Behörde derzeit ein Imageproblem hat. Doch das war nicht alles. Im Gegensatz zu früheren Berichten wurden erstmals auch linke und zivilgesellschaftliche Örtlichkeiten benannt. Wer den Bericht in der alten Version lesen durfte, konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass dort lediglich Halbsätze mit den Namen der Örtlichkeiten in ansonsten weitgehend unveränderte Passagen über politische Gruppen eingefügt wurden. Damit verfolgte der Verfassungsschutz eine neue Strategie, denn nicht die Trägervereine wurden benannt, sondern nur deren Räumlichkeiten. Wohl um Fehler von VS-Ämtern in anderen Bundesländern nicht zu wiederholen, verlegten sich die mecklenburgischen Schlapphüte darauf in einem juristisch bisher nicht geklärten Bereich zu agieren. Mit der Nennung eines Vereins aus Neuruppin hatte sich beispielsweise der brandenburgische Verfassungsschutz auf juristisches Glatteis gewagt und sich prompt auf die Nase gelegt. Der Verein musste nach einer Gerichtsentscheidung aus dem Bericht gestrichen werden.

Doch die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Schwerin folgte der Argumentation von Rechtsanwalt Peer Stolle und erkannte, dass die Sanktionswirkung der Nennung im Bericht auch auf den Träger der Räumlichkeit ausstrahlt, selbst wenn dieser nicht explizit genannt wird. Der Berliner Anwalt vertritt neben den drei Klägern auch Feine Sahne Fischfilet. In einer Pressemitteilung sagte er: "Das Verwaltungsgericht hat uns vollumfänglich Recht gegeben. Die Entscheidung verdeutlicht nochmal, dass auch der Verfassungschutz in seiner Arbeit an Recht und Gesetz gebunden ist. Der Versuch, wertvolle und unverzichtbare zivilgesellschaftliche Arbeit von Jugendprojekten in M-V zu diskreditieren, ist gescheitert". Die ebenfalls am Verwaltungsgericht in Schwerin anhängige Klage der Band Feine Sahne Fischfilet ist noch nicht entschieden. Wann mit einem Ergebnis zu rechnen sein wird, ist unklar. Vera Wendt, Sprecherin des Awiro e.V. sagte gegenüber KomFort: „Klar ist bei uns die Freude gerade groß. Trotzdem ist es ärgerlich, dass wir überhaupt Zeit und Energie in diese Auseinandersetzung investieren mussten. Das ein Bericht des Innenministeriums erst juristisch korrigiert werden muss, finden wir sehr bedenklich. Das Verfahren von Feine Sahne ist noch nicht entschieden, aber wir drücken in jedem Fall die Daumen!“. Ähnlich äußerte sich auch ein Vertreter des Peter-Weiß-Hauses.

Doch es bleibt ein Skandal: Während im Land die Verstrickungen von NPD und Neonaziszene in den NSU-Skandal nachwievor nicht – und vom Verfassungsschutz schon gar nicht – aufgeklärt werden, hat selbiger nichts besseres zu tun, als Projekte und Einrichtungen der Zivilgesellschaft zu diffamieren. Mit dem Verfassungsschutzbericht wird dem Geheimdienst dabei ein Instrument an die Hand gegeben, mit dem dieser indirekt gegen missliebige Vereine zur Tat schreiten kann. Auf Kooperationspartner, Veranstalter oder Spender kann eine Nennung eines Vereins im VS-Bericht abschreckend wirken. Damit können Betroffene unter Umständen in eine existenzbedrohende Situation gebracht werden.

Dass das mecklenburgische Innenministerium ausgerechnet jetzt die Daumenschrauben anzieht, ist kein Zufall. Beinahe sämtliche Sicherheitsbehörden stehen bundesweit in der Kritik bei der Aufklärung und Verfolgung der Neonazi-Gruppe versagt, wenn nicht sogar selbst rassistische Ermittlungsansätze verfolgt zu haben. So etwas passt nicht zu der postulierten 'Extremismustheorie', nach der „linker“ und „rechter“ „Extremismus“ irgendwie zwei Seiten der selben Medaille sein sollen, während die gute Mitte frei von allen „undemokratischen“ Gedanken sei. Es müssen demzufolge gefährliche Linksextreme her, damit alles in der Balance bleibt. Offenbar in Ermangelung ausreichend gefährlicher linker Elemente in M-V, verlegten sich die „Verfassungsschützer“ darauf zivilgesellschaftliche und linke Räume zu verunglimpfen.

Die kommenden Wochen werden zeigen, ob die Auseinandersetzung endgültig ein glückliches Ende finden wird. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Innerhalb der nächsten Wochen kann das Innenministerium Beschwerde einlegen. In der Zwischenzeit hoffen wir das Beste schließen wir uns den guten Wünschen in Richtung Feine Sahne Fischfilets an.


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Ach Du Scheisse — Wenn Ihr meint ...

@wenn ihr meint — Joa, meine ich

VS-Macht — Mielke