Europol gegen das "No Border-Netzwerk"

ooc 18.04.2012 10:17 Themen: Repression
Laut einem Pro­to­koll der EU-​Rats­ar­beits­grup­pe „Ter­ro­ris­mus“ or­ga­ni­siert die eu­ro­päi­sche Po­li­zeia­gen­tur EU­RO­POL am 24./25. April 2012 in Den Haag eine Kon­fe­renz zu An­ar­chis­mus. Neben einem Re­fe­rat der ita­lie­ni­schen De­le­ga­ti­on über Ak­ti­vi­tä­ten der „Fe­dera­zio­ne An­archi­ca In­for­ma­le“ (F.A.I.) soll die Kon­fe­renz laut Me­dien­be­rich­ten auch Ak­ti­vi­tä­ten gegen „Schie­nen­netz­wer­ke“ und das „No Bor­der-​Netz­werk“ be­han­deln.
„Schie­nen­netz­wer­ke“? WTF?!

Ganz im Stile eu­ro­päi­scher Po­li­tik bleibt der tat­säch­li­che In­halt und die In­ten­ti­on der Ver­an­stal­ter im Dun­keln. Un­klar ist zum Bei­spiel, was mit dem Be­griff „Schie­nen­netz­wer­ke“ ge­meint ist: Nahe lie­gen die Pro­tes­te gegen das „Schie­nen­netz­werk“ Stutt­gart 21 eben­so wie gegen die Hoch­ge­schwin­dig­keits­ver­bin­dung „Treno ad Alta Ve­lo­cità“ (TAV) von Turin ins fran­zö­si­sche Lyon. Gegen beide Pro­jek­te leis­tet die ört­li­che Be­völ­ke­rung mas­si­ven Wi­der­stand, der selbst­ver­ständ­lich auch aus un­ter­schied­li­chen lin­ken Be­we­gun­gen Ita­li­ens und Deutsch­lands ge­tra­gen wird. Die Bun­des­re­gie­rung spricht in die­sem Zu­sam­men­hang von „Links­ex­tre­mis­mus/-​ter­ro­ris­mus“ und des­sen an­geb­li­chen „An­grif­fe[n] auf Zug­trans­por­te“.
Es ist zu ver­mu­ten, dass die Kon­fe­renz von EU­RO­POL den le­gi­ti­men Wi­der­stand gegen sinn­lo­se Groß­pro­jek­te oder ge­fähr­li­che Tech­no­lo­gi­en in den Fokus kon­ser­va­ti­ver Si­cher­heits­fa­na­ti­ker rü­cken soll. Dies würde zur Po­li­tik der Re­gie­run­gen und ihrer Po­li­zei­en pas­sen, die immer wie­der be­haup­ten, De­mons­tran­t_in­nen wür­den Tote in Kauf neh­men und seien als „ter­ro­ris­tisch“ ein­zu­stu­fen. Dem­ge­gen­über sind es immer wie­der sie selbst, die bei De­mons­tra­tio­nen mit Waf­fen­ge­walt und Ter­ror­me­tho­den das Leben von en­ga­gier­ten Men­schen ge­fähr­den. Jüngs­te Bei­spie­le sind der No-​TAV-​Ak­ti­vist „Luca“, der durch eine Ak­ti­on der Po­li­zei le­bens­be­droh­lich aus gro­ßer Höhe ab­stürz­te oder der junge Mann, der beim spa­ni­schen Ge­ne­ral­streik gegen die ka­pi­ta­lis­ti­sche Kri­sen­po­li­tik von den Bul­len ein Gum­mi­ge­schoss in den Kopf ge­jagt bekam.

„96 An­ar­chis­ten“ und das „No Bor­der-​Netz­werk“

Laut Bun­des­re­gie­rung sol­len zudem Ak­ti­vi­tä­ten des „No Bor­der-​Netz­werks“ bei der Ta­gung the­ma­ti­siert wer­den. Auch hier ist un­klar, was das be­deu­ten soll. Seit den frü­hen 90er Jah­ren or­ga­ni­sie­ren mi­gra­ti­ons­so­li­da­ri­sche Grup­pen re­gel­mä­ßig grenz­über­schrei­ten­de De­mons­tra­tio­nen, Camps oder Kam­pa­gnen. Für die­ses Jahr wol­len sie unter dem Motto „Boats for peop­le“ mit Schif­fen auf dem Mit­tel­meer Prä­senz zei­gen und dort gegen die men­schen­ver­ach­ten­de und oft töd­li­che Ge­walt der EU-​Grenz­schutz­agen­tur FRON­TEX de­mons­trie­ren.

Wo­mög­lich sind aber die Vor­komm­nis­se auf dem Grenz­camp 2010 in Brüs­sel ge­meint: Die bel­gi­sche Po­li­zei woll­te in einer bei­spiel­lo­sen Ak­ti­on ver­hin­dern, dass Men­schen aus dem Camp an einer in­ter­na­tio­na­len Ge­werk­schafts­de­mons­tra­ti­on teil­neh­men. Ge­hol­fen hatte dabei ver­mut­lich der spä­ter ent­tarn­te Po­li­zei­spit­zel Simon Brom­ma, der seine „Er­kennt­nis­se“ täg­lich an das LKA in Stutt­gart wei­ter­gab. Wo­mög­lich ge­lang­ten dar­auf­hin ver­fälsch­te In­for­ma­tio­nen an die bel­gi­schen Be­hör­den, die schließ­lich zur Fest­nah­me von „96 An­ar­chis­ten“ führ­ten. Der­art ver­mel­de­te es da­mals ein Po­li­zei­spre­cher ohne An­ga­be von Grün­den. Weder führ­ten die Ak­ti­vis­t_in­nen „ver­bo­te­ne Ge­gen­stän­de“ mit, noch nah­men sie „straf­recht­lich re­le­van­te Hand­lun­gen“ vor. Es liegt also nahe, dass die Fest­nah­men nur wegen einer „an­ar­chis­ti­schen“ Ge­sin­nung vor­ge­nom­men wur­den.

„Eu­ro-​An­ar­chis­ten“

Auch das BKA setzt lin­ken Ak­ti­vis­mus mit einem an­geb­li­chen mi­li­tan­ten „An­ar­chis­mus“ gleich. Im Ja­nu­ar letz­ten Jah­res war des­sen Chef Jörg Ziercke vom In­nen­aus­schuss des Bun­des­ta­ges be­fragt wor­den, wozu seine Be­hör­de mit Groß­bri­tan­ni­en aus­gie­big ver­deck­te Er­mitt­ler tauscht. Ziercke hatte zur Be­grün­dung der staat­li­chen Un­ter­wan­de­rung des G8-​Gip­fels 2007 und NA­TO-​Gip­fels 2009 eine an­geb­li­che „Eu­ro­päi­sie­rung der An­ar­cho­sze­ne“ aus Grie­chen­land, Spa­ni­en, Groß­bri­tan­ni­en, Frank­reich, Dä­ne­mark und Deutsch­land an­ge­führt. Er be­grün­de­tet au­ßer­dem die in Hei­li­gen­damm ein­ge­setz­ten bri­ti­schen Spit­zel mit dem Vor­ge­hen gegen „Eu­r­o­an­ar­chis­ten, mi­li­tan­te Links­ex­tre­mis­ten und –ter­ro­ris­ten“. Der Be­griff „Eu­ro-​An­ar­chis­ten“ war bis dahin im deut­schen Sprach­raum nicht ge­bräuch­lich. Mitt­ler­wei­le wird sogar der eher li­be­ral-​bür­ger­li­chen Pi­ra­ten­par­tei eine „An­griffs­hal­tung ge­gen­über dem Staat“ at­tes­tiert und deren Kon­zep­ti­on ver­meint­lich als „an­ar­chis­tisch“ be­zeich­net.

„Or­ga­ni­sier­te Kri­mi­na­li­tät“ und „Ter­ro­ris­mus“

Auch der EU-​Ge­heim­dienst Sit­Cen be­schäf­tigt sich mit dem „Phä­no­men ’An­ar­chis­mus’“. Im Ok­to­ber hatte der Dienst ein „Si­tua­ti­on As­sess­ment“ er­stellt, für das auch das deut­sche Bun­des­amt für Ver­fas­sungs­schutz einen Bei­trag lie­fer­te. Bei EU­RO­POL selbst wer­den ein­lau­fen­de Er­kennt­nis­se im jähr­li­chen „Ter­ro­rism Si­tua­ti­on and Trend Re­port“ ver­öf­fent­licht. Zu den von „an­ar­chist ex­tre­mists“ un­ter­stütz­ten The­men zäh­len dem­nach „an­ti-​ca­pi­ta­lism, an­ti-​mi­li­ta­rism, an­ti-​fa­scism and the ’No Bor­ders’ cam­paign“. In­for­ma­tio­nen seien aus Deutsch­land, Schwe­den, der Tsche­chi­schen Re­pu­blik und Groß­bri­tan­ni­en an­ge­lie­fert wor­den.

Erst kürz­lich wurde of­fen­kun­dig, dass EU­RO­POL auch grenz­über­schrei­ten­de In­itia­ti­ven von Um­welt-​ und Tier­rechts­ak­ti­vis­t_in­nen be­ob­ach­tet. Auf Grund­la­ge die­ser „Er­kennt­nis­se“ or­ga­ni­siert die Po­li­zeia­gen­tur re­gel­mä­ßi­ge Kon­fe­ren­zen zu so ge­nann­ten „Tier­rechts­ex­tre­mis­mus”.

Die Be­ob­ach­tun­gen zu „Ter­ro­ris­mus“ und „Ex­tre­mis­mus“ wer­den bei EU­RO­POL in der weit­ge­hen­den Ana­ly­se­ar­beits­da­tei (AWF) „Dol­phin“ ab­ge­legt, die teil­wei­se re­gel­rech­te Dos­siers über Per­so­nen, Ob­jek­te oder Tat­her­gän­ge ent­hal­ten kann. Laut Bun­des­re­gie­rung fin­det das Tref­fen zu „An­ar­chis­mus“ am 25.​04. im Rah­men einer Ein­la­dung an die 20 Mit­glieds­staa­ten der AWF „Dol­phin“ statt. Nicht nur durch die Lis­tung in den „Dol­phin“-​Dos­siers wer­den po­li­ti­sche Ak­ti­vis­t_in­nen kri­mi­na­li­siert. Im Mai sol­len die zahl­rei­chen AWFs neu struk­tu­riert und fort­an unter den bei­den Schlag­wor­ten „Or­ga­ni­sier­te Kri­mi­na­li­tät“ und „Ter­ro­ris­mus“ ge­führt wer­den.

Wenn An­woh­ner_in­nen und An­ar­chis­t_in­nen zum „Stand­or­t­ri­si­ko” wer­den

„An­ar­chis­mus“ oder ver­meint­li­che „Eu­ro-​An­ar­chis­ten“ wer­den zum Sam­mel­be­griff von po­li­tisch un­lieb­sa­mem in­ter­na­tio­na­len, lin­ken En­ga­ge­ment. An­ar­chis­mus ist indes eine po­li­ti­sche Ein­stel­lung, die Herr­schaft von Men­schen über Men­schen und jede Art von Hier­ar­chie als Form der Un­ter­drü­ckung von in­di­vi­du­el­ler und kol­lek­ti­ver Frei­heit ab­lehnt. Eine sol­che auf Frei­heit, Selbst­be­stim­mung, Gleich­be­rech­ti­gung sowie Selbst­ver­wirk­li­chung der In­di­vi­du­en set­zen­de und einen so­li­da­ri­schen Um­gang der Men­schen mit­ein­an­der ein­for­dern­de Hal­tung müss­te bei einem frei­heit­li­chen Pro­jekt, das die EU ja an­geb­lich sein soll, ei­gent­lich auf Re­spekt sto­ßen.

Die Kri­mi­na­li­sie­rung des le­gi­ti­men Wi­der­stands gegen „Schie­nen­netz­wer­ke” oder „Zug­trans­por­te”, die mör­de­ri­schen Ak­ti­vi­tä­ten von FRON­TEX sowie die ideo­lo­gisch-​mo­ti­vier­te Dif­fa­mie­rung des An­ar­chis­mus an­sich, macht uns wü­tend und zor­nig. Dass in Ber­lin ein In­nen­se­na­tor wie­der ein­mal ver­sucht, den Pro­test von An­woh­ner_in­nen gegen stei­gen­de Mie­ten (z.B. vor Kur­zem in Ge­stalt des BMW Gug­gen­heim Labs) zu kri­mi­na­li­sie­ren, in dem er bei­spiels­wei­se von „Lin­ken Chao­ten” und einem an­geb­li­chen „Stand­or­t­ri­si­ko” spricht, ist ein wei­te­rer Beleg für die Angst der Re­gie­ren­den vor dem er­folg­rei­chen Wi­der­stand der Re­gier­ten.

Daher wol­len wir am 25. April gegen 17 Uhr zur BKA-​Au­ßen­stel­le in Ber­lin-​Trep­tow zie­hen, um un­se­ren Unmut über EU­RO­POLs „An­ar­chis­mus“-​Kon­fe­renz, den all­täg­li­chen Ras­sis­mus in Eu­ro­pa und die Gleich­set­zung von An­ar­chis­mus bzw. lin­kem Ak­ti­vis­mus mit „Ter­ro­ris­mus“ deut­lich zu zei­gen. Au­ßer­dem bie­tet es die ge­wähl­te Route an, auch die Wi­der­wer­tig­kei­ten ka­pi­ta­lis­ti­scher Stadt­um­struk­tu­rie­rung sowie die Ein­schüch­te­rungs­ver­su­che der Ber­li­ner Re­pres­si­ons­be­hör­den im Vor­feld des 1. Mai zu adres­sie­ren.

Kri­mi­nell ist das Sys­tem – nicht der Wi­der­stand!

Un­se­re „In­to­le­ranz” gegen ihre Un­ter­drü­ckung — für mehr Stand­or­t­ri­si­ken!

Out of Con­trol Ber­lin

De­mons­tra­ti­on | 25.4. | 17 Uhr | U-Bhf Schle­si­sches Tor | Ber­lin-​Kreuz­berg

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Ergänzungen

Vormerken!

No Borders 18.04.2012 - 17:26
13. – 22. Juli 2012 im Raum Köln/Düsseldorf:
No Border Camp (  http://noborder.antira.info/ )

Hunderte Flüchtlinge in Italien verschwunden!

Anarchie statt Xaos 18.04.2012 - 22:34
DIE MAFIA IST NICHT NUR DER HAUPTPROFITEUR VON TOTALER AUSBEUTUNG DER WANDERARBEITER_INNEN, SONDERN STECKT MIT 35% IN ALLEN INVESTITIONEN DES IMPERIALISTISCHEN BASTARDS GABRIEL MERKEL REICH DRINNEN!

Hauptgeldgeber und ein schneller Retter des Kapitals nach der Lehmankrise in 2008 war die korsische Mafia...

Eventuell läßt sich etwas Bündnisarbeit mit anderen Menschenrechtler_rinnen machen, auf folgender Seite sind auch irgendwo Berichte über ein paar hundert verschwundene tunesische Flüchtlinge, die von ihren Verwandten noch auf Fernsehbildern nach der Landung auf Lampedusa gesehen wurden. Da sie sich auch nie telefonisch gemeldet haben, ist davon auszugehen, daß sie in irgendeinem Sklavenlager der Camorra fest gehalten werden.
 http://www.borderline-europe.de/
Nebenbei; checkt mal bitte die Wildcat nach Pflückerstreiks, das scheint wohl der Grund zu sein, daß es z.z. in manchen deutschen Supermärkten ein Nachschubproblem mit Dosentomaten gibt. Hier ist ein Bericht über einen Streik aus dem letzten Jahr:
 http://www.wildcat-www.de/aktuell/a091_it_nardo_fine.html

SOLIDARITÄT

SPREAD THE GREEK DISEASE

Aganaktizmenoi 18.04.2012 - 22:55
Bürgermeister diffamiert Dorfbewohner_innen als die üblichen "ausländische Anarchisten" und muß mit ansehen, wie sein Auto umgekippt und gegrillt wird.

Nachdem der kanadische Goldförderungskonzern 100 Arbeitslose als Söldner eingekauft hatte, kam es tagelang zu heftigen Zusammenstößen im Norden der Halbinsel Chalkidiki (bei Saloniki), die Herz erwärmend an die 3 Monate täglichen Strassenschlachten im attischen Keratea (2010/11) und die militanten Kämpfe gegen Mülldeponien auf Korfu (mehrere Tote) und in Grammatiko erinnern.

Auseinandersetzungen mit u.a. Mollis
auf der Chalkidiki 16.04.2012 - 14:04
Aufgrund der Proteste gegen Umweltzerstörung durch die Goldminen kam es zu Zusammenstössen und das Auto des Bürgermeisters brannte:
 http://translate.google.co.uk/translate?hl=el&sl=el&tl=de&u=http%3A%2F%2Fanarchypress.wordpress.com%2F

Easter Molotov Party in Neos Kosmos/Athens

My AK 74 is rusty 18.04.2012 - 23:48